Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 21.04.2005

LSG Berlin-Brandenburg: vergütung, erlass, rechtsschutz, ausnahmefall, link, quelle, sammlung, bemessungszeitraum, daten, hauptsache

1
2
3
4
5
Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 7.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 7 B 15/05 KA ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 85 Abs 4 SGB 5
Einstweiliger Rechtsschutz; Vertragsarztrecht; Festsetzung von
Honorarabschlagszahlungen; Neufestsetzung eines
Individualbudgets
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom
21. April 2005 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für beide Instanzen auf jeweils 23.940,00 €
festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom
21. April 2005 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig,
aber nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht den am 01. März 2005 bei Gericht eingegangenen Antrag
der Antragstellerin abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung
zu verpflichten, Honorarabschlagszahlungen ab dem Monat Dezember 2004 auf
mindestens 5.000,00 € monatlich festzusetzen. Denn dieser Antrag, der zugunsten der
Antragstellerin dahin ausgelegt werden kann, dass sie die im Wege der einstweiligen
Anordnung auszusprechende Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt, ihr höhere
Honorarabschlagszahlungen in Höhe von mindestens 5.000,00 € monatlich ab dem
Monat Dezember 2004 zu zahlen, ist zumindest teilweise unzulässig und im Übrigen in
jeder Hinsicht unbegründet.
Unzulässig ist der Antrag jedenfalls insoweit, als es um die Zahlung eines Betrages in
Höhe von mehr als 5.000,00 € monatlich geht, weil der Antrag insoweit weder
ausreichend bestimmt noch ausreichend bestimmbar ist. Überdies ist der Antrag aber
auch insoweit unzulässig, als er – als Minus zu dem vorgenannten Begehren – auf die
Zahlung von 5.000,00 € bzw. einem darunter liegenden, die derzeitigen
Honorarabschlagszahlungen aber überschreitenden Teilbetrag gerichtet ist und
Zeiträume betrifft, für die bereits quartalsbezogene Abrechnungsbescheide erteilt
worden sind. Denn insoweit fehlt es an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, weil
monatliche Honorarabschlagszahlungen dazu dienen, den Empfänger vor aus zeitlichen
Verzögerungen resultierenden wirtschaftlichen Nachteilen zu bewahren, und damit nur
auf die zu erwartende Vergütung, nicht jedoch auf eine bereits festgesetzte Vergütung
geleistet werden können.
Ob der Antrag darüber hinaus zumindest für die Zeit bis zur Antragserwiderung der
Antragsgegnerin unzulässig ist, weil die Antragstellerin ihr Begehren zunächst
gegenüber der Antragsgegnerin hätte geltend machen und deren Entscheidung hätte
abwarten müssen, kann hier dahinstehen. Denn der Antrag ist jedenfalls in jeder Hinsicht
unbegründet, weil die Antragstellerin für ihr Begehren zumindest teilweise schon einen
Anordnungsgrund und im Übrigen einen Anordnungsanspruch nicht mit der für die
Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft
gemacht hat (vgl. § 86 b Abs. 2 SGG).
Hierbei fehlt es an einem Anordnungsgrund für die Monate Dezember 2004 bis Februar
2005, die in die Zeit vor den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung beim
Sozialgericht am 01. März 2005 fallen. Denn für diese – in der Vergangenheit liegende –
Zeit erweist sich der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nicht mehr als nötig,
weil insoweit durch die Nichtzahlung der erstrebten Honorarabschlagzahlungen keine
6
7
weil insoweit durch die Nichtzahlung der erstrebten Honorarabschlagzahlungen keine
wesentlichen Nachteile mehr entstehen können, die sich durch den Erlass der auf eine
zukünftige Regelung gerichteten einstweiligen Anordnung noch abwenden ließen. Die
Antragstellerin hat in dieser Zeit ihre Praxis mit eigenen oder fremden Mitteln betrieben,
so dass sie hierfür auf die begehrten Honorarabschlagszahlungen nicht mehr
angewiesen ist. Soweit ihr diesbezüglich Nachteile entstanden sein sollten, könnten sie
nur im Rahmen eines eventuellen Hauptsacheverfahrens beseitigt werden.
