Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 24.03.2006

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 1.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 1 RA 118/93 W04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 307b Abs 3 Nr 3 S 2 SGB 6,
AAÜGÄndG 2
Rentenversicherung; Feststellung des Rentenwertes bei früher
zusatzversorgten Bestandsrentnern des Beitrittsgebietes;
Berechnung der Vergleichsrente; Begrenzung der
Arbeitsentgelte für Zeiten vor dem 1.3.1971;
Verfassungsmäßigkeit
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten – einschließlich der des Revisionsverfahrens – sind nicht zu
erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger ab Januar 1992 im Rahmen seines Rechts auf Altersrente
Anspruch auf höhere so genannte Vergleichsrente hat.
Der 1922 geborene Kläger ist Bestandsrentner der DDR, der ab 1. Dezember 1963 in die
zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) einbezogen war und
ab Juli 1972 Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) entrichtet hatte. Ab
April 1983 bezog er aus der Sozialpflichtversicherung und der AVItech Renten wegen
Invalidität, die ab Vollendung des 65. Lebensjahres als Altersinvalidenrente und
Zusatzaltersrente gezahlt wurden. Der Gesamtrentenbetrag in M (der DDR) wurde zum
1. Juli 1990 auf entsprechende DM – Beträge aufgewertet, die Rente am 31. Dezember
1991 in die Rentenversicherung des Beitrittsgebiets überführt und die
Beitrittsgebietsrente zum 1. Januar 1992 durch eine – zunächst in einem pauschalen
Verfahren ermittelte – Altersrente nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) VI ersetzt.
Die dagegen gerichtet Klage zum Sozialgericht Berlin blieb erfolglos (Urteil vom 12.
August 1993).
Im Berufungsverfahren erließ die Beklagte für die Zeit ab 1. Juli 1990 ersetzende
Rentenneufeststellungsbescheide, wobei sie unter Zugrundelegung der individuellen
Versicherungsbiographie den nach den Vorschriften des SGB VI ermittelten Wert jeweils
mit den gesetzlichen Vergleichswerten verglich und den monatlichen Wert des Rechts
auf Altersrente jeweils nach dem höchsten Wert bestimmte. Schließlich erließ sie den
Neufeststellungsbescheid vom 14. Februar 2002. Hierbei ergab sich, dass erstmals ab 1.
Juli 1992 der aufgrund der gesetzlich vorgesehenen Vergleichsrentenberechnung
ermittelte Wert die anderen Vergleichswerte überstieg, sodass die Beklagte nach ihm
den monatlichen Wert des Rechts auf Altersrente ab jenem Zeitpunkt festsetzte.
Gegen den Bescheid vom 14. Februar 2002 wandte sich der Kläger zum einen noch in
soweit, als er verlangte, den durch den Einigungsvertrag besitzgeschützten Zahlbetrag
nach dem aktuellen Rentenwert (Ost) – nicht, wie geschehen, nach dem allgemeinen
aktuellen Rentenwert – zu dynamisieren. Zum anderen war er mit der Berechnung der
Vergleichsrente nicht einverstanden. Die Beklagte habe für rentenrechtliche Zeiten vor
dem 1. März 1971 nur monatliche Arbeitsverdienste bis zu 600 M berücksichtigt, nicht
aber die von ihm erzielten höheren Verdienste.
