Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 15.05.2008

LSG Berlin und Brandenburg: tod, witwenrente, geschiedener mann, hinterbliebenenrente, wartezeit, arbeitslosigkeit, unterhaltsleistung, scheidung, erlass, versicherung

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 15.05.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 15 R 1730/05
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 4 R 1719/05
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. August 2005 wird
zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die
Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des geschiedenen
Ehemannes der Klägerin und dabei insbesondere um die Frage, ob die Klägerin vor dessen Tod einen
Unterhaltsanspruch hatte.
Die 1948 geborene Klägerin heiratete 1970 den 1949 geborenen, bei der Beklagten versicherten P D (fortan als
Versicherter bezeichnet). Aus der Ehe ging das 1970 geborene Kind N hervor. Durch Urteil des Landgerichts Berlin
1973 wurde die Ehe geschieden und die Schuld des Versicherten an der Scheidung festgestellt. Beide Ehegatten
haben danach nicht wieder geheiratet. In Abänderung eines zunächst geschlossenen Vergleichs verurteilte das
Amtsgericht Wedding den Versicherten am 22. Februar 1974 dazu, der Klägerin ab dem 1. Januar 1974 einen
monatlichen Unterhalt von 300 DM und der Tochter einen Unterhalt von 150 DM zu gewähren. 1995 verstarb der
Versicherte.
Nach den Angaben der Klägerin zahlte der Versicherte den geschuldeten Unterhalt nur sehr unregelmäßig, so dass sie
und ihre Tochter zwischen 1973 und 1978 sogar Sozialhilfe bezogen hätten. Im letzten Jahr vor seinem Tod habe der
Versicherte aufgrund von Arbeitslosigkeit gar keinen Unterhalt mehr gewährt. Eine Zahlungsklage sei wegen seiner
fehlenden Leistungsfähigkeit ohne Erfolg geblieben. Zu Art und Höhe der vom Versicherten bezogenen
Arbeitslosenunterstützung konnte die zuständige Agentur für Arbeit Berlin N im Januar 2005 keine Angaben mehr
machen, da entsprechende Unterlagen bereits vernichtet waren. Laut dem Versicherungsverlauf der Beklagten bezog
der Versicherte zuletzt Arbeitslosengeld, wobei im Zeitraum 12. August bis 10. September 1994 beitragspflichtige
Einnahmen von 993 DM, im Zeitraum 12. September bis 31. Dezember von 4.157 DM, im Zeitraum 1. Januar bis 10.
März 1995 von 5.192 DM, im Zeitraum 11. März bis 29. April 1995 von 4.185 DM und im Zeitraum 1. Mai bis 5.
September 1995 von 11.000 DM ausgewiesen sind. Die Klägerin selbst bezog im Anschluss an eine 1978
aufgenommene Tätigkeit als Verwaltungsangestellte zwischen dem 1. Juli 1994 und dem 8. Juli 1995 Krankengeld in
Höhe von ungefähr 1.500 DM monatlich und danach Arbeitslosengeld. Zurzeit erhält sie Leistungen der
Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Im Dezember 1995 bewilligte die Beklagte der Tochter der Klägerin eine Halbwaisenrente nach dem Versicherten.
Am 8. September 2004 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres
geschiedenen Ehemannes.
Mit Bescheid vom 1. Februar 2005 lehnte die Beklagte die Gewährung der begehrten Rente ab. Voraussetzung für die
Gewährung der kleinen Witwenrente sei, dass der Versicherte im letzten Jahr vor seinem Tod Unterhalt geleistet habe
oder gegen ihn im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor seinem Tod ein Anspruch auf Unterhalt bestanden habe.
Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, denn der Versicherte sei als Arbeitsloser zu Unterhaltszahlungen nicht in
der Lage gewesen und habe nach Angaben der Klägerin auch keinen Unterhalt mehr geleistet. Zudem sei die Klägerin
auf die Unterhaltszahlungen im letzten Jahr vor dem Tod auch nicht angewiesen gewesen, da sie ihren
Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen bestritten habe. Das Urteil des Amtsgerichts Wedding, mit dem der
Versicherte zur Unterhaltsleistung verurteilt worden sei, sei vor diesem Hintergrund abänderungsbedürftig gewesen.
Auch die Voraussetzungen für die Gewährung der großen Witwenrente seien im Übrigen nicht erfüllt.
Hiergegen legte die Klägerin am 18. Februar 2005 Widerspruch ein, mit dem sie darauf hinwies, dass der Versicherte
bei der Scheidung zu Unterhaltszahlungen verurteilt worden sei. Sie habe mithin immer einen Anspruch auf Unterhalt
gehabt, auch wenn der Versicherte tatsächlich zu Unterhaltsleistungen nicht in der Lage gewesen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die
Klägerin habe keine triftigen Gründe vorgebracht, die eine abweichende Beurteilung zuließen.
Am 6. April 2005 hat die Klägerin Klage erhoben und noch einmal ihrer Auffassung Ausdruck gegeben, dass ihr eine
Hinterbliebenenrente zustehe. Sie könne nichts dafür, dass der Versicherte sich immer wieder neue Ausreden habe
einfallen lassen, um sich vor den Unterhaltszahlungen zu drücken, und sogar für das Kind kaum Unterhalt
eingegangen sei.
Nachdem das Sozialgericht die Beteiligten durch Schreiben vom 22. Juni 2005, der Klägerin zugestellt am 24. Juni
2005, zum Erlass eines Gerichtsbescheides angehört hatte, hat es die Klage mit Gerichtsbescheid vom 26. August
2005 abgewiesen. Zur Begründung hat sich das Gericht auf die für zutreffend erachteten Gründe des Bescheides vom
1. Februar 2005 und des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2005 bezogen. Der Versicherte sei im letzten Jahr
vor seinem Tod weder nach dem Ehegesetz noch aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Wedding zur
Unterhaltszahlung verpflichtet gewesen. Er sei nicht leistungsfähig gewesen, zudem habe die Klägerin sich selbst
unterhalten können. Auf den Titel, den sie ursprünglich durch das Urteil erworben habe, hätte die Klägerin sich nicht
stützen können, da er abänderungsbedürftig gewesen sei. Im Übrigen seien auch die Voraussetzungen für eine große
Witwenrente insbesondere deswegen nicht gegeben, weil die Klägerin im Zeitpunkt des Todes des Versicherten kein
Kind mehr erzogen habe, denn die Tochter sei bereits volljährig gewesen.
Gegen diesen ihr am 20. September 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 14. Oktober 2005
Berufung eingelegt. Es sei nicht gerecht, dass ihr keine Rente gewährt werde, wo doch alle Last für die Erziehung der
Tochter allein auf ihren Schultern gelegen habe. Der Versicherte sei nie für sie aufgekommen.
Die Klägerin, die zur mündlichen Verhandlung am 15. Mai 2008 nicht erschienen ist, beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. August 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 1.
Februar 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
ihr ab dem 1. Oktober 2004 eine Hinterbliebenenrente nach ihrem geschiedenen Ehemann Peter Dillinger zu
gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakten der Beklagten
verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung
gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte nach einseitiger mündlicher Verhandlung in Abwesenheit der Klägerin entscheiden, weil sie
ordnungsgemäß geladen und im Ladungsschreiben auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§§ 110, 126
Sozialgerichtsgesetz).
Die Berufung ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht erhoben, aber nicht begründet. Zu Recht hat das
Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Geschiedenenwitwenrente ist § 243 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch –
Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI). Die entscheidenden Passagen der Vorschrift lauten in der ab dem 1.
Januar 2002 und insoweit bis heute geltenden Fassung folgendermaßen:
(1) Anspruch auf kleine Witwenrente besteht ohne Beschränkung auf 24 Kalendermonate auch für geschiedene
Ehegatten,
1. deren Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden ist, 2. die nicht wieder geheiratet haben und 3. die im letzten Jahr vor
dem Tod des geschiedenen Ehegatten (Versicherter) Unterhalt von diesem erhalten haben oder im letzten
wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod einen Anspruch hierauf hatten, wenn der Versicherte die allgemeine
Wartezeit erfüllt hat und nach dem 30. April 1942 gestorben ist.