Davon abgesehen hat die Antragstellerin insgesamt aber auch einen
Anordnungsanspruch auf die begehrte Leistung nicht glaubhaft gemacht. Nach dem in
Teil I. der Regelung für die Honorarabrechnung und –verteilung in der hier maßgeblichen
Fassung vom 01. Oktober 2004 aufgeführten § 2 Abs. 9, der sowohl für den Primär- als
auch den Ersatzkassenbereich Geltung beansprucht und nach der Vereinbarung über die
Honorarverteilung gemäß § 85 Abs. 4 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB
V) für Berlin vom 09. Dezember 2004, dem Vertrag über den
Honorarverteilungsmaßstab für die Verteilung der an die Kassenärztliche Vereinigung
(KV) Berlin gezahlten Gesamtvergütungen vom 20. Juni 2005 nebst
Abrechnungsordnung der KV Berlin gemäß § 2 des vorgenannten Vertrages vom 16. Juni
2005 sowie dem Vertrag über den Honorarverteilungsmaßstab für die Verteilung der an
die KV Berlin gezahlten Gesamtvergütungen vom 18. November 2005 letztlich
zumindest bis zum 31. März 2006 weiterhin Anwendung findet, werden den
Vertragsärzten monatliche Abschlagszahlungen in Höhe von 27,5 % auf die zu
erwartende Vergütung gewährt, die sich nach den in den vorgenannten Rechtsquellen
aufgeführten Vorschriften über die Honorarverteilung ihrerseits u. a. nach dem für jeden
einzelnen Vertragsarzt ermittelten Individualbudget bestimmt. Dass die ihr zustehenden
Honorarabschlagszahlungen nicht auf der Grundlage der nach den vorgenannten
Vorschriften für sie ermittelten – möglicherweise sogar durch (bestandskräftige)
Bescheide festgesetzten – Daten gezahlt würden, trägt die Antragstellerin in dem hier
zur Entscheidung gestellten vorläufigen Rechtsschutzverfahren selbst nicht vor, so dass
ein Anordnungsanspruch auf Zahlung höherer Honorarabschlagszahlungen vor diesem
Hintergrund ausscheidet. Allerdings darf nicht außer Betracht bleiben, dass die
Antragstellerin geltend gemacht hat, sie habe einen Anspruch auf erneute Entscheidung
über ihren Antrag auf Neufestsetzung ihres Individualbudgets, den die Antragsgegnerin
unter Verkennung der ihr insoweit eingeräumten Entscheidungsspielräume rechtswidrig
abgelehnt habe. Dieses Vorbringen hat die Antragstellerin zu Recht nur zur Begründung
ihres hier verfolgten Anspruchs auf Zahlung höherer Honorarabschlagszahlungen
herangezogen und nicht selbst zum Gegenstand eines vorläufigen
Rechtsschutzverfahrens auf vorläufige Neubescheidung ihres Antrags auf
Neufestsetzung ihres Individualbudgets bzw. – darüber hinausgehend – auf vorläufige
Festsetzung eines höheren Individualbudgets gemacht. Denn mit der insoweit begehrten
einstweiligen Anordnung würde letztlich ein Status festgeschrieben, der sich bei einem
eventuellen Misserfolg eines – hier im Übrigen beim Sozialgericht Berlin unter dem
Aktenzeichen S 79 KA 188/04 bereits anhängigen – Hauptsacheverfahrens nicht mehr
revidieren ließe, was dazu führen würde, dass der Antrag nur dann Erfolg haben könnte,
wenn dem betroffenen Antragsteller das Abwarten der Hauptsacheentscheidung nicht
zugemutet werden könnte. Letzteres ließe sich hier nicht feststellen, weil nicht
unberücksichtigt bleiben dürfte, dass die begehrte einstweilige Anordnung lediglich als
„Mittel zum Zweck“ beantragt worden wäre. Im Ergebnis ginge es der Antragstellerin
dann nämlich nicht allein um die Neufestsetzung ihres Individualbudgets, sondern als
Folge davon um die Zahlung eines höheren Honorars bzw. – im Vorfeld hierzu – um die
Zahlung höherer Honorarabschlagszahlungen. Vor diesem Hintergrund würde sich ihr
Antrag als nicht nötig erweisen, weil es ihr zuzumuten wäre, hinsichtlich der aus der
Neufestsetzung ihres Individualbudgets (möglicherweise) resultierenden Zahlung
höherer Honorare/Honorarabschlagszahlungen um vorläufigen Rechtsschutz
nachzusuchen.
