Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 12.05.2003

LSG Berlin und Brandenburg: stationäre behandlung, rente, wechsel, psychiatrie, neurologie, arbeitsmarkt, zustand, hypertonie, verdacht, therapie

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 12.05.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 21 RA 2132/97
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 16 RA 75/00
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juli 2000 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist noch die Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU).
Die 1939 geborene, seit 1995 auf Gran Canaria lebende Klägerin hatte den Beruf des Einzelhandelskaufmannes
erlernt (Kaufmannsgehilfenbrief vom 26. September 1957). Sie war von 1954 bis zum 28. November 1985 als
Verkäuferin beschäftigt. Nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit arbeitete sie zuletzt vom 18. Februar 1991 bis 22.
November 1992 halbtags als Telefonistin im Rahmen eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses bei der H
Krankenversicherung auf Gegenseitigkeit in St. Vom 26. November 1992 bis 7. April 1994 war die Klägerin arbeitslos
gemeldet. Vom 19. April 1994 bis 17. Mai 1994 durchlief sie eine von der Beklagten gewährte stationäre medizinische
Rehabilitationsmaßnahme in den Fachkliniken H B U, nachdem sie sich am 16. Februar 1994 bei einem Sturz ein sub-
und epidurales Hämatom zugezogen hatte. Auf den Entlassungsbericht der Klinik vom 9. Juni 1994 wird Bezug
genommen.
Die Klägerin ist als Schwerbehinderte anerkannt mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60 auf Grund folgender
Leiden: Gedächtnisstörungen und diskrete Rechtssymptomatik nach Schädelhirntrauma mit sub- und epiduraler
Blutung, Fehlhaltung und degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit Folgeerscheinungen, chronische Bronchitis,
Varicosis, Zustand nach Beinvenenthrombose links (Bescheid des Versorgungsamtes St vom 13. Oktober 1994).
Im Oktober 1995 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die
Beklagte ließ die Klägerin in L P durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G S J untersuchen und
begutachten. Dieser Arzt bescheinigte der Klägerin in seinem Gutachten vom 16. April 1996 ein aufgehobenes
Leistungsvermögen (Zustand nach epi-subduralem Hämatom, diskrete Hirnatrophie). Nach Einholung einer
nervenärztlichen Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. K lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom
30. Juli 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 1997 ab.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Berlin Entlassungsberichte der F F-B vom 25. Februar 1994 (stationäre
Behandlung der Klägerin vom 16. Februar bis 25. Februar 1994) und des B St - Neurologische Klinik - vom 13. Mai
1994 (stationäre Behandlung vom 25. Februar bis 8. April 1994) beigezogen sowie Befundberichte von den
behandelnden Ärzten der Klägerin erstatten lassen, und zwar von dem Internisten Dr. Sch vom 1. August 1997, von
der Ärztin für Psychiatrie Dr. H vom 28. August 1997 und von dem Allgemeinmediziner Dr. R T vom 6. Februar 1998.
Das SG hat den Allgemeinmediziner Dr. L als Sachverständigen eingesetzt. Dieser Arzt hat in seinem Gutachten die
folgenden Leiden mitgeteilt: Gedächtnisstörungen, Hirnleistungsschwäche bei diskreter Resthemisymptomatik nach
Schädelhirntrauma mit epi- und subduralem Hämatom, ängstlich-depressives Syndrom, erhöhte cerebrale
Krampfbereitschaft bei Zustand nach Status epilepticus, Unsicherheitsgefühl beim Laufen, Hörminderung rechts,
erhöhte Sturzanfälligkeit bei ungerichtetem Schwindel, arterielle Hypertonie. Die Klägerin könne täglich regelmäßig,
aber nicht vollschichtig, körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen in allen Haltungsarten unter Beachtung
der bezeichneten qualitativen Leistungseinschränkungen verrichten. In der Ausübung geistiger Arbeiten sei die
Klägerin beschränkt. Die festgestellten Leiden würden sich u.a. insbesondere auf die Anpassungs- und
Umstellungsfähigkeit auswirken. Die Klägerin sei in dem beschriebenen Rahmen noch ein bis zwei Stunden täglich
leistungsfähig, wobei nach jeder halben Stunde Arbeitszeit wegen der raschen geistigen Ermüdbarkeit und
Dekompensationssymptome eine zehnminütige Pause erforderlich sei. Das SG hat ferner den Arzt für Neurologie und
Psychiatrie Prof. Dr. G mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens nach Aktenlage beauftragt. Dieser Arzt
hat in seinem Gutachten vom 7. September 1999 die folgenden Diagnosen mitgeteilt: psychische und neurologische
Restsymptomatik nach Sturz, Status epilepticus in 2/94 und Verdacht auf Delir in 2/94, Verdacht auf sporadisch
auftretende Krampfanfälle bei bestehender antiepileptischer Therapie, Alkoholkrankheit in der Vergangenheit,
Hypertonie. Es sei davon auszugehen, dass das Schädelhirntrauma vom Februar 1994 allenfalls zu geringen
neurologischen und psychischen Restbefunden geführt habe. Die Hypertonie sei ausreichend behandelt. Hinsichtlich
der Alkoholkrankheit seien weitergehende psychische Störungen nicht sicher feststellbar. Die Klägerin sei noch in der
Lage, täglich regelmäßig und vollschichtig körperlich leichte Arbeiten unter normalen klimatischen Bedingungen
überwiegend im Sitzen oder im Wechsel der Haltungsarten - unter Beachtung der dargelegten qualitativen
Leistungseinschränkungen - auszuführen. Die Klägerin könne einfache geistige Arbeiten verrichten. Die Anpassungs-
und Umstellungsfähigkeit sei allenfalls leicht beeinträchtigt. Die Leistungsbeurteilung von Dr. L sei nicht ausreichend
begründet.
Das SG hat die auf Gewährung von Rente wegen EU, hilfsweise wegen Berufs-unfähigkeit (BU), ab 1. März 1994
gerichtete Klage mit Urteil vom 28. Juli 2000 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht
begründet. Die Klägerin sei schon nicht berufsunfähig, weil sie ihren bisherigen Beruf einer Telefonistin, bei dem es
sich um eine körperlich leichte Tätigkeit handele, noch vollschichtig ausüben könne. Das Gericht folge insoweit den
Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. G. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung bzw. eine
Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen lägen bei der Klägerin nicht vor.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin (nur) noch ihr Begehren auf Gewährung von Rente wegen EU weiter. Sie trägt
vor: Das SG habe den medizinischen Sachverhalt nur unvollständig ermittelt. Zu einer umfassenden gutachterlichen
Abklärung sei eine persönliche Untersuchung erforderlich gewesen, um die aus der stattgefundenen Hirnblutung
resultierenden Leistungseinschränkungen im Einzelnen festzustellen. Die Klägerin legt eine Bescheinigung des MC A
vom 11. Januar 2001 vor, auf deren Inhalt verwiesen wird.
Die Klägerin beantragt nach ihrem Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juli 2000 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides
vom 30. Juli 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 1997 zu verurteilen, ihr ab 1. März
1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Klägerin nach wie vor nicht für erwerbsunfähig.
Der Senat hat Dr. G S J als Sachverständigen eingesetzt. Dieser Arzt hat in seinem Gutachten vom Januar 2002 bei
der Klägerin die folgenden Leiden diagnostiziert: cerebrale Krampfanfälle, depressive Verstimmungen. Die Klägerin
könne täglich regelmäßig noch leichte körperliche Arbeiten - außer als Telefonistin - unter Berücksichtigung der
bezeichneten qualitativen Leistungseinschränkungen im Wechsel der Haltungsarten verrichten. Die Durchführung
einfacher geistiger Arbeiten sei zumutbar.
Der Senat hat nach Vorlage einer Stellungnahme des Arztes M vom 10. Juli 2002 den Arzt für Neurologie und
Psychiatrie Prof. Dr. Dr. D mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser Arzt hat nach
Veranlassung eines testpsychologischen Zusatzgutachtens vom 17. Dezember 2002 (Dr. Sch) in seinem Gutachten
vom 18. Februar 2003 (Un-tersuchungen am 16. Dezember 2002) die folgenden Diagnosen mitgeteilt: symptomatische
Epilepsie mit generalisierten Krampfanfällen als Folge des epiduralen und subduralen Hämatoms rechts parieto-
occipital von Februar 1994; sensorische Polyneuropathie ohne Krankheitswert, vermehrte vegetative Labilität, leichte
kognitive Beeinträchtigungen mit Verlangsamung. Trotz der leichten hirnorganischen Beeinträchtigung könne die
Klägerin täglich regelmäßig und vollschichtig noch körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen im Wechsel
der Haltungsarten - unter Beachtung der dargelegten qualitativen Leistungseinschränkungen - ausführen. Auf Grund
der leichten kognitiven Beeinträchtigungen und der Verlangsamung sei die Klägerin nur in der Lage, einfache bis
mittelschwere geistige Arbeiten zu verrichten. Beeinträchtigungen der Kontakt- bzw. Umstellungsfähigkeit seien nicht
deutlich geworden. Hinweise für ein depressives Syndrom hätten sich nicht ergeben. Auf der Grundlage der sich nach
Aktenlage ergebenden Anfallsfrequenz ergebe sich keine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens, weil ein
Anfallskranker bei Auftreten eines Anfalls immer nur kurzfristig krank und längerfristig gesund sei. Im Übrigen sei
durch eine bessere antiepileptische Einstellung der Klägerin "eventuell" eine Anfallsfreiheit zu erzielen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen,
wegen der medizinischen Feststellungen auf die eingeholten Befundberichte und die Sachverständigengutachten von
Dr. L, Prof. Dr. G, Dr. G S J und Prof. Dr. Dr. D Bezug genommen.
Die Rentenakte der Beklagten, die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes St und die Gerichtsakten (2 Bände)
haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, mit der diese (nur) noch die Gewährung von Rente wegen EU ab 1. März 1994 geltend
macht, ist nicht begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen EU für die Zeit ab 1. März
1994. Denn sie war und ist nicht erwerbsunfähig.
Der von der Klägerin erhobene Anspruch bestimmt sich noch nach § 44 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche
Rentenversicherung - (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (im Folgenden ohne Zusatz
zitiert), weil die Klägerin ihren Rentenantrag im Oktober 1995 gestellt hat und Rente wegen EU (auch) für Zeiträume
vor dem 1. Januar 2001 geltend macht (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI).
Die Vorschrift des § 44 SGB VI setzt zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl. §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1
SGB VI) sowie das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung
oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EU voraus (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI).
Darüber hinaus muss EU vorliegen (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI).
Erwerbsunfähig sind gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht
absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt
oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630,00 DM bzw. den entsprechenden Gegenwert in Euro
übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige
Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI).
In dem vorliegend für das Rentenbegehren erheblichen Zeitraum ab 1. März 1994 war und ist die Klägerin nicht
erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI. Denn sie verfügt noch über ein vollschichtiges
Restleistungsvermögen für leichte körperliche und einfache bis mittelschwere geistige Arbeiten auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt, mit dem sie regelmäßig einer achtstündigen Erwerbstätigkeit nachgehen und damit auf dem
Arbeitsmarkt ein monatliches Einkommen von mehr als 630,00 DM bzw. den entsprechenden Gegenwert in Euro
erzielen kann. Bezüglich der Beurteilung des Restleistungsvermögens der Klägerin folgt der Senat den vorliegenden
Sachverständigengutachten von Prof. Dr. G und insbesondere Prof. Dr. Dr. D. Deren Gutachten dokumentieren eine
sorgfältige Meinungsbildung - bei Prof. Dr. Dr. D nach umfassender Befunderhebung und Untersuchung -, und die
darin abgegebenen Leistungsbeurteilungen sind schlüssig und nachvollziehbar aus den getroffenen medizinischen
Feststellungen hergeleitet.
Beide genannten Gerichtssachverständigen haben der Klägerin übereinstimmend noch ein vollschichtiges
Restleistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten mit bestimmten weiteren qualitativen
Leistungseinschränkungen bescheinigt, und zwar durchgehend nach Beendigung der sich an den Sturz vom 16.
Februar 1994 anschließenden stationären Behandlung bzw. stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme am
17. Mai 1994. Zur Überzeugung des Senats war und ist die Klägerin damit noch in der Lage, körperlich leichte
Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten, unter Ausschluss von Witterungseinflüssen, Zeitdruck, Nacht- und
Wechselschichten sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten vollschichtig zu verrichten. Sie kann dabei Lasten bis 10
kg heben und tragen und bei lediglich leichten kognitiven Beeinträchtigungen und Verlangsamungen bei im
Wesentlichen unbeeinträchtigter Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit ihrem Bildungsniveau entsprechende
einfache bis mittelschwere geistige Arbeiten noch ausführen.
Soweit Dr. G S J in seinem im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten vom 16. April 1996 und Dr. L in seinem für
das SG erstellten, undatierten Gutachten ebenso wie die die Klägerin behandelnden Ärzte Dr. H (von Juli bis
November 1994) und Dr. T (seit Februar 1998) bei der Klägerin ein vollschichtiges Leistungsvermögen auch nur für
zumindest leichte körperliche Arbeiten ausschließen, hat sich Prof. Dr. Dr. D in seinem Gutachten hiermit eingehend
auseinandergesetzt und an Hand sorgfältiger Würdigung der vorliegenden Untersuchungsbefunde auf seinem
Fachgebiet einsichtig dargelegt, dass objektivierbare Hinweise für ein das quantitative Leistungsvermögen minderndes
epileptisches Anfallsleiden ebenso wenig nachweisbar waren wie eine schwerwiegende Hirnleistungsschwäche. Selbst
wenn die von der Klägerin vorgetragene Anfallshäufigkeit von 10 bis 12 cerebralen Krampfanfällen jährlich zutreffend
sein sollte, wofür indes aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen nichts ersichtlich ist, wäre durch eine
entsprechend angepasste antiepileptische Medikation eine erhebliche Besserung des Leidensbildes und nach
Einschätzung von Prof. Dr. Dr. D möglicherweise sogar eine Anfallsfreiheit zu erzielen. Da aber zum
Begutachtungszeitpunkt eine erhöhte cerebrale Krampfbereitschaft nicht objektivierbar war und der letzte
aktenkundige epileptische Anfall der Klägerin von Januar 2001 datiert, vermag der Senat die Angaben der Klägerin zur
Anfallsfrequenz seinen Feststellungen nicht zu Grunde zu legen. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin selbst
anlässlich der Begutachtungsuntersuchung bei Prof. Dr. Dr. D erklärt hat, man habe ihr zu einer weiteren Reduktion
der antiepileptischen Therapie geraten. Ein derartiges Vorgehen wäre aber, wie der gerichtliche Sachverständige
eingehend dargelegt hat, nur bei einer weitgehenden Anfallsfreiheit indiziert.
Es bestand keine Veranlassung, von Amts wegen (vgl. § 103 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) eine weitere Begutachtung
der Klägerin anzuordnen. Denn ihr Restleistungsvermögen ist durch die auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet
eingeholten Gutachten ausreichend geklärt. Dies gilt auch im Hinblick auf den Hinweis von Prof. Dr. Dr. D, dass die
Erstellung eines internistischen bzw. orthopädischen Gutachtens in Betracht käme, wenn man den Angaben der
Klägerin zu ihren Problemen mit der rechten Hüfte und der rechten Schulter bei beginnender Arthrose folge würde.
Denn ungeachtet dessen, dass es sich hierbei nicht um eine fachlich begründete, aus den selbst erhobenen Befunden
des Sachverständigen abgeleitete eigene Empfehlung handelt, haben sich bei der neurologischen Untersuchung der
Klägerin keine wesentlichen Einschränkungen im Bewegungsapparat ergeben, die der Verrichtung von zumindest
körperlich leichten Tätigkeiten entgegenstehen würden. Die Klägerin hat bei der Begutachtung eine allseits gute aktive
Kraftentfaltung ohne trophische Störungen und Paresen gezeigt. Das Gangbild war unauffällig. Neue bislang nicht
berücksichtigte Gesundheitsstörungen bzw. eine wesentliche Verschlech-terung bereits bekannter Leiden hat die
Klägerin nicht vorgetragen. Anhaltspunkte hierfür sind auch im Übrigen nicht ersichtlich. Insgesamt bezweifelt die
Klägerin zwar die Leistungseinschätzung von Prof. Dr. Dr. D, hat sich aber nicht dazu geäußert, aus welchen
sachlichen Gründen diesem Sachverständigen nicht zu folgen sein soll. Konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte
dafür, dass Prof. Dr. G und Prof. Dr. Dr. D ihre fachliche Beurteilungskompetenz falsch eingeschätzt oder
überschritten haben könnten, sind von der Klägerin nicht angeführt worden und auch sonst nicht ersichtlich.
Demgegenüber sind die Gutachten von Dr. G S J und insbesondere von Dr. L - dieser hatte der Klägerin ein im
Wesentlichen aufgehobenes Leistungsvermögen bescheinigt - schlechthin nicht verwertbar. Denn diese Gutachten
genügen auch nicht ansatzweise den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Begutachtung (Auswertung der Akten,
Anamnese, Befunderhebung, Beurteilung der Befunde - mit Ausschluss oder Annahme von Aggravation, Simulation
oder Dissimulation -, Diagnostik, Ermittlung des Schweregrades, Beurteilung des Restleistungsvermögens mit Blick
auf die rentenrechtliche Fragestellung).