(2) Anspruch auf große Witwenrente besteht auch für geschiedene Ehegatten,
1. deren Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden ist, 2. die nicht wieder geheiratet haben und 3. die im letzten Jahr vor
dem Tod des Versicherten Unterhalt von diesem erhalten haben oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor
dessen Tod einen Anspruch hierauf hatten und 4. die entweder a) ein eigenes Kind oder ein Kind des Versicherten
erziehen (§ 46 Abs. 2), b) das 45. Lebensjahr vollendet haben, c) erwerbsgemindert sind, d) vor dem 2. Januar 1961
geboren und berufsunfähig (§ 240 Abs. 2) sind oder e) am 31. Dezember 2000 bereits berufsunfähig oder
erwerbsunfähig waren und dies ununterbrochen sind, wenn der Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat und
nach dem 30. April 1942 gestorben ist.
(3) Anspruch auf große Witwenrente besteht auch ohne Vorliegen der in Absatz 2 Nr. 3 genannten
Unterhaltsvoraussetzungen für geschiedene Ehegatten, die 1. einen Unterhaltsanspruch nach Absatz 2 Nr. 3 wegen
eines Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens aus eigener Beschäftigung oder selbständiger Tätigkeit oder
entsprechender Ersatzleistungen oder wegen des Gesamteinkommens des Versicherten nicht hatten und 2. im
Zeitpunkt der Scheidung entweder a) ein eigenes Kind oder ein Kind des Versicherten erzogen haben (§ 46 Abs. 2)
oder b) das 45. Lebensjahr vollendet hatten und 3. entweder a) ein eigenes Kind oder ein Kind des Versicherten
erziehen (§ 46 Abs. 2), b) erwerbsgemindert sind, c) vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig (§ 240 Abs. 2)
sind, d) am 31. Dezember 2000 bereits berufsunfähig oder erwerbsunfähig waren und dies ununterbrochen sind oder e)
das 60. Lebensjahr vollendet haben, wenn auch vor Anwendung der Vorschriften über die Einkommensanrechnung auf
Renten wegen Todes ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente für eine Witwe oder einen Witwer des Versicherten aus
dessen Rentenanwartschaften nicht besteht.
Soweit § 243 Abs. 1 bis 3 SGB VI durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15.
Dezember 2004 (BGBl. I, S. 3396) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 ergänzt und durch das Rentenversicherungs-
Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2008 § 243 Abs.
3 Satz 2 hinzugefügt worden ist, wird der Streitgegenstand des vorliegenden Falles nicht berührt.
In Anlegung dieses Maßstabes sind die Voraussetzungen weder für die Gewährung einer kleinen Witwenrente noch
einer großen Witwenrente erfüllt.
Der Versicherte hatte zwar die allgemeine Wartezeit erfüllt und ist nach dem 30. April 1942 verstorben. Die Ehe der
Klägerin ist auch vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden, und die Klägerin hat danach nicht wieder geheiratet. Sie
hat jedoch im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten, also im Zeitraum 6. September 1994 bis 6. September
1995, vom Versicherten weder Unterhalt erhalten noch im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod einen
Anspruch hierauf gehabt. Eine Fallgestaltung, bei der eine Hinterbliebenenrente, ihrem Zweck entsprechend, die
Unterhaltsleistungen ersetzt, die durch den Tod des Versicherten entfallen sind (vgl. hierzu Jörg in Kreikebohm, SGB
VI, Rnr. 2 zu § 243), liegt damit nicht vor.
Die Klägerin selbst hat vorgetragen, dass der Versicherte jedenfalls im letzten Jahr vor seinem Tod keinen Unterhalt
mehr gezahlt hat. Bereits in ihrem Antragsschreiben vom 5. September 2004 heißt es: "Ich habe meine Tochter ohne
Unterhalt vom Vater großgezogen." Noch in der Berufungsschrift vom 14. Oktober 2005 hat sie ausgeführt: "Fakt ist,
dass mein geschiedener Mann nie für uns aufkam." Entsprechende Angaben hat sie am 15. September 2004 im
Antragsformular der Beklagten gemacht.
