Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 03.08.2010

LSG Berlin-Brandenburg: klinik, stationäre behandlung, bad, medizinische rehabilitation, innere medizin, körperliche unversehrtheit, krankenkasse, rente, krankenversicherung, wahrscheinlichkeit

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 8.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 8 R 764/10 B ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 86b SGG, § 15 SGB 6, § 31
SGB 6, § 40 SGB 5
Fortgeschrittenes Krebsleiden; onkologische
Rehabilitationsmaßnahme; Wahlrecht; ganzheitliches
immunbiologisches Therapiekonzept; Ablehnung der einzig
gewünschten Klinik; zuständiger Leistungsträger
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom
3. August 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist 1961 geboren worden. Wegen eines im Jahr 2007 erkannten
Mamma-Carcinoms wurde sie zunächst zwei Mal, im November 2007 und im September
2008, operiert; ferner ist sie seither laufend in ambulanter onkologischer Behandlung.
Seit Dezember 2007 ist bei ihr ein Grad der Behinderung nach dem Sozialgesetzbuch
Neuntes Buch (SGB IX) von 70 anerkannt. Im März 2009 beantragte sie bei der
Antragsgegnerin eine Rente wegen Erwerbsminderung, im Mai 2009 auch Leistungen zur
medizinischen/onkologischen Rehabilitation. Zur Begründung reichte sie einen Arztbrief
des Sankt-G-Krankenhauses B (vom 27. Februar 2009 betreffend eine Behandlung am
23. Februar 2009) ein. Die Antragsgegnerin ihrerseits holte einen Befundbericht der
behandelnden Fachärztin für Innere Medizin Dr. A (vom 27. Mai 2009) ein, dem diverse
Drittbefunde über Behandlungen ab November 2007 bis Februar 2009 beigefügt waren.
Eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung wurde der Antragstellerin ab 1.
März 2009 bewilligt (Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. August 2010).
Durch Bescheid vom 24. Juni 2009 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin
Leistungen zur onkologischen Rehabilitation für die Dauer von vier Wochen und
bestimmte die S-Klinik Bad S-A zur Rehabilitationseinrichtung. Gegen den Bescheid legte
die Antragstellerin Widerspruch ein. Mit Bezug auf ein eingereichtes ärztliches Attest der
Dr. A vom 1. August 2009 machte sie geltend, die Rehabilitation solle in der H-Klinik Bad
M durchgeführt werden. Das Ziel der Maßnahme sei eine intensive Fortsetzung der
bisherigen Therapiemaßnahmen. Hierzu sei nur diese Klinik aufgrund ihres besonderen
Therapiekonzeptes geeignet. Auf Nachfrage der Antragsgegnerin äußerte sich Dr. A mit
Datum des 27. Oktober 2009 ergänzend.
Durch Bescheid vom 4. November 2009 bewilligte die Antragsgegnerin daraufhin die
Leistung im bisherigen Umfang in der H-Klinik Bad E; diese Klinik verfügt über
Rehabilitations-Abteilungen in den Fachgebieten Lungenheilkunde und Orthopädie. Den
Bescheid vom 24. Juni 2009 erklärte sie für gegenstandslos. Nachdem die Antragstellerin
die Antragsgegnerin darauf hingewiesen hatte, dass die Klinik in Bad E nicht für ihre
Erkrankung geeignet sei, lehnte die Antragsgegnerin die Umstellung der
Rehabilitationseinrichtung auf die H-Klinik Bad M ab. Im Rahmen des ihr zustehenden
Ermessens könne die von der Antragstellerin gewünschte, von der Antragsgegnerin
vertraglich nicht belegte Klinik nur dann ausgewählt werden, wenn die Leistung einzig
dort erfolgreich durchgeführt werden könne. Es stünden jedoch mehrere geeignete, von
den Trägern der Rentenversicherung betriebene oder vertraglich belegte Kliniken zur
Verfügung. Der Antragstellerin wurden vier Einrichtungen angeboten, um die Maßnahme
der Rehabilitation durchzuführen.
