Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 13.07.2000

LSG Berlin und Brandenburg: commotio cerebri, contusio cerebri, klinik, bad, kopfschmerzen, leistungsfähigkeit, ambulante behandlung, innere medizin, stationäre behandlung, unfallversicherung

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 13.07.2000 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 67 U 188/95
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 3 U 42/98
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Mai 1998 wird zurückgewiesen. Kosten
sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von Verletztenrente auf Dauer wegen der Folgen eines am 3. Juli
1992 erlittenen Unfalls.
Der am 11. Juli 1964 geborene Kläger hatte zunächst den Beruf eines Kfz-Mechanikers und -Elektrikers erlernt, ab
April 1991 studierte er an der T. (TFH) Verfahrens- und Umwelttechnik. Am Freitag, dem 3. Juli 1992 gegen 14.45 Uhr
erlitt er auf dem Weg von der TFH zu seiner damaligen Wohnung in der St. straße 70 in B. -W. einen Unfall. Beim
Befahren der K. straße in Richtung W. straße mit dem Fahrrad stieß er mit dem Kopf gegen einen schräg parkenden
LKW-Anhänger und stürzte auf die Fahrbahn. Ein Rettungswagen der B. Feuerwehr brachte ihn in das J. Krankenhaus
B. , wo er sich bis zum 15. Juli 1992 in stationärer Behandlung befand. Dort wurden nach dem Entlassungsbericht
vom 29. Juli 1992 eine "contusio cerebri, eine Schädelkalottenfraktur links temporal, ein kleines subdurales bzw.
subarachnoidales Hämatom mit einem leichtgradigen Hirnödem" diagnostiziert und konservativ behandelt. Die weitere
ambulante Behandlung erfolgte durch den Facharzt für Innere Medizin Dr. med. F. wegen der vom Kläger geklagten
andauernden Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Beeinträchtigung des Geschmacks- und Geruchsempfindens
und Minderung der Arbeitsfähigkeit. Vom 15. Februar bis 6. Mai 1993 befand sich der Kläger in einer stationären
Heilbehandlung in der Neurologischen Klinik W. in Bad W. die beim Abschluss der Behandlung im Hinblick auf eine
psychogene Komponente der Beschwerden die Durchführung einer ambulanten Psychotherapie empfahl.
Auf die Unfallanzeige der Techniker Krankenkasse (TKK), eingegangen bei der Beklagten am 28. Juli 1992, nahm
diese ihre Ermittlungen auf und zog die Krankenakte des J. Krankenhauses in Kopie bei. Nach der Epikrise vom 29.
Juli 1992 zeigte sich der Kläger bei der Aufnahme in der Ambulanz des J. Krankenhauses ansprechbar, jedoch sehr
unruhig und es bestand eine retrograde Amnesie. Weiterhin holte die Beklagte einen Befund- und Behandlungsbericht
von Dr. F. vom 5. März 1993 ein und zog die Arztbriefe der Psychiatrischen und Neurologischen Klinik des
Universitätsklinikums R. -V. vom 16. Oktober 1992 und 9. Februar 1993 sowie die Zwischenberichte der
Neurologischen Klinik W. /Bad W. vom 24. Februar 1993 und 26. März 1993 und den Abschlussbericht vom 13. Mai
1993 bei. Im Auftrag der Beklagten erstattete der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. H. am 7. Oktober 1993
ein nervenärztliches Gutachten nebst ergänzenden Stellungnahmen vom 18. November 1993 und 26. März 1994 und
der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. A. K. am 14. Februar 1994 ein neuroradiologisches Zusatzgutachten.
Nach Auswertung der im J. Krankenhaus gefertigten Röntgen- und CT-Aufnahmen sowie der cranialen
Magnetresonanztomographie (MRT) aus der Praxis Dr. T. vom 27. September 1993 kam Dr. K. zu dem Ergebnis,
dass sich der Kläger bei dem Unfall folgende Verletzungen zugezogen habe: 1. links temporale Fraktur der
Schädelkalotte; 2. laterale Fraktur der linken Frontobasis mit Frakturlinien im Bereich des Keilbeins und der
Keilbeinhöhle sowie konsekutivem Hämatosinus sphenoidalis; 3. Sprengung der Sutura Fronto-sphenoidalis bds.; 4.
Entwicklung eines flachen, vermutlich epidural gelegenen Hämatoms links temporal in direkter anatomischer
Beziehung zu der Frakturlinie ab dem 3. Tage nach dem Unfall. Weiter führte er aus, zu keinem Zeitpunkt seien
Hinweise auf eine kontusionsbedingte Schädigung des Hirnparenchyms objektivierbar gewesen; insbesondere hätten
sich keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines "Hirnödems" gewinnen lassen. Vielmehr hätten sich Anhaltspunkte
für das Vorliegen einer neurodegenerativen Erkrankung in Form von multiplen, beidseitig im Marklager gelegenen peri-
und paraventrikulären Entmarkungsherden gezeigt. Dr. H. führte in seinem Gutachten aus, es sei an Hand der
bildgebenden Verfahren ausgeschlossen, dass es bei dem Unfall zu einer morphologischen Schädigung des Gehirns
gekommen sei. Von daher lägen nur funktionelle Folgen vor, die nur vorübergehend anzuerkennen seien. Die
diskutierte neurodegenerative Schädigung habe nichts mit dem Unfallgeschehen zu tun, dieser Befund könne im
Übrigen ursächlich für den subjektiven Leistungsverlust des Klägers (Konzentrationsbeeinträchtigung, spezifische
Einbrüche im Bereich des Umganges mit Zahlen und Mathematik) sein. Der Unfall selbst habe zu einem Schädel-Hirn-
Trauma II. bis III. Grades mit einem nachfolgenden Durchgangssyndrom geführt. Von der Wiederherstellung der
Arbeitsfähigkeit müsse nach Beendigung der Kur in Bad W. ausgegangen werden. Danach könne wegen der
funktionellen Beschwerden von einer vorübergehenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 30 v.H.
ausgegangen werden; eine dauerrentenberechtigende MdE liege jedoch nicht vor.
