Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 23.09.2004

LSG Berlin-Brandenburg: anerkennung, ddr, hinterbliebener, besondere härte, recht auf akteneinsicht, gebot der sachgerechtigkeit, verfolgter, gemeinsamer haushalt, politisches delikt, karte

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 4.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 4 R 303/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 EntschRG, § 2 EntschRG
Gesetzliche Rentenversicherung - Entschädigungsrente -
Verfolgter des Nationalsozialismus - Beitrittsgebiet - DDR -
rechtsstaatswidrige Verweigerung
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. September
2004 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung einer Rente nach dem Gesetz über Entschädigungen für Opfer
des Nationalsozialismus im Beitrittsgebiet vom 22. April 1992
(Entschädigungsrentengesetz – ERG).
Der 1929 geborene Kläger, der bis zur Wiedervereinigung in der DDR gelebt hat, ist der
Sohn des 1892 geborenen Kaufmanns K W und seiner 1895 geborenen Ehefrau M W,
geborene S, (Heirat 1930), die jedenfalls im November 1940 bereits getrennt waren und
vermutlich 1941 geschieden wurden (genaues Datum der Scheidung nicht bekannt). Der
Kläger lebte seit der Trennung der Eltern bei seiner Mutter. Sein Vater war im Dritten
Reich mehrfach strafrechtlich verurteilt worden, u. a. 1940 wegen staatsfeindlicher
Äußerungen zu neun Monaten Gefängnis, die er 1941 verbüßt hatte. 1941 wurde er –
nach Angaben der Mutter des Klägers wegen politischer Äußerungen – erneut verhaftet;
er starb 1942 im KZ Sachsenhausen.
Der von der Mutter des Klägers 1945 bei dem Magistrat der Stadt Berlin,
Hauptausschuss „Opfer des Faschismus“ gestellte Antrag auf Anerkennung als Opfer
des Faschismus (OdF) wurde 1946 abgelehnt („...“).
1951 stellte der Kläger beim Magistrat von Groß-Berlin, Abteilung Arbeits- und
Gesundheitswesen, Hauptsozialamt, Referat VdN (Verfolgte des Nationalsozialismus)
einen Antrag („...“) auf Anerkennung als VdN-Hinterbliebener. Mit Schreiben vom ...
1952 lehnte der Magistrat den Antrag des Klägers ab: Es stehe nicht sicher fest, dass die
letzte Inhaftierung des Vaters aus politischen Gründen erfolgt sei; hinzukomme, dass
schon vor der letzten Inhaftierung kein gemeinsamer Haushalt mehr bestanden habe.
Das Schreiben enthielt den Hinweis, dass der Kläger hiergegen innerhalb eines Monats
nach Zustellung Beschwerde einlegen könne. Auf den „Einspruch“ der Mutter des
Klägers wies die Behörde darauf hin, dass nicht sie, sondern nur der Kläger
beschwerdeberechtigt sei. Eine Beschwerde des Klägers ist nicht aktenkundig. In einem
Vermerk vom 1952 heißt es, dass keine fristgerechte Beschwerde des Antragstellers
vorliege, sodass die Entscheidung vom ... 1952 endgültig sei.
1996 stellte der Kläger, der in der DDR keine Leistungen als VdN bzw. VdN-
Hinterbliebener bezogen hatte, einen Antrag auf Anerkennung nach dem Berliner
Landesgesetz über die Anerkennung und Versorgung der politisch, rassisch oder religiös
Verfolgten des Nationalsozialismus (PrVG) vom 13. April 1956 (GVBl. S. 388). Er gab als
Verfolgten seinen Vater an, dessen Ermordung im KZ erhebliche Auswirkungen auf
seinen Lebensweg gehabt habe. Mit Bescheid des Landesverwaltungsamtes Berlin vom
24.03.1998 wurde der Kläger als Verfolgter i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 PrVG anerkannt; mit
weiterem Bescheid vom 15. April 1998 wurde ihm ab 1. Dezember 1996 aus diesem
Grund eine Versorgungsleistung in Höhe von monatlich 559,00 DM gewährt. Der
Bescheid enthält den Hinweis, dass für den Fall der Zahlung einer Entschädigungsrente
für den gleichen Zeitraum kein Anspruch auf die PrVG-Rente besteht.
