Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 07.04.2003

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 9.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 9 KR 82/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 13 Abs 3 SGB 5
Kostenerstattung für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 07. April 2003
wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für eine stationäre
Rehabilitationsmaßnahme.
Die im Jahre 1943 geborene Klägerin leidet seit mehreren Jahren insbesondere an
Erkrankungen der Lendenwirbelsäule (Spondylolisthese, Lähmungsskoliose mit
statischer Dysbalance).
In der Zeit vom 18. Januar 2001 bis zum 08. März 2001 wurde die Klägerin im Rahmen
der Leistungserbringung durch die Beklagte in der Klinik K- stationär versorgt, eine
Operation fand am 13. Februar 2001 statt.
Am 07. März 2001 beantragte die Klinik K-Langensteinbach bei der Beklagten eine
anschließende vollstationäre Rehabilitationsmaßnahme der Klägerin in den Kliniken für
Rehabilitation, Klinik R, in W ab dem 08. März 2001. Am 08. und erneut am 09. März
2001 lehnte die Beklagte gegenüber der Klinik R diesen Antrag mit der Begründung ab,
die medizinischen Voraussetzungen für eine Anschlussheilbehandlung seien nicht
erfolgt, ein ausreichendes Rehabilitationspotential sei bei der Klägerin nicht erkennbar.
Gleichwohl wurde die Klägerin noch am 08. März 2001 in die Rehabilitationsklinik R in W
verlegt, wo sie bis zum 05. April 2001 verblieb. Hier wurde bei Aufnahme der Klägerin
kein schriftlicher Vertrag geschlossen. Am Entlassungstag händigte die Klinik R der
Klägerin ein vorgedrucktes Vertragsformular aus, das seitens der Klinik bereits
unterschrieben war. Die Klägerin leistete jedoch keine Unterschrift.
Den Widerspruch der Klägerin gegen die zwischenzeitlich auch ihr gegenüber bekannt
gegebenen Leistungsablehnungen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.
Juni 2001 zurück: Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Anschlussrehabilitation hätten
nicht vorgelegen. Die ärztliche Gutachterin der Beklagten habe bei der Klägerin kein
Rehabilitationspotential und keine Rehabilitationsbelastungsfähigkeit gegeben gesehen.
Während des anschließenden Verfahrens vor dem Sozialgericht Berlin hat die Klinik R am
4. Oktober 2001 der Klägerin für den Klinikaufenthalt unter Anrechnung von Leistungen
der Beklagten insgesamt 5.271,28 DM (entsprechend 2.695,16 Euro) in Rechnung
gestellt, die die Klägerin am 10. Oktober 2001 an die Klinik gezahlt hat. Mit Urteil vom
07. April 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen:
Zwar sei die Beklagte als Rehabilitationsträger zuständig und die
Rehabilitationseinrichtung auch eine Vertragseinrichtung nach § 111
Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) gewesen. Jedoch sei eine
Anschlussheilbehandlung in Form stationärer medizinischer Rehabilitation bei der
Klägerin nicht erforderlich gewesen, auch wenn die Beklagte das hierfür notwendige
Feststellungsverfahren nicht sachgerecht durchgeführt und ihren Bescheiden nicht
hinreichend tragfähige medizinische Begründungen gegeben habe. Aufgrund der zur
Verfügung stehenden medizinischen Unterlagen sei die Kammer jedoch davon
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Verfügung stehenden medizinischen Unterlagen sei die Kammer jedoch davon
überzeugt, dass die medizinische Erforderlichkeit einer stationären medizinischen
Rehabilitationsmaßnahme gefehlt habe.
Gegen dieses ihr am 26. Mai 2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21. Juni 2003
Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Sie macht geltend, ein
Kostenerstattungsanspruch bestehe deswegen, weil die Beklagte die Leistung zu
Unrecht abgelehnt habe. Die Durchführung einer medizinischen
Rehabilitationsmaßnahme sei notwendig und geeignet gewesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 07. April 2003 sowie die Bescheide der
Beklagten vom 08. und 09. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
06. Juni 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 2.695,16 Euro zu
erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen
auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Sitzungsniederschrift
zum Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit dem Berichterstatter vom 16. Juni 2006
sowie die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen
Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 143
Sozialgerichtsgesetz (SGG), in der Sache jedoch unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat
das Sozialgericht die Klage abgewiesen, die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig
und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, der geltend gemachte
Erstattungsanspruch steht der Klägerin nicht zu.
Die Voraussetzungen des hier allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden §
13 Absatz 3 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) sind vorliegend schon deswegen
nicht erfüllt, weil der Klägerin keine durch die Leistungsablehnung der Beklagten
verursachten erstattungsfähigen Kosten im Sinne dieser Vorschrift entstanden sind. Die
Erstattung von Kosten setzt sowohl begrifflich wie nach Wortlaut und Zweck von § 13
Absatz 3 SGB V voraus, dass dem Versicherten Kosten entstanden sind
(Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 23. Juli 1998, B 1 KR 3/97 R, SozR 3-2500 § 13
Nr. 17). Da der Anspruch nicht von einer tatsächlich geleisteten Zahlung abhängen
kann, reicht es allerdings aus, wenn der Versicherte einer Honorarforderung des
Leistungserbringers ausgesetzt ist; insoweit umfasst § 13 Absatz 3 SGB V auch einen
entsprechenden Freistellungsanspruch.
Vorliegend ist die Klägerin jedoch keinem rechtswirksamen und durchsetzbaren
(privatrechtlichen) Zahlungsanspruch der Klinik R ausgesetzt gewesen. Ein bürgerlich-
rechtlicher Vertrag (Behandlungsvertrag, Krankenhausaufnahmevertrag), in dem die
Klägerin sich verpflichtet hätte, für die Kosten der benötigten Behandlung
gegebenenfalls selbst aufzukommen, ist mit der Klinik R nicht geschlossen worden. An
einem schriftlichen Vertrag fehlt es schon deswegen, weil die Klägerin das ihr von der
Klinik vorgelegte Vertragsformular nicht unterschrieben hat. Im Übrigen hat die Klinik der
Klägerin dieses Formular nicht bereits bei der Aufnahme, sondern erst am
Entlassungstag vorgelegt, was zusätzlich die Annahme eines Vertragsschlusses vor
Leistungsaufnahme ausschließt.
Es fehlt gleichfalls an einem mündlichen Vertrag zwischen der Klägerin und der Klinik,
denn entsprechende (ausdrückliche) Willenserklärungen sind auch in mündlicher Form
nicht abgegeben worden. Auch ein Vertragsschluss durch schlüssiges Verhalten, wie die
Entgegennahme üblicherweise nur gegen Vergütung gewährter Leistungen, scheidet
aus. Denn ein solches schlüssiges Verhalten ist dann nicht gegeben, wenn jedenfalls der
Leistungserbringer – die Klinik – erkennbar davon ausgeht, es solle eine Versorgung des
Versicherten zu Lasten einer gesetzlichen Krankenkasse erfolgen (BSG, Urteil vom 9.
Oktober 2001, B 1 KR 6/01 R, SozR 3-2500 § 13 Nr. 25). So verhält es sich im
vorliegenden Fall. Sowohl die Klägerin als auch die Klinik gingen bei Aufnahme und
folgender Behandlung der Klägerin davon aus, die Beklagte werde – nach Abklärung des
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folgender Behandlung der Klägerin davon aus, die Beklagte werde – nach Abklärung des
Sachverhalts – die Leistung erbringen und die Klinik werde entsprechend den zwischen
ihr und der Beklagten geschlossenen Verträgen die Vergütung direkt von der Beklagten
erhalten. Dies folgt insbesondere daraus, dass die Klinik erkennbar davon ausging, die
Aufnahme und Behandlung der Klägerin sei medizinisch notwendig und müsse
dementsprechend auch von der Beklagten vergütet werden. Denn die Klinik hat die
Verhandlungen über die Vergütung der Behandlung der Klägerin zunächst ausschließlich
mit der Beklagten geführt und hat mit Schreiben vom 4. Oktober 2001 von der Klägerin
die Zahlung verlangt, weil sie auf die „Bezahlung der Betriebskrankenkasse nicht mehr
länger warten könne, da sich ein Rechtsstreit oftmals über einen längeren Zeitraum
hinzieht“, wie sie wörtlich in dem genannten Schreiben ausführte.
Bei der gegebenen Sachlage schuldete die Klägerin der Klinik R auch keine Vergütung
aus Geschäftsführung ohne Auftrag. Denn die Klinik führte hier nicht ein Geschäft der
Klägerin, sondern handelte auf der Grundlage einer eigenen vertraglichen Beziehung zu
der Beklagten; die Klägerin wiederum wollte eine öffentlich-rechtliche Sachleistung von
der Beklagten und nicht eine privatrechtliche Leistung von der Klinik erhalten. In einer
solchen Situation entspricht eine Behandlung als Privatpatient mit der Verpflichtung, die
entstehenden Kosten selbst zu zahlen, weder dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen
des Versicherten noch dessen Interesse (BSG a. a. O.).
Ein Bereicherungsanspruch scheitert daran, dass zwischen der Klägerin und der Klinik in
Bezug auf die in Rede stehende Behandlung kein Leistungsverhältnis bestand. In einem
Mehrpersonenverhältnis ist Leistender derjenige, der aus der Sicht eines verständigen
Empfängers (sogenannter objektiver Empfängerhorizont) die Leistung gewährt. Das war
hier die Beklagte, denn sie schuldete gegebenenfalls der Klägerin die von den
Klinikärzten für erforderlich gehaltene Behandlung als Sachleistung. In derartigen Fällen
vollzieht sich ein etwaiger Bereicherungsausgleich nicht zwischen Klinik und
Versichertem, sondern zwischen Klinik und gesetzlicher Krankenkasse (BSG a. a. O.).
Vor diesem Hintergrund kommt es auf die zwischen den Beteiligten im erstinstanzlichen
Verfahren aufgeworfenen Fragen medizinischen Inhalts nicht an. Die Klägerin kann diese
Fragen mangels eigener finanzieller Betroffenheit im anhängigen Prozess nicht klären
lassen. Gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen dem Versicherten und der
Krankenkasse sind nur dann statthaft, wenn der Versicherte entweder eine (noch
bevorstehende) Sachleistung erstreiten will oder er sich die Behandlung zunächst auf
eigene Kosten beschafft und anschließend von der Krankenkasse die Kostenerstattung
verlangt (BSG a. a. O.). Kann ein Versicherter hingegen – wie vorliegend die Klägerin – im
Zeitpunkt der Behandlung davon ausgehen, er erhalte die Leistungen als Kassenpatient
zu den Bedingungen der gesetzlichen Krankenversicherung im Sachleistungswege, so
kann eine eigene Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Leistungserbringer nicht
entstehen; der Leistungserbringer (hier die Klinik) muss einen etwaigen Streit über die
Leistungspflicht der Krankenkasse dann unmittelbar mit dieser austragen (BSG a. a. O.).
Hieran ändert sich vorliegend auch nichts dadurch, dass die Klägerin die (vermeintliche)
privatrechtliche Forderung der Klinik R nachträglich durch Zahlung beglichen hat. Denn
die Krankenkasse hat für die Kosten einer selbstbeschafften Leistung nur insoweit
aufzukommen, als diese durch die Verweigerung der Sachleistung verursacht sind. Der
erforderliche Kausalzusammenhang fehlt, soweit der Versicherte, sei es freiwillig oder
aufgrund einer vermeintlichen Rechtspflicht, mehr aufwendet, als dem
Leistungserbringer in Wirklichkeit von Rechts wegen zusteht; denn dann ist nicht mehr
die Ablehnung durch die Krankenkasse, sondern das Verhalten des Patienten die
wesentliche Ursache für das Entstehen der Kosten (BSG, Urteil vom 23. Juli 1998, B 1 KR
3/97 R, SozR 3-2500 § 13 Nr. 17). Dadurch kann grundsätzlich kein Erstattungsanspruch
ausgelöst werden, weil die Leistungspflicht der Krankenkasse nicht weiter gehen kann als
die Zahlungsverpflichtung des Versicherten. Ob dieser die ohne Rechtsgrund gezahlte
Vergütung vom Arzt zurückfordern kann, ist für den krankenversicherungsrechtlichen
Kostenerstattungsanspruch ohne Belang (BSG a. a. O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des
Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Absatz 2 SGG
nicht ersichtlich sind.
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