Das vollschichtige Restleistungsvermögen der Klägerin ist nach den von Prof. Dr. G und Prof. Dr. Dr. D festgestellten
qualitativen Leistungseinschränkungen auch nicht derart eingeengt, dass es einem Arbeitseinsatz der Klägerin auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter betriebsüblichen Bedingungen entgegenstünde. Es liegen zwar bei der Klägerin
Leistungseinschränkungen vor, die teilweise über den Rahmen dessen hinausgehen, was inhaltlich vom Begriff der
körperlich leichten Tätigkeiten umfasst wird. Dies gilt besonders hinsichtlich der Notwendigkeit der Vermeidung
bestimmter äußerer Einwirkungen (z.B. Witterungseinflüsse; vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 1999 - B 13 RJ 71/97 R -
nicht veröffentlicht). Es besteht aber weder eine spezifische Leis-tungsbehinderung, noch liegt eine Summierung
ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1998 - B 5/4 RA 58/97 R - nicht
veröffentlicht). In ihrer Mehrzahl sind die festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen nämlich nicht geeignet,
das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Die bei der Klägerin vorliegenden
Leistungseinschränkungen - Arbeiten ohne besonderen Zeitdruck, ohne extreme klimatische Bedingungen, ohne
Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und nicht im Schichtdienst - zählen nicht zu den ungewöhnlichen
Leistungseinschränkungen und schon gar nicht zu den schweren spezifischen Leistungsbehinderungen (vgl. dazu die
auf die Vorlagebeschlüsse des 13. Senats ergangenen Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember
1996 - GS 1-4/95 - GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Auch besondere Schwierigkeiten der Klägerin hinsichtlich der
Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz, die eine spezifische schwere Leistungsbehinderung
darstellen könn-ten (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104, 117), sind nicht ersichtlich. Prof. Dr. Dr. D hat die
Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit der Klägerin als im Wesentlichen unbeeinträchtigt beschrieben. Die Klägerin
war und ist daher in der Lage, ihrem Schul- und Ausbildungsniveau entsprechende einfache bis mittelschwere geistige
Arbeiten zu verrichten.
Im Übrigen konnte und kann die Klägerin mit dem ihr verbliebenen Leistungsvermögen noch leichte Bürotätigkeiten
verrichten, wie sie in der Tarifgruppe X des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) erfasst sind. Das gleiche gilt für
leichte Pack-, Montier-, Produktions-, Prüf- und Etikettiertätigkeiten. Im Hinblick darauf, dass nach der
Leistungsbeurteilung von Prof. Dr. G und Prof. Dr. Dr. D keine wesentlichen Beeinträchtigungen hinsichtlich der
Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit für einfache bis mittelschwere geistige Arbeiten anzunehmen sind, kann die
Klägerin auch derart einfache Bürotätigkeiten, wie sie mit der Tarifgruppe X BAT tariflich vergütet werden, nach einer
Zeit der Einarbeitung bis zu drei Monaten vollwertig verrichten ebenso wie die genann-ten leichten Pack-, Montier-,
Produktions-, Prüf- und Etikettiertätigkeiten.
Da nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine
spezifische schwere Leistungsbehinderung nicht vorliegen, war die konkrete Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit
nicht erforderlich. Für die Klägerin in Betracht kommende Tätigkeitsfelder sind bereits aufgezeigt worden.
Darauf, ob die Klägerin einen ihrem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz tatsächlich erhält,
kommt es nicht an. Denn die jeweilige Arbeitsmarktlage, die für leistungsgeminderte Arbeitnehmer wie die Klägerin
derzeit kaum entsprechende Arbeitsplatzangebote zur Verfügung stellt, ist für die Feststellung von EU - wie der
Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt hatte - unerheblich (vgl. § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 2. Halbsatz SGB VI). Auch
nach dem ab dem 1. Januar 2001 geltenden Recht ergibt sich kein Rechtsanspruch der Klägerin auf
Erwerbsminderungsrente, weil die nunmehr geltenden Rechtsvorschriften noch weitergehendere
Leistungsvoraussetzungen normieren als das bisherige Erwerbsminderungsrentenrecht (vgl. §§ 43, 240 SGB VI in der
ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom
20. Dezember 2000 -BGBl. I S. 1827-).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.