Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 16.08.2007

LSG Berlin und Brandenburg: juristische person, sozialhilfe, darlehen, sparkasse, schenkung, begriff, verwaltungsakt

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 16.08.2007 (rechtskräftig)
Sozialgericht Potsdam S 20 SO 52/07 ER
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 23 B 150/07 SO ER
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 14. Juni 2007 wird mit der
Maßgabe zurückgewiesen, dass außergerichtliche Kosten des Verfahrens nicht zu erstatten sind.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zur Begründung nimmt der Senat auf die zutreffenden Gründe des
angefochtenen Beschlusses des Sozialgerichts Potsdam vom 14. Juni 2007 Bezug und macht sie zum Gegenstand
seiner Entscheidung. Die gegenüber der Tochter der Antragstellerin erfolgte Überleitungsanzeige stellt auch gegenüber
der Antragstellerin einen Verwaltungsakt dar, der sie in ihren Rechten verletzen kann. Welche materiellen
Voraussetzungen der Überleitungsanzeige dabei dem Schutz der Antragstellerin als Drittbetroffener dienen (vgl. dazu
Münder in LPK SGB XII, § 93 Rz. 57), kann dahinstehen, da sich die Überleitungsanzeige wie schon das
Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat insgesamt als rechtmäßig erweist. Auch unter Würdigung der in der
Beschwerdebegründung dargelegten Gründe spricht mehr für die Rechtmäßigkeit der Überleitungsanzeige als
dagegen:
Bedenken gegen die Anwendung des § 93 SGB XII bestehen im vorliegenden Fall nicht. Zu Recht ist das
Sozialgericht Potsdam unter Bezugnahme auf den Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 09.
November 2007 (L 20 [12] B 38/05 SO ER) davon ausgegangen, dass auch für Leistungen nach dem früheren § 90
Bundessozialhilfegesetz (BSHG) die Vorschrift des § 93 SGB XII Anwendung findet. Dessen Abs. 1 Satz 1 ist
lediglich die Voraussetzung einer Leistungserbringung zu entnehmen, die vorliegt, wenn seitens des Sozialhilfeträgers
verbindlich festgestellt wird, dass Leistungen zu erbringen sind. Ob diese Leistungen unter der Geltung des
ehemaligen BSGH oder unter Geltung des SGB XII erbracht werden, kann für die Anwendbarkeit des § 93 SGB XII
dahinstehen. Dass Antragstellerin ab dem 01. Januar 2005 dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) unterliegt,
kann dahinstehen, da sich die Überleitungsanzeige auf eine Leistungserbringung vor diesem Zeitraum bezieht.
Auch ist die Tochter der Antragstellerin "andere" im Sinne des § 93 SGB XII. Zutreffend weist schon die
Antragsgegnerin darauf hin, dass der Begriff des "anderen" lediglich die Leistungsträger im Sinne des § 12
Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) ausschließen soll. Anspruchsgegner kann jede dritte natürliche oder
juristische Person sein. Ausgenommen sind nur die Leistungsträger nach § 12 SGB I (vgl. Wahrendorf in:
Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 93 Rz. 9). Dass die Tochter der Antragstellerin zum damaligen Zeitpunkt selbst
Bezieherin von Sozialhilfeleistungen war, steht dem nicht entgegen.
Zutreffend hat das Sozialgericht auch bereits darauf hingewiesen, dass die Überleitungsanzeige nur dann rechtswidrig
ist, wenn das Bestehen eines Anspruchs gegen den anderen offensichtlich ausgeschlossen ist und sich deshalb die
Sinnlosigkeit der Überleitungsanzeige geradezu aufdrängen muss. Ob und in welchem Umfang der übergeleitete
Anspruch tatsächlich besteht, ist nicht Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Überleitungsanzeige selbst (BVerwG 91,
375, 377 m. w. N.). Eine Überleitung eines etwaigen Rückforderungsanspruchs aus einer Schenkung ist nicht etwa
deshalb rechtswidrig, weil der übergeleitete Anspruch möglicherweise nicht besteht (BayVGH, Urteil vom 22. Juli
1999, Az.: 12 B 95.3834 unter Hinweis auf BVerwG vom 15. April 1996, Buchholz 436.0, § 90 BSHG Nr. 24).
Ansonsten ist es nicht Aufgabe der Sozialgerichte, das Bestehen oder Nichtbestehen überleiteter bürgerlich-
rechtlicher Ansprüche zu prüfen (BVerwG vom 10. Mai 1990, FEVS 39, 441, 443). Es kommt deshalb nicht darauf an,
dass sich die Mittelbrandenburgische Sparkasse im Zivilrechtsstreit bisher weigert, den Sparkassenkapitalbrief an die
Tochter der Antragstellerin auszuzahlen. Ob die gegen die Entscheidung des Landgerichts Potsdam vom 04. April
2007 (Az.: 8 O 238/06) eingelegte Berufung der Antragsgegnerin Erfolg haben wird, soll das Sozialgericht gerade nicht
prüfen. Ein Fall der so genannten "Negativevidenz", also eines offensichtlich ausgeschlossenen
Rückforderungsanspruches, liegt vorliegend jedenfalls nicht vor.
Der Rechtmäßigkeit der Überleitungsanzeige steht schließlich auch nicht entgegen, dass der Antragstellerin
Sozialhilfe im Wege eines Darlehens gewährt worden ist. Der Auffassung Wahrendorfs (in: Grube/Wahrendorf, SGB
XII, § 93 Rz. 6), dass Sozialhilfe als Darlehen als Überleitungstatbestand im Rahmen des § 93 SGB XII nicht in Frage
komme, kann in seiner Absolutheit nicht gefolgt werden. Zutreffend weist Münder (in: LPK SGB XII, § 93 Rz. 16)
darauf hin, dass jedenfalls wenn sich herausstellt, dass der Sozialhilfeempfänger das Darlehen nicht zurückzahlt eine
Überleitung nach § 93 SGB XII möglich sein muss. Dem folgt der Senat, da in diesen Fällen von einer Übersicherung
des Sozialhilfeträgers nicht gesprochen werden kann. Da die Antragstellerin weiterhin (Sozialhilfe-)Leistungen
(nunmehr Leistungen nach dem SGB II) bezieht, kommt hier auch die darlehensweise Sozialhilfegewährung als
Überleitungstatbestand in Betracht.
Die Beschwerde war mithin zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung des Sozialgerichts klarzustellen war. Die
Tragung von Kosten des Verfahrens durch die Antragstellerin kommt im Hinblick auf § 193 SGG nicht in Betracht. Es
war lediglich klarzustellen, dass Kosten des Verfahrens nicht zu erstatten sind.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).