Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 10.10.2008

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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 10.10.2008 (rechtskräftig)
Sozialgericht Potsdam S 21 AS 2819/07
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 29 B 1244/08 AS PKH
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 14. Februar 2008 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Kläger begehren Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines unter dem Az. S 21 AS 2819/07 bei dem
Sozialgericht Potsdam registrierten Klageverfahrens, in dem sie für den Zeitraum vom 1. Juni 2007 bis zum 31.
Oktober 2007 von dem Beklagten höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II) ohne Abzug einer so genannten Warmwasserpauschale bei den Kosten der Unterkunft und
Heizung in Höhe von monatlich 7,50 EUR begehren.
Der Beklagte bewilligte den Klägern mit Änderungsbescheid vom 30. April 2007 Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes für den Zeitraum vom 1. Juni 2007 bis zum 31. Oktober 2007. Gegen diesen Bescheid in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 1. August 2007 erhoben die anwaltlich vertretenen Kläger unter Beantragung von
Prozesskostenhilfe Klage vor dem Sozialgericht Potsdam wegen der Minderung der Heizkosten um 18%. Diese
Minderung sei mangels Rechtsgrundlage unzulässig.
Das Sozialgericht Potsdam hat mit Beschluss vom 14. Februar 2008 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen
des geringen Streitwertes (7,50 EUR monatlich x 5 Monate = 37,50 EUR) abgelehnt. Jemand, der aus eigenem
Einkommen oder Vermögen die Kosten für einen Prozess tragen müsste, würde angesichts des geringen Wertes der
durchzusetzenden Ansprüche bei offenem Ausgang dieses Verfahrens den (gerichtskostenfreien) Prozess
vernünftigerweise nicht mit anwaltlicher Hilfe führen.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 29. April 2008 zugestellten Beschluss haben die Kläger am
28. Mai 2005 mit der Begründung Beschwerde eingelegt, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
sei der Unbemittelte dem Bemittelten in jeder Hinsicht gleichzustellen; auf den Streitwert könne es nicht ankommen.
Entscheidend sei vielmehr, dass die Rechtssache Aussicht auf Erfolg habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der
Gerichtsakten sowie der beigezogenen Leistungsakten des Beklagten () Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Das Sozialgericht Potsdam hat mit seinem Beschluss vom 14. Februar 2008 den Antrag auf Gewährung von
Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu Recht abgelehnt. Die Kläger haben keinen Anspruch auf
Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren.
Nach § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) setzt ein Anspruch auf
Prozesskostenhilfe voraus, dass der Beteiligte nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die
Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Insbesondere zur Beurteilung der Erfolgsaussichten ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts abzustellen
(vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 73a, Rnr. 7d m.w.N.).
Nach diesen Regelungen hat das Sozialgericht Potsdam in seinem angefochtenen Beschluss einen Anspruch auf
Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren zu Recht verneint.
Zutreffend hat es im Rahmen seiner Entscheidung berücksichtigt, dass ein Kläger, der aus eigenen Einkommen oder
Vermögen die Kosten für einen Prozess tragen müsste, angesichts des geringen Wertes der durchzusetzenden
Ansprüche bei offenem Ausgang dieses Prozesses vernünftigerweise anwaltliche Hilfe nicht in Anspruch genommen
hätte.
Entgegen der Ansicht der Kläger ist hierbei weder der Streitwert ohne Belang, noch ist es aufgrund der Verfassung
(Art. 3 Abs. 1 und 20 Abs. 3 Grundgesetz -GG -) geboten, einen Unbemittelten einem Bemittelten in jeder Hinsicht
gleichzustellen.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat vielmehr dem entgegengesetzt in ständiger Rechtsprechung
entschieden, dass sich aus verfassungsrechtlichen Gründen lediglich eine weitgehende Angleichung der Situation von
Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes ergibt; mit dem Institut der
Prozesskostenhilfe habe der Gesetzgeber auch Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu den Gerichten
ermöglicht (vgl. BVerfG, insb. Beschluss vom 20. Juni 2006,1 BvR 2673/05, zitiert nach Juris, m. w. N.). Das Gericht
müsse erwägen, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der
Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (BVerfG, a.a.O.). Anders ausgedrückt, braucht ein Unbemittelter nur
einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch
das Kostenrisiko berücksichtigt (BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 - m.w.N., veröffentlicht in NJW
1991, 413 = BVerfGE 81, 347).
Grundlegend hat das BVerfG bereits mit Beschluss vom 22. Januar 1959 (1 BvR 154/55 in JZ 1959, 171 = NJW
1959,715 = BVerfGE 9, 124) hierzu folgendes ausgeführt:
Entsprechend dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist bei einer Entscheidung über die Bewilligung
von Prozesskostenhilfe insbesondere darauf abzustellen, ob ein Bemittelter bei Betrachtung der Relation des Wertes
der durchzusetzenden Position (Streitwert) zum Kostenrisiko anwaltlichen Beistand in Anspruch genommen hätte (so
auch Landessozialgericht Niedersachsen- Bremen, Beschluss vom 15. Februar 2008, L 13 B 40/07 AS;
Landessozialgericht Berlin- Brandenburg, Beschlüsse vom 14. Mai 2007- L 10 B 217/07 AS PKH- und vom 19. Mai
2008- L 10 B 184/08 AS PKH- , jeweils zit. nach Juris). Es entspricht dieser Rechtsprechung, für einen Bagatellstreit
Prozesskostenhilfe nicht zu bewilligen. Es ist nicht erforderlich, den Unbemittelten in den (dem Bemittelten eröffneten)
Stand zu versetzen, einen Anwalt ohne die Beachtung der Relation des Wertes der durchzusetzenden Position zum
Kostenrisiko zu beauftragen (vgl. Landessozialgericht Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 14. Mai 2007- L 10 B
217/07 AS PKH-). Nach dieser Rechtsprechung, der der Senat folgt, hat das Sozialgericht die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, weil aufgrund des Kostenrisikos nicht davon auszugehen ist, dass ein
vernünftiger Bemittelter in der Lage der Kläger einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt
hätte. Das Sozialgericht ist in seinem Beschluss zutreffend von einem Kostenrisiko zumindest in Höhe der
anwaltlichen Gebühren für die 1. Instanz in Höhe von 559,30 EUR ausgegangen. Dem steht ein Streitwert von 37,50
EUR gegenüber. Im Falle eines Erfolges könnten die Kläger mithin allenfalls 1/15 (entsprechend 6,70%) der
voraussichtlichen Anwaltskosten allein für die 1. Instanz erwarten. Ein solches Kostenrisiko würde ein Bemittelter
vernünftigerweise nicht eingehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 73 a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.