Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 15.08.2005

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 9.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 9 KR 1144/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 677 BGB, § 28e SGB 4
Gesamtsozialversicherungsbeitrag - Zahlungspflicht des
Arbeitgebers - Verauslagung von Beitragsschulden durch Dritte
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom
15. August 2005 sowie der Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 2003 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2004 aufgehoben.
Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten für das
gesamte Verfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen Betragsbescheide der Beklagten.
Die Klägerin betrieb jedenfalls im hier streitbefangenen Zeitraum ein Restaurant. Durch
andere befreundete Gesellschaften wurden mehrere weitere ähnliche Restaurants an
deren Standorten betrieben. Die frühere Beigeladene, die inzwischen aus dem
Handelregister gestrichen ist, betrieb damals ebenfalls ein vergleichbares Restaurant.
Die befreundeten Restaurantunternehmen arbeiteten auch bei der Abführung von
Sozialversicherungsbeiträgen zusammen. So kam es wiederholt vor, dass bei
Liquiditätsschwierigkeiten eines Unternehmens ein anderes Unternehmen den
Gesamtsozialversicherungsbeitrag ganz oder teilweise verauslagte. Diese
Vorgehensweise wurde dadurch erleichtert, dass dieselbe Sachbearbeiterin als
Finanzbuchhalterin für drei Unternehmen, darunter auch die Klägerin und die frühere
Beigeladene, zum Zwecke der Beitragsentrichtung tätig wurde und bei Zweifelsfragen
telefonischen Kontakt mit der Sachbearbeitung der Beklagten hielt.
Im Juli 1999 zahlte die frühere Beigeladene einen größeren Geldbetrag zunächst auf ihr
eigenes Beitragskonto ein. Dieser Geldbetrag überstieg die Beitragsschulden der
früheren Beigeladenen für den betreffenden Monat um den Betrag von 4.557,94 €. Da
zur selben Zeit auch die Klägerin Beitragsschulden bei der Beklagten hatte, veranlasste
die gemeinsame Finanzbuchhalterin der Klägerin und der früheren Beigeladenen durch
telefonische Mitteilung bei der Beklagten, dass der überzählige Betrag von 4.557,94 €
vom Konto der früheren Beigeladenen abgezogen und dem Beitragskonto der Klägerin
gutgeschrieben wurde; dort erfolgte dann eine Verrechnung mit den Beitragsschulden.
Nachdem bei der früheren Beigeladenen ein Inhaberwechsel stattgefunden hatte,
wandte sich der nunmehrige alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer im Jahre 2001
an die Beklagte und bat darum, den aus seiner Sicht der früheren Beigeladenen
zustehenden Betrag von 4.557,94 € auf das Beitragskonto der Beigeladenen zu
verbuchen. Daraufhin ordnete die Beklagte am 15. Oktober 2001 eine Gutschrift auf das
Konto der früheren Beigeladenen in Höhe von 4.557,94 € an. Mit Bescheid vom 22.
Dezember 2003 forderte die Beklagte von der Klägerin die Entrichtung eines
Gesamtsozialversicherungsbeitrages in Höhe von 4.557,94 €. Den Widerspruch wies die
Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2004 mit der Begründung zurück, die
vorgenommene Verrechnung dieses Zahlbetrages auf die Beiträge des Monats Juli 1999
sei unwirksam gewesen, deshalb bestehe weiterhin eine Beitragsverpflichtung in Höhe
dieses Betrages.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin durch Gerichtsbescheid vom
15. August 2005 nach vorangegangener Anhörung der Beteiligten abgewiesen: Für die
vorangegangene Buchung des streitbefangenen Betrages auf das Beitragskonto der
Klägerin sei für das Gericht keinerlei Grund erkennbar. Insoweit habe die Klägerin
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Klägerin sei für das Gericht keinerlei Grund erkennbar. Insoweit habe die Klägerin
rechtswidrig ein Guthaben verlangt, worauf sie keinen Anspruch gehabt habe und das
entsprechend § 812 des Bürgerlichen Gesetzbuches herauszugeben sei. Deshalb
bestehe auch weiterhin eine nicht getilgte Beitragsschuld.
Gegen diesen hier am 09. September 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat die
Klägerin am Montag, dem 10. Oktober 2005 Berufung zum Landessozialgericht
eingelegt. Sie macht geltend, die Buchung des streitbefangenen Betrages auf das
Beitragskonto der Klägerin sei mit rechtlichem Grund erfolgt und habe zu einer Tilgung
der Beitragsschuld geführt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 15. August 2005 sowie den
Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 2003 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 21. April 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 31. März 2006 sind die
Prozessbeteiligten durch den Berichterstatter gehört worden. Hinsichtlich des
Ergebnisses der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird ferner Bezug genommen auf die
zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten der
Beklagten, welche dem Senat bei der Entscheidung vorgelegen haben und Gegenstand
der Entscheidung geworden sind.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung konnte gemäß §§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung ergehen, weil sich die
Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben und diese Vorgehensweise auch als
sachgerecht erscheint.