Die Antragstellerin machte in der Folge geltend, dass nur die H-Klinik Bad M ein derart
umfangreiches Programm für Patienten mit fortgeschrittenen incurablen Tumoren
anbiete. Sie reichte ein Schreiben der behandelnden Fachärztin für Gynäkologie und
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anbiete. Sie reichte ein Schreiben der behandelnden Fachärztin für Gynäkologie und
Geburtshilfe Dr. H (S) vom 26. Februar 2010 ein. Diese führte aus, dass im
Erkrankungsstadium der Antragstellerin eine ganzheitliche Therapie wichtig sei, die in der
H-Klinik Bad M durchgeführt werden könne. Die Kosten lägen nicht über denen der H-
Klinik Bad E. Sie reichte ferner eine Kopie des Beschlusses des Landessozialgerichts
Berlin-Brandenburg vom 8. Juli 2009 – L 24 KR 153/09 B ER – ein.
Durch Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2010 wies die Antragsgegnerin den
Widerspruch im wesentlichen mit der Begründung des Bescheides vom 4. November
2009 zurück. Der Antragstellerin werde empfohlen, die Rehabilitation in der H-Klinik Bad
E durchzuführen.
Gegen die Bescheide vom 24. Juni und 4. November 2009 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2010 hat die Antragstellerin am 8. Juli 2010 vor
dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben.
Außerdem hat sie am 22. Juli 2010 beantragt, die Antragsgegnerin im Wege des
einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihr die „bewilligte Rehabilitation“ in der H-
Klinik Bad M mit sofortiger Wirkung zu gewähren. Zur Begründung hat sie geltend
gemacht, dass der Schwerpunkt der Klinik insbesondere auf der Behandlung von
fortgeschrittenen und oft inkurablen Krebserkrankungen liege. Vorrangiges Ziel sei, die
geistige und körperlich-seelische Gesundheit vollständig oder teilweise
wiederherzustellen. Es sei ärztlich belegt, dass in ihrem – der Antragstellerin – Fall die
intensive und langzeitige Chemo- und Antikörpertherapie nicht in der Lage gewesen sei,
das Fortschreiten der Krankheit aufzuhalten. Eine Rehabilitation in der H-Klinik sei
indiziert, um durch das ganzheitliche Verfahren den geschwächten Allgemeinzustand zu
stabilisieren; auch sei eine emotionale Entlastung der Antragstellerin dringend
erforderlich. Weitere Ausführungen werden zu den rechtlichen Voraussetzungen für eine
Krankenhausbehandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen und zu den
Anforderungen an die Verpflichtung eines Trägers zu Leistungen im Wege des
einstweiligen Rechtsschutzes gemacht. Ferner hat sie unter anderem ein Schreiben der
Dr. H ohne Datum – übersandt am 15. Juli 2010 – eingereicht, das im wesentlichen dem
vom 26. Februar 2010 entspricht, jedoch um die Aussage ergänzt worden ist, dass es
bei Ablehnung der Kur in der H-Klinik angesichts der lebensgefährlichen Erkrankung zu
einer Invalidität kommen werde und der progrediente Verlauf sehr schnell den Tod der
Antragstellerin herbeiführen werde.
Die Antragsgegnerin hat dem Antrag entgegengehalten, dass die Antragstellerin
inzwischen an einem ossär, hepatogen und lymphogen metastasierenden
Mammakarzinom leide. In diesem fortgeschrittenen Stadium stünden kurativ-
therapeutische Ansätze nicht zur Verfügung. Wirksamkeit und Nutzen des von der Klinik
angebotenen ganzheitsmedizinischen Therapiekonzepts mit immunbiologischer
Therapie gälten nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin nicht als
wissenschaftlich belegt; abgesehen davon belege die Antragsgegnerin die Klinik
grundsätzlich nicht. Die für die Antragstellerin erforderlichen palliativen Maßnahmen bei
progressivem Krankheitsverlauf und negativer Erwerbsprognose entsprächen einer
Krankenhausbehandlung; auch von der Antragstellerin werde die Klinik als
„Krankenhaus“ bezeichnet. Für die Bewilligung derartiger Behandlungen sei die Beklagte
nicht zuständig. Vorrangig sei nun eine Rente zu prüfen und zu erwägen, ob der
ursprüngliche Bewilligungsbescheid zurückzunehmen sei.
Die Antragstellerin hat hierzu erwidert, es könne keine Rede davon sein, dass nur noch
palliativmedizinische Maßnahmen ihr Leiden lindern könnten.
Durch Beschluss vom 3. August 2010 hat das Sozialgericht den Antrag zurückgewiesen.
Die Voraussetzungen für eine Verpflichtung der Antragsgegnerin lägen nicht vor, da
jedenfalls ein Anordnungsanspruch nicht bestehe. Die Bewilligungsbescheide der
Antragsgegnerin seien nicht rechtswidrig. Nur zugunsten der Antragstellerin könne
dahingestellt bleiben, ob sie noch rehabilitationsfähig sei und für die Maßnahme eine
günstige Prognose bestehe. Die Auswahl der Rehabilitationseinrichtung sei nicht zu
beanstanden, weil sowohl die von der Antragsgegnerin bewilligten als auch die alternativ
zur Auswahl gestellten Reha-Einrichtungen das Behandlungskonzept einer typischen
onkologischen Rehabilitation böten. Es sei von daher nicht zu beanstanden, wenn sie es
ablehne, die Rehabilitation in einer Klinik durchzuführen, zu der sie keine vertraglichen
Beziehungen habe. Ein atypischer Fall, der die Behandlung in der Hufeland-Klinik
rechtfertigen könne, liege nicht vor. Nach ihrem eigenen Vortrag begehre die
Antragstellerin Krankenhausleistungen; auch die Ausführungen der Dr. H sprächen dafür,
dass die als dringend erforderlich bezeichnete Behandlung keine Maßnahme zur
Rehabilitation, sondern eine Krankenhausbehandlung sei. Für derartige Leistungen sei
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Rehabilitation, sondern eine Krankenhausbehandlung sei. Für derartige Leistungen sei
die Antragsgegnerin nicht zuständig. Die Entscheidung anhand einer Folgenabwägung
sei angesichts dessen ebenfalls nicht angezeigt gewesen. Der Fall unterscheide sich von
dem vom 24. Senat entschiedenen dadurch, dass dort die stationäre Behandlung in der
H-Klinik als Leistung der Krankenbehandlung der gesetzlichen Krankenversicherung
geltend gemacht worden sei.
Mit ihrer Beschwerde vom 12. August 2010 macht die Antragstellerin geltend, dass die
gewünschten Leistungen zur Rehabilitation entgegen der Auffassung des Sozialgerichts
nur in der H-Klinik Bad M erbracht werden könnten. Das ergebe sich bereits aus dem
Attest der Dr. A vom 11. August 2009. Gerade weil sie schwer erkrankt sei, benötige sie
auch das Behandlungskonzept der H-Klinik und es sei ihr nicht zuzumuten, einen neuen
Antrag bei der Krankenkasse zu stellen. Keine Rolle könne es spielen, ob sich der
Gesundheitszustand derart verschlechtert habe, dass über die Rücknahme der
ursprünglichen Bewilligung zu entscheiden sei.
Die Antragsgegnerin hat der Beschwerde entgegengehalten, dass ihr
sozialmedizinischer Dienst die Notwendigkeit einer Krankenbehandlung festgestellt
habe. Leistungen zur Teilhabe würden ausdrücklich nicht mehr als erfolgversprechend
angesehen.
Der Senat hat zunächst die nach damaliger Aktenlage zuständige gesetzliche
Krankenkasse, die K A, zum Verfahren beigeladen (Beschluss vom 9. September 2010).
Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Antragstellerin bereits seit dem 1. Juni
2010 Mitglied der T-Krankenkasse geworden war, ist diese Krankenkasse durch
Beschluss vom 13. Oktober 2010 zum Verfahren beigeladen und der
Beiladungsbeschluss vom 9. September 2010 aufgehoben worden.
Die Antragstellerin hat in der Folge den Entlassungsbericht der B Klinik Bad B vom 8.
September 2010 eingereicht, der eine stationäre Behandlung dort vom 30. August bis
zum 8. September 2010 betraf (Diagnose: Mammacarcinom links, aktuelles Stadium
Pleurafiliae – Metastasen im Bereich des Brustfells – rechts mit Zustand nach Erguss;
Lungenfiliae – Lungenmetastasen – beidseits; Verdacht auf Lymphknotenfiliae
mediastinal), sowie den Befund einer Spiralcomputertomografie des Röntgeninstituts am
Rathaus S vom 4. Oktober 2010, die zum Zweck der Verlaufskontrolle nach (von
November 2009 bis Mai 2010 durchgeführter) Chemotherapie bei Zustand nach (im
Oktober 2009 vorgenommener) Entfernung der linken Brust vorgenommen worden war.