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Im Juni 1998 stellte der Kläger einen Antrag auf Bewilligung einer Entschädigungsrente
nach § 3 ERG bei der Beigeladenen zu 1. Diese verwies auf den im Juni 1945 gestellten
Antrag auf Anerkennung als OdF, der abgelehnt worden sei. Der Kläger behauptete, dass
er beim ehemaligen Magistrat von Berlin als OdF registriert worden sei und deshalb eine
Akte über ihn bestehen müsse. Er legte hierzu eine Kopie des Vorgangs „A “ vor.
Entsprechend der Beschlussempfehlung der Beigeladenen zu 1) vom 14. Dezember
1998 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 26. Januar 1999 ab.
Aufgrund der Antragstellungen 1946 und 1951 sei lediglich über die Anerkennung als
Hinterbliebener des 1942 erschossenen Vaters entschieden worden, da eigene
Verfolgungstatbestände nicht vorgetragen worden seien. Selbst bei erfolgter
Hinterbliebenen-Anerkennung hätte ein entsprechender Leistungsanspruch allenfalls bis
zum Abschluss der Berufsausbildung bestanden. Eine solche zeitliche Begrenzung von
Ansprüchen begegne keinen rechtsstaatlichen Bedenken. Die ablehnende Entscheidung
von DDR-Organen über die Anerkennung als VdN-Hinterbliebener sei daher ohne Einfluss
auf die Tatsache, dass am 30. April 1992 eine Hinterbliebenenpension nicht bezogen
worden sei, da eine derartige Leistung zu diesem Zeitpunkt aus Altersgründen ohnehin
eingestellt worden wäre. Der Widerspruch des Klägers, mit dem dieser eine besondere
Härte geltend machte, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23. August 1999
zurückgewiesen: Der Kläger sei selbst objektiv kein VdN gewesen; auch wenn die
Ablehnung als VdN-Hinterbliebener rechtsstaatswidrig gewesen wäre, scheitere die
Bewilligung einer Entschädigungsrente jedenfalls an der Stichtagsregelung des § 3 Abs.
1 ERG. Die von dem Kläger geltend gemachte besondere Härte könne nach dem ERG
nicht berücksichtigt werden.
Hiergegen hat der Kläger am 23. September 1999 Klage erhoben. Er hat ausgeführt, er
müsse in der DDR entweder als Verfolgter oder als Hinterbliebener eines Verfolgten
anerkannt worden sein, wofür verschiedene Anhaltspunkte sprächen. Schließlich indiziere
die Anerkennung nach dem Berliner PrVG auch die Anerkennung als politisch Verfolgter
des Nationalsozialismus in der DDR.
Dem hat die Beklagte widersprochen: Es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass der
Kläger von den DDR-Behörden als VdN bzw. VdN-Hinterbliebener anerkannt worden sei.
Der Antrag des Klägers sei am 2. Oktober 1952 rechtskräftig abgelehnt worden.
Die Beigeladenen zu 1. und zu 2. haben sich der Auffassung der Beklagten
angeschlossen.
Mit Urteil vom 23. September 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur
Begründung heißt es, der Kläger habe kein Recht auf Bewilligung einer
Entschädigungsrente, da die Voraussetzungen hierfür nach § 3 ERG nicht erfüllt seien.
Dabei sei nach Bundesrecht unerheblich, ob die DDR ihre Vorschriften (hier: VdN-
Richtlinien) „richtig“ angewandt habe. Abzustellen sei ausschließlich auf das tatsächliche
Verhalten von DDR-Organen und ob danach davon auszugehen sei, dass der Kläger
objektiv von den Nationalsozialisten verfolgt oder „Widerstandskämpfer“ im Sinne des §
1 Nr. 4 bis 9 der VdN-Richtlinien gewesen, es jedoch aus anderen Gründen abgelehnt
worden sei, ihn als Verfolgten anzuerkennen. Danach sei zu klären, ob die Gründe, die
zur Ablehnung der Anerkennung geführt hätten, mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder
mit den Regelungen des Einigungsvertrages nicht vereinbaren seien.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass der Kläger zu
keinem Zeitpunkt in der DDR als VdN oder VdN-Hinterbliebener anerkannt worden sei;
dass ihm konkrete Leistungen (Ehrenpension) gewährt worden seien, behaupte der
Kläger selbst nicht.