Die Klägerin hat darüber hinaus im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten auch keinen
Anspruch auf Unterhalt mehr gehabt, wie die Beklagte und das Sozialgericht zutreffend dargelegt haben. Der letzte
wirtschaftliche Dauerzustand beschreibt dabei die Zeitspanne zwischen der letzten wesentlichen Änderung der
wirtschaftlichen Verhältnisse der geschiedenen Ehegatten und dem Tod des Versicherten (BSG SozR 2200, Nr.
64,82; Jörg in Kreikebohm, SGB VI, Rnr. 27 zu § 243). Grundsätzlich kommt es auf den gesamten Zeitraum von
einem Jahr vor dem Tod des Versicherten an (BSG, Urteil vom 14. Januar 1969 - BSGE 29, 92 ff.; Jörg in
Kreikebohm a. a. O.). Entscheidend sind die Verhältnisse, die den letzten unterhaltsrechtlich verlässlichen
Dauerzustand ausgemacht haben, von dem rückschauend zu sagen ist, er hätte ohne den Tod des Versicherten die
Unterhaltsbeziehung "im Zeitpunkt des Todes" geprägt (BSG, Urteil vom 3. April 2001 – B 4 RA 22/00 R). Das
vorliegend insoweit zu berücksichtigende Jahr vor dem Tod des Versicherten war durchgehend gekennzeichnet durch
die Arbeitslosigkeit des Versicherten und den Bezug von Entgeltersatzleistungen durch die Klägerin. Die Klägerin
selbst hat vorgetragen, dass ihre damaligen Bemühungen, mit Hilfe eines Anwalts Zahlungen zu erstreiten, an der
Leistungsunfähigkeit des Versicherten gescheitert sind, was bereits auf ein geringes Einkommen des Versicherten
schließen lässt. Der genaue Zahlbetrag der vom Versicherten bezogenen Arbeitslosenunterstützung lässt sich zwar
aufgrund fehlender Unterlagen der Arbeitsagentur nicht mehr ermitteln. Aus dem von der Beklagten erstellten
Versicherungsverlauf des Versicherten lässt sich indes die ungefähre Größenordnung der vom Versicherten
bezogenen Leistung ableiten. Beim Bezug von Arbeitslosengeld sind gemäß § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI als
beitragspflichtige Einnahmen 80 % des der Leistung zugrunde liegenden Arbeitseinkommens rentenrechtlich zu
berücksichtigen gewesen. Geht man davon aus, dass der für den Zeitraum 12. August 1994 bis 5. September 1995 im
Versicherungsverlauf ausgewiesene Gesamtbetrag von 25.527 DM 80% des Arbeitsentgelts ausmacht, das der
Bemessung des Arbeitslosengeldes zugrunde gelegen hat, so betrug das volle Arbeitsentgelt 31.909 DM (25.527 x
10: 8). Teilt man diesen Betrag durch die 13 Monate zwischen August 1994 und September 1995, so ergibt sich ein
monatliches Bemessungsentgelt von 2.454 DM. Daraus lässt sich der ungefähre Auszahlungsbetrag errechnen. Die
Höhe des Arbeitslosengeldes machte gemäß § 111 des 1995/1995 geltenden Arbeitsförderungsgesetzes (AFG)
nämlich 60 % des um die gewöhnlichen Abzüge verminderten Arbeitsentgeltes nach § 112 AFG aus. Laut der Tabelle
zur Berechnung des Arbeitslosengeldes für 1995 betrug der Leistungssatz eines Arbeitslosen ohne Kind mit
Steuerklasse I bei einem Bruttoentgelt von 2.454 DM dementsprechend 227,40 DM wöchentlich, also 985,40 DM
monatlich (227,40 x 13: 3). Demgegenüber hat die Klägerin vom 1. Juli 1994 bis zum 8. Juli 1995 Krankengeld von
ungefähr 1.500 DM monatlich bezogen und anschließend Arbeitslosengeld.
Vor diesem Hintergrund hatte die Klägerin keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch mehr. Der Prüfung des Anspruchs
sind dabei die §§ 58 ff. des Ehegesetzes (EheG) ungeachtet des Umstandes zugrunde zu legen, dass sie seit dem 1.