Mit Bescheid vom 1. März 1994 gewährte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 3. Juli 1992 bis 6. Mai 1993
Verletztengeld. Mit weiterem Bescheid vom 13. April 1994 bewilligte die Beklagte für die Zeit vom 7. Mai 1993 bis 30.
März 1994 eine zeitlich begrenzte Verletztenteilrente in Höhe von 30 v.H. der Vollrente. Zur Begründung führte sie
aus, nach den gehörten Gutachtern könnten ab dem Zeitpunkt der MRT-Erstellung in der Praxis Dr. T. am 27.
September 1993 keine rentenberechtigenden Unfallfolgen mehr festgestellt werden. Hiergegen erhob der Kläger
Widerspruch unter Hinweis auf die bei ihm seit dem Unfall bestehenden Beeinträchtigungen in Form von
Dauerkopfschmerzen, Leistungsverlust sowie Verlust des Geschmacks- und Geruchssinnes.
Zwischenzeitlich hatte die Beklagte eine neurologische Zusatzbegutachtung durch den Arzt für HNO-Heilkunde PD Dr.
med. A. veranlasst. Dr. A. führte in seinem Gutachten vom 7. Juli 1994 aus, bei der Untersuchung habe der Kläger
keine Geruchswahrnehmung für aromatische Stoffe und Trigeminus- Reizstoffe sowie keine
Geschmackswahrnehmung für süße, salzige und saure Lösungen im Zungen- und Mundbereich gezeigt. Der Ausfall
aller drei Qualitäten "Geruch, Trigeminus und Geschmack" sei jedoch sehr unwahrscheinlich und deute auf eine
andere als traumatische Ursache hin. Insbesondere sei der Ausfall der Wahrnehmung von Trigeminus-Reizstoffen
durch ein Schädel-Hirn-Trauma nicht zu erklären. Der Kläger habe bei der Untersuchung einen kooperativen und
korrekten Eindruck gemacht, letztendlich sei der Untersucher jedoch auf die subjektiven Angaben des Patienten bei
den Tests angewiesen, so dass eine Aggravation oder Simulation nicht ausgeschlossen werden könne. Auch sei eine
psychogene Komponente denkbar. Jedenfalls könne ein eindeutiger Unfallzusammenhang nicht bestätigt werden, so
dass auf seinem Fachgebiet eine MdE nicht vorliege. Daraufhin lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 26. Juli 1994
die Gewährung einer Verletztenrente auf Dauer ab und führte aus, der Bescheid sei nach § 86 Abs. 1
Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens geworden. Auch hiergegen wandte
sich der Kläger mit seinem Widerspruch und legte ein Attest seines behandelnden Internisten Dr. F. vom 13. Juli 1994
sowie den Entlassungsbericht der Psychosomatischen Klinik Bad B. vom 12. Oktober 1994 über die vom 17. August
bis 14. September 1994 durchgeführte stationäre Behandlung vor. Er trug vor, mangels entsprechender
Vorerkrankungen seien sowohl die Intensität des Verlustes des Geruchs- und Geschmackssinnes wie auch die
therapieresistenten Kopfschmerzen und die daraus resultierenden Leistungseinbußen auf den Unfall zurückzuführen.
Im Übrigen sei der der Rentenberechnung zu Grunde gelegte Jahresarbeitsverdienst zu niedrig bemessen. Seine
abgeschlossene Berufsausbildung als Automechaniker sei der Bewertung zu Grunde zu legen.
Nach Einholung einer weiteren gutachtlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 26. Dezember 1994 wies die Beklagte
durch Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 1995 den Widerspruch gegen die Bescheide vom 13. April 1994 und 26.
Juli 1994 mit der Begründung zurück, eine rentenberechtigende MdE habe nur bis zum 27. September 1993
vorgelegen. Da sie - die Beklagte - davon erst durch das Gutachten vom 26. März 1994 erfahren habe, sei die
Verletztenrente bis zum 30. März 1994 gewährt worden. Unfallfolgen, die darüber hinaus eine rentenberechtigende
MdE begründen könnten, seien nicht nachgewiesen. Im Übrigen bestimme sich die Höhe der Verletztenrente nach §
575 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO), d.h. nach dem sogenannten Mindestjahresarbeitsverdienst, weil der
Kläger als Studierender neben monatlichen Leistungen aus dem BAFöG nur geringe Einnahmen aus seiner
Nebentätigkeit als Taxifahrer erzielt habe. § 573 RVO komme nicht zur Anwendung, da dem Kläger keine unbefristete
Rente zustehe.
Mit der am 10. März 1995 beim Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren auf
Gewährung einer Dauerrente weiter verfolgt. Er hat vorgetragen, durch die seiner Ansicht nach unfallbedingten
Leistungseinschränkungen habe sich seine Studienleistung erheblich verschlechtert, insbesondere habe sich die
Studienzeit dadurch verlängert. Der seit dem Unfall bestehende Dauerkopfschmerz sei trotz zwischenzeitlicher
Schmerztherapien eine erhebliche Belastung für ihn. Schon auf Grund der Kopfschmerzen sei eine MdE von
mindestens 30 v.H. angemessen. Auch werde der Verlust des Riech- und Geschmacksvermögens nicht ausreichend
berücksichtigt. Im Übrigen sei er bis zum 11. März 1991 als Kfz-Mechaniker und -Elektriker tätig gewesen. Vor dem
Unfall sei er zu außergewöhnlichen Leistungen fähig gewesen, durch den Unfall sei seine Leistungsfähigkeit
durchschnittlich geworden. Dies stelle eine gravierende Beeinträchtigung dar. Auch sei er nicht in der Lage, zwischen
Vorder- und Hintergrundinformationen bzw. -geräuschen zu differenzieren.