Der Vorgang „A“, den der Kläger im März 1951 durch Einreichung des Fragebogens
„O.d.F.K5“ eingeleitet habe, sei am 2. Oktober 1952 von der VdN-Stelle endgültig
abgeschlossen worden; bereits für die Behauptung des Klägers, er habe gegen den
Bescheid vom 31. Juli 1952 Beschwerde eingelegt, fehle jeglicher Hinweis; auch für die
von ihm behauptete Abhilfeentscheidung seien keine Anhaltspunkte nach der Aktenlage
ersichtlich.
Soweit der Kläger behaupte, dass er 1988 – und damit 43 Jahre nach Kriegsende und 36
Jahre nach dem Abschluss des 2. VdN-Verfahrens - als VdN anerkannt worden sei, gebe
es hierfür keinerlei Hinweise. Die von dem Kläger benannten Zeugen L und Dr. K hätten
im Gegenteil auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt, dass ihnen bei ihren Nachforschungen
nichts dergleichen bekannt geworden sei.
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Die Behauptung des Klägers, dass sich aus Akten der Bundesbeauftragten für die
Unterlagen des Staatsicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) ergebe sich, dass
er anerkannter VdN bereits zu Zeiten der DDR gewesen sei, sei rein spekulativ. Von
seinem Recht auf Akteneinsicht habe der Kläger offenbar keinen Gebrauch gemacht;
wenn er vortrage, diese sei ihm verweigert worden, gebe es hierfür keinen Beleg;
hiergegen hätte der Kläger den Rechtsweg beschreiten können.
Nach alledem lägen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 a) bis c) ERG im Fall des
Klägers nicht vor. Im Übrigen habe die Anerkennung nach den Berliner PrVG keine
Indizwirkung für die Anerkennung nach dem ERG, denn durch das ERG werde der
Beklagten ohnehin nicht die Möglichkeit eröffnet, selbst die VdN-Richtlinien anzuwenden
und dabei das PrVG zur Auslegung mit heranzuziehen.
Gegen dieses dem Kläger am 28. Februar 2005 zugestellte Urteil richtet sich seine
Berufung vom 24. März 2005. Zur Begründung heißt es, das erstinstanzliche Gericht
habe verkannt, dass er in der früheren DDR bereits als VdN anerkannt gewesen sei.
Zwar habe man seinen Antrag mit Schreiben vom 31. Juli 1952 zunächst abgelehnt,
jedoch sei aufgrund seiner hiergegen eingelegten Beschwerde das Verfahren fortgesetzt
und eine Abhilfeentscheidung getroffen worden. Auf seinen Antrag sei er am 11. Januar
2001 von einen Mitarbeiter der BStU informiert worden, dass seine Stasiakte mit seiner
Anerkennung als VdN vorliege (Beweis: Zeugnis Herr S, zu laden über die BStU). Kürzlich
habe er seinen Antrag auf Einsichtnahme in die dortige Akte selbst erneuert, und eine
Bearbeitungsnachricht liege hierzu bereits vor; er werde die Akte dem Gericht in
geeigneter Form zur Kenntnis bringen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. September 2004 sowie den Bescheid der
Beklagten vom 26. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.
August 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 3. Oktober 1990
ein Recht auf Entschädigungsrente gegen die Beigeladene zu 2. zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, der Kläger sei
entgegen seinem Vortrag nicht vor dem 1. März 1990 als Verfolgter anerkannt worden,
wie in dem angefochtenen Urteil ausführlich und überzeugend dargelegt worden sei. Der
Antrag auf Anerkennung als VdN sei am 2. Oktober 1952 rechtskräftig abgelehnt
worden, und eine Fortsetzung des Verfahrens habe nicht stattgefunden. Insbesondere
werde dies entgegen der Behauptung des Klägers nicht durch eine Verfügung vom „2.