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Der angefochtene Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts Berlin sowie die streitbefangenen Bescheide der Beklagten waren
aufzuheben, weil letztere rechtswidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzten.
Der streitbefangene Geldbetrag steht der Beklagten gegenüber der Klägerin nicht zu.
Zwar bestand – was im Übrigen zwischen den Beteiligten unstreitig ist – im Monat Juli
1999 eine Beitragsschuld der Klägerin gegenüber der Beklagten in Höhe von mindestens
4.557,94 € auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28 e Sozialgesetzbuch /
Viertes Buch. Diese Beitragsschuld ist jedoch durch Erfüllung erloschen. Denn der
zunächst von der früheren Beigeladenen gezahlte Geldbetrag hat die
Beitragsverpflichtung der Klägerin in Höhe dieses Betrages getilgt.
Die Zahlung dieses Geldbetrages durch die frühere Beigeladene und deren Zuweisung
auf das Beitragskonto der Klägerin stellte sich damals als wirksame Leistung der
früheren Beigeladenen auf die Beitragsschuld der Klägerin dar. In einem
Mehrpersonenverhältnis ist Leistender derjenige, der aus Sicht eines verständigen
Empfängers (so genannter Objektiver Empfängerhorizont) die Leistung gewährt
(Bundessozialgericht, Urteil vom 09. Oktober 2001, B 1 KR 6/01 R juris – Langtext
Randnr. 21). An diesen Kriterien gemessen hat die Klägerin eine Leistung auf die
Beitragsschuld im Juli 1999 in Höhe des streitbefangenen Betrages erbracht, auch wenn
sie selber keine Zahlung vorgenommen hat. Denn eine Leistung kann nach den
vorgenannten Kriterien auch durch einen Dritten erfolgen, sofern nur gegenüber dem
Empfänger der Leistung gemessen an den Maßstäben des objektiven
Empfängerhorizontes der Wille erkennbar ist, auf eine eindeutig bestimmte Schuld zu
leisten. So verhielt es sich vorliegend, denn die Zahlung der früheren Beigeladenen
erfolgte auf Grund der für die Beklagte eindeutig erkennbaren Zweckbestimmung nur
auf das Konto der Klägerin und nicht auf das Beitragskonto der früheren Beigeladenen.
Hierbei ist rechtlich unerheblich, dass zum Zeitpunkt der Zahlung des Betrages durch
die frühere Beigeladene möglicherweise noch nicht erkennbar war, dass ein Teilbetrag in
Höhe von 4.557,94 € auf das Beitragskonto der Klägerin erfolgen sollte. Vielmehr war in
Höhe dieses Teilbetrages zum Zeitpunkt der Zahlung noch gar keine Zweckbestimmung
und Leistungsbestimmung erkennbar, denn insoweit bestand bei der Beigeladenen auch
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und Leistungsbestimmung erkennbar, denn insoweit bestand bei der Beigeladenen auch
keine Beitragsschuld, auf die hätte geleistet werden können. Dies wird daran deutlich,
dass die Beklagte den Geldbetrag zunächst als Guthaben auf dem Konto der
Beigeladenen verbucht hatte. Eine wirksame Leistungsbestimmung nahm die frühere
Beigeladene erst dann vor, als sie gegenüber der Beklagten erklärte, der hier
streitbefangene Geldbetrag sei für die Begleichung der Beitragsschulden der Klägerin
vorgesehen. Zu diesem Zeitpunkt war aus Sicht der Beklagten unmissverständlich
deutlich, dass es sich dabei um eine Leistung der Beigeladenen mit Wirkung für die
Klägerin handelte. Als solche Leistung ist sie dementsprechend auch verbucht worden.
Gleichfalls rechtlich unerheblich ist, dass nach vorgenommenem Gesellschafterwechsel
die Beigeladene eine Rückbuchung dieses Betrages verlangte. Eine solche Rückbuchung
konnte die Beigeladene nicht wirksam verlangen, weil sie vorher eine wirksame
Leistungsbestimmung auf das Beitragskonto der Klägerin vorgenommen hatte, was zur
Erfüllung der klägerischen Beitragsschulden geführt und die Leistung damit zugleich
verbraucht hatte. Eine nachträgliche Leistungsänderung stand nicht mehr in der
Gestaltungsmacht der Beigeladenen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des
Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht
vorliegen.
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