Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 20.05.2009

LSG Berlin und Brandenburg: aufenthalt, anschrift, umzug, abrede, zivilprozessordnung, bezirk, beschwerderecht

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 20.05.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 104 AS 3332/09 ER
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 28 AS 653/09 B ER
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. März 2009 insoweit
aufgehoben, als der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Arbeitslosengeld II
verurteilt und zur Kostenerstattung verpflichtet worden ist. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird
abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten. Die Gewährung von
Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin K P für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. März 2009 bezieht sich
bei sachgerechter Auslegung allein auf die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von
Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) und seine daraus vom Gericht abgeleitete
Kostenerstattungspflicht. Nicht hingegen erfasst sie auch die Gewährung von Prozesskostenhilfe, da dem
Antragsgegner insoweit kein Beschwerderecht zusteht. Die so verstandene Beschwerde ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und
Abs. 3 Nr. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der seit dem 01. April 2008 geltenden Fassung statthaft und
im Übrigen zulässig, insbesondere schriftlich und fristgerecht eingelegt (§ 173 SGG). Auch ist sie begründet.
Zu Unrecht hat das Sozialgericht Berlin den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den
Antragstellern für die Zeit vom 04. Februar bis zum 31. Juli 2009 Arbeitslosengeld II in Höhe von insgesamt 744,00
EUR monatlich zu gewähren. Der Antragsgegner war im fraglichen Zeitraum für die Leistungsgewährung örtlich nicht
(mehr) zuständig. Nach § 36 Satz 1 und 2 SGB II ist für die Leistungen der Grundsicherung die Agentur für Arbeit
bzw. der kommunale Träger zuständig, in deren bzw. dessen Bezirk der erwerbsfähige Hilfebedürftige seinen
gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Antragssteller hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem Zeitraum, für den der
Antragsgegner zur vorläufigen Gewährung von Leistungen verpflichtet worden ist, jedoch unstreitig nicht in seinem
Zuständigkeitsbereich, sondern in dem des Jobcenters Friedrichshain-Kreuzberg. Dieses hat den Antragstellern
dementsprechend auch bereits ab dem Zeitpunkt der Antragstellung Leistungen bewilligt, sodass die dahingehende
Verpflichtung des Antragsgegners keinen Bestand haben kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache.
Die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren kommt - entgegen § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG
i.V.m. § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO - nicht in Betracht. Zwar ist nach den genannten Vorschriften in einem höheren
Rechtszug grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf
Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat. Anderes ist jedoch für den Fall
anerkannt, dass sich die Sachlage eindeutig geändert hat oder die beabsichtigte Rechtsverfolgung schlechthin
aussichtslos ist, z.B. die Vorinstanz offensichtlich unrichtig entschieden hat (vgl. Reichold in Thomas/Putzo,
Zivilprozessordnung, 27. Aufl., § 119 Rn. 13 m.w.N.). Eine entsprechende Situation ist vorliegend gegeben. Es kann
hier dahinstehen, wann die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller von deren Umzug und der damit
verbundenen örtlichen Unzuständigkeit des Antragsgegners erfahren haben. Ausweislich ihres Schriftsatzes vom 15.
Mai 2009, mit dem sie die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragt haben, stellen
sie beides jedoch nicht in Abrede, sodass es - insbesondere auch angesichts der unstreitig durch das Jobcenter
Friedrichshain-Kreuzberg erfolgenden Leistungsgewährung - gemessen an den dem Gericht mit der ursprünglichen
Antragstellung unterbreiteten Tatsachen zu einer eindeutig geänderten Sachlage gekommen ist. Dass das
Sozialgericht Berlin im Rubrum seines Beschlusses vom 26. März 2009 bereits die aktuelle Anschrift der Antragsteller
aufgenommen hat, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Der zuständige Richter, der jedenfalls nach Aktenlage zu
keinem Zeitpunkt von einem erfolgten Umzug informiert worden ist, hat bei seiner Entscheidung ganz offensichtlich
übersehen, dass die sich nunmehr aus dem Rubrum ergebende Anschrift nicht in den Zuständigkeitsbereich des
Antragsgegners fällt.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).