Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 13.02.2007

LSG Berlin-Brandenburg: rücknahme, auflage, verbrauch, gutgläubigkeit, zukunft, ermessensfehler, link, sammlung, quelle, ermessensausübung

1
2
3
4
Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
26. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 26 B 436/07 AS PKH
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 73a SGG, § 114 ZPO, § 45 Abs
2 S 2 SGB 10
Grundsicherung für Arbeitsuchende - Prozesskostenhilfe -
Erfolgsaussicht - Rücknahme eines Bewilligungsbescheides -
Verbrauch bewilligter Leistungen - schutzwürdiges Vertrauen -
Gutgläubigkeit - Aufenthaltstitel
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13.
Februar 2007 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz ) des
Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. Februar 2007, der das
Sozialgericht Berlin nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist unbegründet. Das Gericht hat
den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche einstweilige
Rechtsschutzverfahren unter Beiordnung seiner Rechtsanwältin zu Recht abgelehnt. Der
Kläger hat keinen Anspruch nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 114 Satz
1, 115, 119 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) auf Gewährung von
Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin.
Die Gewährung von Prozesskostenhilfe setzt nach den genannten Vorschriften voraus,
dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht
auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzung erfüllt das
Rechtsschutzgesuch des Klägers im Zeitpunkt der Bewilligungsreife des
Prozesskostenhilfeantrages (vgl. Philippi in Zöller, ZPO, 26. Auflage 2007, § 119 RdNr. 39
und Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Auflage 2007, § 119
RdNr. 10 ff.), also frühestens mit Eingang dieses Antrages beim Sozialgericht am 23.
März 2006, nicht. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab und weist
die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet
zurück (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Dieser Beschluss wird von dem Kläger mit der Begründung angefochten, dass er
entgegen der Auffassung des Sozialgerichts auf den Bestand des
Bewilligungsbescheides vom 7. Dezember 2005 vertraut habe und dieses Vertrauen
auch schutzwürdig sei, weil er die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
verbraucht habe. Der Kläger beruft sich insoweit auf § 45 Abs. 2 Satz 2 Zehntes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB X). Hiernach ist das Vertrauen in den Bestand eines
Verwaltungsaktes in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen
verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur
unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann.
Dieses Vorbringen vermag nicht eine hinreichende Erfolgsaussicht im vorgenannten
Sinne zu begründen. Der Verbrauch erbrachter Leistungen kann nur bei Gutgläubigkeit
ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des streitbefangenen Bescheides
begründen und die Rücknahme dieses Bescheides hindern. Selbst bei Vorliegen eines
schutzwürdigen Vertrauens steht dieses Vertrauen einer Rücknahme jedenfalls mit
Wirkung für die Zukunft nicht entgegen (Steinwedel in Kasseler Kommentar,
Sozialversicherungsrecht , § 45 SGB X RdNr. 48). Ein solcher Fall ist
hier gegeben. Denn der Beklagte hat mit dem Ausgangsbescheid vom 22. Dezember
2005 den Bewilligungsbescheid vom 7. Dezember 2005, mit dem er dem Kläger
Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1.
Dezember 2005 bis zum 16. Februar 2006 bewilligt hat, mit Wirkung vom 1. Januar 2006
an, also mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben. Im Übrigen hat der Beklagte den Kläger
5
6
7
8
an, also mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben. Im Übrigen hat der Beklagte den Kläger
bereits mit Schreiben vom 8. Dezember 2005 darüber in Kenntnis gesetzt, dass der
Bewilligungsbescheid rechtswidrig ist und dass er deshalb beabsichtigt, diesen Bescheid
mit Wirkung vom 1. Januar 2006 aufzuheben. Aufgrund dieses Schreibens durfte der
Kläger schon gar nicht auf den Bestand des Bewilligungsbescheides vom 7. Dezember
2005 vertrauen, jedenfalls soweit es die Gewährung von Leistungen für die Zeit vom 1.
Januar 2006 an betrifft.
Durfte der Kläger bereits vor diesem Hintergrund nicht auf den Bestand des
Bewilligungsbescheides vertrauen, stellt sich mithin auch nicht die Frage, ob das
Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme
schutzwürdig ist (§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Aber selbst als Ergebnis einer solchen
Abwägung wäre ein Vertrauen des Klägers in den Bestand des Bewilligungsbescheides
vom 7. Dezember 2005 nicht schutzwürdig. Im vorliegenden Fall wäre hierbei zu
berücksichtigen, dass der Kläger mit dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II seinen
Aufenthaltstatus in Deutschland verloren hat. Denn seine aufgrund verschiedener
Fiktionsbescheide als fortbestehend geltende Aufenthaltsbewilligung erlosch aufgrund
einer entsprechenden Nebenbestimmung jedenfalls mit dem, auf einer
bestandskräftigen Bewilligungsentscheidung beruhenden Bezug von Leistungen nach
dem SGB II in der Zeit vom 29. November 2005 bis zum 31. Dezember 2005. Wegen
dieses Verlustes seines Aufenthalttitels und der aufgrund dessen erfolgten Aufhebung
der Leistungsbewilligung stand aber insbesondere nicht zu befürchten, dass der Kläger
bis zu einer Entscheidung über seinen Aufenthaltstatus oder seinem Verbleib in
Deutschland mittellos hätte bleiben müssen. Denn nach § 23 Zwölftes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB XII) ist Ausländern, die sich in im Inland tatsächlich aufhalten,
unter anderem Hilfe zum Lebensunterhalt zu leisten. Anders als das SGB II, dass
hinsichtlich der Leistungsberechtigung von Ausländern an den Aufenthaltstitel anknüpft
(§ 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB II, vgl. Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 7 RdNr. 18),
setzt der Bezug von Leistungen nach dem SGB XII danach lediglich einen tatsächlichen
Aufenthalt im Inland voraus. Unerheblich ist es dabei, warum sich der Ausländer in
Deutschland aufhält, ob er sich hier erlaubt oder unerlaubt, dauernd oder
vorübergehend aufhält (Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII , § 23
RdNr. 7).
Soweit der Kläger schließlich unter Hinweis auf den Beschluss des Sozialgerichts vom 10.
Februar 2006 - S 103 AS 967/06 ER - beanstandet, dass der Bescheid vom 22.
Dezember 2005 ermessensfehlerhaft sei, verkennt er, dass der Beklagte
zulässigerweise (§ 41 SGB X) eine entsprechende Ermessensausübung nachgeholt und
die maßgeblichen Ermessenserwägungen in dem Änderungsbescheid vom 16. Februar
2007 mitgeteilt hat. Anhaltspunkte dafür, dass insoweit ein Ermessensfehler vorliegt,
sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 73 a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht
angefochten werden (§ 177 SGG).
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum