Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 09.07.2002

LSG Berlin und Brandenburg: ärztliche verordnung, physikalische therapie, heilmittel, vertragsarzt, versorgung, krankenkasse, venire contra factum proprium, verwaltungsverfahren

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 09.07.2002 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Cottbus S 10 KR 37/00
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 4 KR 9/01
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin die entstandenen außergerichtlichen
Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Versorgung ihrer Versicherten mit Heilmitteln vor
Leistungserbringung und nach erfolgter ärztlicher Verordnung von einer vorherigen Genehmigung abhängig machen
darf.
Die Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Ihr wurde mit ärztlicher Verordnung vom 11. März 2000 die Leistung von 6 x
Einzelkrankengymnastik verordnet, die im März 2000 von der Physiotherapeutin B. erbracht wurden.
Im März 2000 wandte die Beklagte sich mit einem Faltblatt "Massagen und Krankengymnastik Neuregelung ab 01.
April 2000" wandte sich die Beklagte an ihre Mitglieder und führte u. a. aus, dass ab 01. April 2000 Verordnungen von
Krankengymnastik und Massagen vor der Leistungserbringung von ihr zu genehmigen seien. Das Faltblatt hatte u.a.
folgenden Wortlaut:
"Ab 01. April 2000 sind Verordnungen von Krankengymnastik und Massagen vor Beginn der Behandlung von Ihrer
AOK zu genehmigen. Diese Zustimmung dient Ihrer Sicherheit: So können Sie sich darauf verlassen, dass die AOK
als gesetzliche Krankenkasse die Kosten übernehmen darf und der Physiotherapeut seine Leistungen mit uns
abrechnen kann.".
Die Beklagte informierte im März 2002 auch die Physiotherapeutin über die beabsichtigte Neuregelung.
Am 07. April 2000 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Potsdam Klage erhoben, die mit Beschluss vom 27. April
2000 an das Sozialgericht Cottbus verwiesen worden ist.
Mit der Klage hat die Klägerin zunächst beantragt, die Beklagte zu verpflichten, die ärztlich verordnete
krankengymnastische Leistung als Sachleistung durch die zugelassne Physiotherapeutin ohne vorherige
Genehmigung zu erbringen, hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die Ausführung der ärztlich
verordneten Krankengymnastik von einer vorherigen Genehmigung durch die Beklagte abhängig zu machen.
Sie hat zur Begründung ausgeführt, dass der Beklagten kein Recht zur Genehmigung der verordneten
krankengymnastischen Leistungen zustehe. Durch die geforderte Genehmigung werde die Klägerin finanziell und
zeitlich in Anspruch genommen, ohne dass diese Inanspruchnahme einer gesetzlichen Pflicht entspreche oder durch
eine Gestaltungsregelung der Beklagten vorbehalten sei. Der der Klägerin abverlangte Aufwand sei vom Gesetzgeber
nicht vorgesehen. Eine das Genehmigungsverfahren legitimierende Norm finde sich nicht im Gesamtgefüge des SGB
V. Es handele sich damit um einen Verstoß gegen den Vorbehalt des Gesetzes bei belastenden Verwaltungsakten.
Auch § 30 Abs. 8 Bundesmantelvertrag Ärzte – BMV-Ä - scheide als Rechtsgrundlage für die Einführung eines
Genehmigungsverfahrens aus, da es sich nicht um eine Gesetzesvorschrift handele. Die Frage der medizinischen
Notwendigkeit einer physiotherapeutischen Behandlung könne nicht in die Hände von Personen gelegt werden, die
keine medizinische Ausbildung absolviert hätten. Hierfür sei allein der Arzt zuständig. In einigen Fällen habe die
Beklagte die verordnete Anwendungshäufigkeit gekürzt. Es komme auch vor, dass eine ärztliche Verordnung
inhaltlich geändert werde, so sei zum Beispiel bei ärztlich verordnetem Hausbesuch bestimmt worden, dass die
Leistung ohne Hausbesuch zu erbringen sei. Durch die Einführung des Genehmigungsverfahrens sei nachweisbar bei
100 Patienten die Behandlung unmöglich gemacht worden, da die Rahmenvertragsfristen nicht eingehalten worden
seien. Der Kasse verbleibe in diesem Bereich eine Eingriffsmöglichkeit nur, wenn ein Kassenarzt in unzulässiger Art
und Weise durch Verordnungen von Mitteln, die nicht Gegenstand der Heilmittel-Richtlinien sind, tätig werde.
Die Klägerin hat neben der Kopie einer eidesstattlichen Versicherung ein Schreiben des Ministeriums für Arbeit,
Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg an den Verband Physikalische Therapie-
/Auslandsabteilung vom 15. Mai 2000 zur Gerichtsakte gereicht.
Die Klägerin hat zuletzt schriftsätzlich vor dem Sozialgericht beantragt,
Die Beklagte ist verpflichtet, die vertragsärztlich verordneten krankengymnastischen Leistungen, soweit diese unter
Berücksichtigung der geltenden Heilmittelrichtlinien ausgestellt wurden und sich auf verordnungsfähige Heilmittel
beziehen, Ärztin Dr. med. J. R. , Praktische Ärztin, Chirotherapie, R.-L.-Straße ..., ... H./E (jetzt der Ärztin Dipl.-Med.
S. B., Fachärztin für Orthopädie, B ...T.), der am 2000-02-18 ausgestellten Behandlungsverordnung sowie jeglicher
weiteren medizinisch notwendigen Behandlungsverordnung auch eines anderen behandelnden Vertragsarztes über 6 x
Einzel-Krankengymnastik und Manuellen Therapie oder anderer medizinisch notwendigen Heilmittel als Sachleistung
dadurch zu erbringen, dass eine von der Klagepartei aufgesuchte, für die Abgabe von Krankengymnastik zugelassene
Physiotherapeutin/ ein entsprechend zugelassener Physiotherapeut ohne vorherige Genehmigung durch die Beklagte
die verordnete Therapieform ausführt.
Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die Ausführung der ärztlich verordneten
Krankengymnastik der Ärztin Dr. med. J. R. und der Ärztin Dipl.-Med. S. B. vom 2000-02-18 oder auch eines anderen
behandelnden Vertragsarztes sowie die Ausführung jeglicher weiteren medizinisch notwendigen ärztlich verordneten
Krankengymnastik oder anderer medizinisch notwendigen Heilmittel von einer vorherigen Genehmigung durch die
Beklagte abhängig zu machen.
Die Beklagte hat vor dem Sozialgericht beantragt,
die Klage abzuweisen.
Für Verordnungen vor dem 01. April 2000 fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis, die eingeführte
Genehmigungspflicht gelte erst ab 01. April 2000. Sie habe keinen Anlass für die Klage gegeben. Die zunächst
streitgegenständliche Verordnung vom 02. März 2001 sei durch die Beklagte nicht beanstandet worden. Durch die
eingeführte Genehmigungspflicht sollten solche Verordnungen erfasst werden, die gemäß Abschnitt A II der Heilmittel-
und Hilfsmittelrichtlinien nicht notwendig seien, was ohne diese Prüfung nicht festzustellen sei. Eine nachträgliche
Feststellung mache wenig Sinn, da das Risiko einer nachträglich festgestellten Unwirtschaftlichkeit wohl von der
Klägerin zu tragen wäre. Die Systematik der sozialrechtlichen Vorschriften räume der Beklagten ein
Entscheidungsrecht über die Leistung ein.
Grundlage für den Erlass ablehnender Bescheide sei § 19 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - SGB IV - i. V. mit dem im
Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X - geregelten Verwaltungsverfahren. Entscheidungen würden nicht im
Rahmen der Eingriffsverwaltung ergehen. Nur in diesem Bereich sei eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage
notwendig. Die Streitigkeiten würden sich vielmehr aus dem Bereich der Leistungsverwaltung ergeben. Im Rahmen
dieser Verwaltung hätten die Bürger nur dann einen Anspruch auf eine Leistung, wenn sich dieser Anspruch aus dem
Gesetz ergibt. Auch das Verfahren zur Feststellung des Leistungsanspruches sei gesetzlich festgelegt. Die
Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsverfahrens könne auch nicht dadurch beeinflusst werden, dass in konkreten
Einzelfällen in der Durchführung des Verfahrens fehlerhafte Entscheidungen getroffen würden. Die Beklagte sei zwar
nicht befugt, die ärztliche Verordnung in ihrem Inhalt zu ändern. Jedoch könne sie über ihre Leistungspflicht selbst
entscheiden und daher auch Leistungen teilweise ablehnen. Dies jedoch nur, soweit sie nicht auf das
Verwaltungsverfahren verzichtet habe. Ausgehend vom Antragsgrundsatz des § 19 SGB IV sei zu beachten, dass
sich weder aus dem SGB V noch aus den Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien noch aus dem Vertrag mit den Verbänden
der Physiotherapeuten gemäß § 125 SGB V abweichende Regelungen ergeben würden. Damit verbleibe die
Zuständigkeit für Entscheidungen über die Leistungsgewährung im Hinblick auf eine bestimmte Behandlung bei der
Krankenkasse. Gemäß § 30 Abs. 8 Satz 1 BMV-Ä habe die Beklagte das Recht, die Entscheidung über die
Leistungserbringung im Hinblick auf Heilmittel den verordneten Vertragsärzten zu übertragen und in diesem
Zusammenhang auf die Durchführung des Antrags- und Bewilligungsverfahrens gegenüber ihren Versicherten
verzichtet. Sie habe den Leistungserbringern nunmehr mitgeteilt, dass sie ab 01. April 2000 nicht mehr auf das
Bewilligungsverfahren verzichte. Auch für den Bereich der häuslichen Krankenpflege sei im Übrigen für die
Leistungserbringung neben der vertragsärztlichen Verordnung die Zustimmung der Krankenkasse erforderlich. Die
Genehmigungen für Hilfsmittel, Krankenhausbehandlung, für Ergotherapie würden stets von nicht medizinischem
Personal ggf. unter Einbeziehung des MDK erfolgen. Wenn das Verwaltungsverfahren im Bereich der Heilmittel mit
diesen Argumenten angegriffen werde, würden auch diese Genehmigungsverfahren in Frage gestellt. Diese Verfahren
seien jedoch allgemein anerkannt.
Nachdem sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hatten, hat
das Sozialgericht Cottbus mit Urteil vom 20. Dezember 2000 unter Klageabweisung im Übrigen festgestellt, dass die
Beklagte nicht berechtigt ist, die Erbringung vertragsärztlich verordneter krankengymnastischer und
Massageleistungen an die Klägerin von ihrer vorherigen Genehmigung abhängig zu machen.
Der von der Klägerin gestellte Hauptantrag sei dahingehend auszulegen gewesen, dass sie die aus dem Tenor
ersichtliche Feststellung begehrt habe. Ein weitergehender Leistungsantrag sei statthaft, aber unzulässig. Die
zulässige Feststellungsklage sei begründet. Die Beklagte sei nicht berechtigt, die Erbringung von Krankengymnastik
und Massage als Sachleistung von ihrer vorherigen Genehmigung abhängig zu machen. § 19 SGB IV könne nicht als
Rechtsgrundlage für eine einzuführende Genehmigung der Beklagten dienen, da es sich lediglich um eine
verfahrensrechtliche Norm handele. Die Beklagte könne das Genehmigungsverfahren auch nicht auf die Vorschriften
des BMV-Ä stützen. Untergesetzliche Vorschriften des BMV-Ä könnten die sich aus dem höherrangigen SGB V
ergebenden Leistungsansprüche der Versicherten nicht einschränken. Soweit der Vertragsarzt in Wahrnehmung seiner
Pflichten als Vertragsarzt eine Krankheit diagnostiziere und eine Dienst- oder Sachleistung im Rahmen und in den
Formen der kassenärztlichen Versorgung verordnet habe, dürfe die Krankenkasse diese dem Versicherten nicht aus
dem Grund versagen, dass sie die Diagnose für falsch oder zum Beispiel die verordnete Leistungsart im Sinne des §
12 Abs. 1 Satz 2 SGB V medizinisch für nicht notwendig halte. Allein die ärztliche Verordnung eines Heilmittels führe
zur Leistungsverpflichtung der Krankenkasse.
Gegen das ihr am 27. Februar 2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23. März 2001 Berufung eingelegt:
Die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften ließen auch eine Genehmigungspflicht für Heilmittel zu. Durch das
vorherige Antrags- und Bewilligungsverfahren sollten unwirtschaftliche Heilmittelverordnungen, die von den
Versicherten nicht beansprucht werden könnten, vor der Leistungserbringung festgestellt werden.
