Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 26.07.2007

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 1.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 1 KR 511/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 33 Abs 1 S 1 SGB 5 vom
26.03.2007
Krankenversicherung - Hilfsmittel
Badeprothese> - Behinderungsausgleich - Grundbedürfnis des
täglichen Lebens - keine Kostenübernahme für Aktivitäten im
Freizeitbereich
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom
26. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das
Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit zwischen den Beteiligten ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger mit
einer salzwasserfesten Badeprothese auszustatten.
Der ...1972 geborene Kläger ist mit einer Oberschenkelprothese versorgt. Aufgrund einer
Verordnung des Allgemeinmediziners J vom 01. November 2004 und einem
Kostenvoranschlag sollte er mit einer Badeprothese versorgt werden (Kosten: 5065,86
€). Der Medizinische Dienst der Krankenkassen Sachsen-Anhalt e. V. – MDK – regte die
Versorgung mit einer Badeprothese an, der Kläger teilte fernmündlich mit, er begehre
eine salzwasserfeste Ausführung und nicht lediglich eine einfache Badeprothese, da er
mit seinen Kindern in einem Salzwasserthermalbad zu baden pflege.
Mit Bescheid vom 30. März 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger die
Kostenübernahme einer Badeprothese, nicht jedoch die Mehrkosten für eine
salzwasserfeste Ausführung.
Den Widerspruch des Klägers hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 20. Februar 2006 zurück.
Hiergegen hat sich die am 24. Februar 2006 beim Sozialgericht Potsdam erhobene
Klage gerichtet, die der Kläger damit begründet, er verbringe seit einigen Jahren mit
seiner Familie den Urlaub an der Ostsee und besuche dort regelmäßig mit seinen
Kindern eine Salzwassertherme, so dass er auf eine salzwasserfeste Badeprothese
angewiesen sei.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten, sie hat ihre angegriffenen Bescheide für
rechtmäßig gehalten.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 26. Juli 2007 die Klage abgewiesen und zur
Begründung ausgeführt:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den Kläger
mit einer salzwasserfesten Badeprothese zu versorgen.
Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch V (SGB V) in der seit dem 01. April 2007
geltenden Fassung haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen,
Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall
erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden
Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel
nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.
Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers nicht vor.
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Zwar ist eine salzwasserfeste Badeprothese kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand
des täglichen Lebens, sondern ein speziell für Behinderte entwickeltes Hilfsmittel. Sie ist
auch nicht durch Rechtsverordnung nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen. Sollte sie
im Hilfsmittelverzeichnis nach § 128 SGB V nicht erwähnt sein, würde dies einer
Gewährung ebenfalls nicht entgegenstehen (ständige Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts – BSG – SozR 4-2500 § 33 Nr. 3).
Eines salzwasserfeste Badeprothese ist für den Kläger zunächst nicht erforderlich,
um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern (§ 33 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative) –
dies behauptet nicht einmal die Klägerseite – oder einer drohenden Behinderung
vorzubeugen (2. Alternative) – auch hierfür ist nichts ersichtlich oder vorgetragen –.
Der in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannte Zweck des Behinderungsausgleichs eines
von der gesetzlichen Krankenkasse zu leistenden Hilfsmittels bedeutet auch nach In-
Kraft-Treten des SGB IX (vgl. hier § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX) nicht, dass nicht nur die
Behinderung als solche, sondern auch sämtliche direkten und indirekten Folgen der
Behinderung auszugleichen wären. Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist
nach wie vor allein die medizinische Rehabilitation, also die möglichst weitgehende
Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktion einschließlich der Sicherung
des Behandlungserfolges, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen
des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale
Rehabilitation bleibt Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel ist von der
gesetzlichen Krankenversicherung daher nur dann zu gewähren, wenn es die
Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und
damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr. 3).
Nach der ständigen Rechtsprechung (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 31 – Rollstuhl-Bike-,
Nr. 32 – Therapie-Tandem – und Nr. 46 – Dreirad-; USK 2002-88) gehören zu den
Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören,
Nahrungaufnehmen, Ausscheiden, (elementare) Körperpflegen, selbstständige Wohnen
sowie Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums.
Nicht zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens zählt jedoch der
Freizeitbereich (BSG vom 08. November 2006, Az.: B 3 KR 17/06 B, veröffentlicht in
juris), wozu sowohl der Familienurlaub an der Ostsee als auch der Besuch eines
Salzwasserthermalbads – sei es mit oder ohne Familie – zählt.
Soweit sich der Kläger auf das Urteil des BSG vom 16. September 2004 (B 3 KR
20/04 R) beruft, verkennt er, dass die Leistungspflicht der Krankenkassen den
vollständigen Ausgleich einer Behinderung im Sinne eines Gleichziehens mit einem
gesunden Menschen nur dann umfasst, wenn eines der oben genannten
Grundbedürfnisse tangiert ist. In dem vom BSG entschiedenen Sachverhalt – umstritten
war die Versorgung eines Versicherten mit einem so genannten C-Leg-Kniegelenk –
waren die Grundbedürfnisse Gehen und Stehen betroffen. Der Kläger beansprucht eine
salzwasserfeste Badeprothese jedoch für das Schwimmen beziehungsweise den Urlaub;
beides zählt nicht – wie bereits erwähnt – zu den Grundbedürfnissen des täglichen
Lebens.
Die Kammer erlaubt sich insoweit ferner den Hinweis, dass auch der verordnende
Hausarzt des Klägers eine salzwasserfeste Badeprothese für medizinisch nicht
erforderlich gehalten hat, da er lediglich eine (einfache) "Badeprothese" verordnete.
Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 16. August 2007
zugestellte Urteil richtet sich dessen Berufung vom 20. August 2007, die trotz
Aufforderung nicht begründet worden ist.
Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich der Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 26. Juli 2007 und den Bescheid der
Beklagten vom 30. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.
Februar 2006 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger mit einer
salzwasserfesten Badeprothese zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des
Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
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Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie den betreffenden
Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der
Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben, somit insgesamt zulässig.
Über sie konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2
Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Zur Vermeidung bloßer Wiederholungen sieht der Senat von einer weiteren Darstellung
Entscheidungsgründe ab, da er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen
Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision liegt keiner der in § 160 Abs. 2 SGG dargelegten Gründe
vor.
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