Das SG hat zunächst von Amts wegen ein neurologisch-psychiatrisches Zusammenhangsgutachten von dem Arzt für
Neurologie und Psychiatrie Dr. med. G. Bu. vom 26. März 1996 eingeholt. Dr. Bu. hat nach Untersuchung des Klägers
sowie Auswertung einer von ihm veranlassten neuropsychologischen Zusatzuntersuchung durch den Diplom-
Psychologen N. und der ihm vorgelegten medizinischen Unterlagen ausgeführt, die durchgeführten Tests zeigten
keinerlei Hinweise auf eine organisch bedingte Leistungsschwäche sowie keine Störungen im
Aufmerksamkeitsbereich und in der kognitiven Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit. Weder
computertomopraphisch noch im später abgeleiteten Kernspintomogramm des Klägers hätten kontusionsbedingte
Hirnsubstanzläsionen nachgewiesen werden können. Auch für die im Kernspintomogramm beschriebenen
Veränderungen, die auf neurodegenerative Veränderungen hindeuten würden, finde sich klinisch kein Korrelat. Als
posttraumatisch bedingt seien demnach die Kopfschmerzen und der Verlust des Geruchs- und
Geschmacksempfindens anzusehen. Die daraus resultierende unfallbedingte MdE werde für die Zeit ab 1. April 1994
auf 15 v.H. eingeschätzt.
Auf Antrag des Klägers hat das SG nach § 109 SGG ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten von
dem Chefarzt der Neurologischen Klinik W. /Bad W. , dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. W. P. vom
23. Juni 1997 eingeholt. Dr. P. hat in seinem Gutachten ausgeführt, die bei der Untersuchung durchgeführten
Testverfahren hätten eindeutig deutliche Einbußen der kognitiven Fähigkeiten unter Belastungsbedingungen belegt.
Diese Ergebnisse seien vergleichbar mit den Ergebnissen aus dem Jahre 1993 während der stationären Behandlung in
der Neurologischen Klinik W ... Dagegen hätte bei den ambulant durchgeführten psychologischen Testverfahren nicht
im erforderlichen Umfang die Belastungssituation, wie sie im Rahmen des Alltags bzw. bei Erwerbstätigkeit zu
unterstellen sei, simuliert werden können. Die beigebrachten kernspintomopraphischen Bilder ergäben jedoch keine
Hinweise auf posttraumatische Veränderungen, eher bestehe der dringende Verdacht auf chronisch-entzündliche ZNS-
Veränderungen wie z.B. bei einer Encephalomyelitis disseminata. Die ebenfalls festgestellte Kombination von
Störungen mit Ausfall von Geruchsnerven, des Nervus Trigeminus und von Geschmacksnerven sei ungewöhnlich und
auch durch die bekannten Frakturen und Hirnschädigungsfolgen nur teilweise erklärbar. Die ausführliche biographische
Exploration habe keine schwerwiegenden Belastungen der früheren Kindheit, die eine psychosomatische Erkrankung
im engen Sinne begründen könnte, erbracht. Jedoch sei die persistierende Schmerzsymptomatik des geklagten
Ausmaßes nach Schädel-Hirn-Trauma ungewöhnlich, sie könne jedoch wie im Falle des Klägers bei bestehenden
kognitiven Beeinträchtigungen und andererseits bestehenden hohen eigenen Leistungsanforderungen akzentuiert
werden. Als Folgen des Unfalles seien anzusehen: Störungen des Geruchs- und Geschmackssinnes,
belastungsabhängige Beeinträchtigungen der geistigen Leistungsfähigkeit und Kopfschmerzen. Die kognitiven
Einbußen könnten durchaus ohne kernspintomographisch nachweisbares Korrelat bestehen. Falls sich im weiteren
Verlauf eine Verschlechterung der jetzt nachgewiesenen Störungen ergeben sollte, wäre die dringlich vermutete
Begleiterkrankung - chronisch-entzündlicher Prozess des ZNS - eher dafür verantwortlich zu machen. Die
unfallbedingte MdE werde für die Zeit ab 1. April 1994 mit 50 v.H. eingeschätzt.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 13. April 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 1995
zu ändern und die Beklagten zu verurteilen, Verletztenrente über den 30. März 1994 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat unter Vorlage einer weiteren Stellungnahme des Nervenarztes Dr. H. vom 10. September 1997 geltend
gemacht, weder Dr. Bu. noch Dr. P. hätten den von ihnen bejahten Kausalzusammenhang zwischen dem
vollständigen Geruchs- und Geschmacksverlust und dem Unfall begründen können. Auch habe Dr. P. nicht dargelegt,
warum die kognitiven Leistungseinbußen des Klägers trotz fehlender posttraumatischer Hirnschäden auf den Unfall
und nicht die ebenfalls von ihm festgestellten degenerativen ZNS-Veränderungen zurückzuführen seien.
Das SG hat durch Urteil vom 13. Mai 1998 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger
stehe ein Anspruch auf Weitergewährung von Verletztenrente nicht zu, weil eine rentenberechtigende MdE von
mindestens 20 v.H. nicht gegeben sei. Zwar sehe es die Kammer auf Grund des Gutachtens von Dr. Bu. als erwiesen
an, dass der Unfall vom 3. Juli 1992 einen kombinierten Geruchs- und Geschmacksverlust sowie posttraumatische
Kopfschmerzen hinterlassen habe. Weitere Unfallfolgen lägen jedoch nicht vor. Insoweit folge die Kammer den
überzeugenden Ausführungen von Dr. Bu. die sich im Wesentlichen mit den Feststellungen von Dr. H. im
Verwaltungsverfahren decken würden. Hinsichtlich der von Dr. P. beschriebenen belastungsabhängigen
Beeinträchtigungen der geistigen Leistungsfähigkeit fehle es an einer überzeugenden Begründung bezüglich der
Verursachung durch den Unfall. Im Übrigen habe die neuropsychologische Untersuchung von Dr. Bu. ergeben, dass
keine weiteren Ausfälle im Aufmerksamkeitsbereich und in der kognitiven Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit
vorlägen. Dem entspreche auch, dass der Kläger nach dem Unfall weiter studiert und sein Studium erfolgreich
abgeschlossen habe.
Gegen das ihm am 11. Juni 1998 zugestellte Urteil richtet sich der Kläger mit seiner am 3. Juli 1998 beim
Landessozialgericht Berlin eingelegten Berufung. Unter Vorlage von schriftlichen Auskünften des Vizepräsidenten des
Schmerztherapeutischen Kolloquiums e.V. Dr. med. Th. N. vom 1. September 1998, des Leiters der Schmerzklinik K.
Prof. Dr. med. G. vom 10. August 1998 sowie des Uni.-Prof. Dr. Dr. med. L. von der Deutschen Gesellschaft zum
Studium des Schmerzes e.V. vom 5. August 1998 und Kopien weiterer medizinischer Literatur betreffend
Hirnschädigung und Kopfschmerzsymptomatik vertritt er die Auffassung, die bei ihm bestehende verminderte
Belastbarkeit bzw. verminderte kognitive Leistungsfähigkeit bestehe weiterhin fort. So habe er deswegen auch eine
Arbeitsstelle verloren. Schließlich seien die bei ihm bestehenden Beeinträchtigungen für traumatische Hirnläsionen
typisch, wie sich aus der vorgelegten Literatur ergebe. Im Übrigen seien die von Dr. Bu. und Dr. H. durchgeführten
Testverfahren schon wegen der Kürze nicht geeignet gewesen, seine Leistungsfähigkeit objektiv zu beurteilen. Zwar
habe das SG einen posttraumatischen Kopfschmerz als bestehend angesehen, gleichzeitig jedoch davon ausgehende
Beeinträchtigungen der geistigen Leistungsfähigkeit verneint. Dies sei ein eklatanter Widerspruch in sich und zur
herrschenden medizinischen Lehre bzw. den Ergebnissen der Schmerzforschung. Zum Nachweis hat der Kläger die
von ihm von 1994 bis 1998 geführten Schmerztagebücher sowie den Arztbrief des Leiters der Neurologischen Klinik
der Universität H. Prof. Dr. med. K. vom 15. November 1999 über die im Oktober 1999 durchgeführte ambulante
Untersuchung vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Mai 1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 1994
aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 13. April 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
13. Februar 1995 zu ändern sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Unfalles vom 3. Juli 1992
Verletztenteilrente in Höhe von 30 vom Hundert der Vollrente ab dem 1. April 1994 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sieht sich in ihrer Auffassung durch die im Berufungsverfahren erfolgte Beweisaufnahme bestätigt.
Der Senat hat zunächst die Original-Krankenakte des J. Krankenhauses sowie die Original-CT- und MRT-Aufnahmen
des Schädels des Klägers zum Verfahren beigezogen. Anschließend hat er durch Beweisanordnung der
Berichterstatterin vom 8. Februar 1999 den Chefarzt der Psychiatrischen Abteilung der Sch. -Klinik PD Dr. med. H.
St. mit der Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beauftragt. Prof. Dr. St. hat in seinem
Gutachten vom 1. Juli 1999 als beim Kläger auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet bestehende
Gesundheitsstörungen festgestellt: Schädelfraktur fronto-basal und temporal links mit epiduraler Blutung und
commotio cerebri; Psychoreaktive Fehlverarbeitung des Unfallereignisses mit chronischen Cephalgien und subjektiv
erlebten kognitiven Beeinträchtigungen bei einer Persönlichkeit mit narzisstischen und anankastischen Zügen;
Anosmie beidseits.
Er hat ausgeführt, in Übereinstimmung mit sämtlichen Vorgutachtern sei die Anosmie mit ausreichender
Wahrscheinlichkeit als organische Dauerfolge des Unfalls anzusehen. Dagegen seien die geklagten Kopfschmerzen
und die Einschränkungen im Hirnleistungsbereich nur vorübergehend als Unfallfolge anzuerkennen. Die
Verarbeitungsstörung des Unfalls gründe in der Persönlichkeit des Klägers und sei nicht als Unfallfolge zu werten. Es
liege aber auch keine eigenständige psychiatrische Erkrankung vor, die durch das Unfallereignis eine
richtungsweisende Verschlimmerung erfahren hätte.
Im Falle des Klägers sei im Hinblick auf die erlittene doppelte Schädelfraktur von einer stärkeren Gewalteinwirkung
auszugehen, auch habe der Kläger mit besonderen Problemen der Krankheitsverarbeitung zu kämpfen gehabt, so
dass mit Dr. H. eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bis zum Abschluss der stationären Behandlung in Bad W.
angenommen werden könne. Unter Zugrundlegung der Kriterien der gesetzlichen Unfallversicherung und der auch
durch den Studienplan nachgewiesenen gesteigerten Leistungsfähigkeit des Klägers sei nach Entlassung aus der
stationären Behandlung nur noch eine MdE von 30 v.H. zu rechtfertigen, über den 31. März 1994 hinaus sei eine
unfallbedingte MdE in rentenberechtigendem Grade nicht mehr begründbar. Ab diesem Zeitpunkt bestehe als
unfallbedingtes Leiden nur noch die Anosmie, die mit einer dauerhaften MdE in Höhe von 10 v.H. einzuschätzen sei.
Auf die Einwendungen des Klägers in den Schriftsätzen vom 21. Oktober 1999 und 30. November 1999 hat der
Sachverständige Prof. Dr. St. am 11. April 2000 unter detaillierter Auswertung der Krankenakte des J. Krankenhauses
ergänzend Stellung genommen.
Der Kläger hat hierzu weitere Einwendungen erhoben: Der gesamte Unfallverlauf habe keine Berücksichtigung
gefunden. So sei im Rahmen des polizeilichen Ermittlungsverfahren gegen einen möglicherweise beteiligten
Autofahrer festgestellt worden, dass er mit ca. 25 bis 30 km/h gegen den freistehenden LKW-Anhänger gefahren sei.
Dies entspreche einem Fall aus 3,5 m Höhe. Im Übrigen erscheine der Umgang des Sachverständigen Prof. Dr. St.
mit der Krankengeschichte des J. Krankenhauses als willkürlich. Daher bedürfe es eines weiteren Gutachtens zur
Auswertung der Krankenunterlagen des Jüdischen Krankenhauses. Auch sei der erstbehandelnde Arzt Dr. M. vom J.
Krankenhaus zum Zustand des Kläger direkt nach dem Unfall zu hören, zumal sich in dessen Arztbrief vom 29. Juli
1992 diverse falsche Darstellungen (Datenvertauschungen, Widersprüche zur Krankenakte) fänden.
Der Kläger beantragt weiterhin, 1. ein ergänzendes Gutachten zur Auswertung der Krankenunterlagen des J.
Krankenhauses einzuholen, 2. Beweis über die Dauer der Bewusstlosigkeit des Klägers zu erheben durch Zeugnis
des behandelnden Arztes des J. Krankenhauses Dr. M ...
Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte
sowie der 2 Bände umfassenden Verwaltungsakte und des beigezogenen Originalkrankenblattes des J.
Krankenhauses B. , die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§ 143 SGG), jedoch nicht
begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen
Rechten. Dem Kläger steht wegen der Folgen des Unfalls vom 3. Juli 1992 ein Anspruch auf Verletztenrente über den
31. März 1994 hinaus nicht zu.
Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage sind die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung
(RVO) über die gesetzliche Unfallversicherung. Die am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Vorschriften des Siebten
Sozialgesetzbuches (SGB VII) finden gemäß §§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII für vor dem 1. Januar 1997 eingetretene
Versicherungsfälle nur Anwendung, wenn Rentenleistungen erstmals nach In-Kraft-Treten des SGB VII festzusetzen
sind. Die vom Kläger begehrten Rentenleistungen wären, sofern der Anspruch bestanden hätte, schon vor dem 1.
Januar 1997, nämlich ab dem 1. April 1994, erstmals festzusetzen gewesen.
Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung werden gemäß § 547 RVO nach Eintritt eines Arbeitsunfalls
gewährt. Gemäß § 550 Abs. 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch ein Unfall, den ein Versicherter auf einem mit einer der
in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der
Tätigkeit erleidet. Verletztenrente wird gewährt, wenn die zu entschädigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)
über die 13. Woche hinaus andauert (§ 580 Abs. 1 RVO) und die Erwerbsfähigkeit um wenigstens ein Fünftel (20 v.H.)
gemindert ist (§ 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO). Erforderlich ist somit zunächst, dass ein Unfall vorliegt, d.h. ein von außen
her auf den Menschen einwirkendes körperlich schädigendes Ereignis. Weiter ist zur Gewährung von Leistungen aus
der gesetzlichen Unfallversicherung erforderlich, dass zwischen der unfallbringenden Tätigkeit und dem Unfallereignis
ein innerer ursächlicher Zusammenhang besteht. Dieser ursächliche Zusammenhang muss auch zwischen dem
Unfallereignis und der Gesundheitsschädigung bestehen. Nach dem in der Unfallversicherung geltenden Prinzip der
wesentlichen Mitverursachung ist nur diejenige Bedingung als ursächlich für einen Erfolg anzusehen, die im Verhältnis
zu anderen Umständen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat.
Dabei müssen das Unfallereignis und die Gesundheitsstörungen nachgewiesen sein, während es für die Feststellung
des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und der Gesundheitsstörung ausreicht, wenn eine
"Wahrscheinlichkeit" vorliegt, weil es im Regelfall nicht mit einer jeden Zweifel ausschließenden vollkommenen
Sicherheit möglich sein wird, die Kausalität nachzuweisen; die bloße Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs
genügt nicht (BSG in SozR 2200 § 581 Nr. 26). Ein Zusammenhang ist wahrscheinlich, wenn bei Abwägung der für
den Zusammenhang sprechenden Erwägungen diese so stark überwiegen, dass darauf die Überzeugung der
entscheidenden Stelle gegründet werden kann.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat zur der Auffassung gelangt, dass der Kläger am 3. Juli 1992
einen Arbeits- (Wege-)Unfall erlitten hat, bei dem es zu einer Schädelfraktur fronto-basal und temporal links mit
epiduraler Blutung und Commotio cerebri sowie einer Anosmie beidseits gekommen ist, die über den 31. März 1994
hinaus eine MdE in rentenberechtigendem Grade nicht mehr bedingen. Dagegen sind die vom Kläger weiterhin geltend
gemachten andauernden Kopfschmerzen und Einschränkungen im Hirnleistungsbereich nicht mit Wahrscheinlichkeit
Folgen des Unfallereignisses vom 3. Juli 1992. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den im Verwaltungs-
und Gerichtsverfahren gewonnenen medizinischen Erkenntnissen, insbesondere aus dem Sachverständigengutachten
des Prof. Dr. St. vom 1. Juli 1999 nebst ergänzender Stellungnahme vom 11. April 2000. Der Senat hat keine Zweifel,
dass die Feststellungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen Prof. Dr. St. in vollem Umfange zutreffen. Der
Sachverständige ist dem Senat seit vielen Jahren als überaus sorgfältiger und sachkundiger Gutachter bekannt.
Darüber hinaus ist sein Gutachten sachlich, schlüssig und frei von Widersprüchen. Der Sachverständige hat sich
äußerst sorgfältig mit den verschiedenen, zum Teil voneinander abweichenden Befunden der behandelnden und
begutachtenden Ärzte auseinandergesetzt und unter eingehender Abwägung der einzelnen Argumente begründete
Schlussfolgerungen gezogen. Er hat die von den behandelnden Ärzten des Klägers erhobenen Befunde nicht kritiklos
übernommen, sondern an Hand der vorhandenen Unterlagen und seiner medizinischen Erfahrungen einer kritischen
Würdigung unterzogen. Insbesondere in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11. April 2000 hat er sich unter
detaillierter Auswertung der in der Krankenakte des erstbehandelnden J. Krankenhauses dokumentierten Befunde mit
den Einwendungen des Klägers im Einzelnen auseinander gesetzt. Der Senat sah deshalb auch keine Veranlassung,
dem Beweisantrag des Klägers zu 1. zu folgen und ein ergänzendes Gutachten zur Auswertung der
Krankenunterlagen des J. Krankenhauses einzuholen. Denn der Sachverständige verfügt als Klinikarzt über
ausreichende berufliche Erfahrungen im Lesen und Auswerten von Krankenblättern.
Die beim Unfall erlittenen Schädelfrakturen nebst epiduralen Blutungen sind beim Kläger folgenlos ausgeheilt.
Verblieben ist - nach übereinstimmender Auffassung aller gehörten Gutachter und Sachverständigen - eine dauerhafte
Störung des Geruch- und Geschmacksinns (Anosmie beidseits). Dieser Zustand bedingt nach den Kriterien der
gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage
1998, S. 295) maximal eine MdE von 15 v.H ...
Die vom Kläger auch nach Abschluss der stationären Heilbehandlung in Bad W. als fortdauernd geschilderten
Beschwerden in Form von Dauerkopfschmerzen und Hirnleistungsbeeinträchtigungen können für die Zeit ab 1. April
1994 nicht mehr mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 3. Juli 1992 zurückgeführt werden. So fehlt es schon am
Nachweis einer objektivierbaren Ursache für die geklagte Beschwerdesymptomatik in Form einer
Hirnsubstanzschädigung. Zwar wird in den vorliegenden Arztbriefen bzw. Entlassungsberichten, wie z.B. als Diagnose
im Entlassungsbericht des J. Krankenhauses Berlin vom 29. Juli 1992, gelegentlich als unmittelbare Unfallfolge eine
Contusio cerebri (Gehirnquetschung) erwähnt. Diese Diagnose entspricht jedoch nicht den objektiven, in der
Krankenakte des J. Krankenhauses dokumentierten Befunden sowie den Befunden der bildgebenden Verfahren
späterer Kontrolluntersuchungen. Von einer Contusio, d.h. von einer Substanzschädigung des Gehirns, kann nur
ausgegangen werden, wenn neben einer länger als 1 bis 2 Stunden andauernden posttraumatischen
Bewusstseinsstörung cerebrale Herdsymptome wie Lähmungen oder epileptische Anfälle auftreten oder radiologische
Hirnsubstanzschäden nachweisbar sind oder Symptome einer traumatischen Psychose auftreten. Wie von dem
Sachverständigen Prof. Dr. St. ausführlich dargelegt, muss an Hand der in der Krankenakte des J. Krankenhauses
dokumentierten Befunde von einer initialen Bewusstlosigkeit des Klägers im Anschluss an das Unfallereignis
ausgegangen werden. Lediglich die Dauer der posttraumatischen Bewusstlosigkeit lässt sich nicht mehr exakt
bestimmen. So ist von dem aufnehmenden Arzt des J. Krankenhauses auf der Rückseite des Pflegebogens vom
Unfalltag notiert worden: "Patient war vorher bewusstlos (Zeitspanne nicht bekannt), von der Feuerwehr hierher
gefahren worden". Wegen der starken Unruhe des Klägers hat der aufnehmende Arzt diesen sedieren müssen, so
dass die Krankenschwester ihn tief schlafend angetroffen und "Nichtansprechbarkeit" festgestellt hat. Der Spätdienst
vom Aufnahmetag hat dann schriftlich festgehalten: "Patient um 17.00 Uhr von der Ambulanz übernommen ..., Patient
ist ansprechbar und nicht orientiert". Weiter ist vom Spätdienst mitgeteilt worden, dass der Kläger bradykard und sehr
unruhig sei und deshalb fixiert werden musste und weiterhin Dormicum-Perfusor erhalten habe. Diese Behandlung ist
bis zum Mittag des 5. Juli 1992 weiter geführt worden. Die Ruhigstellung durch das Medikament Dormicum-Perfusor
vermag zwar bei dem Kläger den Eindruck einer "zweitägigen Bewusstlosigkeit" hinterlassen haben, sie erklärt auch
die verminderte Reaktion des Klägers auf Ansprache durch den Pflegedienst und begründet zum Teil die Dauer der
Amnesie nach dem Unfallereignis, jedoch stellt sie keine posttraumatische Bewusstlosigkeit dar. Neurologische
Ausfallerscheinungen wie cerebrale Herdsymptome, epileptische Anfälle oder Lähmungen sowie Symptome einer
traumatischen Psychose sind in den Unterlagen des J. Krankenhauses nicht beschrieben und auch bei der
neurologischen Konsiliaruntersuchung am 7. Juli 1992 nicht gefunden worden. Eine morphologische Verletzung des
Hirngewebes ließ sich nach den übereinstimmenden Feststellungen aller Gutachter und Sachverständigen
radiologisch nicht nachweisen. Zwar wird in dem CT-Befund des J. Krankenhauses vom 6. Juli 1992 ein kleiner
Contre-coup-Herd mit geringen subarachnoidalen Einblutungen rechts temporo-occipital beschrieben sowie der
Verdacht auf ein diskretes diffuses Hirnödem geäußert. Jedoch haben sich bei der Kontrolluntersuchung vom 14. Juli
1992 keine Hinweise auf Subarachnoidal- und Kontusionsblutungen mehr gefunden, auch konnte ein Hirnödem nicht
bestätigt werden. Bereits Dr. K. hat in seinem neuroradiologischen Gutachten vom 14. Februar 1994 nach Auswertung
der Original-CT-Aufnahmen vom 3., 4., 6. und 14. Juli 1992 sowie der Röntgenaufnahmen vom 6. Juli 1992 und der
MRT-Aufnahmen vom 23. und 27. September 1993 darauf hingewiesen, dass zu keinem Zeitpunkt eine
kontusionsbedingte Schädigung des Hirnparenchyms objektivierbar gewesen ist und sich Anhaltspunkte für ein
Hirnödem aus den vorliegenden Aufnahmen nicht haben gewinnen lassen. Selbst Dr. P. hat auf Seite 19 seines
Sachverständigengutachtens dargelegt, dass die beigebrachten kernspintomographischen Bilder keine Hinweise auf
posttraumatische Veränderungen ergeben. Auch stellt die beim Kläger bestehende Störung des Geruch- und
Geschmacksinns, bedingt durch einen Abriss der Fäden des Geruchnervens, keine Verletzung der Hirnsubstanz
selbst dar.