Der Senat wies die gegen den Bescheid vom 14. Februar 2002 erhobene Klage
insgesamt ab (Urteil vom 31. Januar 2003). Hinsichtlich der Vergleichsrente führte er
aus, die Beklagte habe deren Wert zutreffend gemäß § 307 b Abs. 1 und 3 SGB VI
ermittelt. Diese gesetzlichen Regelungen seien in Umsetzung der Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Urteil vom 28. April 1999 (1 BvR 1926/96 und 1
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Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Urteil vom 28. April 1999 (1 BvR 1926/96 und 1
BvR 485/97) durch das Zweite Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und
Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2.AAÜG-ÄndG) vom 27. Juli 2001 in § 307 b SGB VI
eingefügt worden. Das BVerfG habe es als verfassungswidrig angesehen, dass bei
Bestandsrentnern aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR bei der
Ermittlung der Entgeltpunkte (EP) die vollständige (individuelle) Versicherungsbiographie
zugrunde gelegt werde, während sie bei allen anderen Bestandsrentnern gemäß § 307 a
SGB VI aus den (in der Sozialpflichtversicherung und FZR) versicherten
Arbeitsverdiensten eines 20-Jahres-Zeitraumes ermittelt würden. Die Neuregelung in §
307 b SGB VI stelle zusatz- und sonderversorgungsberechtigte Bestandsrentner
nunmehr durch das Gebot, eine Vergleichsberechnung durchzuführen, die den Kriterien
des § 307 a SGB VI entspreche, mit den anderen Bestandsrentnern gleich; auch bei
diesen würden für Zeiten vor dem 1. März 1971 monatliche Verdienste maximal bis 600
M berücksichtigt, nämlich der Beitragsbemessungsgrenze in der
Sozialpflichtversicherung der DDR.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision hat der Kläger gerügt, die hier einschlägigen
Regelungen des § 307 b SGB VI seien verfassungswidrig. Das Bundessozialgericht (BSG)
hat mit Urteil vom 31. März 2004 – B 4 RA 11/03 R – entschieden, die vom Senat
vorgenommene Auslegung und Anwendung des § 307 b Abs. 3 SGB VI verletze nicht
Bundesrecht. Die in § 307 b Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 SGB VI für Zeiten vor dem 1. März 1971
angeordnete Begrenzung der zu berücksichtigenden Arbeitsverdienste sei
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das BSG hat den Rechtsstreit gleichwohl
deshalb an den Senat zurückverwiesen, weil es nicht habe erkennen können, ob im
streitbefangenen Zeitraum (Vergleichsberechnung für Zeiten vom 1. Januar 1963 bis 28.
Februar 1971) – und zwar insoweit im (maßgeblichen) jeweiligen Kalendermonat –
jedenfalls der volle Verdienst bis zur 600 M– Grenze berücksichtigt worden sei.
Der Senat hat den Kläger gebeten mitzuteilen, ob er geltend mache, seine Verdienste
seien im streitbefangenen Zeitraum nicht einmal bis zur monatlichen 600 M– Grenze
berücksichtigt worden. Gegebenenfalls wolle er dies belegen. Er hat erwidert, aus dem
Rentenbescheid vom 14. Februar 2002 sei ersichtlich, dass für den streitigen Zeitraum
vom 1. Januar 1963 bis 28. Februar 1971 in keinem Jahre die 600 M–Grenze bzw. – auf
das Jahr bezogen – die 7.200 M – Grenze berücksichtigt worden sei. Dies beruhe darauf,
dass seine sozialversicherungspflichtigen Entgelte durch Krankheitstage unter 7.200 M
jährlich gemindert worden seien. Diese so geminderten sozialversicherungspflichtigen
Entgelte seien von der Beklagten sachlich richtig festgestellt worden. Zur Höhe der
monatlich eingestellten Entgelte könne er – soweit sich dies nicht für einzelne Monate
aus dem Bescheid vom 14. Februar 2002 ergibt – nichts weiter vortragen. Er meine
jedoch, das für die Vergleichsberechnung nicht nur die – verminderten –
sozialversicherungspflichtigen Entgelte einzustellen seien, wie im streitbefangenen
Rentenbescheid geschehen, sondern bis zur Grenze von 7.200 M jährlich Teile der
aufgrund seiner Zugehörigkeit zur AVItech berücksichtigungsfähigen, nicht der
Sozialversicherungspflicht unterliegenden Entgelte (AAÜG-Entgelte) hinzuzufügen seien.
Darüber hinaus bezweifle er nach wie vor die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des §
307 b Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 SGB VI.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Rentenbescheides vom 14. Februar 2002 zu
verurteilen, ihm höhere Rentenleistungen zu gewähren und zu diesem Zweck bei der
Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte (Ost) für die Vergleichsrente im Zeitraum
vom 1. Januar 1963 bis zum 28. Februar 1971 die Summe der aus
sozialversicherungspflichtigem Entgelt und AAÜG-Entgelt in voller Höhe,
hilfsweise,
in Höhe von 600 M monatlich, sofern die Summe aus sozialversicherungspflichtigem
Entgelt und AAÜG-Entgelt diesen Grenzwert erreicht, zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf das Urteil des BSG vom 31. März 2004. Danach sei das klägerische
Begehren unbegründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der
Akte des Sozialgerichts – S 12 RA 462/93 -), der BSG Akten – B 4 RA 11/03 R – und der
Beklagtenakten () verwiesen.
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Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet.
Dies gilt schon deshalb, weil nach § 170 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gericht,
an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist,
seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen
hat.
Das BSG hat die Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 31. Januar 2003 zum
Inhalt und zur Verfassungsmäßigkeit des § 307 b Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 SGB VI ausdrücklich
gebilligt und allein auf dieser Grundlage den Rechtsstreit an den Senat zwecks
Feststellung zurückverwiesen, ob für den Zeitraum Januar 1963 bis Februar 1971 wirklich
in jedem Monat der volle Verdienst bis zur 600 M- Grenze berücksichtigt worden sei. Dies
war insofern unklar, als der Vergleichsberechnung – entsprechend dem
Versicherungsverlauf – weitgehend keine Entgelte für einzelne Monate sondern für eine
Mehrzahl von Monaten bis zu zwölf Monaten zugrunde liegen und diese
zusammengefassten Entgelte (von einer Ausnahme – 1967 – abgesehen) die
Beitragsbemessungsgrenze von 600 M monatlich nicht erreichen.
Die vom BSG gewünschten Feststellungen waren nur sinnvoll unter der Voraussetzung,
dass – erstens – die 600 M–Grenze zu beachten ist und – zweitens – die Lücken bis zum
Erreichen dieser Grenze sich nicht mit Hilfe von AAÜG-Entgelten auffüllen lassen.
Anderenfalls hätte es der vom BSG für erforderlich gehaltenen Feststellungen im
Wesentlichen nicht bedurft. Denn der Versicherungsverlauf weist ab Dezember 1963
AAÜG-Entgelte aus, durch die sich die Entgelte im Rahmen der Vergleichsberechnung
von da an hätten ohne weiteres bis zur 600 M– Grenze auffüllen lassen, also ohne dass
es noch weiterer tatsächlicher Ermittlungen bedurft hätte.
Allerdings verkennt der Kläger selbst nicht, dass das BSG in seinem Urteil vom 31. März
2004 die Rechtsauffassung des Senats, § 307 b Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 SGB VI sei
verfassungsgemäß, mit umfangreichen rechtlichen Erwägungen als zutreffend bestätigt
hat. Doch meint er, da es sich um kein Endurteil handele, begehre er vom
Berufungsgericht eine erneute gründliche Prüfung seines Vorbringens und nach
pflichtgemäßem Ermessen eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Grundgesetz. Dem
steht indes § 170 Abs. 5 SGG entgegen.
Verfehlt ist auch die Auffassung des Klägers, dem BSG – Urteil vom 31. März 2004 sei
selbst zu entnehmen, dass im Rahmen des § 307 b Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 SGB VI bis zur
Beitragsbemessungsgrenze von 600 M monatlich auch AAÜG-Entgelte zu
berücksichtigen seien. Er will dies insbesondere dem Satz entnehmen: „Die
tatsächlichen Feststellungen des LSG lassen nicht erkennen, welche Verdienste der
Kläger in dem streitbefangenen Zeitraum vor dem 1. März 1971 tatsächlich in dem
jeweiligen Kalendermonat erzielt hat, ob also der volle Verdienst bis zur 600 M–Grenze
eingestellt wurde“. Darüber hinaus will er seine Auffassung der „semantischen
Auslegung“ von § 307 b Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 SGB VI entnehmen: Wenn – wie die Beklagte
meine – lediglich das sozialversicherungspflichtige Einkommen zu berücksichtigen sei, so
hätte es der Erwähnung von „600 M“ nicht bedurft, denn bis zum 28. Februar 1971 habe
das sozialversicherungspflichtige Einkommen 600 M nicht übersteigen können. Insoweit
könne im Gesetzestext nur das gesamte Einkommen gemeint sein, das auf 600 M
monatlich zu begrenzen wäre.
Abgesehen davon, dass es bei dieser Sicht (im Wesentlichen) keiner Zurückverweisung
bedurft hätte, verkennt der Kläger, dass die Gesetzesformulierung „Arbeitsentgelte …
sind für Zeiten vor dem 1. März 1971 bis zu höchstens 600 M für jeden belegten
Kalendermonat zu berücksichtigen“ einen eindeutigen Hinweis auf das
sozialversicherungspflichtige Entgelt darstellt, eben weil für dieses die 600 M–Grenze
kennzeichnend ist. Die begrenzte Berücksichtigung von AAÜG-Entgelten im Rahmen der
Beitragsbemessungsgrenze für das sozialversicherungspflichtige Entgelt wäre
rechtssystematisch widersinnig, insbesondere widerspräche sie der beabsichtigten
Gleichbehandlung aller Bestandsrentner gerade hinsichtlich der Zeiten vor dem 1. März
1971. Es unterliegt keinem Zweifel, dass das BSG mit „vollem Verdienst“ den vollen
sozialversicherungspflichtigen Verdienst gemeint hat. Dass aber dieser voll
berücksichtigt worden sei, hat der Kläger ausdrücklich zugestanden und insoweit keine
Ansprüche mehr geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG entspricht dem Ergebnis in der
Hauptsache.
25 Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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