Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 05.11.2004

LSG Berlin und Brandenburg: arbeitslosenhilfe, vietnam, arglistige täuschung, grobe fahrlässigkeit, verwertung, verwaltungsakt, gerichtsakte, geldanlage, verwandtschaft, betrug

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 05.11.2004 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 60 AL 3086/03
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 4 AL 74/03
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Oktober 2003 sowie die Bescheide
der Beklagten vom 24. Februar 2003 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12. Mai 2003 und des
Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2003 aufgehoben. Die Beklagte hat die außergerichtliche Kosten des Klägers
für das gesamte Verfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum 20. Juli 2001 bis 19.
Juli 2002 sowie um die Erstattung von in diesem Zeitraum geleisteter Arbeitslosenhilfe sowie von Beiträgen zur
Kranken- und Pflegeversicherung. Es geht um einen Erstattungsbetrag von insgesamt 8.960,79 EUR.
Der am 27. September 1969 in Vietnam geborene Kläger lebt seit 1988 in Deutschland. Er war zuletzt bis zum 24. Juli
2000 als Bauhelfer beschäftigt. Vom 25. Juli 2000 bis zum 19. Juli 2001 bezog er Arbeitslosengeld. Am 21. Juni 2001
beantragte er die Bewilligung von Anschlussarbeitslosenhilfe. Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung gab er dabei
lediglich an, über ein Girokonto mit einem Guthaben in Höhe von 1.717,08 DM zu verfügen. Aufgrund entsprechender
Bewilligungsbescheide der Beklagten bezog er daraufhin Arbeitslosenhilfe vom 20. Juli 2001 bis zum 19. Juli 2002,
unterbrochen von einer Säumniszeit vom 1. bis 7. Juni 2002. Auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts von 640,-
DM betrug der Leistungssatz bis zum 31. Dezember 2001 41,47 DM täglich; ab Januar 2002 betrug der Leistungssatz
21,38 EUR täglich nach einem Bemessungsentgelt von 330 EUR.
Aufgrund eines Datenabgleichs mit dem Bundesamt für Finanzen erhielt die Beklagte am 23. Mai 2002 Kenntnis von
mehreren vom Kläger eingerichteten Freistellungsaufträgen. Hierzu befragt, teilte der Kläger am 9. Juli 2002 mit,
zusammen mit seiner Ehefrau über sechs verschiedene Giro- und Sparkonten bzw. Sparbriefe und Wertpapiere mit
einem Gesamtwert von 127.848,65 DM zu verfügen. Gleichzeitig überreichte er die Ablichtung von Zollerklärungen,
aus denen hervorgeht, dass seine Ehefrau am 28. Februar 1995 und am 20. Februar 1998 jeweils 35.000,- Dollar aus
Vietnam nach Deutschland eingeführt hatte. Im Rahmen seiner Anhörung zur beabsichtigten Aufhebung der
Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab 20. Juli 2001 teilte der Kläger mit, dass die betreffenden Summen
nicht ihnen gehörten. Er solle sie nur aufbewahren für seine Verwandtschaft in Vietnam, die in der Heimat bei der
Geldanlage ein unsicheres Gefühl habe. Mit Bescheiden vom 24. Februar 2003 hob die Beklagte die Bewilligung von
Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 20. Juli 2001 bis zum 31. Dezember 2001 und für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis
zum 19. Juli 2002 ganz auf und forderte die Erstattung von 8.006,- DM (entsprechend 4.093,40 EUR; Arbeitslosenhilfe
i.H.v. 6.842,55 DM [3.498,54 Euro] sowie Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung i.H.v. 1.163,45 DM [594,86
Euro]) für das Jahr 2001 bzw. von 4.893,64 EUR für das Jahr 2002. In Bezug auf den Leistungszeitraum 1. Januar bis
19. Juli 2002 ließ die Beklagte dabei irrig unberücksichtigt, dass der Kläger im Zeitraum 1. bis 7. Juni 2002 keine
Leistungen bezogen hatte. In seinem Widerspruch vom 21. März 2003 trug der Kläger erneut vor, dass das
angegebene Vermögen nicht sein Geld sei. Es sei in zwei Summen von Verwandten aus Vietnam übergeben worden,
damit es hier sicher auf der Bank verwahrt werde. Er selber habe überhaupt kein Vermögen.
Mit Änderungsbescheid vom 12. Mai 2003 berücksichtigte die Beklagte, dass der Kläger im Zeitraum 1. bis 7. Juni
2002 keine Leistungen bezogen hatte und modifizierte die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe insoweit.
Die Erstattungsforderung betrug nunmehr 4.867,39 EUR, worin Arbeitslosenhilfe in Höhe von 4.126,34 EUR sowie
Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 741,05 EUR enthalten waren.