Die Beigeladene hat sich – in Kenntnis aller aus den Verwaltungsakten der
Antragsgegnerin und den Gerichtsakten hervorgehenden medizinischen Unterlagen –
dahingehend eingelassen, dass die Antragsgegnerin die zuständige Leistungsträgerin
sei. Die in Frage stehenden onkologischen Rehabilitationsleistungen seien nach
Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung nachrangig gegenüber den von der
Antragsgegnerin nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch zu
erbringenden. Der von ihr eingeschaltete medizinische Dienst der Krankenversicherung
Rheinland-Pfalz sehe derzeit aber auch keinen Rehabilitationsbedarf, dies im Einklang
mit der B-Klinik Bad B, die eine stationäre Wiedervorstellung entsprechend dem
Krankheitsverlauf empfehle. Der ursprünglich von der Antragsgegnerin festgestellte
Rehabilitationsbedarf könne nicht mehr gesehen werden. Bei Bedarf stünden jederzeit
akutstationäre Behandlungen im Krankenhaus oder palliative Maßnahmen zur
Verfügung. Die H-Klinik Bad M verfüge über keine Zulassung als Krankenhaus, sondern
nur als Rehabilitationseinrichtung. Insoweit sei sie aber nicht die einzige Einrichtung für
das Gebiet der Onkologie.
II.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine Verpflichtung der
Antragsgegnerin oder der Beigeladenen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes sind
nicht erfüllt.
Die Antragstellerin begehrt die Gewährung einer Leistung, die ihr die Antragsgegnerin
nicht in der gewünschten Form zuerkannt hat. In diesem Fall setzt eine einstweilige
Verpflichtung des Antragsgegners zur Leistung im Regelfall voraus, dass bei
summarischer Prüfung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ein Anspruch nach
materiellem Recht (§ 86b Abs. 2 Satz 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG] in Verbindung mit §§
920 Abs. 2, 916 Zivilprozessordnung [ZPO]; Anordnungsanspruch) und eine besondere
Eilbedürftigkeit feststellbar sind (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs.
2, 917, 918 ZPO; Anordnungsgrund).
Von Verfassungs wegen sind jedoch dann besondere Anforderungen an die
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Von Verfassungs wegen sind jedoch dann besondere Anforderungen an die
Ausgestaltung des Eilverfahrens zu stellen, wenn ohne die Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare
Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr
zu beseitigen wären. Die Gerichte müssen in solchen Fällen entweder die Sach- und
Rechtslage abschließend prüfen oder – wenn dies im Eilverfahren nicht möglich ist –
anhand einer Folgenabwägung entscheiden (zusammenfassend
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05).
Nach einfachem Recht sind die Voraussetzungen für eine einstweilige Verpflichtung der
Antragsgegnerin oder der Beigeladenen nicht erfüllt. Ein Anordnungsanspruch ist nach
summarischer Prüfung nicht gegeben.
Zuständige Trägerin für Leistungen zur Teilhabe ist ausschließlich die Antragsgegnerin.
Denn bei ihr hatte die Antragstellerin im Mai 2009 den Antrag auf Leistungen zur
Teilhabe gestellt, aus dem sie noch immer Rechte, nämlich bezüglich der örtlichen
Durchführung einer Maßnahme zur Rehabilitation, herleitet. Da sie den Antrag nicht
weitergeleitet hat, ist ihre Zuständigkeit nach § 14 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 SGB
IX begründet; andere Leistungsträger, im vorliegenden Fall im besonderen die
Beigeladene, haben dadurch ihre Entscheidungsbefugnis über die Gewährung von
Teilhabeleistungen nach den für sie geltenden Leistungsgesetzen verloren (s. BSG SozR
4-3250 § 14 Nr. 8 und Urteil vom 20. April 2010 – B 1/3 KR 6/09 R). Daraus ergibt sich die
Pflicht der Antragsgegnerin, Teilhabeleistungen nach allen in Betracht kommenden
Rechtsgrundlagen unter Beachtung der besonderen persönlichen und
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der jeweiligen Leistungsgesetze zu prüfen (s.
stellvertretend BSG SozR 4-3250 § 14 Nr. 8).