Der Einfluss des BMV-Ä auf das Versicherungsverhältnis zwischen den Versicherten und der Beklagten könne
dahinstehen, da sich die Genehmigungspflicht für Heilmittel aus § 19 SGB IV ergebe. Der BMV-Ä sei darauf gerichtet,
die Ansprüche der Versicherten gegenüber der Krankenkasse zu verwirklichen. Der Vertragsarzt sei dazu berufen, in
medizinischer Hinsicht die Anspruchsvoraussetzungen des Versicherten mit bindender Wirkung für die Kasse
festzustellen. Die Krankenkasse könne dem Versicherten zwar die Leistungen nicht versagen, weil sie die Diagnose
für falsch oder z. B. die verordnete Leistungsart medizinisch nicht für notwendig halte. Der Vertragsarzt könne aber
nicht versicherungsrechtliche oder sonstige leistungsrechtliche Voraussetzungen für die Leistungserbringung mit
Bindungswirkung für die Beklagte entscheiden. Diese Kompetenz sei bei der Beklagten verblieben. Ihr obliege die
Prüfung der Wirtschaftlichkeit der verordneten Leistungen im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB V, die von der
medizinischen Notwendigkeit abzugrenzen sei. Dies könne auch erst beurteilt werden, wenn eine konkrete ärztliche
Verordnung vorliege. Eine Mehrbelastung des Versicherten durch die erforderliche Überbringung bzw. Übersendung
der Verordnungen zum Zwecke der Prüfung führe nicht zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsverfahrens. Sinn und
Zweck eines Antrages im verfahrensrechtlichen Sinne bestehe darin, ein Verwaltungsverfahren einzuleiten, im
Rahmen dessen die Anspruchsvoraussetzungen der beantragten Leistungen zu prüfen und - wenn die
Voraussetzungen nicht vorliegen - die Leistung ggf. auch zu versagen.
Die Beklagte hat weiter auf die Bestimmungen zur Genehmigung von Verordnungen für Hilfsmittel und häusliche
Krankenpflege verwiesen. Die Heilmittelrichtlinien ab 01. Juli 2000 würden ihre Auffassung stützen. Wenn in diesen
Richtlinien bestimmte Leistungen im Hinblick auf die Verordnung der Genehmigungspflicht unterworfen würden,
bedeute dies nicht, dass dadurch eine Genehmigungspflicht ausgeschlossen sei. Die Richtlinien könnten nur § 19
SGB IV konkretisieren.
Rahmenempfehlungen nach § 125 Abs. 1 SGB V könnten ebenfalls keine Grundlage gegen die Einführung einer
zusätzlichen Verpflichtung bilden. Diesen käme keine rechtliche Verbindlichkeit zu. Auch das Sozialgericht Potsdam
sei von einer Genehmigungspflicht ausgegangen. Wenn eine Genehmigungspflicht nicht bestanden hätte, hätte die
Beklagte auch nicht nach der Auffassung des Sozialgerichts Potsdam jahrelang darauf verzichten können.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 20. Dezember 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil für zutreffend. Das Sozialgericht gehe zu Recht von dem Grundsatz aus, dass die Einführung einer
Genehmigungspflicht hinsichtlich der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Erforderlichkeit eines Heilmittels nur
über die nach § 92 SGB V vorgesehenen Richtlinien oder auf der Grundlage einer Rahmenempfehlung nach § 125
Abs. 1 SGB V zulässig sei.
Die Therapeuten würden durch die Abgabe der Heilmittel an die Versicherten stellvertretend für die gesetzlichen
Krankenkassen die diesen gegenüber ihren Versicherten obliegenden Dienst- und Sachleistungen erbringen. Die
Abgabe der Leistungen sei ausschließlich und abschließend in § 125 SGB V behandelt und auch durch die
Regelungen Ziffer 3, 17 der HMR festgeschrieben. Auf § 19 SGB IV könne sich die Beklagte nicht berufen. Auch eine
Bezugnahme auf § 27 BMV-Ä scheide aus. Eine dieser Vorschrift entsprechende Regelung enthalte § 30 Abs. 8
BMV-Ä nicht. § 30 Abs. 8 BMV-Ä vom 19. Dezember 1994 komme keine normative Außenwirkung zu, Bestimmungen
der Beklagten würden auch kein Genehmigungsverfahren vorsehen. Solche Bestimmungen könnten mit der Satzung
der Beklagten würden auch kein Genehmigungsverfahren vorsehen. Solche Bestimmungen könnten mit der Satzung
der Kasse nicht aber mit dem von einem Abteilungsleiter der Beklagten eingeführt werden. Eine allgemeine
Genehmigungsberechtigung für die gesetzlichen Krankenkassen ergebe sich nicht aus § 30 Abs. 8 BMV-Ä. Nach den
Regelungen der HMR seien Erstverordnungen, Folgeverordnungen im Regelfall und Langfristverordnungen nicht zu
begründen. Erst Langfristverordnungen, die nicht im Katalog vorgesehen seien, seien vom Arzt zu begründen. Wenn
die Beklagte für alle Massagen und krankengymnastischen Therapieformen eine Begründung verlange, stelle sie sich
in Widerspruch zu den aktuellen in Kraft befindlichen HMR.
Die Klägerin hat Auszüge aus den HMR, einen Vertrag nach § 125 SGB V über physiotherapeutische Behandlungen
zwischen dem VDB Physiotherapieverband e.V. u.a und dem AOK- Bundesverband/Bonn u.a. vom 04.01.1993 nebst
Anlagen und einen Auszug aus den Rahmenempfehlungen nach § 125 SGB V zur Gerichtsakte gereicht.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte und fristgemäß eingelegte Berufung ist zulässig.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die im Urteil des Sozialgerichts getroffene Feststellung, dass die Beklagte
nicht berechtigt ist, die Erbringung vertragsärztlich verordneter krankengymnastischer und Massageleistungen an die
Klägerin von ihrer vorherigen Genehmigung abhängig zu machen.
Die von der Klägerin zuletzt vor dem Sozialgericht weiterverfolgte Feststellungsklage ist zulässig.
Die Klägerin begehrt die Feststellung des Nichtbestehens von weiteren Rechten der Beklagten aus ihrem
Sozialversicherungsverhältnis. Dieses Begehren kann sie mit der Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1
Sozialgerichtsgesetz – SGG - verfolgen. Mit dieser Klageart kann auch die Feststellung des Bestehens einzelner
Rechte oder Pflichten aus einem bestehenden Rechtsverhältnis beansprucht werden (Meyer-Ladewig, 7. Auflage, § 55
SGG, Anm. 6). Das insoweit erforderliche berechtigte Interesse folgt aus dem Vortrag, die geforderte vorherige
Genehmigung würde sie ungerechtfertigt belasten. Die Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber Gestaltungs-
und Leistungsklagen steht der Zulässigkeit nicht entgegen, da der Subsidiaritätsgrundsatz grundsätzlich nicht bei
Feststellungsklagen gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts greift (Meyer-Ladewig, a.a.O. , Anm. 9 b,
BSG, Urteil vom 26.01.2000, Aktenzeichen B 6 KA 47/98 R, SozR 3-2500 § 311 Nr. 6). Eine Gestaltungsklage
(Anfechtungsklage) wäre auch mangels einer anfechtbaren Regelung nicht zulässig.
Das Faltblatt, gerichtet an alle Mitglieder der Beklagten und nicht individuell konkretisiert an die Klägerin, stellt keinen
Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X - dar. Eine Allgemeinverfügung
gemäß § 31 Satz 2 SGB X liegt mit dem Faltblatt ebenfalls nicht vor. Allgemeinverfügungen sind Verwaltungsakte,
die sich nicht an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richten oder die
öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betreffen. Bei einer
Allgemeinverfügung wird eine konkret generelle Regelung getroffen.
Die Ausführungen in dem Faltblatt enthalten mit der Aufforderung, Verordnungen von Krankengymnastik und
Massagen ab 01. April 2000 vor Leistungserbringung genehmigen zu lassen, keinen Regelungsgehalt gem. § 31 SGB
X, da damit keine potentiell verbindliche Rechtsfolge gesetzt wird, die ohne weiteren Umsetzungsakt Rechte
begründet, ändert, aufhebt oder verbindlich feststellt (Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 4. Auflage, § 31, Anm. 24).
Die Beklagte hat Hinweise zu einem neuen Verfahren erteilt und keine Rechte des Versicherten materiell-rechtlicher
Art geändert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt, weshalb die Klägerin keine zulässige Anfechtungsklage
erheben konnte.
Die mit dem Feststellungsantrag erhobene Klage ist begründet. Die Beklagte ist nicht berechtigt, im Rahmen der
Versorgung ihrer Mitglieder die Verordnungen von krankengymnastischen Leistungen und Massagen eines
Kassenarztes vor der Leistungserbringung in dem von ihr beabsichtigten gesonderten Verwaltungsverfahren zu prüfen
und zu genehmigen. Das Sozialgericht hat zu Recht die tenorierte Feststellung getroffen.
Die Beklagte hat sich des grundsätzlich bestehenden Rechts, im Rahmen eines Antragsverfahrens ärztlich verordnete
Heilmittel in Form von krankengymnastischen Leistungen und Massagen vor Leistungserbringung zu prüfen durch
bisher geübte und bestätigte andere Verfahrensweisen in der Leistungserbringung begeben. Soweit sie nunmehr das
Recht für sich in Anspruch nimmt, durch das Faltblatt aus März 2000 ein Genehmigungsverfahren für ärztlich
verordnete Leistungen der Krankengymnastik und Massagen zum 01. April 2000 gegenüber ihren Versicherten
einzuführen und sie diese Absicht bei Aussetzung des Verfahrens ab Juni 2000 im sozialgerichtlichen Verfahren und
im Berufungsverfahren bekräftigt hat, ist sie in der gegenwärtigen Situation hierzu nicht berechtigt. Sie darf zwar
grundsätzlich auch über die Bewilligung von Heilmitteln im Rahmen eines Antrags- bzw. Genehmigungsverfahrens
entscheiden, eine derartige Entscheidung liegt jedoch auch ohne die von ihr jetzt beabsichtigte Neuregelung vor.
Die grundsätzliche Berechtigung der Beklagten zur Prüfung von Leistungsansprüchen im Rahmen der
Leistungserbringung folgt aus dem Recht der sozialen Krankenversicherung nach dem SGB V als Leistungsrecht und
den Vorschriften über das Sozialverwaltungsverfahren nach dem SGB X.
Gemäß § 2 SGB V stellen die Krankenkassen den Versicherten die im dritten Kapitel des SGB V genannten
Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der
Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden (§ 2 Abs. 1 SGB V). Dabei erhalten die Versicherten die
Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit nichts anderes geregelt ist. Zur Erbringung der Sach- und
Dienstleistungen schließen die Krankenkassen Verträge mit Leistungserbringern. Diese dann auf der Grundlage des
vierten Kapitels des SGB V geschlossenen Verträge ändern nichts daran, dass Schuldner der dem Versicherten zu
erbringenden Leistungen die Krankenkassen bleiben. Die Ansprüche nach dem SGB V auf bestimmte Leistungen
bestehen gegenüber der Sozialverwaltung, den Krankenkassen, die bei der Erbringung der Leistungen die im SGB V
normierten Grundsätze zur Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit ( §§ 2, 12 SGB V) zu beachten haben. Im Rahmen der
Leistungsverwaltung ist ein Verwaltungsverfahren zur Erbringung der gesetzlichen Leistungen üblich.
Nach § 11 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Verhütung von Krankheiten und deren
Verschlimmerung sowie zur Empfängnisverhütung, bei Sterilisation und bei Schwangerschaftsabbrüchen, zur
Früherkennung von Krankheiten und zur Behandlung einer Krankheit. Auf Leistungen besteht kein Anspruch, wenn sie
als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen
sind (§ 11 Abs. 4 SGB V). Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V haben Versicherte keinen Anspruch auf Leistungen, die
nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, diese dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen
nicht bewilligen.
Diesen Regelungen zu den grundsätzlich zu beanspruchenden Leistungen ist immanent, dass eine Überprüfung der
Anspruchsberechtigung - notwendigerweise im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens - erfolgt. Ein
Verwaltungsverfahren ist auch für die Erbringung von krankengymnastischen Leistungen und Massagen nicht
ausgeschlossen. Der Gesetzgeber hat das Verfahren zur Leistungserbringung für alle Leistungsbereiche einheitlich in
den gemeinsamen Vorschriften für die Sozialversicherung, Sozialgesetzbuch Viertes Buch – SGB IV – und zwar in §
19 SGB IV – Antragsverfahren - geregelt. Nur wenn in den besonderen Vorschriften der Sozialversicherung ein
Antragsverfahren generell für alle oder einzelne Leistungen nicht vorgesehen bzw. ausgeschlossen ist, kommt es auf
ein solches nicht an. Im übrigen ist mit dem SGB X das Sozialverwaltungsverfahren für alle Sozialleistungsbereiche
einheitlich geregelt worden.
Das Verwaltungsverfahren ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörde, die auf die Prüfung der
Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-
rechtlichen Vertrages gerichtet ist; es schließt den Erlass des Verwaltungsaktes oder den Abschluss des öffentlich-
rechtlichen Vertrages ein (§ 8 SGB X). Von dieser gesetzlichen Definition werden daher auch die Besonderheiten
solcher Leistungsbereiche erfasst, bei denen die Erbringung von Leistungen auf der Grundlage von Verträgen erfolgt
wie im Rahmen des SGB V nach § 72 ff. SGB V. Das durchzuführende Verwaltungsverfahren ist, soweit nicht anders
geregelt, nicht an bestimmte Formen gebunden, es ist einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen (§ 9 SGB X).
Über die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens entscheidet gem. § 18 SGB X die zuständige Behörde, im
Rahmen des SGB V die Beklagte, sofern sie nicht von Amts wegen oder auf Antrag tätig werden muss.
Diese Regelungen sind Grundlage für das Handeln der Beklagten als durch das SGB V zur Leistung gegenüber den
Mitgliedern verpflichtete Stelle (Behörde). Dieses schließt Prüfungs- und Genehmigungsverfahren generell ein.
Zutreffend verweist die Klägerin darauf, dass ein Antragsverfahren nach § 19 SGB IV im Sinne eines bei der
Krankenkassen zu stellenden Antrages im Rahmen der Krankenbehandlung - jedenfalls auf den ersten Blick - nicht
erkennbar ist. Gem. § 15 Abs. 2 SGB V kann der Versicherte durch Vorlage seiner Krankenversicherungskarte
ärztliche und zahnärztliche Behandlungen in Anspruch nehmen, ohne dass er hierfür zuvor die Krankenkasse
einschalten müsste. Eines an die Krankenkasse gerichteten Leistungsantrages bedarf es nicht (Krauskopf, Soziale
Krankenversicherung, SGB V § 15 Anm. 4). Durch das SGB V ist ein "normales" Verwaltungsverfahren - Beginn mit
dem anspruchsauslösenden Antrag bei dem Krankenversicherungsträger, Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen,
Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen, d.h. eine streng verfahrensrechtlich Überprüfung des Vorliegens
eines Anspruchs - nicht vorgesehen (BSG, Urt. v. 16. 12. 1993, Az.: 4 RK 5/92, BSGE 73, 271, 281). Das BSG
(a.a.O.) geht aber nicht davon aus, dass überhaupt ein Verwaltungsverfahren ausgeschlossen ist, wenn es ausführt: "
Das SGB V schließt ( ...) durch ein ( ...) Rechtskonkretisierungskonzept (die streng verfahrensrechtliche Überprüfung)
derart aus, dass das normale Verwaltungsverfahren nur noch dann und nur insoweit stattfinden darf, als das
gesetzliche Spezialkonzept einen Rückgriff hierauf zulässt oder objektiv versagt" ...
Ein Antragsverfahren und damit die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens ist daher auch bei Leistungen nach dem
SGB V nicht ausgeschlossen. Das Verfahren ist vielmehr lediglich für den Beginn der Krankenbehandlung nicht über
einen unmittelbar bei dem Sozialversicherungsträger zu stellenden Antrag geregelt. Den Antrag i. S des § 19 SGB IV
stellt der Versicherte vielmehr mit der Vorlage der Krankenversicherungskarte und dem Willen zur Entgegennahme
von Leistungen durch den als Vertragsarzt zugelassenen Leistungserbringer ... Ein Antrag ist nämlich jede Erklärung
durch die jemand Sozialleistungen begehrt (v. Wulffen a.a.O., § 18 Anm. 5). Mit dem Antrag wird der erkennbare Wille
zum Ausdruck gebracht, von einem Initiativrecht, gesetzliche Leistungen von der Beklagten zu beanspruchen,
Gebrauch zu machen. Der Versicherte gibt gegenüber dem zur Leistungserbringung zugelassenen Vertragsarzt eine
empfangsbedürftige Willenserklärung ab, indem er erklärt, dass er die ihm nach den Vorschriften des SGB V
zustehende Sachleistung von der Beklagten beanspruchen möchte (Krauskopf, a.a.O.). Der zugelassene Vertragsarzt
nimmt den Antrag als Vertreter der Krankenkasse entgegen. Gibt nämlich der Vertragsarzt im Rahmen der Verordnung
einer Leistung nach dem SGB V schon mit Wirkung für die Krankenkasse eine Willenserklärung ab (BSG, Urt. v.
17.01.1996, 3 RK 26/94, SozR 3-2500 § 129), so nimmt er erst recht eine Erklärung des Versicherten als Vertreter der
Krankenkasse entgegen, diese verordnete Leistung als Sachleistung der Beklagten erhalten zu wollen. In der
Verordnung des Heilmittels liegt dann die Leistungsbewilligung, die auch die Beklagte im Rahmen der bisherigen
Handhabung bindet. Die gem. § 92 Abs.1 Nr.6 SGB V erlassene Richtlinie des Bundesausschusses der Ärzte und
Krankenkassen über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung - Heilmittel-Richtlinie/HMR in
der Fassung vom 06. Februar 2001 (Bundesanzeiger Beilage Nr. 118 a) in Kraft ab 01. Juli 2001 – HMR – und die
bisherige Praxis der Beklagten, die Vertragsärzte über die Verabreichung von Heilmitteln in Form von
Krankengymnastik und Massagen entscheiden zu lassen, lassen keinen Raum für die Aufnahme eines weiteren
Genehmigungsverfahrens gegenüber den Versicherten oder Leistungserbringern nach erfolgter ärztlicher Verordnung
von krankengymnastischen Leistungen und Massagen.
Dem nach § 95 SGB V zugelassenen Vertragsarzt obliegt es, den konkreten Inhalt der ärztlichen Leistung und damit
auch der erforderlichen Versorgung mit Heilmitteln zu bestimmen (BSG, Urt. v. 18. 05 1989, Az.: 6 RKa 10/88, BSGE
65, 94 - 100; Urt. v. 16.12.1993, Az.: 4 RK 5/92, BSGE 73, 271, 280; Urt. v. 16.09.1997, Az.: 1 RK 28/95, BSGE 81,
54, 61; BSG, Urt. v. 09. Juni 1998, Az.: B 1 KR 18/96 R, BSGE 82, 158, 161). Grundsätzlich hat das Gesetz die
Konkretisierung und Erfüllung des subjektiven öffentlichen Rechts auf Gewährung einer Leistung der kassenärztlichen
Versorgung übertragen, der Arzt ist damit die "Schlüsselfigur" im Leistungsrecht nach dem SGB V (BSG, Urt. v. 16.
12.1993, Az.: 4 RK 5/92, a.a.O.). Der Arzt stellt damit die Konkretisierung des Leistungsanspruchs gemäß § 27 SGB
V auf Krankenbehandlung fest und damit, dass sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten und Krankenbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst dabei auch die
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V). Damit ist die Leistung von
krankengymnastischen Leistungen und Massagen als Heilmittel Teil der Krankenbehandlung gemäß § 27 SGB V.
Der zu beanspruchende Umfang und der Inhalt der Krankenbehandlung folgt nicht allein aus § 27 SGB V und auch
nicht aus § 32 SGB V, wonach Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln haben, soweit sie nicht nach §
34 ausgeschlossen sind. Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein, sie dürfen das
Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Die vertragsärztliche Versorgung umfasst auch die Verordnung von Arznei-
, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankentransporten sowie Krankenhausbehandlung oder Behandlung in Vorsorge-
oder Rehabilitationseinrichtungen (§ 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V). Innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens ist der
Vertragsarzt zudem bei der Verordnung von Krankenbehandlung und Heil- und Hilfsmitteln an die Richtlinien der
Bundesausschüsse gem. § 92 SGB V und durch Verträge der Kassenärztlichen Vereinigung mit den Verbänden der
Beklagten gebunden (§ 72 Abs. 2 SGB V) und hat damit zu gewährleisten, dass eine ausreichende, zweckmäßige und
wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemeinen anerkannten Standes der
medizinischen Erkenntnisse auch über seine Verordnung gewährleistet ist.
Die Richtlinie des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Hilfsmitteln in der
vertragsärztlichen Versorgung - Hilfsmittel-Richtlinie - in der Fassung vom 17. Juni 1992, zuletzt geändert durch
Bekanntmachung vom 06. Februar 2001 (Bundesanzeiger 2001, Nr. 102 S. 11037) zum 01. Juli 2001 und die
Richtlinie des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Heilmitteln in der
vertragsärztlichen Versorgung - Heilmittel-Richtlinie/HMR in der Fassung vom 06. Februar 2001 (Bundesanzeiger
Beilage Nr. 118 a) in Kraft ab 01. Juli 2001 regeln u.a. die Art und den Umfang der zu verordnenden Leistung bei der
Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln. Dieses wird schon im Richtlinientext der HMR unter I. allgemeine Grundsätze
deutlich, wenn dort ausgeführt ist, dass die vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen gemäß § 92 Abs. 1
Satz 2 Nr. 6 beschlossenen Richtlinien der Sicherung einer nach den Regeln der ärztlichen Kunst und unter
Berücksichtigung des allgemeinen anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse ausreichenden,
zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit Heilmitteln dienen sollen. Der
Bundesmanteltarifvertrag Ärzte vom 19. 12. 1994 (DÄBl. 1995 Heft 9 S. 455) in der Fassung der Änderungen durch
Beschlüsse mit Wirkung vom 01. 07. 2000 (DÄBl. 2000 Heft 28/29 S. A-1996), mWz. 01. 07. 2001 (DÄBl. 2001 Heft
26 S. A. 1776 –BMV-Ä - regelt den Umfang der vertragsärztlichen Versorgung, zu der auch die Verabreichung der
Verordnung von Heilmitteln gehört. Auch hier sind Grundsätze der vertragsärztlichen Versorgung festgelegt. Hierbei
entscheidet der Kassenarzt über das Recht des Versicherten gegenüber der Krankenkasse in medizinischer Hinsicht
verbindlich, soweit er sich im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung, d.h. die für ihn durch Richtlinien oder Vertrag
geltende Grundsätze der Versorgung bewegt (BSG, Urt. v. 16. 12. 1993, Az.:4 RK 5/92, a.a.O.).
Dabei ändert aber weder die grundsätzliche Bestimmung des Behandlungsinhalts und damit des Anspruches des
Versicherten seitens des Arztes noch der Umstand, dass in vielen Bereichen bisher kein Genehmigungsverfahren
erfolgt ist, etwas an der generellen Berechtigung der Beklagten, über das Vorliegen von Anspruchsvoraussetzungen
selbst zu entscheiden (BSG, Urt. v. 18. 05.1989, Az.: 6 RKa 10/88, a.a.O., S. 98 abw.v. BSG, Urt. v. 31. Juli 1963, 3
RK 92/59 = BSGE 19, 270).
Aus dem Umstand, dass für einige im Rahmen der Krankenbehandlung nach §§ 27, 73 Abs. 2 SGB V verordnete
Leistungen, so für die Versorgung mit Zahnersatz, Hilfsmitteln und häuslicher Krankenpflege im Gesetz, in Richtlinien
oder im BMV-Ä ein Genehmigungsverfahren vorgesehen ist (§ 30 Abs.4 SGB V, § 27 Abs. 3 BMV-Ä, § 30 Abs.8 Satz
1 BMV-Ä) folgt ebenfalls nicht, dass generell für andere Leistungsbereiche mit ärztlichen Verordnungen ein
Genehmigungsverfahren ausgeschlossen ist. Sofern im Gesetz oder in Verträgen ein spezielles
Genehmigungsverfahren vorgesehen ist, werden von der Leistungsverwaltung nur Rechte wahrgenommen, die ihr
grundsätzlich zustehen (BSG, Urt. v. 18. 05.1989, Az.:6 RKa 10/98, a.a.O.). Demgegenüber zeigt der Umstand, dass
für den Bereich der Arzneimittelversorgung aufgrund vertragsärztlicher Verordnung gem. § 29 BMV-Ä ein
Genehmigungsverfahren oder Überprüfungsverfahren nach erfolgter ärztlicher Verordnung ausgeschlossen worden ist,
dass den zur Ausgestaltung der Leistungsansprüche berufenen Ausschüsse und Vertragsparteien die Möglichkeit
eines Genehmigungsausschlusses bekannt ist und dieses auch genutzt wird.
Aus dem BMV-Ä folgt explizit kein Ausschluss eines Genehmigungsverfahrens durch die Beklagte bei der Erbringung
von Heilmitteln. Nach § 30 Abs. 8 Satz 1 BMV-Ä ist nur die Abgabe von Hilfsmitteln aufgrund der Verordnung eines
Vertragsarztes von einer Genehmigung durch die Krankenkasse abhängig, soweit nichts anderes geregelt ist.
Grundsätzlich bedarf die Abgabe von Heilmitteln keiner Genehmigung, soweit die Bestimmungen der Krankenkasse
nichts anderes vorsehen (§ 30 Abs. 8 SGB V).
Für die Erbringung von Heilmitteln aufgrund von Verordnungen eines Vertragsarztes ist ein solcher Ausschluss eines
Genehmigungsverfahrens also explizit auch nicht geregelt. In den nunmehr ab 01. Juli 2001 geltenden HMR findet
sich auch kein ausdrücklicher Ausschluss eines Genehmigungsverfahrens. Die Regelung, dass der Therapeut an die
ärztliche Verordnung gebunden ist, beinhaltet jedenfalls nicht, dass keine anderen, zusätzlichen Voraussetzungen für
die Leistungserbringung geschaffen werden können.
Nach alledem ist die Beklagte grundsätzlich befugt, im Rahmen des dargestellten Antragsverfahrens über ärztlich
verordnete Heilmittel zu entscheiden und dabei die erwähnten Gesichtspunkte der Notwendigkeit, des Ausreichens
und der Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Die Befugnis besteht allerdings nur dort, wo eine derartige Prüfung erforderlich
ist, die gesetzlichen Leistungsvoraussetzungen in bezug auf den einzelnen Anspruch des jeweiligen Versicherten
festzustellen und die Krankenkasse ihre Entscheidungsbefugnis nicht - an den Kassenarzt - abgegeben hat. Den
einzelnen Versicherten darf die Beklagte nur dann im Rahmen einer derartigen Prüfung in Anspruch nehmen, wenn
sich nur auf diese Weise – also durch eigene Prüfung seitens der Beklagten - klären lässt, ob gerade er die
Voraussetzungen für die Krankenbehandlung und damit für das verordnete Heilmittel erfüllt. Dieses Voraussetzungen
liegen hier nicht vor.
Maßgeblich für die hier zu beurteilende physikalische Therapie ist , ob sie den genannten Kriterien entspricht, also ob
sie für den einzelnen Versicherten zweckmäßig, ausreichend und wirtschaftlich ist. Dabei ist die Zweckmäßigkeit
regelmäßig anzunehmen, denn bei den in Betracht kommenden Diagnosen dürfte physikalische Therapie regelmäßig
zur Krankheitsbeeinflussung geeignet sein. Dementsprechend stützt sich die Beklagte auch im wesentlichen auf das
Erfordernis einer Wirtschaftlichkeitsprüfung. Eine derartige Prüfung ist jedoch bereits im Rahmen des dargestellten
Verfahrens bei der Verordnung des Heilmittels durch den Vertragsarzt erfolgt. Nach Auffassung des Senats steht bei
der beabsichtigten -erneute und durch die Beklagte vorzunehmende - Wirtschaftlichkeitsprüfung die Prüfung der
vertragsärztlichen Verordnung und damit nicht das Verhältnis zum Versicherten im Vordergrund, weshalb die Beklagte
auch nicht berechtigt ist, vom Versicherten die geforderte Vorlage der Verordnung vor Beginn der Behandlung zu
verlangen.
Die Beklagte hat nicht dargetan, wie sie im Einzelfall innerhalb des Versicherungsverhältnisses die Wirtschaftlichkeit
verordneter Heilmittel, insbesondere der hier streitigen physikalischen Therapie abweichend von dem durch sie mit der
Durchführung des "Verwaltungsverfahrens" beauftragten Vertragsarzt prüfen will. Nach ihrer Darlegung in der
mündlichen Verhandlung geht es ihr insbesondere um die Einschaltung des MDK, wobei dieser nicht im Rahmen einer
eigenen Untersuchung des jeweiligen Patienten, sondern nach Aktenlage feststellen soll, ob die Diagnose das
verordnete Heilmittel in der verordneten Quantität rechtfertigt. Der MDK ist dabei auf die vom Vertragsarzt mitgeteilte
Diagnose angewiesen und dabei ebenso wie der Vertragsarzt auf Erfahrungswerte hinsichtlich der Art und der Anzahl
abzugebender Heilmittel.
Wie ausgeführt hat der Versicherte den Antrag auf die Leistung durch Aufsuchen des Vertragsarztes und Vorlage
seiner Versicherungskarte, verbunden mit einem Behandlungswunsch gestellt. Diesen Antrag hat der Vertragsarzt
durch Aufnahme der Behandlung als Vertreter der Beklagten Krankenkasse angenommen. Im weiteren Verlauf treffen
den Versicherten dann lediglich Mitwirkungspflichten (§§ 60 ff SGB I). Letztere verpflichten ihn aber nur dann, wenn
sich der Versicherungsträger die erforderlichen Kenntnisse nicht einfacher auf andere Weise verschaffen kann (§ 65
Abs.1 Nr.3 SGB I).
Den Versicherten treffen auch in Bezug auf die vertragsärztlich verordnete physikalische Therapie lediglich
Mitwirkungspflichten. Dies folgt daraus, dass der Vertragsarzt im Hinblick auf diese Leistung ermächtigt ist, den
Antrag entgegenzunehmen und darüber zu entscheiden. Auch hinsichtlich der verordneten Heilmittel entscheidet der
Vertragsarzt also ebenso wie bei den von ihm selbst erbrachten ärztlichen Leistungen zu Lasten der Krankenkasse
über die dabei maßgeblichen Faktoren wie Zweckmäßigkeit, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit.
Die Beklagte strebt eine grundlegende Änderung nicht in Bezug auf die Versicherten und damit auf die Klägerin an,
sondern im Verhältnis zu ihren Vertragsärzten. Auch bisher ist bereits regelmäßig über die von der Beklagten
genannten maßgeblichen Faktoren wie Zweckmäßigkeit, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit entschieden worden,
nämlich in dem beschriebenen untypischen Verwaltungsverfahren unter Beteiligung der Vertragsärzte. Andernfalls
hätte die Beklagte bisher ihre Pflichten aus dem SGB V und dem SGB X, die sie jetzt für sich in Anspruch nimmt,
nicht wahrgenommen. Davon kann jedoch keine Rede sein, denn bisher hat die Beklagte, wie andere
Krankenversicherungsträger auch, die maßgeblichen Faktoren von den Vertragsärzten prüfen und entscheiden lassen,
die Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis somit auf die Vertragsärzte verlagert. Die Beklagte hat zur Begründung
ihres Anliegens auch ausgeführt, dass sie nunmehr diese Faktoren nicht mehr in die alleinige Entscheidung der
Vertragsärzte geben will.
In Änderung der bisher gehandhabten Praxis soll die Prüfung aus der Hand der Vertragsärzte und wieder unmittelbar
zu ihr zurückgeführt werden. Diese Verlagerung ist aber nicht über das Verhältnis der Krankenkasse zum jeweiligen
Versicherten oder zu Physiotherapeuten zu regeln, sondern - da es sich um eine Veränderung im Verhältnis zu den
Vertragsärzten handelt - im Verhältnis zum verordnenden Vertragsarzt.
Mit den HMR in der Fassung vom 06. Februar 2001 (BAnz. Beil. Nr. 118a) des Bundesausschusses der Ärzte und
Krankenkassen , in dem die Beklagte auch über ihren Bundesverband vertreten ist, wurden auch mit Wirkung für die
Beklagte detaillierte Regelungen zur einheitlichen Versorgung der Versicherten mit Heilmitteln beschlossen. Dabei
wurden erstmals in einem Katalog Heilmittel konkreten Indikationen zugeordnet. Dabei sind auch die
Verordnungsmengen für die Heilmittelversorgung für den Regelfall festgelegt worden. Andere als die in dem Katalog
aufgeführten Regelverordnungen sind begründungspflichtige Verordnungen, die der Beklagten vorzulegen sind (II 11.5
HMR). Die Richtlinien sollen " einer nach den Regeln der ärztlichen Kunst und unter Berücksichtigung des allgemein
anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung
der Versicherten mit Hilfsmitteln" dienen (I 1. HMR). Die Richtlinien sind für die Vertragsärzte verbindlich. Mit dieser
Richtlinie ist folglich auch die Annahme des Vorliegens von Zweckmäßigkeit, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit
verordneter Physiotherapie abweichend von bisherigen Gepflogenheiten geregelt und zwar dergestalt, dass nur eine
bestimmte Anzahl von Behandlungen verordnungsfähig und damit bezogen auf den jeweiligen Krankheitsfall als
wirtschaftlich anzunehmen ist. Nur in bestimmten Fällen soll dabei eine zusätzliche Überprüfung durch die
Krankenkassen möglich sein. Dies belegt, dass es grundsätzlich bei der Zuständigkeit der Vertragsärzte für die
Leistungsbewilligung unter Beachtung auch der Wirtschaftlichkeitskriterien verbleiben soll. Auch der BMV-Ä setzt
konsequent voraus, dass ein gesondert durchzuführendes Verwaltungsverfahren über die Beklagte bei der
Heilmittelversorgung im Rahmen von Regelverordnungen nicht vorgesehen ist. Die für die Vertragsärzte verbindlichen
Vordruckvereinbarung gem. Anlage 2 zum BMV-Ä sieht im für die Heilmittelversorgung vorgesehenen Muster 13 nur
eine Genehmigung der Krankenkasse bei Verordnung außerhalb des Regelfalles vor. Die Vertragsparteien des BMV-Ä
sind dabei offenbar davon ausgegangen, dass keine andere Bestimmung der Krankenkassen i.S. des § 30 Abs.8 S.2
BMV-Ä ergangen ist.
Wenn die Beklagte jetzt entgegen der gerade neu abgeschlossenen Vereinbarung die Wirtschaftlichkeitsprüfung in
eigene Hände nehmen will, ist dies "venire contra factum proprium", also widersprüchlich. Die Beklagte nimmt damit
ein Recht für sich in Anspruch, welches sie in den Verhandlungen mit der Vertragsärztlichen Bundesvereinigung
offensichtlich nicht hat durchsetzen wollen oder können oder welches für sie dort keine Rolle gespielt hat.
Ein Prüfungsrecht, dessen sie sich in den Verhandlungen begeben hat, welches aber in bezug auf die
abgeschlossene Vereinbarung nicht nur von marginaler Bedeutung ist, kann jedenfalls nicht im Verhältnis zu den
Versicherten mit den Mitteln hoheitlichen Verwaltungshandelns aufgenommen werden. Es geht nämlich bei der
beabsichtigten Prüfung offensichtlich darum, nach der Verordnung durch den Vertragsarzt festzustellen, ob der
Vertragsarzt seine durch die Richtlinien übernommenen Verpflichtungen zur wirtschaftlichen Verordnungsweise
nachgekommen ist. Hierfür stellt das SGB V aber andere Mittel zur Verfügung, nämlich die Prüfung beim Vertragsarzt
gem. § 106 SGB V. Zuzugeben ist der Beklagten dabei zwar, dass die von ihr angestrebte Prüfung regelmäßig nur vor
der Verabreichung der Physiotherapie vorgenommen werden kann, weil insbesondere der Zustand des Patienten nur
vor der Behandlung unverändert ist. Dies ist allerdings keine neue Erkenntnis, sondern war schon vor dem Abschluss
der neu vereinbarten Richtlinien bekannt, wie auch das vorliegende Verfahren zeigt, welches aus der Zeit vor
Abschluss der Vereinbarung datiert. Eine Änderung der Handhabung des bisherigen "Verwaltungsverfahrens" zur
Verordnung und damit Bewilligung von Heilmitteln ist trotz offensichtlicher Bedeutung gerade dieses Gesichtspunktes
nicht erfolgt. Deshalb ist eine jetzt einseitige Veränderung durch die Beklagte im Verhältnis zu ihren Versicherten, die
damit zugleich auch in die Rechte der Vertragsärzte eingreift, nicht zulässig.
Der Senat misst der entschiedenen Frage, ob die Beklagte berechtigt ist, bei ärztlich verordneten Leistungen der
Physiotherapie und Massage vor Leistungserbringung gegenüber den Versicherten eine Genehmigung durch sie zu
verlangen, grundsätzliche Bedeutung zu. Die Revision war zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr.1 SGG).