Mit Bescheid vom 23. Mai 2003 schließlich wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen die Bescheide vom
24. Mai 2003 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12. Mai 2003 zurück. Weil der Kläger die aus Vietnam
eingeführten 70.000,- Dollar auf seinen Namen bzw. denjenigen seiner Ehefrau angelegt habe, müsse dieses Geld
auch als einzusetzendes Vermögen angesehen werden. Aufgrund fehlender Bedürftigkeit habe deshalb die Bewilligung
von Arbeitslosenhilfe aufgehoben werden müssen.
Hiergegen hat der Kläger am 20. Juni 2003 Klage erhoben, zu deren Begründung er wiederholt hat, das gesamte
Vermögen stamme von Verwandten in Vietnam, die ihn um eine sichere Geldanlage in Deutschland gebeten hätten.
Er verwalte es lediglich treuhänderisch und habe keine jederzeitige Zugriffsermächtigung auf das Vermögen. In der
mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Berlin am 30. Oktober 2003 hat der Kläger eine schriftliche Erklärung
seiner Mutter vorgelegt, die sich seinerzeit in Berlin aufhielt, aber sonst in Vietnam lebt. Aus dieser vom Sozialgericht
unübersetzt gelassenen Erklärung ergebe sich, so der Kläger, dass ihm die Beträge von verschiedenen, genau
bezeichneten Verwandten übergeben worden seien, damit er das Geld in Deutschland anlege. Ein fester
Rückgabetermin sei nicht vereinbart worden. Es sei vereinbart worden, dass er und seine Ehefrau das Geld nach
entsprechender Rückfrage im Falle einer Notlage hätten nutzen dürfen. Im Zuge der Auseinandersetzung mit dem
Arbeitsamt habe er das Geld abgehoben und nach Vietnam zurückgebracht.
Mit Urteil vom 30. Oktober 2003 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung, wegen deren
Einzelheiten auf die Gerichtsakte Bezug genommen wird, im Wesentlichen ausgeführt: Entgegen der Auffassung des
Klägers stelle das sich zu Beginn des Arbeitslosenhilfebezuges am 20. Juli 2001 auf seinen Namen angelegte
Vermögen als ein solches dar, das im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung berücksichtigt werden müsse. die
Vermögensverwertung sei auch nicht unbillig. Die behauptete verdeckte Treuhand sei nicht belegt. Es fehle an einem
Nachweis, dass die aus Vietnam eingeführten 70.000,- Dollar der Verwandtschaft des Klägers und nicht dem Kläger
selbst gehörten. Die schriftliche Erklärung der Mutter erscheine als unzureichend, weil nicht nachvollziehbar sei,
weshalb die gleichaltrigen und jüngeren Geschwister des Klägers Beträge von jeweils 10.000,- bis 15.000,- Dollar
hätten beisteuern sollen, während der Kläger über kein eigenes Vermögen verfügt habe. Außerdem habe der Kläger
selbst eingeräumt, im Notfall berechtigt gewesen zu sein, das Geld nach Rücksprache für den eigenen
Lebensunterhalt zu verbrauchen. Auch wenn der Kläger gegenüber seiner Verwandtschaft zur Herausgabe des Geldes
verpflichtet gewesen sein sollte, so ergebe sich daraus im Außerverhältnis - gegenüber der Beklagten - keine
Treuhandstellung. Werde der Treuhänder zur Verwertung des Treugutes für den Lebensunterhalt gezwungen und damit
außerstande gesetzt, den Anspruch des Treugebers zu befriedigen, so trage der Treugeber das wirtschaftliche Risiko.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 24. November 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22. Dezember 2003
Berufung eingelegt. Er trägt ergänzend vor, in Vietnam sei es üblich, dass Verwandte einander glauben und helfen. So
sei es auch mit dem Verleihen von Geld. Nach Rücksprache mit seiner Mutter habe er das fragliche Vermögen etwa
zur Eröffnung eines Geschäftes benutzen dürfen. Einen festen Rückgabetermin habe er mit seiner Mutter nicht
vereinbart. Es bestehe keine Verpflichtung zur Rückzahlung, sondern seine Ehefrau und er hätten das Geld einfach
nur aufbewahren sollen. In der gegenwärtigen Situation hätten die Verwandten das Geld in Vietnam nicht gebrauchen
können.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Oktober 2003 sowie die Bescheide der Beklagten vom 24. Februar 2003
in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12. Mai 2003 und des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2003
aufzu- heben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat die auf vietnamesisch abgefasste schriftliche Erklärung der Mutter des Klägers vom 28. Oktober 2003
übersetzen lassen. Die Mutter des Klägers hat darin u.a. erklärt:
"Ich bestätige, dass unsere Familien einerseits unseren beiden Kindern durch die Bereitstellung der Gelder bei ihrer
Unternehmung helfen wollen, zum anderen wir unser Geld auf diese Weise am sichersten aufheben können."