Den zuletzt beschriebenen Weg hat die Antragstellerin mit ihrem auf vorläufige Zahlung
höherer Honorarabschlagszahlungen gerichteten vorläufigen Rechtsschutzantrag
zutreffend beschritten. Die Frage, ob ihr ein Anspruch auf Neubescheidung ihres
Antrages auf Neufestsetzung ihres Individualbudgets zusteht, ist hier dementsprechend
inzident zu prüfen. Im Rahmen dieser Inzidentprüfung muss sich die Antragstellerin
allerdings entgegenhalten lassen, dass ein bloßer Neubescheidungsanspruch ihrem
vorläufigen Rechtsschutzantrag nicht zum Erfolg zu verhelfen vermag, weil hieraus noch
kein höherer Zahlungsanspruch erwachsen kann. Ob ihr Vorbringen vor diesem
Hintergrund dahingehend ausgelegt werden kann, dass sie geltend machen will, sie habe
einen Anspruch auf Neufestsetzung ihres Individualbudgets in einer Höhe, die zu einem
Anspruch auf Zahlung von Honorarabschlagszahlungen in Höhe von 5.000,00 €
monatlich bzw. in Höhe eines über den gegenwärtigen Honorarabschlagszahlungen
liegenden Teilbetrages hiervon führt, kann hier dahinstehen. Denn unabhängig davon, ob
8
9
10
11
liegenden Teilbetrages hiervon führt, kann hier dahinstehen. Denn unabhängig davon, ob
und inwieweit der Antragsgegnerin bei der Entscheidung über die Neufestsetzung des
Individualbudgets – wie die Antragstellerin meint – tatsächlich gerichtlich nicht voll
nachprüfbare Entscheidungsspielräume eingeräumt sind, lässt sich ein Anspruch im
zuvor beschriebenen Sinne bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung schon
deshalb nicht feststellen, weil die Antragstellerin nachvollziehbare Tatsachen und
Zahlen, die zur Festsetzung eines höheren Individualbudgets und hieraus folgend zur
Zahlung höherer Honorarabschlagszahlungen führen könnten, weder vorgetragen noch
glaubhaft gemacht hat.
Davon abgesehen spricht bei summarischer Prüfung auch nichts dafür, dass die
ablehnende Entscheidung der Antragsgegnerin, das Individualbudget der Antragstellerin
neu festzusetzen, rechtswidrig sein könnte. Anspruchsgrundlage für die Neufestsetzung
des Individualbudgets sind die in Teil I. § 9 Abs. 9 bis 11 der Regelung für die
Honorarabrechnung und –verteilung in der Fassung vom 01. Oktober 2004 geregelten
Bestimmungen, die sowohl für den Primär– als auch den Ersatzkassenbereich gelten und
nach der Vereinbarung über die Honorarverteilung gemäß § 85 Abs. 4 SGB V für Berlin
vom 09. Dezember 2004, dem Vertrag über den Honorarverteilungsmaßstab für die
Verteilung der an die KV Berlin gezahlten Gesamtvergütungen vom 20. Juni 2005 (vgl.
dort § 9 Abs. 12 bis 14) sowie dem Vertrag über den Honorarverteilungsmaßstab für die
Verteilung der an die KV Berlin gezahlten Gesamtvergütungen vom 18. November 2005
letztlich bis zum 31. März 2006 weiterhin Anwendung finden. Unabhängig davon, ob und
inwieweit der Antragsgegnerin bei ihrer Entscheidung durch das Gericht nicht voll
nachprüfbare Entscheidungsspielräume eingeräumt sein sollten, ist es nach diesen
Bestimmungen erforderlich, dass sich der jeweilige Antragsteller auf einen begründeten
(Ausnahme-) Fall berufen kann, der nach den in den Bestimmungen selbst genannten
Beispielsfällen insbesondere dann in Betracht zu ziehen ist, wenn Praxisschließungen
ohne Praxisnachfolge im Umfeld des Antragstellers und eine entsprechende
Patientenübernahme, das Erlöschen von Ermächtigungen von Krankenhausärzten, eine
längere Erkrankung im Bemessungszeitraum oder eine veränderte Praxisstruktur in
Rede stehen. Einen derartigen Ausnahmefall hat die Antragstellerin hier indes bei
summarischer Prüfung weder dargetan noch in geeigneter Art und Weise belegt. Insoweit
schließt sich der Senat nach § 142 Abs. 3 S. 3 SGG den Ausführungen des Sozialgerichts
in dem angefochtenen Beschluss sowie nach § 136 Abs. 3 SGG analog der in dem
Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2004 von der Antragsgegnerin gegebenen
Begründung an und sieht zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen an dieser Stelle
von einer weiteren Begründung seines Beschlusses ab, zumal die Antragstellerin mit
ihrer Beschwerde keinerlei neue Aspekte vorgetragen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2
der Verwaltungsgerichtsordnung und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache
selbst.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit
§§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes. Wie schon das Sozialgericht geht
der Senat hierbei von dem Differenzbetrag zwischen den nach Aktenlage monatlich
gezahlten Honorarabschlagszahlungen in Höhe von 3.670,00 € und 5.000,00 € aus und
lässt in diesem Zusammenhang unberücksichtigt, dass die Antragstellerin die Zahlung
eines Betrages von „ mindestens 5.000,00 € “ monatlich beantragt hat. Diesen Betrag
rechnet der Senat in Anlehnung an seine ständige Rechtsprechung in
Zulassungsverfahren auf drei Jahre, d. h. 36 Monate hoch und setzt von dem sich
hiernach ergebenden Betrag in Höhe von 47.880,00 € - anders als das Sozialgericht –
wegen des nur vorläufigen Charakters des hiesigen Verfahrens die Hälfte als
Gegenstandswert fest.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht
angefochten werden (§ 177 SGG).
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum