Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 24.03.2006

LSG Berlin-Brandenburg: leistungsausschluss, arbeitsmarkt, auskunft, erlass, wohnung, unterbringung, verfügung, aufenthalt, leiter, rente

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
29. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 29 B 804/06 AS ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 7 Abs 4 Alt 1 SGB 2 vom
24.03.2006, § 7 Abs 4 S 1 Alt 1
SGB 2 vom 20.07.2006, § 7 Abs
4 S 2 SGB 2 vom 20.07.2006, §
7 Abs 4 S 3 Nr 2 SGB 2 vom
20.07.2006, § 8 Abs 1 SGB 2
Grundsicherung für Arbeitsuchende - Leistungsausschluss bei
längerer stationärer Unterbringung - Justizvollzugsanstalt -
Freigänger - gemeinnützige Beschäftigung
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom
23. August 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Der Antragsteller begehrt Leistungen für Unterkunft nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der 1963 geborene Antragsteller ist seit dem 01. August 2005 Mieter einer 51,65 m²
großen Wohnung in der Wstraße in B mit einer Gesamtmiete von 357,61 Euro monatlich.
Der Antragsteller erhielt von der Antragsgegnerin seit dem 01. August 2005 Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 03. Februar 2006 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 01.
Februar 2006 bis 31. Juli 2006 in Höhe von monatlich 693,61 Euro.
Am 15. Mai 2006 wurde der Antragsteller in Strafhaft in die Justizvollzugsanstalt (JVA) H
genommen (voraussichtliches Haftende 13. Januar 2007). Nachdem der Antragsgegner
über den Haftantritt in Kenntnis gesetzt wurde, hob dieser mit Bescheid vom 12. Mai
2006 die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes mit Wirkung vom 15. Mai 2006 ganz auf. Mit seinem am 09. Juni 2006
erhobenen Widerspruch wandte sich der Antragsteller gegen die Aufhebung der
Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes mit der Begründung, er
werde demnächst als freigangsgeeignet eingestuft und stehe dem freien Arbeitsmarkt
somit wieder uneingeschränkt zur Verfügung. Als zum Freigang geeignet gelte die
Unterbringung in der JVA nur als teilstationäre Unterbringung.
Mit Schreiben vom 29. Juni 2006 teilte die JVA H dem Antragsgegner mit, dass der
Antragsteller grundsätzlich freigangsgeeignet sei und damit dem Arbeitsmarkt zur
Verfügung stehe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. August 2006 wies die Beklagte den Widerspruch des
Antragstellers zurück. Die hiergegen erhobene Klage vor dem Sozialgericht Berlin trägt
nach Auskunft der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers das Aktenzeichen S 92
AS 8324/06.
Mit Schreiben der tw soziale Dienste rund ums Wohnen vom 07. August 2006 erhielt der
Antragsgegner Kenntnis, dass Mietrückstände in Höhe von insgesamt 715,22 Euro für
die Monate Juli 2006 und August 2006 bestünden und das Mietverhältnis durch
Schreiben des Vermieters, der BVW zu Ke. G., fristlos gekündigt wurde.
Einen vom Antragsteller am 11. August 2006 gestellten weiteren Antrag auf Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II lehnte der Antragsgegner mit
Bescheid vom 15. August 2006 ab. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller
Widerspruch eingelegt, über den nach Auskunft der Prozessbevollmächtigten des
Antragstellers bislang noch nicht entschieden worden ist.
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Am 15. August 2006 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Berlin einen Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners
bestehe bei einem Inhaftierten jedenfalls dann, wenn er wie in seinem Falle dem
Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe, kein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II.
Zudem bestehe auch ein Anordnungsgrund, der sich daraus ergebe, dass sein
Existenzminimum nicht gesichert sei und ihm konkret der Verlust seiner Wohnung drohe.
Der Vollzug sei so angelegt, dass er einen nicht unerheblichen Teil seiner Zeit außerhalb
der JVA in seiner Wohnung verbringen dürfe. Aufgrund der relativ geringen Haftdauer sei
es völlig unverhältnismäßig, hier durch Nichtzahlung den Verlust der Wohnung zu
riskieren.
Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat der Antragsteller
gleichzeitig Prozesskostenhilfe beantragt.
Mit Beschluss vom 23. August 2006 hat das Sozialgericht Berlin sowohl den Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung als auch den Antrag auf Gewährung von
Prozesskostenhilfe für das Anordnungsverfahren abgelehnt. Gemäß § 7 Abs. 4 SGB II in
der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende
vom 20. Juli 2006 sei ein Anspruch des Antragstellers auf Leistungen nach dem SGB II
ausgeschlossen. Der Antragsteller befinde sich seit dem 15. Mai 2006 zur Verbüßung
einer achtmonatigen Haftstrafe in der JVA H. Die Sondervorschrift des § 7 Abs. 4 Satz 3
Nr. 2 SGB II erfülle der Antragsteller nicht. Der Antragsteller habe auch keinen Anspruch
auf Übernahme seiner Mietschulden als Darlehen gemäß § 22 Abs. 5 SGB II, weil er keine
konkret in Aussicht stehende Beschäftigung habe. Ob der Antragsteller bis 31. Juli 2006
Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gehabt habe, sei nicht im Rahmen eines
einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu prüfen, weil eine einstweilige Anordnung nur
eine Regelung für die Zukunft, das heißt ab Antragstellung des Antrags auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung, hier ab 15. August 2006, entfalte.
Gegen den der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 29. August 2006
zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 30. August 2006 Beschwerde eingelegt.
Das Sozialgericht Berlin hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem
Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Mit seiner Beschwerde vertritt der Antragsteller die Auffassung, der geänderte Wortlaut
des § 7 Abs. 4 SGB II sei nicht so zu verstehen, dass zum Bezug von Leistungen nur
berechtigt sei, wer tatsächlich 15 Stunden in der Woche arbeite, sondern vielmehr, wer in
der Lage sei, 15 Stunden zu arbeiten. Die Regelung sei damit an § 8 SGB II angelehnt,
welche die Erwerbsfähigkeit legal definiere. Bei einer wörtlichen Auslegung des § 7 SGB II
würde diese gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 des
Grundgesetzes (GG) verstoßen. Hiernach hätte ein inhaftierter Freigänger, der eine
Tätigkeit von mindestens 15 Stunden ausübe, Anspruch auf Leistungen nach dem SGB
II, nicht jedoch derjenige Inhaftierte, der unabhängig vom Grund gerade keine Arbeit
habe. Darüber hinaus falle er unter die Vorschrift des § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II, denn
er sei voraussichtlich weniger als 6 Monate inhaftiert. Zwar verbüße er eine
Freiheitsstrafe von 8 Monaten. Nach § 57 Abs. 1 des Strafgesetzbuches sei die Strafe
jedoch regelmäßig schon nach zwei Drittel der Verbüßung zur Bewährung auszusetzen.
Ausweislich einer telefonischen Auskunft von Herrn H, Leiter der Vollzugsgeschäftsstelle
der JVA H, vom 3. November 2006 geht der Antragsteller keiner normalen
Arbeitstätigkeit nach, sondern er wird über die Anstalt beschäftigt. Er werde im Übrigen
am 13. Januar 2007 entlassen. Ausweislich einer telefonischen Auskunft von Frau B,
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, vom 6. November 2006 wird der Antragsteller
dort über die JVA mit gemeinnützigen Arbeiten beschäftigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten
des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
1. Zeitraum bis 31. Juli 2006
Der in Bezug auf den Aufhebungsbescheid vom 12. Mai 2006 als Antrag auf Herstellung
der aufschiebenden Wirkung nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)
zulässige Antrag ist unbegründet. Der Aufhebungsbescheid vom 12. Mai 2006 erweist
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zulässige Antrag ist unbegründet. Der Aufhebungsbescheid vom 12. Mai 2006 erweist
sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig, weshalb das Interesse des
Antragsgegners an der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 39 Nr. 1 SGB II überwiegt.
Nach § 7 Abs. 4 SGB II in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung erhält Leistungen
nach dem SGB II nicht, wer für länger als 6 Monate in einer stationären Einrichtung
untergebracht ist oder Rente wegen Alters bezieht. Der Senat geht ebenso wie der 19.
Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 16. Mai 2006 - L 19
B 327/06 AS ER- zitiert nach juris) davon aus, dass der Leistungsausschluss nach § 7
Abs. 4 SGB II in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung für in einer stationären
Einrichtung Untergebrachte grundsätzlich auch für Gefangene in einer JVA gilt, wenn der
Aufenthalt dort länger als 6 Monate andauert (vgl. auch Spellbrink in Eicher/Spellbrink,
SGB II, § 7 Rz. 34; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 27. Oktober 2005 - L
11 B 596/05 AS ER - zitiert nach juris). Dies trifft für Gefangene in einer JVA auch dann
zu, wenn zu ihren Gunsten Lockerungen des Vollzugs im Sinne von § 11 des
Strafvollzugsgesetzes angeordnet werden, wozu zählen, dass der Gefangene außerhalb
der Anstalt regelmäßig einer Beschäftigung unter Aufsicht (Außenbeschäftigung) oder
ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Freigang) nachgehen darf. Diese
Vollzugslockerungen führen nicht dazu, dass die JVA lediglich als „teilstationäre
Einrichtung“ anzusehen ist. Auch Lockerungen des Vollzugs ändern nichts daran, dass
der JVA im Rahmen des Vollzugsplans die Gesamtverantwortung für die tägliche
Lebensführung des Gefangenen verbleibt. Er unterliegt nicht etwa nur in Zeiten, in denen
er sich tatsächlich in der JVA aufhält, den Regelungen des Strafvollzugs, sondern diese
bestimmen weitgehend auch seinen Möglichkeiten außerhalb der Vollzugsanstalt. Dies
wird bereits durch § 14 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz belegt, wonach der Anstaltsleiter dem
Gefangenen für Lockerungen und Urlaub Weisungen erteilen kann (so zutreffend
wiederum LSG Berlin-Brandenburg - L 19 B 327/06 AS ER - zitiert nach juris). Das
bedeutet aber, dass der Bewilligungsbescheid vom 03. Februar 2006 für die Zeit ab dem
Haftantritt (15. Mai 2006) rechtswidrig geworden ist, sodass der Antragsgegner nach der
hier gebotenen summarischen Prüfung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X berechtigt war,
mit dem Aufhebungsbescheid vom 12. Mai 2006 die Bewilligung von Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhaltes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der
Verhältnisse (15. Mai 2006) ganz aufzuheben.
2. Zeitraum ab 01. August 2006
Für den Zeitraum ab dem 01. August 2006 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Anordnung ebenfalls zu Recht abgelehnt.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der Antragsteller das
Bestehen eines zu sichernden Rechts (den so genannten Anordnungsanspruch) und die
Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den so genannten Anordnungsgrund)
glaubhaft macht (§ 86 b Abs. 2 SGG, § 990 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO - ). Auch
im Beschwerdeverfahren sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum
Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebend (OVG Hamburg, NVwZ 1990,
975).
Vorliegend fehlt es bereits an einem Anordnungsanspruch. Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II
in der ab dem 01. August 2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der
Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706) erhält Leistungen
nach dem SGB II nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente
wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistungen oder ähnliche Leistungen
öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der
Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung
gleichgestellt (Abs. 4 Satz 2). Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach dem SGB II
wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist und unter den üblichen
Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich
erwerbstätig ist (Abs. 4 Satz 3 Nr. 2).