Von vornherein nicht zu prüfen hatte die Antragsgegnerin deshalb, ob sich der begehrte
Anspruch aus § 39 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ergibt. Diese Vorschrift regelt
lediglich die Krankenhausbehandlung, nicht aber Ansprüche auf Leistungen zur
medizinischen Rehabilitation (s. dazu § 40 SGB V) und damit keine Leistungen zur
Teilhabe im Sinne des SGB IX, die von den gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden
könnten (s. dazu §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 5 Nr. 1 SGB IX). Bereits deshalb ist für das
vorliegende Verfahren der von der Antragstellerin eingereichte, in einem Verfahren
gegen einen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung ergangene Beschluss des 24.
Senats des LSG Berlin-Brandenburg ohne Belang; er befasst sich ausschließlich damit,
ob die Behandlung in der (nicht als Krankenhaus zugelassenen) H-Klinik als Leistung
nach § 39 SGB V in Betracht kommt.
Nach dem für die Antragsgegnerin selbst geltenden Leistungsgesetz, dem
Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), besteht nicht mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit ein Anordnungsanspruch. Bereits dem Grunde nach hat die
Antragstellerin keinen Anspruch auf eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation
nach den allgemeinen Vorschriften des § 15 SGB VI i.V. mit §§ 26 ff SGB IX; von daher
folgerichtig hat sich weder die Antragsgegnerin noch die Antragstellerin auf diese
Vorschriften bezogen. Es ist – jedenfalls nachdem der Antragstellerin antragsgemäß
eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer bewilligt worden ist – nicht
ersichtlich, dass durch eine medizinische Rehabilitation kausal die bei der Antragstellerin
bestehende Minderung der Erwerbsfähigkeit verringert oder beseitigt werden und sie so
die persönlichen Voraussetzungen erfüllt haben könnte (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b
SGB VI).
Die Antragstellerin hat – jedenfalls derzeit – bereits dem Grunde nach auch nicht mit
hinreichender Wahrscheinlichkeit einen Anspruch auf Leistungen der onkologischen
Rehabilitation gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI. Aus den von ihr angegriffenen
Bewilligungsbescheiden vom 24. Juni 2009 und vom 4. November 2009 kann sie kein
solches Recht herleiten, das weiterhin durchsetzbar wäre. Selbst wenn die Bescheide
einen der Bestandskraft zugänglichen Verfügungssatz über die Leistungsart –
onkologische Rehabilitation – enthalten würden (s. zur Unterscheidung zwischen
Verfügungssatz und Begründungselement z.B. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 24), so hätte
sich diese Verwaltungsentscheidung dadurch auf sonstige Weise (§ 39 Abs. 2
Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) erledigt, dass die Antragstellerin die
Leistungserbringung in den von der Antragsgegnerin ausgewählten Einrichtungen
abgelehnt und damit die nach § 9 Abs. 4 SGB IX erforderliche Zustimmung verweigert
hat. Denn die Frage, „wie“ die Leistung zu erbringen ist, ist untrennbar mit der
verbunden, „ob“ überhaupt die Leistung zu erbringen ist:
Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI können die Träger der gesetzlichen
Rentenversicherung als sonstige Leistungen zur Teilhabe Nach- und Festigungskuren
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Rentenversicherung als sonstige Leistungen zur Teilhabe Nach- und Festigungskuren
wegen Geschwulsterkrankungen für Versicherte, Bezieherinnen einer Rente und ihre
Angehörigen erbringen. Die persönlichen Voraussetzungen des § 10 SGB VI müssen für
diese Teilhabeleistung nicht erfüllt sein (§ 31 Abs. 2 Satz 1 SGB VI), jedoch wird sie nur
aufgrund von Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund erbracht, die im
Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales erlassen werden (§ 31
Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Es kann dahingestellt bleiben, ob auf die in einem amtlichen Publikationsorgan der
Antragsgegnerin veröffentlichten Gemeinsamen Richtlinien der Träger der
Rentenversicherung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI für die Erbringung von
onkologischen Nachsorgeleistungen bei malignen Geschwulst- und Systemerkrankungen
(Ca-Richtlinien) in der ab 1. April 1998 geltenden Fassung (Die Angestelltenversicherung
1998, 381) oder die augenscheinlich nicht amtlich veröffentlichten, jedoch von den
Trägern der Rentenversicherung tatsächlich angewendeten Ca-Richtlinien in der ab 1.
