Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 27.01.2010

LSG Berlin-Brandenburg: anerkennung, bereitschaftsdienst, versorgung, ärztliche behandlung, wichtiger grund, persönliche eignung, verfügung, vertragsarzt, vorrat, beiladung

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 7.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 7 KA 142/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 121 Abs 1 S 1 SGB 5, § 121
Abs 2 SGB 5, § 18 Abs 1 S 1
KHEntgG, § 38 Abs 1 S 1 BMV-Ä,
§ 39 Abs 2 S 1 BMV-Ä
Vertragsärztliche Versorgung - belegärztliche Leistungen -
Anerkennung als Belegarzt nicht vor Abschluss eines wirksamen
Vertrages zwischen Belegkrankenhaus und Belegarzt
Leitsatz
Eine Anerkennung als Belegarzt kann nicht ohne Vorlage - und somit auch nicht vor
Abschluss - des Vertrages zwischen Krankenhaus und Belegarzt erteilt werden. Andernfalls
würde eine unzulässige Belegarztanerkennung "auf Vorrat" erteilt.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. August
2009 aufgehoben; die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin erstrebt eine Belegarztanerkennung für den bei ihr angestellten
Neurochirurgen Dr. C H.
Dr. H war vom 16. Oktober 2006 bis zum 31. März 2007 als Neurochirurg zur
vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Seit dem 01. April 2007 ist er bei der Klägerin
angestellt. Die Klägerin beantragte am 15. Juni 2007 bei der Beklagten für Dr. H die
Anerkennung als Belegarzt für das Krankenhaus Hklinik in B. Beigefügt war eine
Erklärung dieser Klinik vom 04. Juni 2007, in der sie bescheinigte, Herrn H ab sofort ein
Bett für belegärztliche Tätigkeit zur Verfügung zu stellen. Die Hklinik ist aufgrund des
Bescheides der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz des
Landes Berlin vom 14. Februar 2008 mit 25 Belegbetten der Fachabteilung Orthopädie in
den Landeskrankenhausplan aufgenommen. Die übrigen Fachabteilungen führt sie durch
Belegärzte. Nach dem Bescheid vom 14. Februar 2008 standen im Bereich
Neurochirurgie 9 Betten zur Verfügung.
Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 01. August 2007
(Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2007) ab. Der hiergegen gerichteten Klage
gab das Sozialgericht mit Urteil vom 26. August 2009 statt und verpflichtete die
Beklagte, „der Klägerin die Belegarztanerkennung für den angestellten Arzt Dr. C H in
der Hklinik, G Straße, B, zu erteilen.“ Zur Begründung schloss es sich weitgehend der
Rechtsauffassung des Sozialgerichts Marburg in seinem Urteil vom 30. Januar 2008 (Az.
u.a.: S 12 KA 1079/06) an und führte aus: § 72 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes
Buch (SGB V) sehe eine entsprechende Anwendung des gesamten 4. Kapitels des SGB
V auf medizinische Versorgungszentren (MVZ) vor, sofern nichts Abweichendes
bestimmt sei. Mangels ausdrücklicher abweichender Regelungen in § 121 SGB V bzw. in
§ 38 bis § 41 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) / § 30 bis § 33 Ersatzkassenvertrag-
Ärzte (EKV-Ä) folge hieraus die grundsätzliche Befugnis der MVZ, als Partner eines
Belegarztvertrages aufzutreten. Die Genehmigung nach § 40 Abs. 2 Satz 1 BMV-Ä / § 32
Abs. 2 Satz 1 EKV-Ä bleibe personengebunden, da es auf eine persönliche Eignung
ankomme. Wie die ambulanten Leistungen könnten MVZ die belegärztlichen Leistungen
nur durch die in ihnen tätigen Ärzte erbringen. Auch die Partner der
Bundesmantelverträge hätten die entsprechende Anwendung ihrer Vorschriften für MVZ,
jedoch keine Nichtgeltung der belegärztlichen Vorschriften für MVZ vereinbart. Hierin
liege keine Auslegung über den Wortlaut des Gesetzes hinaus. Eine selbständige
Tätigkeit des den Belegarztvertrag schließenden Arztes sei gegeben, weil die Klägerin,
geleitet durch ihre Geschäftsführung, selbständig an der vertragsärztlichen Versorgung
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geleitet durch ihre Geschäftsführung, selbständig an der vertragsärztlichen Versorgung
teilnehme. Ein MVZ sei auch in der Lage, den erforderlichen Bereitschaftsdienst im
Rahmen der belegärztlichen Tätigkeit vorzuhalten, in dem es seinen belegärztlich tätigen
Mitarbeiten zu der insoweit erforderlichen Tätigkeit anweise. Die in § 39, § 40 BMV-Ä bzw.
§ 31, § 32 EKV-Ä genannten sonstigen Voraussetzungen lägen vor. Weil die Klägerin
demnach einen Anspruch auf Erteilung der Belegarztanerkennung habe, komme es auf
das Einvernehmen der Krankenkassenverbände nicht an.
Gegen dieses ihr am 01. September 2009 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der
Beklagten vom 28. September 2009, zu deren Begründung sie vorträgt: Nach § 121 Abs.
