Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 14.07.2005

LSG Berlin und Brandenburg: haushalt, wichtiger grund, pfändung, heizung, leistungsfähigkeit, erlass, unterhaltspflicht, wohnung, deckung, arbeitsgemeinschaft

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 14.07.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 37 AS 1607/05 ER
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 14 B 48/05 AS ER
Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. Mai 2005 wird geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der
einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern zu 3) und 4) für den Zeitraum vom 21. März 2005 bis zum
Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 21. September 2005, jeweils
249,50 Euro monatlich zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat die
außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu tragen. Den Antragstellern wird für das Verfahren vor dem
Landessozialgericht Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt T. S., , beigeordnet. Raten oder Beträge aus
dem Vermögen sind nicht zu zahlen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Die Antragsteller zu 1) bis 4) leben in einem gemeinsamen Haushalt. Die Antragsteller zu 3) und 4) sind minderjährige
Kinder der Antragstellerin zu 2), die am 28. Januar 2005 den Antragsteller zu 1) geheiratet hat. Zum Haushalt gehören
noch eine volljährige Tochter der Antragstellerin zu 2) und eine weitere, von den Antragstellern als Untermieter
bezeichnete Person.
Der Antragsteller zu 1) beantragte am 4. Februar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem
Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II). Er gab an, selbst Arbeitseinkommen zu erzielen, und legte eine
Gehaltsabrechnung für Dezember 2004 vor, wonach von einem Bruttogehalt von 2.716,42 Euro 1.434,34 Euro netto
ausgezahlt wurden. Abgezogen wurden neben Steuer, Sozialversicherung und Jobticket ein als "Pfändung"
bezeichneter Betrag von 190,- Euro. Weiter gab der Antragsteller zu 1) an, dass Anspruch auf Kindergeld in Höhe von
462,- Euro bestehe. Die Antragstellerin zu 2) habe kein Einkommen, sie sei "ausgesteuert". Auch die Antragsteller zu
3) und 4) seien ohne Einkünfte und besuchten eine Schule. Ihr Vater zahle keinen Unterhalt. Die Antragsteller zu 2)
bis 4) hätten bis Dezember 2004 Leistungen der Sozialhilfe erhalten. Die Kosten für Unterkunft und Heizung würden
765,- Euro monatlich betragen. Ein Antrag auf Wohngeld sei vom Bezirksamt mit Bescheid vom 22. Dezember 2003
abgelehnt worden.
Durch Bescheid vom 8. Februar 2005 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab. Der Antragsteller zu 1) sei nicht
hilfebedürftig. Die aus den Antragstellern zu 1) bis 4) bestehende Bedarfsgemeinschaft habe in den rechnerisch für
den Antragsmonat zu berücksichtigenden 26 Tagen einen Gesamtbedarf von 1.459,46 Euro gehabt. Diesem stehe ein
Gesamteinkommen von 1.590,29 Euro gegenüber, das sich aus dem für denselben Zeitraum zu berücksichtigenden
Erwerbseinkommen des Antragstellers zu 1) und dem Kindergeld zusammensetze.
Dagegen legte der Antragsteller zu 1) am 7. März 2005 Widerspruch ein. Es gehe um die Kinder, die nicht seine
eigenen seien und für die er nicht zahlen werde. Er selbst wolle keine Leistungen. Die Antragsgegnerin wies den
Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 12. April 2005). Die Antragsteller zu 1) bis 4) gehörten einer
Bedarfsgemeinschaft an. Es sei davon auszugehen, dass die Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft zusammen
wirtschafteten und füreinander einstünden. Deswegen würden Einkommen und Hilfebedarf für alle Mitglieder der
Bedarfsgemeinschaft gemeinsam ermittelt. Danach sei die Entscheidung nicht zu beanstanden.
Bereits am 21. März 2005 haben die Antragsteller zu 1) bis 4) bei dem Sozialgericht Berlin den Erlass einer
einstweiligen Anordnung beantragt, mit der die Antragsgegnerin verpflichtet werden sollte, den Antragstellern zu 2) bis
4) laufende Leistungen zum Lebensunterhalt zu gewähren. Das Einkommen des Antragstellers zu 1) dürfe nicht dazu
führen, die Bedürftigkeit der Antragsteller zu 2) bis 4) zu mindern. Die Antragsteller zu 3) und 4) seien Kinder aus einer
vorherigen Ehe der Antragstellerin zu 2). Noch im Dezember 2004 seien an die Antragsteller zu 2) bis 4)
Sozialhilfeleistungen in einer Gesamthöhe von 901,25 Euro gezahlt worden. Der Antragsteller zu 1) habe erhebliche
Kreditverbindlichkeiten, zu deren Tilgung monatlich 355,- Euro von seinem Arbeitseinkommen abgeführt würden. Er
sei auch Vater eines im Juli 1990 geborenen Sohnes, für dessen Unterhalt er bis März 2005 monatlich 324,- Euro
gezahlt habe. Das danach zur Verfügung stehende Einkommen reiche nicht aus, um die im Haushalt anfallenden
Ausgaben zu bestreiten, zumal auch die volljährige Tochter der Antragstellerin zu 2) unterstützt werden müsse. Das
SGB II sehe keine Unterhaltspflicht für Stiefkinder vor. Dies habe bereits das Sozialgericht (SG) Aurich (Hinweis auf
Beschluss vom 8. Februar 2005 – S 25 AS 2/05 ER - ) und früher für das Sozialhilferecht das
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden (Hinweis auf Urteil vom 26. November 1998 – 5 C 37/97 - ). Der
Antragsteller zu 1) hat eine Verdienstbescheinigung für den Monat Februar 2005 vorgelegt, wonach ihm von einem
Gesamtbruttoeinkommen von 2.751,38 Euro nach Abzug von Steuern (191,50 Euro), Sozialversicherungsbeiträgen
(564,25 Euro), Kosten für Jobticket (45,33 Euro) und Pfändung (355,00 Euro) noch 1.595,30 Euro verblieben.
Das Sozialgericht hat durch Beschluss vom 11. Mai 2005 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
abgelehnt. Zu Recht habe die Antragsgegnerin das Einkommen des Antragstellers zu 1) in die Bedarfs- und
Einkommensberechnung mit einbezogen. Das SGB II regele in Abkehr von der Rechtsprechung des BVerwG, dass
Einkommen an alle Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft weitergegeben werden müsse. Bedarfslücken würden
regelmäßig durch einen Kinderzuschlag nach § 6 a des Bundeskindergeldgesetzes oder Wohngeld ausgeglichen.
Wenn im Einzelfall trotz bestehenden Bedarfs kein Anspruch aus diesen Transfersystemen bestehe, müsse der
Gesetzgeber nachbessern.
Mit der am 1. Juni 2005 beim Landessozialgericht (LSG) eingegangenen Beschwerde begehren die Antragsteller, die
am 28. April 2005 in der Hauptsache Klage erhoben haben, weiterhin die Gewährung von Leistungen an die
Antragsteller zu 2) bis 4). Das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft rechtfertige nicht die uneingeschränkte
wechselseitige Anrechung der Einkommen. Diese sei nur im Rahmen des § 9 Abs 2 SGB II möglich und für das
Einkommen von Stiefeltern gerade nicht vorgesehen. Soweit § 2 Abs 2 SGB II eine Einsatzpflicht für alle in einer
Bedarfsgemeinschaft lebenden Mitglieder normiere, liege ein Redaktionsversehen vor. Gemeint seien nur
unterhaltsberechtigte Angehörige. Im Übrigen hätten auch das SG Dortmund und das SG Oldenburg mittlerweile im
Sinne der Antragsteller entschieden (Hinweis auf Beschlüsse vom 5. April 2005 - S 25 AS 22/05 ER - und vom 24.
März 2005 – S 45 AS 100/05 ER -).
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. Mai 2005 zu ändern und die Antragsgegnerin im Wege der
einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern zu 2) bis 4) laufende Leistungen zur Sicherstellung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.
ferner,
ihnen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Durch die Einbeziehung des Stiefvaters in die Bedarfsgemeinschaft habe der Gesetzgeber auch die Anrechnung
seines Einkommens gefordert.