August 2001 geltenden Fassung (abgedruckt u.a. in dem von der Antragsgegnerin
herausgegebenen „Verbandskommentar“ als Anlage 2 zu § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB
VI) abzustellen ist. Denn soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung, haben
beide Fassungen der Ca-Richtlinien den gleichen Inhalt (die Änderung im Jahr 2001 war
die Folge des Lebenspartnerschaftsgesetzes und bezog Lebenspartner im Sinne dieses
Gesetzes in den Kreis der Leistungsberechtigten ein).
Nach § 1 Abs. 2 Ca-Richtlinien werden die Leistungen bis zum Ablauf eines Jahres nach
einer beendeten Primärbehandlung gewährt. Darüber hinaus können spätestens bis zum
Ablauf von zwei Jahren nach beendeter Primärbehandlung Maßnahmen im Einzelfall
erbracht werden, wenn erhebliche Funktionsstörungen entweder durch die
Tumorerkrankung selbst oder durch Komplikationen bzw. Therapiefolgen vorliegen. Nach
§ 2 Ca-Richtlinien sind persönliche Voraussetzungen für onkologische
Nachsorgeleistungen, dass (1.)die rehabilitationsbegründende Diagnose geklärt ist, (2.)
eine etwaige operative oder Strahlentherapie abgeschlossen ist, wobei eine noch
laufende zytostatische Behandlung kein grundsätzlicher Hinderungsgrund für
onkologische Nachsorgeleistungen ist, und (3.)die durch die
rehabilitationsbegründenden Erkrankungen oder deren Therapie bedingten körperlichen,
seelischen, sozialen und beruflichen Behinderungen positiv beeinflussbar sein sollen,
eine ausreichende Belastbarkeit für onkologische Nachsorgeleistungen gegeben ist und
die Betreute in der Regel allein reisefähig ist.
Die Leistungen zur onkologischen Rehabilitation hängen angesichts dessen von den
konkreten, jederzeit veränderlichen Umständen im Zeitpunkt der Leistungsbewilligung
ab. Sie begründet sich nicht durch ein zeitlich abgrenzbares Ereignis (wie z.B. eine
Operation). Vor diesem Hintergrund war im besonderen die Voraussetzung nach § 2
Abs. 2 Ca-Richtlinien in der Zwischenzeit von November 2009 bis Mai 2010 wegen der in
dieser Zeit durchgeführten Chemotherapie nicht erfüllt.
Aktuell sind jedenfalls die Leistungsvoraussetzungen nach § 3 Abs. 2 Ca-Richtlinien nicht
erfüllt. Es ist nicht hinreichend ersichtlich, dass die durch die Erkrankung oder deren
Therapie bedingten körperlichen, seelischen, sozialen und beruflichen Behinderungen
durch eine onkologische Rehabilitation positiv beeinflussbar wären. Im Vordergrund
steht, wie sich im besonderen aus dem Entlassungsbericht der BioMed-Klinik ergibt, die
weitere haus- und fachärztliche Behandlung und die etwaige stationäre
Weiterbehandlung in einem Krankenhaus. Dies gilt noch umso mehr, als nicht einmal die
B-Klinik eine onkologische Rehabilitation angeraten hat.