November 1952“ belegt, denn eine solche Verfügung existiere nicht. Es existiere
lediglich eine Verfügung mit dem Datum „2.11.“, wobei die zeitliche Einordnung dieser
Verfügung in den Gesamtzusammenhang eindeutig ergebe, dass es sich hierbei um das
Jahr 1951 handele. Eine Anerkennung als VdN werde sich auch nicht aus den Unterlagen
der BStU ergeben, denn es sei kein Grund ersichtlich, warum neben der vorliegenden
VdN-Karte „A “, die die Ablehnung der Anerkennung dokumentiere, eine weitere
existieren sollte. Im Übrigen sei das Vorbringen des Klägers widersprüchlich: Während er
in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht noch behauptet habe, er habe
sich um Einsichtnahme in die Unterlagen der BStU bemüht, diese sei ihm aber
telefonisch verweigert worden, behaupte der Kläger nunmehr erstmalig, ein Mitarbeiter
der BStU namens S habe ihn angeblich schon am 11. Januar 2001 darüber informiert,
dass seine Akte mit der Anerkennung als VdN vorliege. Abgesehen davon, dass der
Zeuge S in dem klägerischen Schriftsatz vom 24. März 2004, in dem die Beiziehung der
Akte von der BStU erstmalig angeregt worden sei, keine Erwähnung gefunden habe,
dränge sich die Frage auf, warum dieser Vortrag nicht bereits im Erörterungstermin am
14. Mai 2002 erfolgt sei, in dem er konkret zu seiner Behauptung, dass eine
Anerkennung als VdN aus eigenem Recht vorliege, allein seinen ehemaligen
Verfahrensbevollmächtigten Dr. K und eine Historikerin aus Berlin, Dr. L, angeführt habe,
die angeblich seine VdN-Karte gesehen hätten. Entsprechende Ermittlungen des
Gerichts seien aber ins Leere gegangen.
Die Beigeladenen zu 1. und 2. schließen sich dem Antrag der Beklagten an.
Die Beigeladene zu 1. führt zur Begründung aus, das Sozialgericht sei zutreffend davon
ausgegangen, dass der Kläger von den zuständigen VdN-Organen der DDR nicht als
Verfolgter des Naziregimes anerkannt worden sei. Er erfülle demnach nicht die
Bewilligungsvoraussetzungen nach § 3 Abs. 1 c) ERG.
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Die Beigeladene zu 2. hat sich im Berufungsverfahren nicht zur Sache geäußert.
Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten und zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf
die Gerichtsakte, die Verwaltungsakten der Beklagten (Az.: ...), der Beigeladenen zu 1)
(Az.: ...), der Beigeladenen zu 2) (Versicherungsnr.: ...) sowie auf die Akten des
Landesarchivs Berlin (Az.: ...) und des Landesverwaltungsamtes Berlin (Az.: ...), die
Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen sind,
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte über die Berufung des Klägers entscheiden, obwohl dieser in der
mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, da mit der ordnungsgemäßen Ladung auf
diese Möglichkeit hingewiesen worden war (vgl. §§ 110 Abs. 1 Satz 2, 126, 153 Abs. 1
des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -).
Die zulässige Berufung ist nicht begründet, denn der angefochtene Bescheid der
Beklagten vom 26. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.
August 1999 ist rechtmäßig.
Streitig ist die Zuerkennung eines Rechts gegen die Beigeladene zu 2. auf Zahlung einer
Entschädigungsrente nach dem ERG. Zu Recht hat die Beklagte die Bewilligung eines
solchen Rechts abgelehnt, denn der Kläger erfüllt weder die Voraussetzungen des § 2
noch die des § 3 ERG.
Nach § 2 Abs. 1 ERG erhalten Personen, die bis zum 30. April 1992 eine Ehrenpension
bezogen haben, eine Entschädigungsrente in Höhe von 717,50 Euro monatlich. Der
Kläger hat bis zum 30. April 1992 keine Ehrenpension nach der Anordnung über
Ehrenpensionen für Kämpfer gegen den Faschismus und für Verfolgte des Faschismus
sowie für deren Hinterbliebene vom 20. September 1976 ([EhPensAO]vertrauliche
Dienstsache – VD 26/19/76, Aichberger II Nr. 127) erhalten.
Nach § 3 Absatz 1 ERG erhalten auch Personen, die die Voraussetzungen für den Bezug
einer Entschädigungsrente nur deshalb nicht erfüllen, weil sie eine Ehrenpension oder
Hinterbliebenenpension am 30. April 1992 nicht bezogen haben, auf Antrag eine
Entschädigungsrente, wenn sie
a) in der Zeit vom 1. März 1990 bis zum 2. Oktober 1990 einschließlich als Verfolgte
nach den in § 2 der Anerkennung über Ehrenpensionen genannten Vorschriften
anerkannt worden sind,
b) die Voraussetzungen für die Anerkennung der Eigenschaft als Verfolgte erfüllt haben
und die Ablehnung der Anerkennung mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den
Regelungen des Einigungsvertrages unvereinbar ist (Artikel 19 Satz 2 des
Einigungsvertrages) oder
c) vor dem 1. März 1990 als Verfolgte anerkannt worden sind und die Nichtbewilligung
oder der Entzug der Ehrenpension oder die Aberkennung der Eigenschaft als Verfolgte
mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des Einigungsvertrages
unvereinbar ist
und zu keiner Zeit Gründe für eine Aberkennung der Eigenschaft als Verfolgte
vorgelegen haben.
Die Voraussetzungen des § 3 a) und c) ERG erfüllt der Kläger nicht, denn er ist entgegen
seinen Behauptungen in der DDR nicht als Verfolgter bzw. als Hinterbliebener eines
Verfolgten anerkannt worden, und zwar weder 1952 noch 1988 oder zu einem anderen
Zeitpunkt, wie bereits das Sozialgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend
ausgeführt hat. Hierauf wird nach § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen
Bezug genommen. Der Vorgang „A 22592“ war mit dem Schreiben vom 31. Juli 1952 an
den Kläger, mit dem seine Anerkennung als VdN-Hinterbliebener abgelehnt wurde,
abgeschlossen; mit diesem Schreiben war auf die Möglichkeit einer Beschwerde
innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Schreibens hingewiesen worden. Von
dieser Möglichkeit hatte die Mutter des Klägers mit Schreiben vom 30. August 1952
Gebrauch gemacht, war aber von den Behörden unter dem 6. September 1952 darauf
hingewiesen worden, dass die Beschwerde nur von dem Kläger selbst bis zum 20.
September 1952 erhoben werden könne. Aus einem Aktenvermerk vom 2. Oktober 1952
ergibt sich sodann, dass eine fristgemäße Beschwerde des Klägers nicht eingegangen
ist, sodass die Entscheidung vom 31. Juli 1952 endgültig ist. Für die Behauptung des
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ist, sodass die Entscheidung vom 31. Juli 1952 endgültig ist. Für die Behauptung des
Klägers, der Vorgang sei am 2. November 1952 wiedereröffnet und eine
Abhilfeentscheidung getroffen worden, gibt es keinerlei objektive Anhaltspunkte. Die
Akte des Landesarchivs Berlin über den Vorgang des Magistrats von Berlin enthält
keinen Hinweis hierauf. Die Verfügung, auf die der Kläger Bezug nimmt, ist – worauf
bereits das Sozialgericht hingewiesen hat – nicht vom „2.11.52“, sondern vom
„2.11.51“, sodass auch das Schreiben an den Kläger vom „2.11.“, das sich auf der
Rückseite dieser Verfügung befindet, sich auf dieses Jahr beziehen muss. Das ergibt sich
auch aus dem Inhalt des Schreibens, in dem nicht von einer „Beschwerde“ oder
„Abhilfeentscheidung“, sondern vom „Antrag“ die Rede ist, der noch bearbeitet wird.
Dass dieser Schriftsatz die Seitenzahl 21 trägt, während die Abschlussverfügung vom 2.
Oktober 1952 die Seitenzahl 20 in dem Aktenvorgang aufweist, kann zu keinem anderen
Ergebnis führen, denn hierbei handelt es sich offensichtlich um eine falsche Paginierung
des lediglich aus losen Blättern bestehenden Vorgangs (21 Blatt).
Erst Recht gibt es keinen Hinweis darauf, dass der Kläger 1988 als VdN oder VdN-
Hinterbliebener anerkannt worden sein könnte. Letzteres erscheint schon deshalb
ausgeschlossen, weil nach § 7 Abs. 2 EhPensAO Leistungen an Voll- oder Halbwaisen auf
die Zeit bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres bzw. auf den Abschluss der
Berufsausbildung begrenzt waren; dieser Zeitraum war bei dem 1929 geborenen Kläger
im Jahr 1988 bei weitem überschritten. Für die Anerkennung als VdN zu dieser Zeit fehlt
ebenfalls jeglicher Anhaltspunkt, wie das Sozialgericht ausgeführt hat. Wenn der Kläger
nunmehr im Berufungsverfahren vorträgt, ein Herr S. von der BStU habe ihn bereits am
11. Januar 2001 darüber informiert, dass die Stasiakte mit seiner Anerkennung als VdN
vorliege, widerspricht dies seinem eigenen bisherigen Vorbringen. Der Kläger hatte
nämlich im Verhandlungstermin vor dem Sozialgericht am 14. Mai 2002 angegeben, er
könne keine Angaben darüber zu machen, ob er als VdN oder als VdN-Hinterbliebener
anerkannt worden sei. Er persönlich habe die VdN-Karte nie gesehen. Weiter hatte der
Kläger in dem genannten Termin behauptet, sein früherer Bevollmächtigter
Rechtsanwalt Dr. K, der die VdN-Karte gesehen habe, habe ihm den Kontakt zu der
Historikerin Dr. L vermittelt, die die Karte ebenfalls gesehen haben soll. Weder Dr. K noch
Dr. L haben diese Behauptungen des Klägers jedoch bestätigt. Von Herrn S war
seinerzeit überhaupt keine Rede. Der Kläger hatte vielmehr im erstinstanzlichen
Verfahren behauptet, er habe sich um eine Einsichtnahme in seine Akte von der BStU
bemüht, die ihm jedoch telefonisch verweigert worden sei. Eine solche Behauptung ist
ebenso wenig glaubhaft wie die Angabe, ein Mitarbeiter der Behörde habe ihm
telefonisch seine Anerkennung als VdN mitgeteilt. Zudem hat der Kläger mit seiner
Berufungsschrift vom 23. März 2005 angekündigt, sein erneuter Antrag auf Gewährung
der Einsicht in die Akte bei BStU sei bereits bearbeitet, und er werde diese Akte dem
Gericht „in geeigneter Form zur Kenntnis“ bringen. Dies ist jedoch nicht geschehen,
ohne dass der Kläger hierzu eine weitere Erklärung abgegeben hat. Unter diesen
Umständen kommt die von dem Kläger angeregte Vernehmung des Herrn S als Zeuge
nicht Betracht.
Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 b) ERG sind entgegen der Auffassung des Klägers
ebenfalls nicht erfüllt. § 3 Abs. 1 b) ERG knüpft an eine sinngemäße Anerkennung der
Verfolgteneigenschaft durch die den Antrag auf Anerkennung ablehnenden DDR-Organe
an. Irreführend scheint zwar der Wortlaut dieser Bestimmung zu verlangen, die Beklagte
müsse prüfen, ob der Antragsteller in der DDR die Voraussetzungen für die Anerkennung
als VdN erfüllt hatte; hierauf kommt es aber bei der Anwendung dieser Vorschrift von
vornherein schon deshalb nicht an, weil eine Ablehnung des Antrags auf Anerkennung
als VdN durch die DDR-Organe jedenfalls mit rechtstaatlichen Grundsätzen oder mit
Regelungen des Einigungsvertrages nicht unvereinbar sein kann, wenn der Antragsteller
objektiv kein VdN war. Die Neubewilligung nach § 3 ERG bezweckt eine Gleichstellung vor
allem der NS-Verfolgten im Beitrittsgebiet, denen die DDR ein Recht auf
Wiedergutmachung in rechtsstaatlich unerträglicher Weise verweigert hatte, mit
denjenigen, die nach § 2 ERG eine Anschlussbewilligung beanspruchen können. Zu
prüfen ist also nur, ob ein Verhalten von DDR-Organen vorliegt, aus dem ersichtlich ist,
dass diese davon ausgegangen sind, der Antragsteller sei objektiv von den
Nationalsozialisten verfolgt worden oder „Widerstandskämpfer“ in Sinne des § 1 Nr. 4 bis
9 der VdN-Richtlinien gewesen, es jedoch aus anderen Gründen abgelehnt haben, den
VdN-Status anzuerkennen; sodann ist zu klären, ob die Gründe, die zur Ablehnung der
Anerkennung geführt haben, mit rechtstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen
des Einigungsvertrages nicht vereinbar sind (BSG, Urteil vom 30. Januar 1997 – 4 RA
33/95 in BSGE 80, 54-71).
Ein solches Verhalten der DDR-Organe gegenüber dem Kläger ist nach Aktenlage nicht
ersichtlich.
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Die Ablehnung der Anerkennung des Klägers als Verfolgter bzw. Widerstandskämpfer
oder Hinterbliebener eines Verfolgten oder Widerstandskämpfers durch die DDR-
Behörden lässt nicht erkennen, dass hierbei davon ausgegangen wurde, dass der Kläger
objektiv durch Nationalsozialisten verfolgt worden oder „Widerstandskämpfer“ bzw.
Hinterbliebener im Sinne der VdN-Richtlinien gewesen ist. Weder damals noch zu einem
späteren Zeitpunkt in der DDR gibt es im Fall des Klägers einen Hinweis darauf, dass die
Ablehnung der Anerkennung als Verfolgter bzw. Hinterbliebener eines Verfolgten gegen
rechtstaatliche Grundsätze verstoßen hat. Hierbei handelt es sich vor allem um das
Verbot, die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und die im Grundgesetz als Grundrechte
näher ausgestalteten unveräußerlichen Menschenrechte (Art. 1 Abs. 2 GG) in ihrem
Kerngehalt (Art. 19 Abs. 2 GG) zu verletzen; ferner ist elementar das Gebot der
Sachgerechtigkeit staatlichen Verhaltens, nach dem der Staat sich darum bemühen
muss, seine Entscheidungen an den Vorgegebenheiten des jeweiligen Lebens- und
Sachbereichs auszurichten und von sachfremden Einflüssen frei zu halten, was
zumindest ein Willkürverbot bedeutet. Ein Verwaltungsakt der DDR verstößt damit
jedenfalls dann gegen Grundsätze des Rechtsstaats im Sinne des Grundgesetzes (vgl.
Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG), wenn er sich bei einer Würdigung seines Inhalts, der seinen
Erlass begleitenden Umstände und des nicht widerlegten äußeren Anscheins als
(mutmaßlich weltanschaulich oder „politisch“ motivierte) Willkürmaßnahme darstellt
(BSG vom 30. Januar 1997 a.a.O. m.w.N.).
Mit der Prüfung der Frage, ob der Kläger selbst als Verfolgter anzuerkennen sei, haben
sich die DDR-Behörden nach den vorliegenden Akten zu keinem Zeitpunkt befasst. Dass
sie die Anerkennung des Vaters des Klägers als Verfolgten des Naziregimes abgelehnt
haben, mag fehlerhaft gewesen sein, ist aber deshalb nicht schon rechtsstaatswidrig.
Die Angaben der Mutter des Klägers, dass ihr geschiedener Ehemann zuletzt erneut
wegen politischer Äußerungen in Haft genommen worden sei, sind nach Aktenlage
unbewiesen geblieben. Die im Strafregister über den Vater des Klägers vermerkten fünf
Verurteilungen in der Zeit zwischen 1930 und 1940 beziehen sich zum Teil auf
strafrechtliche Verfehlungen, zuletzt am 10. April 1940 aber auf staatsfeindliche
Äußerungen. Ohne irgendein weiteres Indiz erscheint es jedenfalls nicht von vornherein
rechtsstaatswidrig, wenn die DDR-Behörden unter diesen Umständen unter Hinweis auf
das verwendete Aktenzeichen, das auf ein kriminelles und nicht auf ein politisches Delikt
hinweise, hiervon auch ausgegangen sind. In jedem Fall war die Ablehnung des Klägers
als VdN-Hinterbliebener aber mit der Entscheidung vom 31. Juli 1952 schon deshalb
nicht rechtsstaatswidrig, weil die DDR-Behörden zu ihrer Begründung auch darauf Bezug
genommen haben, dass der Kläger zur Zeit der Verfolgung mit dem Verfolgten nicht
mehr in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat. Es erscheint sachgerecht, die Anerkennung
als VdN-Hinterbliebener und sich hieraus ergebende Vergünstigungen auf solche
Personen zu beschränken, die durch das Verfolgungsschicksal Angehöriger unmittelbar
selbst betroffen waren mit eventuellen persönlichen, beruflichen, wirtschaftlichen oder
auch privaten Nachteilen. Die Tatsache, dass für den Fall einer späteren – hier von dem
Kläger behaupteten – Anerkennung als VdN-Hinterbliebener Leistungen für den Kläger
ohnehin nach § 7 Abs. 2 der Anordnung über Ehrenpensionen nicht in Betracht
gekommen wären, erscheint ebenfalls nicht rechtsstaatwidrig, denn derartige
Anspruchsbegrenzungen für Hinterbliebene sind durchaus sachgerecht und auch dem
hiesigen System nicht fremd.
Nach alledem kann die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür nach § 160 Abs. 2 SGG nicht
vorliegen.
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