Für die Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der
Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Die Antragsgegnerin ist nach § 70 Nr 2 SGG beteiligtenfähig, da das JobCenter Treptow-
Köpenick als Arbeitsgemeinschaft der Bundesagentur für Arbeit und des Landes Berlin entsprechend der
Rahmenvereinbarung vom 26. August 2004 (Amtsblatt von Berlin Nr 61 vom 31. Dezember 2004, S 4908ff) gegründet
wurde und die Arbeitsgemeinschaft folglich als eine mit eigenen Rechten ausgestattete Vereinigung von Personen des
öffentlichen Rechts anzusehen ist (hierzu im einzelnen LSG Berlin, Beschluss vom 14. Juni 2005 – L 10 B 44/05 AS
ER - ).
Die Beschwerde ist auch im Wesentlichen begründet, weil das Sozialgericht zu Unrecht den Erlass einer einstweiligen
Anordnung insgesamt abgelehnt hat. Gemäß § 86 b Abs 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das
Gericht auf Antrag zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine
einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig
erscheint. Ein Anordnungsanspruch zugunsten der Antragsteller zu 3) und 4) ergibt sich aus § 19 Abs 1 Nr 1 SGB II.
Nach dieser Vorschrift erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Zu den
Anspruchsvoraussetzungen bestimmt § 7 SGB II, dass Personen Leistungen erhalten, welche das 15. Lebensjahr
vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren
gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Die Antragsteller zu 3) und 4) sind 16 und 15
Jahre alt und haben ihren Wohnsitz im Inland. Sie sind erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II, weil sie nicht durch
Krankheit gehindert sind, mindestens drei Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Die Antragsteller zu 3) und 4) sind auch hilfebedürftig. Hilfebedürftigkeit liegt nach § 9 SGB II vor, wenn der
Lebensunterhalt nicht aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere weder durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit
noch aus dem Einkommen oder Vermögen gesichert werden kann und die erforderliche Hilfe auch nicht von anderen
geleistet wird. Da sich die Antragsteller zu 3) und 4) noch in der Ausbildung an allgemeinbildenden Schulen befinden,
liegt ein wichtiger Grund im Sinne des § 10 Abs 1 Nr 5 SGB II vor, welcher der Aufnahme einer Arbeit entgegensteht.
Eigenes Einkommen oder Vermögen ist nach den Angaben des Antragstellers zu 1) mit Ausnahme des Kindergeldes
in Höhe von jeweils 154,- Euro nicht vorhanden. Das Kindergeld ist nach § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II als Einkommen
der Antragsteller zu 3) und 4) anzusehen. Dem steht ein allgemeiner Bedarf von 276,- Euro gegenüber, der sich aus
dem Umfang der nach § 20 Abs 3 Satz 2 SGB II zu gewährenden Regelleistung ergibt. Hinzu kommen entsprechend
§ 22 SGB II die anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung. Insgesamt entstehen für die Wohnung Aufwendungen in
Höhe von 765,- Euro monatlich. Das ergibt sich aus den durch die Vorlage entsprechender Vertragskopien belegten
Angaben des Antragstellers zu 1). Da die Wohnung von 6 Personen benutzt wird, entfallen – wie bereits von der
Antragsgegnerin errechnet - auf die Antragsteller zu 3) und 4) anteilige Kosten von 127,50 Euro monatlich. Einem
Bedarf von 403,50 Euro stehen dann Einnahmen von 154,- Euro gegenüber, so dass ein ungedeckter Betrag von
249,50 Euro verbleibt.
Die Hilfebedürftigkeit der Antragsteller zu 3) und 4) ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil sie mit den Antragstellern
zu 1) und 2) in einem Haushalt leben. Allerdings besteht zwischen den Antragstellern zu 1) bis 4) eine
Bedarfsgemeinschaft. Zu der jeweils nach den Antragstellern zu 3) und 4) zu bildenden Bedarfsgemeinschaft gehören
nach § 7 Abs 3 Nr 1 SGB II zunächst sie selbst und weiter nach § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II die Antragstellerin zu 2), die
als Mutter der Antragsteller zu 3) und 4) mit ihren Kindern in einem Haushalt zusammenlebt. Der Antragsteller zu 1)
ist als Ehegatte der Antragstellerin zu 2) Partner im Sinne des § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II und zählt demnach ebenfalls zur
Bedarfsgemeinschaft. "Partner" ist nicht ausschließlich der nichteheliche Lebenspartner, wie sich aus der Aufzählung
in § 7 Abs 3 SGB II ergibt. Das jeweils andere Geschwister gehört nach § 9 Abs 4 SGB II als dem Haushalt
angehörendes minderjähriges unverheiratetes Kind des im Haushalt lebenden Elternteils ebenfalls zu der von den
Antragstellern zu 3) oder 4) ausgehenden Bedarfsgemeinschaft. Die Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft
unterscheidet sich demnach nicht danach, ob sie von den Antragstellern zu 3) oder zu 4) oder, wie die
Antragsgegnerin gemeint hat, von dem Antragsteller zu 1) abgeleitet wird.