Im Ergebnis aus dem selben Grund besteht ein Anspruch auf Leistungen zur
medizinischen Rehabilitation auch nicht auf der Grundlage des § 40 Abs. 2 SGB V. Auch
diese Rechtsgrundlage wäre aber jedenfalls deshalb bereits von der Antragsgegnerin
angesichts ihrer Zuständigkeit nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB IX zu
prüfen gewesen, da insoweit die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht
gegenüber denen der gesetzlichen Rentenversicherung nachrangig sind (§ 31 Abs. 4
SGB V). Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB V erbringt die Krankenkasse stationäre
Rehabilitation in einer nach § 20 Abs. 2a SGB IX zertifizierten Einrichtung, mit der (wie im
Fall der H-Klinik Bad M) ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht, wenn die Leistungen nach
§ 40 Abs. 1 SGB V nicht ausreichen. Nach § 40 Abs. 1 SGB V erbringt die Krankenkasse
ambulante Rehabilitationsleistungen in den dort näher beschriebenen Einrichtungen,
wenn eine ambulante Krankenbehandlung nicht ausreicht, um die Ziele des § 11 Abs. 2
SGB V – Abwendung, Beseitigung, Minderung oder Ausgleich einer Behinderung oder von
Pflegebedürftigkeit bzw. Verhütung ihrer Verschlimmerung oder Milderung ihrer Folgen –
zu erreichen.
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Eine einfachrechtliche Verpflichtung der Beigeladenen kann sich, wie bereits ausgeführt,
aufgrund der durch § 14 SGB IX eingeschränkten Zuständigkeit nur aus
Rechtsgrundlagen außerhalb des Teilhaberechts ergeben. Insoweit fehlt es zu der allein
in Betracht kommenden Verpflichtung der Beigeladenen zu Leistungen der
Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V jedoch an einem Anordnungsgrund. Dies gilt
selbst dann, wenn in Frage stehen könnte, ob sich die von der Beigeladenen bekundete
Bereitschaft, derartige Leistungen zu erbringen, auch auf die Behandlung in einer
Einrichtung bezieht, die – wie die H-Klinik Bad M – über keine Zulassung für eine
vollstationäre Behandlung verfügt (§ 40 Abs. 1 Satz 2 i.V. mit § 108 SGB V). Jedenfalls
ergibt sich aus dem Entlassungsbericht der B-Klinik vom 8. September 2010 und dem
eigenen Vortrag der Antragstellerin, dass ein medizinischer Anlass für eine solche
Behandlung derzeit nicht besteht.
Auch eine Güterabwägung, die der Senat vornimmt, um das Verfahren im Interesse
effektiven einstweiligen Rechtsschutzes möglichst zügig abzuschließen, führt nicht zu
einem für die Antragstellerin günstigen Ergebnis und damit zu einer Verpflichtung der
Antragsgegnerin oder der Beigeladenen. Zwar fällt zu ihren Gunsten die Schwere ihrer
Erkrankung und die damit verbundene Gefahr für die hochrangigen Verfassungsgüter
Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz) ins Gewicht. Es
überwiegt im konkreten Fall aber das Interesse der Antragsgegnerin daran, Leistungen
entsprechend ihrer ebenfalls verfassungsrechtlichen Bindung an Gesetz und Recht (Art.
20 Abs. 3 GG) nur dann zu gewähren, wenn die Leistungsvoraussetzungen dem Grunde
nach mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen und das ihr hinsichtlich
Art, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen sowie der
Rehabilitationseinrichtung von Gesetzes wegen zustehende pflichtgemäße Ermessen (§
13 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) rechtlich, etwa durch das eingeschränkte Wahlrecht der
Teilhabeberechtigen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, derart eingeschränkt ist, dass ihr
rechtmäßig keine andere als eine der Antragstellerin günstige Entscheidung möglich ist.
Unabhängig davon, wie der Aspekt zu bewerten sein könnte, dass die Antragstellerin den
Schutz ihrer Rechtsgüter selbst über einen erheblichen, nämlich seit Mai 2009
dauernden Zeitraum zurückgestellt hat, indem sie auf eine onkologische Rehabilitation
vollständig verzichtet hat, statt sie in einer von der Antragsgegnerin vorgeschlagenen
Einrichtung durchzuführen, ist das Krebsleiden der Antragstellerin jedenfalls derzeit nach
den jüngsten aktenkundigen Behandlungsbefunden durch akute ambulante ärztliche und
klinische Maßnahmen zu behandeln, die nach Lage der Akten von Ärzten und Kliniken
entsprechend den Wünschen der Antragstellerin durchgeführt wird. Es besteht deshalb
kein Grund anzunehmen, dass Leben oder Gesundheit der Antragstellerin dadurch
gefährdet werden könnten, dass nicht zusätzlich eine onkologische Rehabilitation
durchgeführt wird.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Bundessozialgericht ausgeschlossen
(§ 177 SGG).
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