In der Erklärung sind sechs vietnamesische Verwandte des Klägers genannt, die Summen von insgesamt 70.000,-
Dollar übergeben haben sollen (zwei Schwestern, ein Bruder, eine Tante: jeweils 10.000,- Dollar; ein Onkel, die Mutter:
jeweils 15.000,- Dollar). Wegen des weiteren Inhalts der Übersetzung wird auf Blatt 36 der Gerichtsakte Bezug
genommen.
Die Beklagte hat hierzu erklärt, aus der Angabe der Mutter, dass das Geld auch für die Unternehmungen des Klägers
und seiner Ehefrau bestimmt gewesen sei, ergebe sich, dass es sich nicht um eine rein treuhänderische Verwaltung
dieser Beträge gehandelt habe, weil sie jedenfalls auch für die Lebens- und Geschäftsführung des Klägers und seiner
Ehefrau bestimmt gewesen seien.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
Leistungsakte der Beklagten (Stamm-Nr. 447 637) Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der
Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Die Entscheidung des Sozialgerichts Berlin vom 30. Oktober
2003 beurteilt die Sach- und Rechtslage unzutreffend. Die Bescheide der Beklagten vom 24. Februar 2003 in der
Fassung des Änderungsbescheides vom 12. Mai 2003 und des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2003 sind
rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Er hat der Beklagten nichts zu erstatten, weil die streitigen
Leistungen zu Recht gewährt worden sind.
Rechtsgrundlage des Aufhebungsbescheides ist § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 330
Abs. 2 SGB III. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein bestandskräftiger begünstigender Verwaltungsakt nur unter den
Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit
zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht
zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein
Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (Satz 1). Das
Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine
Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen
kann (Satz 2). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen (Satz 3), soweit (1.) er den Verwaltungsakt
durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, (2.) der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der
Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
(3.) er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe
Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Diese Voraussetzungen sind schon deshalb nicht erfüllt, weil die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum
20. Juli 2001 bis 19. Juli 2002 rechtmäßig war.
Nach § 190 Abs. 1 Nr. 5 SGB III ist die Bedürftigkeit des Arbeitslosen eine unabdingbare Anspruchsvoraussetzung für
die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe. Der Arbeitslose ist bedürftig, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere
Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die
Arbeitslosenhilfe nicht erreicht (§ 193 Abs. 1 SGB III). Der Arbeitslose ist nicht bedürftig, solange mit Rücksicht auf
sein Vermögen oder das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten die Gewährung von
Arbeitslosenhilfe offenbar nicht gerechtfertigt ist (§ 193 Abs. 2 SGB III). Nach § 6 Abs. 1 der auf der Grundlage von §
206 Nr. 1 SGB III erlassenen Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 7. August 1974 (Alhi-VO, in der Fassung vom 21.
Dezember 2000, BGBl. I, S. 1983) ist Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden
Ehegatten zu berücksichtigen, soweit es verwertbar und die Verwertung zumutbar ist und der Wert des Vermögens,
dessen Verwertung zumutbar ist, jeweils achttausend Deutsche Mark übersteigt.
Der Kläger war zwar bei Beantragung der Anschluss-Arbeitslosenhilfe am 21. Juni 2001, dem für die Prüfung
anrechenbaren Vermögens gemäß § 8 Satz 2 Alhi-VO maßgebenden Zeitpunkt, zusammen mit seiner Ehefrau
(alleiniger) Inhaber und Verfügungsbefugter der Vermögenswerte in Höhe von 127.848,65 DM, die als Geldvermögen
(Giro- und Sparkonten bzw. Sparbriefe und Wertpapiere) verbraucht und somit grundsätzlich verwertet werden konnten
(§ 6 Abs. 2 Satz 1 Alhi-VO).