Nach § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II ist bei den Antragstellern zu 3) und 4) aber nur das Einkommen und Vermögen des mit
ihnen in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Elternteils zu berücksichtigen. Unter Eltern sind die leiblichen Eltern oder
Adoptiveltern zu verstehen. Es gibt keinen Hinweis dafür, dass das SGB II bezüglich der die Verwandtschaft
kennzeichnenden Begriffe von dem durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) vorgegebenen Sprachgebrauch
abweichen wollte. Das BGB beschränkt Elternschaft jedoch auf die leibliche Mutter (§ 1591 BGB) und den Mann, der
im Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist, die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft
gerichtlich festgestellt ist (§ 1592 BGB). Gleichgestellt wird in § 1754 BGB lediglich die Annahme als Kind (Adoption).
Stiefvater ist ein gebräuchlicher Begriff, er bezeichnet jedoch nicht den Tatbestand einer rechtlich erheblichen
Elternschaft. Elternteil im Sinne des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II ist danach ausschließlich die Antragstellerin zu 2). Der
Antragsteller zu 1) ist mit den Antragstellern zu 3) und 4) nach § 1590 BGB lediglich verschwägert, da sie Verwandte
seiner Ehefrau sind.
Das Einkommen und Vermögen der Antragstellerin zu 2) reicht indessen nicht aus, um den Bedarf der Antragsteller
zu 3) und 4) zu decken. Als Einkommen der Antragstellerin zu 2) ist zunächst das für ihre volljährige Tochter gezahlte
Kindergeld anzurechnen. Kindergeld wird nach § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II lediglich bei minderjährigen Kindern als
Einkommen der Kinder bewertet. Als weiteres Einkommen kommt noch der von dem Antragsteller zu 1) gewährte
Unterhalt in Betracht. Im Übrigen ist die Antragstellerin zu 2) nach den Angaben des Antragstellers zu 1)
"ausgesteuert", demnach liegt offenbar krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ohne Anspruch auf Krankengeld vor.
Nach den §§ 1360, 1360 a BGB erfasst die aus der Ehe herrührende Unterhaltsverpflichtung aber nur den Ehegatten
und die gemeinsamen Kinder. Da der Antragsteller zu 1) vorträgt, dass sein Einkommen nicht die Bestreitung der
notwendigen Ausgaben ermöglicht, gibt es auch keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass er tatsächlich der
Antragstellerin zu 2) so viele Barmittel überlässt, dass sie daraus den Bedarf der Antragsteller zu 3) und 4) decken
könnte. Ebenso wenig gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin zu 2) Vermögen hat, aus dem sie die
Antragsteller zu 3) und 4) unterhalten könnte.
Für eine - über den Wortlaut des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II hinausgehende - Anrechnung des Einkommens des
Antragstellers zu 1) auf den Hilfebedarf der Antragsteller zu 3) und 4) fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Das
Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft zwischen den Antragstellern bedeutet nicht, dass alle Einnahmen untereinander
zu verrechnen sind. Über Hilfsbedürftigkeit und Leistungsansprüche der Bedarfsgemeinschaft ist nicht als ganzes zu
entscheiden. Das SGB II enthält Anrechnungsregelungen nur für einzelne natürliche Personen (Leistungsberechtigte),
auch wenn diese innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft leben. Das zeigt sich an den §§ 7 Abs 2 , 9 Abs 2 Satz 3 oder
38 SGB II. Nach § 7 Abs 2 SGB II erhalten Personen Leistungen und nicht die Bedarfsgemeinschaft, in der sie leben.
§ 9 Abs 2 Satz 3 Halbsatz 2 SGB II fingiert nur eine Hilfebedürftigkeit der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft. § 38
SGB II enthält die Vermutung einer Vertretungsmacht für die einzelnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden
Personen. Da das SGB II die Bedarfsgemeinschaft gerade nicht als Rechtssubjekt ausgestaltet hat, muss dies auch
für die Frage der Hilfebedürftigkeit gelten. Sie ist folglich bezogen auf die einzelnen Angehörigen der Gemeinschaft –
Leistungsberechtigten - zu beantworten und ermöglicht so unterschiedliche Ansprüche innerhalb einer
Bedarfsgemeinschaft. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 9 Abs 2 Satz 3 Halbsatz 1 SGB II. In dieser
Vorschrift ist zwar von einer Bedarfsgemeinschaft, dem gesamten Bedarf und seiner Deckung aus eigenen Kräften
und Mitteln die Rede. Die Vorschrift bezieht deswegen den Bedarf und seine Deckung aber nicht auf die
Bedarfsgemeinschaft als solche. § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II regelt nicht die Ermittlung eines Gesamtbedarfs der
Bedarfsgemeinschaft, sondern die Verteilung der Leistungen auf die in der Gemeinschaft lebenden bedürftigen
Personen.
Allerdings legt § 2 Abs 2 Satz 2 SGB II nahe – worauf das Sozialgericht hingewiesen hat -, dass der Gesetzgeber des
SGB II den Grundsatz aufstellen wollte, dass ein Erwerbstätiger seine Arbeitskraft zum Unterhalt aller mit ihm in einer
Bedarfsgemeinschaft zusammenlebenden Personen einsetzen muss. Das gleiche gilt für § 9 Abs 1 SGB II. Indessen
regelt § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II ausdrücklich, unter welchen Voraussetzungen bei minderjährigen unverheirateten
Kindern, die mit ihren Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft leben, fremdes Einkommen und Vermögen zu
berücksichtigen ist. Ein (verschwägerter) Stiefvater ist in diesen Personenkreis gerade nicht einbezogen worden.
Damit verbietet sich, über allgemeine Grundsätze gleichwohl eine Anrechnung vorzunehmen. Vielmehr ist die Frage,
inwieweit Einkommen und Vermögen innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft eingesetzt werden muss, ausschließlich
und abschließend in § 9 Abs 2 Satz 1 und 2 SGB II geregelt (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.
April 2005 – L 9 B 4/05 SO ER - ; Brühl in Lehr- und Praxiskommentar zum SGB II, § 9 RdNr 32).
Im Übrigen würde das SGB II mit einer Anrechnung des Stiefvatereinkommens auf den Unterhaltsbedarf der Kinder
über die zivilrechtlichen Unterhaltsansprüche hinausgehen. § 1601 BGB kennt eine Unterhaltspflicht nur zwischen
Verwandten. Eine Erweiterung auf die Kinder der Ehegatten ist nicht vorgesehen. Daraus könnten sich
Wertungswidersprüche ergeben, wie gerade der vorliegende Sachverhalt zeigt: Gegen die Unterhaltsansprüche seines
leiblichen Sohns vermag der Antragsteller zu 1) nämlich nicht einzuwenden, dass er die mit ihm in einem Haushalt
zusammenlebenden Kinder seiner Ehefrau unterhalten muss. Wenn das Zivilrecht keine entsprechenden
Unterhaltsansprüche kennt, kann die Leistungsfähigkeit des Antragstellers zu 1) durch sie auch nicht gemindert
werden. Ähnliches gilt für die Pfändungsfreigrenzen. Das Arbeitseinkommen des Antragstellers zu 1) steht diesem
(und der Bedarfsgemeinschaft) nur eingeschränkt zur Verfügung, da Ansprüche Dritter bedient werden müssen. Der
pfändbare Teil des Einkommens bestimmt sich dabei gemäß § 850 c ZPO insbesondere nach der Zahl der
unterhaltsberechtigten Personen. In diesem Zusammenhang kommt es wegen § 400 BGB nicht darauf an, ob die
Abführung auf einer Pfändung oder – wie der Bevollmächtigte der Antragsteller vorträgt – auf einer Abtretung beruht.
Die Antragsteller zu 3) und 4) vermindern den beim Antragsteller zu 1) pfändbaren Betrag deswegen nicht, weil sie
keine eigenen zivilrechtlichen Unterhaltsansprüche haben. Der Antragsteller zu 1) ist demnach seinem eigenen Kind
verpflichtet und unterliegt dem Zugriff seiner Gläubiger, ohne dass er wegen eines Unterhaltsbedarfs der Antragsteller
zu 3) und 4) entlastet würde. Aber auch gegen eine ihn nach dem SGB II treffende Unterhaltsobliegenheit für die
Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft könnte der Antragsteller zu 1) nicht einwenden, dass seine Leistungsfähigkeit
hinter dem rechnerischen Nettobetrag seines Arbeitseinkommens zurückbleibt. Denn § 11 Abs 2 SGB II sieht nicht
vor, dass vom einzusetzenden Einkommen Beträge abzuziehen sind, welche als Unterhalt geschuldet sind oder der
Pfändung unterliegen. Dies würde dazu führen, dass die Leistungsfähigkeit durch das SGB II höher angesetzt wird als
sie tatsächlich ist. Die Annahme, dass der Bedarf aus eigenen Mitteln gedeckt werden kann, widerspräche dann der
Realität. Es bedarf keiner weiteren Begründung, dass einer Auslegung des Gesetzes der Vorzug zu geben ist, welche
dieses Ergebnis vermeidet.
Der Bedarf der Antragsteller zu 3) und 4) ist auch nicht deswegen als gedeckt anzusehen, weil nach § 9 Abs 5 SGB II
zu vermuten wäre, dass trotz Fehlens einer rechtlichen Verpflichtung tatsächlich Leistungen erbracht werden. Eine
entsprechende Vermutung setzte nämlich voraus, dass nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des
Verschwägerten Leistungen zu erwarten sind. Daran fehlt es hier aber. Der Antragsteller zu 1) hat nicht nur
Unterhaltspflichten gegenüber seiner (einkommenslosen) Ehefrau und seinem Sohn, sondern auch Verbindlichkeiten
aus Bankgeschäften. Nach der in Kopie vorgelegten Aufstellung der Citibank vom 13. Februar 2004 macht diese
gegen ihn Forderungen aus mehreren Geschäften in einer Gesamthöhe von 36.752,96 Euro geltend. Der Antragsteller
zu 1) zahlt auf diese Verbindlichkeiten die in seinen Gehaltsabrechnungen als "Pfändung" bezeichneten Beträge.
Schon der Vergleich des Betrags von 355,- Euro aus der Gehaltsbescheinigung für Februar 2005 mit der monatlichen
Rückzahlungsverpflichtung von 526,- Euro, die so am 2. Mai 2002 in einem Kreditvertrag eingegangen wurde und
lediglich einen Teil der Verbindlichkeiten ausmacht, zeigt aber, dass das laufende Einkommen nicht ausreicht, um die
eingegangenen Verpflichtungen vollständig zu erfüllen. Sind demnach keine freien Mittel vorhanden, kann vom
Antragsteller zu 1) nicht erwartetet werden, dass er ohne rechtliche Verpflichtung (weiteren) Unterhalt leistet.
Zugunsten der Antragsteller zu 3) und 4) besteht auch ein Anordnungsgrund. Effektiver Rechtsschutz kann in den
Fällen, in denen die Sicherung des laufenden Lebensbedarfs in Frage steht, nur im Wege eines Eilverfahrens
gewährleistet werden (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 - ). Den Antragstellern zu 3) und 4)
stehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und
Heizung zu, die Antragsgegnerin war folglich schon im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Leistung zu
verpflichten. Der Leistungsbeginn war auf den Tag des Antragseingangs beim Sozialgericht festzusetzen. In
Anlehnung an § 41 Abs 1 Satz 3 SGB II war die Verpflichtung auf einen Zeitraum von 6 Monaten zu befristen, zumal
nicht auszuschließen ist, dass sich die Einkommensverhältnisse der Antragstellerin zu 2) verändern.
Unbegründet ist die Beschwerde, soweit Leistungen an die Antragstellerin zu 2) begehrt werden. Denn nach § 9 Abs 2
Satz 1 SGB II muss sie sich auf ihren Hilfebedarf das insoweit ausreichende Einkommen des Antragstellers zu 1)
anrechnen lassen.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG. Da die Antragsteller mit ihrem Begehren aus
wirtschaftlicher Sicht insgesamt Erfolg gehabt haben, entspricht eine volle Kostenerstattung der Billigkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).