Juli 1977 nicht mehr wirksam sind, denn hinsichtlich ihrer unterhaltsrechtlichen Regelungen haben sie bei nach altem
Recht geschiedenen Ehen gemäß Art. 12 Nr. 3 Abs. 2 des Ersten Eherechtsreformgesetzes vom 14. Juni 1976
(BGBl. I, S. 1421) weiterhin Geltung. § 58 Abs. 1 EheG besagt, dass der allein für schuldig erklärte Mann der
geschiedenen Frau den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren hat,
soweit die Einkünfte aus dem Vermögen der Frau und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit nicht ausreichen. § 59
Abs. 1 Satz 1 EheG gibt ergänzend hierzu vor, dass der Ehemann nur so viel zu leisten braucht, als es mit Rücksicht
auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse der geschiedenen Ehegatten der Billigkeit
entspricht, wenn er durch Gewährung des Unterhaltes den eigenen angemessenen Unterhalt gefährden würde.
Angesichts dieser Vorgaben war der Versicherte im letzten Jahr vor seinem Tod nicht mehr zur Unterhaltsleistung
verpflichtet. Insbesondere bezog die Klägerin aus eigener Erwerbstätigkeit bzw. darauf beruhender
Entgeltersatzleistung ausreichendes Einkommen, um sich selbst zu unterhalten.
Die Klägerin konnte vom Versicherten auch nicht mehr aus sonstigen Gründen Unterhalt beanspruchen. Als solcher
Grund ist zwar unter anderem ein Unterhaltstitel, wie ihn die Klägerin aufgrund des Anerkenntnisurteils des AG
Wedding vom 22. Februar 1974 besaß, anzusehen; auf diesen Titel konnte sie sich jedoch nicht stützen, weil der
Versicherte zur Zeit seines Todes die Wirkungen des Vollstreckungstitels nach den Grundsätzen der §§ 323, 767
ZPO hätte beseitigen können. Der Umstand, dass dies tatsächlich nicht geschehen ist, ist unerheblich; insoweit ist
ausreichend, dass der Versicherte dies nicht getan hat oder nicht zu tun brauchte, weil etwa die Vollstreckung gar
nicht versucht wurde und er sich auf die Erfolglosigkeit eines solchen Versuchs verlassen konnte (vgl. hierzu
Beschluss des Großen Senats des BSG vom 27. Juni 1963, BSGE 20, 1, 5 f). In Anbetracht seiner
Einkommensverhältnisse und der Verhältnisse der Klägerin hätte er mit Erfolg den Titel der Klägerin beseitigen
können. Die Abänderbarkeit des Unterhaltstitels setzt nach den §§ 323, 767 ZPO nämlich voraus, dass in den
Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, nachträglich eine wesentliche Änderung eingetreten ist, die
materiell-rechtlich zum vollständigen oder teilweisen Wegfall des mit dem Urteil festgesetzten Anspruchs führt. Mit
Blick auf das vorliegend geltend gemachte Recht auf Geschiedenenwitwenrente ist zudem entscheidend, ob die
wesentliche Änderung "zur Zeit des Todes des Versicherten" bestand. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, denn der
Versicherte war aufgrund seiner nach der Verurteilung zur Unterhaltsleistung eingetretenen Arbeitslosigkeit und der
Einkommenserzielung der Klägerin in seinem letzten Lebensjahr zur Leistung von Unterhalt weder in der Lage noch
verpflichtet.
Wegen des fehlenden Unterhaltsanspruchs besteht auch kein Anspruch nach § 243 Abs. 2 SGB VI auf die so
genannte große Witwenrente.
Daneben werden auch die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 243 Abs. 2 SGB VI, der trotz fehlenden
Unterhaltsanspruchs gegeben sein kann, nicht erfüllt. Die Klägerin hat nämlich im Zeitpunkt zwischen Antragstellung
im September 2004 und vorliegender Entscheidung weder ein Kind im Sinne von § 46 Abs. 2 SGB VI erzogen – die
Tochter war damals schon volljährig - noch ist vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass sie erwerbsgemindert oder
berufsunfähig im Sinne des SGB VI gewesen ist. Auch das 60. Lebensjahr vollendet sie erst am 28. August 2008.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).