Die Anrechnung dieses Vermögens ist jedoch nach der Generalklausel des § 6 Abs. 3 Satz 1 Alhi-VO
ausgeschlossen. Danach ist die Verwertung nur dann zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und
wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner
Angehörigen billigerweise erwartet werden kann. Die Unbilligkeit der Vermögensverwertung kann aus den besonderen
Lebensumständen sowohl des Arbeitslosen als auch seiner Angehörigen resultieren und sich darüber hinaus auch aus
anderen Umständen, insbesondere auch der Herkunft des Vermögens, ergeben (BSG, Urteil vom 17. Oktober 1996, 7
RAr 2/96, SozR 3-4100 § 137 Nr. 7; vgl. auch das Urteil des Senats in einem ähnlich gelagerten Fall vom 25. April
2003, L 4 AL 25/02). Ferner ermöglicht es diese stets erforderliche Billigkeitsprüfung, bestimmten
Vermögensgegenständen Verbindlichkeiten zuzuordnen und auch dann in Ansatz zu bringen, wenn deren Abzug nicht
schon bei der Feststellung des zu berücksichtigenden Vermögens möglich ist, weil der dafür erforderliche unmittelbare
Zusammenhang fehlt (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 2000, B 11 AL 35/00 R, SozR 3-4220 § 6 Nr. 8). Nach
diesen Kriterien kommt hier eine Vermögensverwertung nicht in Betracht. Die eine sehr formelle Betrachtungsweise
verfolgende Entscheidung des Sozialgerichts wird den Erfordernissen einer einzelfallbezogenen Billigkeitsprüfung
nicht gerecht.
Der Kläger hat widerspruchsfrei vorgetragen, die fraglichen Vermögenswerte zugunsten seiner vietnamesischen
Verwandten in Deutschland angelegt zu haben. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, an der Richtigkeit dieser
Darstellung zu zweifeln. Die Einfuhr von 70.000,- Dollar durch die Ehefrau des Klägers in den Jahren 1995 und 1998
aus Vietnam ist belegt. Ebenso sind aufgrund der Erklärung der Mutter des Klägers vom 28. Oktober 2003 die Namen
derjenigen Verwandten aktenkundig, die dem Kläger Summen in Höhe von 10.000,- bzw. 15.000,- zur
Vermögensanlage überlassen haben. Dass vietnamesische Bürger eine Geldanlage in Deutschland für sicherer halten
als in ihrer Heimat, kann der Senat nachvollziehen. Nachvollziehbar ist auch, dass der Kläger die angelegten Werte
nicht als sein eigenes Vermögen ansah, es ihm im Rahmen verwandtschaftlicher Hilfe aber gleichwohl freistand, sich
des Vermögens nach Rückfrage in Vietnam zu bedienen, um sich selbständig zu machen, also einen zinslosen Kredit
von Seiten der Verwandten in Anspruch zu nehmen, der später rückzahlbar war. Dieses "Arrangement", dem keine
schriftlichen Vereinbarungen zugrunde lagen, hat der Kläger bei seiner Befragung durch den Senat plausibel gemacht.
Unabhängig davon hat der Kläger dieses verwandtschaftliche Angebot offenbar nicht angenommen, sondern es bei
der schlichten Vermögensanlage belassen. Dass für die Geldinstitute nicht ersichtlich war, dass der Kläger das Geld
für Dritte anlegte, ist unerheblich. Aus Sicht des Klägers bedurfte es keiner Offenlegung der Treuhandverhältnisse
gegenüber den Banken, was ohne weiteres einleuchtet. Er wollte das Geld formal auf seinen Namen anlegen, ohne
dass er meinte, es "gehöre" ihm.
Angesichts dieser den Einzelfall kennzeichnenden besonderen Umstände eines verdeckten Treuhandverhältnisses
hält der Senat die dem Kläger von der Beklagten angesonnene Vermögensverwertung für unbillig, denn der Kläger
hätte die ihm anvertrauten Gelder für seinen Lebensunterhalt verbrauchen müssen, obwohl es sich wirtschaftlich
betrachtet um Gelder der Verwandten in Vietnam handelte.
Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts ist eine solche wirtschaftliche Betrachtungsweise der
Verhältnisse des Klägers hier erforderlich, um die sonst bei einer Berücksichtigung des in Rede stehenden
Vermögens auftretende Härte zu vermeiden. Der stets zu prüfenden Generalklausel des § 6 Abs. 3 Satz 1 Alhi-VO,
die nicht nur auf die angemessene Lebenshaltung des Vermögensinhabers und seiner Angehörigen abstellt, sondern
auch die offensichtliche Unzumutbarkeit der Verwertung als Maßstab der Billigkeitsprüfung nennt, kommt nämlich
allgemein die Funktion einer Härteklausel für die Beantwortung der Frage zu, in welchen Fällen die Verwertung eines
Vermögensgegenstandes unbillig ist (vgl. BSG, BSG, Urteil vom 2. November 2000, B 11 AL 35/00 R, SozR 3-4220 §
6 Nr. 8).
Da nach alledem die Verwertung der in Rede stehenden Vermögenswerte vom Kläger nicht verlangt werden konnte
und er unstreitig weiteres Vermögen nicht besaß, war er in den streitigen Zeiträumen bedürftig im Sinne von § 190
Abs. 1 Nr. 5 SGB III, so dass ihm die Arbeitslosenhilfe zu Recht gewährt worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen
nicht vor.