Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 01.07.2010

LSG Berlin-Brandenburg: anspruch auf rechtliches gehör, begriff, link, quelle, beschwerderecht, sammlung, auflage, zivilprozessordnung, rüge, beteiligter

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
15. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 15 SO 125/10 B RG
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 178a SGG, § 114 ZPO, § 127
ZPO, § 73a SGG
Zulässigkeit der Anhörungsrüge im Prozesskostenhilfeverfahren
Tenor
Die Anhörungsrüge des Beklagten vom 16. Juli 2010 wird als unzulässig verworfen.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten für das Verfahren der
Anhörungsrüge zu erstatten.
Gründe
Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 1. Juli 2010 ist nicht statthaft
und damit unzulässig.
Nach § 178 a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist im
Sozialgerichtsprozess auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung
beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn
1. ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht
gegeben ist und
2. das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in
entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Es ist bereits zweifelhaft, ob der Beklagte „Beteiligter“ des Bewilligungsverfahrens über
die Prozesskostenhilfe ist. Denn dieses Verfahren ist nach den in allen
Verfahrensordnungen anwendbaren §§ 114 ff Zivilprozessordnung (ZPO) ein nicht
streitiges Antragsverfahren, das angesichts des Charakters der Prozesskostenhilfe als
Mittel zur Herstellung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit
(s. dazu etwa BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2009 – 1 BvR 439/08) der staatlichen
Daseinsfürsorge zuzurechnen ist. In ihm stehen sich deshalb nur der Antragsteller, der
Prozesskostenhilfe begehrt, und das Gericht als Bewilligungsstelle gegenüber (unstreitig,
s. nur BGH, Urteil vom 15. November 1983 – VI ZR 100/83, BGHZ 89, 65 und daran
anschließend BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 1991 – 1 BvR 41/88, NJW 1991, 2078).
Die sich somit stellende Frage, ob der Begriff des „Beteiligten“ im Rahmen des § 178a
Abs. 1 Satz 1 SGG darüber hinaus auch diejenigen umfasst, denen – wie dem Beklagten
nach Maßgabe des § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO – durch Gesetz ein Anspruch auf rechtliches
Gehör eingeräumt ist (s. auch in diesem Zusammenhang BGH und BVerfG wie eben),
kann jedoch offen bleiben. Denn jedenfalls reicht für eine statthafte Anhörungsrüge nicht
aus, dass der Anspruch eines „Beteiligten“ auf rechtliches Gehör durch ein Gericht
verletzt worden ist (s. insoweit § 178a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG). Vielmehr muss
außerdem die gerichtliche Entscheidung den rügeführenden Beteiligten (tatsächlich)
beschweren, § 178a Abs. 1 Satz 1 Einleitungssatz SGG.
Der Begriff der Beschwer hat die gleiche Bedeutung wie im Rechtsmittelrecht (Leipold in
Stein/Jonas, ZPO, Band 4, 22. Auflage 2008, § 321a Rz. 25 zur Parallelvorschrift in der
ZPO). Eine Beschwer liegt danach vor, wenn der Inhalt der Entscheidung für einen
Beteiligten nachteilig ist (s. Eckertz in LPK-SGG, 3. Aufl. 2009, § 178a Rz. 9). Das ist hier
nicht der Fall. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hat ausschließlich für die
verpflichtete Staatskasse einen (unmittelbaren) Nachteil; folgerichtig besteht ein
Beschwerderecht in diesem Fall nur für diese Stelle nach Maßgabe des § 127 Abs. 3 ZPO
(§ 127 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Der Umstand, dass die aufgrund der Bewilligung von Prozesskostenhilfe anwaltlich
vertretene Beteiligte des Hauptsacheverfahrens ihr Rechtsschutzbegehren
möglicherweise besser verfolgen kann als ohne rechtlichen Beistand, stellt für die
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möglicherweise besser verfolgen kann als ohne rechtlichen Beistand, stellt für die
anderen Verfahrensbeteiligten im Hauptsacheverfahren lediglich einen tatsächlichen
Reflex der Bewilligungsentscheidung dar, aber keinen Nachteil im Rechtssinn. Dies gilt im
Sozialgerichtsprozess noch umso mehr, als wegen des Grundsatzes der Amtsermittlung
der Ausgang des Verfahrens nicht vom Vorbringen der Beteiligten oder der Einhaltung
formaler Anforderungen (wie Verfahrensfristen) abhängt.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Bundessozialgericht ausgeschlossen
(§ 177 SGG).
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