Vielmehr kam es bei dem Unfall vom 3. Juli 1992 neben den ausgeheilten Frakturen und epiduralen Blutungen, wie
schon vom neurologischen Konsilianes des J. Krankenhauses festgestellt, zu einer Commotio cerebri
(Gehirnerschütterung), d.h. zu einer reversiblen Hirnfunktionsstörung. Bei der Gehirnerschütterung, die sowohl mit
einer retrograden als auch anterograden Amnesie, einer initialen Bewusstlosigkeit sowie mit verschiedenen
vegetativen Beschwerden (Durchgangssyndrom) wie Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerz, Schwindel oder
Kreislaufregulationsstörungen einhergeht, handelt es sich um eine Reizung der Großhirnrinde, die jedoch stets
reversibel ist. Demzufolge besteht Arbeitsunfähigkeit wegen des Durchgangssyndroms in der Regel für vier bis sechs
Wochen, bei schweren Formen und starken subjektiven Beschwerden kann eine abgestufte MdE für einen Zeitraum
von ein bis zwei Jahren gerechtfertigt sein. Die beim Kläger nach dem Unfall zunächst in ausgeprägter Form
bestehenden vegetativen Beschwerden (Durchgangssyndrom) sind in Folge der stationären und ambulanten
Behandlung sukzessive abgeklungen, so dass nach den überzeugenden, in Übereinstimmung mit den Vorgutachtern
Dr. H. und Dr. Bu. stehenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. St. spätestens mit Abschluss der
Heilbehandlung in der Neurologischen Klinik W. in Bad W. Anfang Mai 1993 die Arbeitsfähigkeit des Klägers wieder
hergestellt war und nur für einen vorübergehenden Zeitraum bis maximal Ende März 1994 noch eine - unfallbedingte -
MdE in rentenberechtigendem Umfange vorgelegen hat. Zwar leidet der Kläger - wie auch von Prof. Dr. St. festgestellt
- über diesen Zeitraum hinaus an Kopfschmerzen und mehr oder weniger ausgeprägten funktionellen
Hirnleistungsstörungen, die jedoch nicht mehr mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 3. Juli 1992 zurückzuführen
sind. Diese Beurteilung entspricht den erhobenen Befunden, dem dokumentierten Heilungsprozess und auch der
Schwere der erlittenen Verletzungen. So können entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung weder aus den
erlittenen Schädelfrakturen noch aus der in den vorhandenen medizinischen Unterlagen teilweise differierenden
Gradeinteilung des erlittenen Schädelhirntraumas (SHT) Rückschlüsse auf die Schwere des erlittenen Hirntraumas
(Commotio cerebri) und die Dauer des hierdurch verursachten Durchgangssyndroms gezogen werden. Denn ein
Schädelbruch bedeutet nicht immer gleichzeitig eine Verstärkung der Auswirkungen der Gewalt auf das Gehirn,
vielmehr kann der Bruch die Tiefenwirkung abschwächen oder aufheben (vgl. Schönberger/Mehrtens/ Valentin,
Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage 1998, S. 309 m.w.N.). Auch wird die Gradeinteilung beim SHT nicht
einheitlich gebraucht bzw. das verwandte Schema bei der Diagnose nicht offen gelegt. Gleichwohl haben der
Sachverständige Prof. Dr. St. wie auch die Vorgutachter Dr. H. und Dr. Bu. der Schwere der erlittenen Verletzungen
und dem verzögerten Heilungsverlauf betreffend die vom Kläger beschriebene Kopfschmerzsymptomatik und
Hirnleistungsstörungen Rechnung getragen und eine - noch - unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von fast
neun Monaten bejaht sowie eine vorübergehende unfallbedingte rentenberechtigende MdE für ca. weitere elf Monate
angenommen. Dies, obwohl es am Nachweis eines organischen Korrelats für die beim Kläger bestehenden
funktionellen, mehr oder weniger ausgeprägten Hirnleistungsstörungen sowie die subjektiv erlebten
Dauerkopfschmerzen fehlt und der Kläger trotz der geklagten Beschwerden in der Lage war, sein Studium erfolgreich
abzuschließen und auch im Berufsleben Fuß zu fassen. Gegen eine über den 31. März 1994 andauernde wesentliche
Mitverursachung der Beschwerden durch das Unfallereignis vom 3. Juli 1992 spricht zudem die beim Kläger
vorliegende psychogene Komponente des Beschwerdebildes. Schon im Abschlussbericht der Neurologischen Klinik
W. in Bad W. vom 13.Mai 1993 wie auch im Abschlussbericht der Klinik Bad B. vom 12. Oktober 1994 wird auf diesen
Faktor hingewiesen. Selbst Dr. P. erkannte in seinem Sachverständigengutachten vom 23. Juni 1997 eine
psychogene Komponente insbesondere bei der Kopfschmerzsymptomatik des Klägers an, ohne sich jedoch mit den
psychosozialen Faktoren und der Persönlichkeitsstruktur des Klägers näher zu befassen. Der Kläger selbst führt
seine Hirnleistungsbeeinträchtigungen vor allem auf die in wechselnder Intensität erlebten Dauerkopfschmerzen
