Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 26.03.2008

LSG Berlin-Brandenburg: hauptsache, rückgriff, quelle, sammlung, link, zivilprozessordnung, niedersachsen, obsiegen

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
28. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 28 B 1379/08 AS
PKH
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 172 Abs 3 SGG vom
26.03.2008, § 144 Abs 1 S 1 Nr
1 ZPO, § 73a SGG, § 114 ZPO, §
127 Abs 2 S 2 ZPO
Sozialgerichtliches Verfahren - Beschwerde gegen ablehnenden
PKH-Bescheid - Statthaftigkeit trotz Nichterreichen des
Beschwerdewertes in der Hauptsache
Leitsatz
Die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ist nicht ausgeschlossen, wenn
in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Ein Rückgriff auf den Rechtsgedanken
des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist nicht möglich.
Tenor
Auf ihre Beschwerde wird der Klägerin unter Aufhebung des Beschlusses des
Sozialgerichts Berlin vom 28. April 2008 für das erstinstanzliche Verfahren ab
Antragstellung Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin AD gewährt.
Beträge aus dem Vermögen oder Raten sind nicht zu zahlen.
Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 29.
April 2008 ist nach § 172 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft, obwohl in der
Hauptsache der Beschwerdewert der Berufung mit einem Betrag von nur 150 € nicht
erreicht wäre. Der Senat hat bereits geklärt, dass im PKH -Verfahren unabhängig von
dem Beschwerdewert in der Hauptsache die Beschwerde zulässig ist
(Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02. Juni 2008 - L 28 B 919/08
AS ER und L 28 B 1059/08 AS PKH - in juris veröffentlicht). Der gegenteiligen Auffassung
(vgl. etwa LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Februar 2007 - L 25 B 109/07 AS
PKH - und neuerdings Beschluss vom 13. Mai 2009 - L 34 B 2136/08 AS PKH - in juris
veröffentlicht) vermag sich der Senat gerade nach umfangreicher Änderung des § 172
SGG zum 1. April 2008 und unter Berücksichtigung des Gesetzgebungsprozesses hierzu
nicht anzuschließen (vgl. im Einzelnen unter Aufgabe der bisherigen Rechtssprechung
LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 6. Mai 2008 - L 6 B 48/08 AS; zitiert nach
juris Rn. 6 ff.). § 172 Abs. 3 SGG enthält eine klare und eigenständige Regelung dazu, in
welchen Fällen die grundsätzlich zulässige Beschwerde gegen Entscheidungen der
Sozialgerichte ausgeschlossen ist - einschließlich besonderer Regelungen zum
Beschwerdewert. Anders als bei Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist die
Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe nicht ausgeschlossen, wenn in
der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Ein Rückgriff auf den Rechtsgedanken
des § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) ist daher zur Überzeugung des
Senats nicht möglich.
Die Beschwerde ist auch begründet. Als Bezieherin von Leistungen nach dem Zweiten
Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) ist die Klägerin nach ihren persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung
aufzubringen. Auch erscheint die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig und
bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das angerufene Gericht beurteilt die
Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO regelmäßig ohne abschließende tatsächliche
und rechtliche Würdigung des Streitstoffes. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht
dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das
Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des
Verfahrens in der Sache treten zu lassen. Für die Annahme hinreichender
Erfolgsaussicht reicht die "reale Chance zum Obsiegen" aus, nicht hingegen eine "nur
entfernte Erfolgschance". Prozesskostenhilfe darf daher nur dann verweigert werden,
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entfernte Erfolgschance". Prozesskostenhilfe darf daher nur dann verweigert werden,
wenn ein Erfolg in der Sache fern liegend ist (BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 – 2 BvR
94/88 – zitiert nach juris, Rn. 26). Letzteres aber ist hier entgegen der Auffassung des
Sozialgerichts Berlin nicht der Fall.
Es ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt, in welchen Fällen Kosten für
Schönheitsreparaturen auch dann (ggfs. im Wege eines Darlehens) von den
Grundsicherungsträgern zu erstatten sind, wenn eine entsprechende Mietvertragsklausel
zur Übernahme dieser Kosten nach zivilrechtlichen Maßstäben möglicherweise nichtig
ist. Das Bundessozialgericht hat nur entschieden, dass Schönheitsreparaturen jedenfalls
bei der Einzugsrenovierung grundsätzlich zu den erstattungsfähigen Kosten der
Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II gehören und nicht über die Instandhaltungspauschale
in der Regelleistung „abgegolten“ sind (BSG, Urteil vom 16 Dezember 2008 – B 4 AS
49/07 R - zitiert nach juris, Rn. 18). Welche Maßstäbe für Schönheitsreparaturen im
laufenden Mietverhältnis anzuwenden sind und in welchem Umfang zivilrechtliche
Vorfragen Auswirkungen auf die Kostentragung eines Grundsicherungsträgers dem
Grunde nach haben können, ist hingegen ungeklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht
angefochten werden (§ 177 SGG).
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