In der Gesetzesbegründung zu dieser Neuregelung (in BT-Drucksache 16/1410 S. 20)
wird ausgeführt: „Die zweite Gruppe sind Personen, die in stationären Einrichtungen
untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
mindestens 15 Stunden die Woche erwerbstätig sind. Da bei einer Person, die auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig ist, zwingend davon auszugehen ist, dass sie
erwerbsfähig und damit in der Lage ist, drei Stunden zu arbeiten, jedoch auch Personen
erfasst werden sollen, die an einzelnen Tagen der Wochen teilzeitbeschäftigt sind, lehnt
sich die Regelung an § 119 SGB III an. Es muss sich demnach um eine Beschäftigung
handeln, die mindestens 15 Stunden wöchentlich ausgeübt wird. Ein genereller
Leistungsausschluss erscheint vor diesem Hintergrund für die beschriebenen
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Leistungsausschluss erscheint vor diesem Hintergrund für die beschriebenen
Personengruppen daher nicht gerechtfertigt. Voraussetzung für den Leistungsbezug ist
das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 dieses Buches.“
Hiernach ergibt sich jedenfalls bei der hier gebotenen summarischen Prüfung im
Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes, dass ein Leistungsausschluss im Falle des
Antragstellers zu bejahen ist. Ausweislich einer vom Senat eingeholten telefonischen
Auskunft von Herrn Hecht, Leiter der Vollzugsgeschäftstelle der JVA H, geht der
Antragsteller keiner normalen Arbeitstätigkeit nach, sondern wird über die Anstalt
beschäftigt. Nur zu diesem Zweck darf er die Anstalt verlassen; zuletzt war er nach
Auskunft der JVA bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung tätig. Hierbei handelt es
sich nach Auskunft der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nicht um ein reguläres
Beschäftigungsverhältnis auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von mehr als kurzzeitigem
Umfang, sondern um die Ausübung gemeinnütziger Arbeiten über die JVA.
Soweit der Antragsteller mit seinem Schriftsatz vom 10. Oktober 2006 auf die
Ausführungen von M (Stationäre Einrichtungen im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB II -
veröffentlicht auf der Homepage des Diakonischen Werkes unter http://www.diakonie-
portal.de/Members/Kotnik/Downloads/gutachtenmuender) verweist, vermag dies an dem
Leistungsausschluss im vorliegenden Fall nichts zu ändern.
Unabhängig davon, ob den Ausführungen von Münder zu dem Begriff der „Stationären
Einrichtungen im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB II“ zu folgen ist, schreibt auch Münder in
seinem für das Diakonische Werk erstellten Gutachten unter „5.11 Freigänger“:
„Mit der Neufassung von § 7 Abs. 4 SGB II hat der Gesetzgeber Leistungsansprüche
für Strafgefangene an die Ausübung einer mehr als kurzzeitigen Beschäftigung zu
regulären Arbeitsmarktbedingungen
unterscheiden:
Leistungsausschluss
- bloße Aufnahme in eine Warteliste für Freigänger
- bloße Erlaubnis zu Außenarbeiten unter Aufsicht
- gemeinnützige Arbeiten außerhalb der JVA
- Freigang bei fortbestehender Arbeitsverpflichtung in der JVA.
Kein Leistungsausschluss
- Freigänger in Beschäftigungsverhältnis auf allgemeinem Arbeitsmarkt von mehr
als kurzzeitigem Umfang
- Freigänger in selbständiger Tätigkeit auf allgemeinem Arbeitsmarkt von mehr als
kurzzeitigem Umfang.
Bei einem Freigang handelt es sich um eine Vollzugslockerung nach § 39
Strafvollzugsgesetz, die den Strafvollzug nicht unterbricht. Verliert der Freigänger seine
Beschäftigung, lebt daher der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II wieder auf,
wenn der Freigang nur für die verlorengegangene Tätigkeit erteilt war oder wegen einer
von der Anstaltsleitung nach wie vor für erforderlich gehaltenen Führungsaufsicht nur für
ganz begrenzte Beschäftigungen mit Seriösitätsprüfung des Arbeitgebers wieder erlaubt
werden kann. Unterliegt der Strafgefangene solchen Beschränkungen nicht mehr, führt
der Verlust des Arbeitsplatzes zu keinem Leistungsausschluss, solange der Freigang zur
Arbeitssuche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufrechterhalten bleibt. Bei einer so
weitgehenden Vollzugslockerung steht der Verfügbarkeit nach § 119 SGB III nicht
entgegen, dass der Arbeitsvertrag des Freigängers der Zustimmung des Direktors der
Strafvollzugsanstalt bedarf, dass der Strafvollzugsbehörde ein Recht zur sofortigen
Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorbehalten und die Überweisung des
Arbeitsentgelts auf ein Anstaltskonto vorzusehen ist.“
Auch hiernach ist ein Leistungsausschluss im Falle des Antragstellers zu bejahen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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