zurück. Die Fortdauer der Kopfschmerzsymptomatik beruht aber im Wesentlichen auf einer psychoreaktiven
Fehlverarbeitung des Unfalls durch den Kläger und ist Ausdruck seiner vorbestehenden Persönlichkeitsstruktur, die
durch einen überhöhten Leistungsanspruch an sich selbst und eine deutliche Tendenz zur Selbstüberforderung
gekennzeichnet ist. Wie der Sachverständige Prof. Dr. St. an Hand der Lebensgeschichte des Klägers, dem
Krankheitsverlauf nach dem Unfallereignis und dem bei der gutachterlichen Untersuchung gewonnenen Eindruck
überzeugend darlegt, ist davon auszugehen, dass durch den Unfall Ängste beim Kläger geweckt wurden, ob er seinen
hohen vorliegenden Zielen und Wünschen auch gewachsen sei. Entsprechend hat der Kläger im ersten Jahr nach dem
Unfall schwere Depressionen und Selbstzweifel beschrieben. In der stationären Rehabilitation in Bad W. hat er dann
viele wichtige Schmerzbewältigungs-, Entspannungs- und Arbeitstechniken erlernt. In den folgenden Jahren hat er
unter einem genau strukturierten, quasi ritualisierten, Tagesablauf sein Studium beenden können. Damit verbunden
gewesen ist eine streckenweise stündliche Selbstbeobachtung in Form eines Schmerzkalenders. Hier kamen die
zwanghaften Persönlichkeitszüge des Klägers zum Vorschein, die ihm einerseits halfen, mit der narzisstischen Krise
fertig zu werden, andererseits aber dazu geführt haben, dass sich Selbstbeobachtung und Tagesstrukturierung
verselbständigten und zu einem Teil seiner Persönlichkeit wurden. Damit wirkt sich die zwanghafte Struktur hemmend
auf seine Leistungsfähigkeit aus. Da der Kläger der Empfehlung der Kurärzte in Bad W. , sich einer ambulanten
Psychotherapie zur Krankheitsverarbeitung zu unterziehen, nicht gefolgt ist, ist es mittlerweile zu einer Chronifizierung
des Leidens mit Fixierung auf die Beschwerden gekommen. Diese Verarbeitungsstörung des Unfalls beruht im
Wesentlichen auf der Persönlichkeit des Klägers und ist nicht als Folge des Unfalls anzusehen.
Der Senat vermochte den Schlussfolgerungen des nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr. P. , wonach die
über den 31. März 1994 hinaus andauernde Kopfschmerzsymptomatik und die funktionellen
Hirnleistungsbeeinträchtigungen auf den Unfall vom 3. Juli 1992 zurückzuführen und mit einer MdE von 50 v.H. zu
bewerten sind, nicht zu folgen. So legt der Sachverständige seiner Beurteilung als "unstreitige" Diagnose eine
Contusio cerebri zu Grunde, obwohl die Art des erlittenen Hirntraumas gerade in den ihm vorgelegten medizinischen
Unterlagen streitig war und diese Diagnose - wie zuvor dargelegt - zu den dokumentierten objektiven Befunden wie
auch den bildgebenden Verfahren im Widerspruch stand. Er stützt sich im Wesentlichen auf das Ergebnis der von ihm
durchgeführten psychologischen Testverfahren, die jedoch nur sehr beschränkt zur Bestimmung der Ursachen für die
festgestellten Leistungsbeeinträchtigungen geeignet sind. Auch fehlt eine Abwägung hinsichtlich der von ihm ebenfalls
als Ursache angesehenen chronisch-entzündlichen ZNS-Veränderungen wie auch der beim Kläger zu beobachtenden
psychogenen Komponente. Ein rein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallgeschehen und den danach ohne
ein organisches Korrelat persistierenden Kopfschmerzen nebst Hirnleistungsbeeinträchtigungen vermag den
Ursachenzusammenhang im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung noch nicht zu begründen. Auch aus dem
Arztbrief des Prof. Dr. H. von der Neurologischen Klinik des Universitäts-Krankenhauses E. vom 15. November 1999
ist ein Nachweis des Ursachenzusammenhanges nicht zu entnehmen. Prof. Dr. H. hält lediglich die geklagten
Dauerkopfschmerzen mit einem posttraumatischen Kopfschmerzsyndrom für vereinbar. Damit wird nur die Möglichkeit
eines Ursachenzusammenhanges aufgezeigt.
Der Senat sah vor dem Hintergrund dieser Sachlage keinen Anlass zu weiteren medizinischen Ermittlungen sondern
hält den Sachverhalt für umfassend geklärt. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des vom Kläger unter Nr. 2 gestellten
Beweisantrages. Eine persönliche Befragung des Dr. M. bezüglich des Zustandes des Klägers bei Aufnahme im J.
Krankenhaus war nicht erforderlich, da die Krankenakte des J. Krankenhauses mit allen Untersuchungsergebnissen
den Sachverständigen wie auch dem Gericht vollständig vorgelegen hat und sich an Hand dieser Unterlagen die im
Entlassungsbericht vom 29. Juli 1992 befindlichen Widersprüchlichkeiten bzw. Ungereimtheiten umfassend klären
ließen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich sind.