2 SGB V könnten nur Vertragsärzte Belegärzte sein. Der Begriff des Vertragsarztes sei
an dieser Stelle statusbezogen auszulegen, weshalb angestellte Ärzte keine
belegärztliche Tätigkeit ausüben könnten. Aus § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V ergebe sich
nicht, dass für angestellte Ärzte dieselben Regeln gälten wie für Vertragsärzte. Soweit
das SGB V den Begriff „Vertragsarzt“ verwende, sei damit ausschließlich der
Vertragsarzt mit eigenem Zulassungsstatus gemeint und der angestellte Arzt von
vornherein nicht einbezogen. Im Übrigen hätten die Landesverbände der Krankenkassen
und der Ersatzkassenverband zum Verfahren beigeladen werden müssen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. August 2009 aufzuheben und die
Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus: Die
Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung lägen nicht vor, da das Einvernehmen
der Landesverbände der Krankenkassen kein Zustimmungsrecht im Sinne einer
materiellen Anspruchsvoraussetzung darstelle. Dem von der Beklagten behaupteten
„Statusbezug“ würde allenfalls dann nicht entsprochen, wenn die Anerkennung von dem
angestellten Arzt beantragt worden wäre; Antragstellerin sei jedoch die Klägerin als MVZ.
Es liege auf der Hand, dass ein MVZ nur durch die bei ihm tätigen Ärzte an der
Leistungserbringung teilnehmen könne.
Der Senat hat den „Dienstvertrag“ zwischen der Klägerin und Dr. H vom 6. / 23.
September 2009 beigezogen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens
der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die
Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die
angegriffenen Bescheide vom 01. August 2007 und 18. Dezember 2007 aufgehoben,
denn diese erweisen sich im Ergebnis als rechtmäßig.
1.) Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen waren trotz ihres in §
40 Abs. 2 BMV-Ä vorgesehenen Einvernehmens zu einer Belegarztanerkennung nicht
gem. § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendig beizuladen.
Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung
auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann - nur diese erste Alternative des §
75 Abs. 2 SGG kommt im vorliegenden Fall in Betracht -, so sind sie beizuladen. Dies ist
gegeben, wenn die im Rechtsstreit zu erwartende Entscheidung über das streitige
Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtssphäre eines Dritten unmittelbar eingreift,
insbesondere dann, wenn die beklagte Behörde vor ihrer Entscheidung das
Einvernehmen einer anderen Stelle herbeizuführen hat (BSG, SozR 1500 § 75 Nr. 49).
Allerdings soll von einer Beiladung dann abgesehen werden können, wenn im Falle der
Verurteilung der Beklagten das fehlende Einvernehmen durch die gerichtliche
Entscheidung ersetzt wird (SG Stuttgart, MedR 98, 530; SG Marburg, Urteil vom 30.
Januar 2008, Az.: S 12 KA 1079/06, veröffentlicht in Juris). Entbehrlich jedenfalls ist die
Beiladung im Falle einer Klageabweisung - wie hier -, weil durch letztere nicht in die
Rechtssphäre Dritter - hier: der Krankenkassen(-verbände) eingegriffen wird.
2.) Nach § 121 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) wirken die
Vertragsparteien nach § 115 Abs. 1 SGB V - d.h. die Landesverbände der Krankenkassen
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Vertragsparteien nach § 115 Abs. 1 SGB V - d.h. die Landesverbände der Krankenkassen
und die Ersatzkassen, die Kassenärztlichen Vereinigungen und die
Landeskrankenhausgesellschaft bzw. die Vereinigungen der Krankenhausträger im Land
- gemeinsam mit Krankenkassen und zugelassenen Krankenhäusern auf eine
leistungsfähige und wirtschaftliche belegärztliche Behandlung der Versicherten hin.
Belegärzte im Sinne dieses Gesetzbuchs sind nicht am Krankenhaus angestellte
Vertragsärzte, die berechtigt sind, ihre Patienten (Belegpatienten) im Krankenhaus unter
Inanspruchnahme der hierfür bereitgestellten Dienste, Einrichtungen und Mittel
vollstationär oder teilstationär zu behandeln, ohne hierfür vom Krankenhaus eine
Vergütung zu erhalten (§ 121 Abs. 2 SGB V und – nahezu wortgleich - § 18 Abs. 1 Satz 1
Krankenhausentgeltgesetz - KHEntgG). Leistungen des Belegarztes sind gemäß § 18
Abs. 1 Satz 2 KHEntgG
1. seine persönlichen Leistungen,
2. der ärztliche Bereitschaftsdienst für Belegpatienten,
3. die von ihm veranlassten Leistungen nachgeordneter Ärzte des Krankenhauses,
die bei der Behandlung seiner Belegpatienten in demselben Fachgebiet wie der
Belegarzt tätig werden,
4. die von ihm veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten
Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses.
§ 121 Abs. 3 bis 5 SGB V sowie § 18 Abs. 2 und 3 KHEntgG regeln hier nicht relevante
Vergütungsfragen. Weitere Bestimmungen zur Ausgestaltung des Belegarztwesens,
insbesondere der Anerkennung von Belegärzten, finden sich in § 38ff.
Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 30ff. Bundesmantelvertrag -
Ärzte/Ersatzkassen (EKV). § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB V ermächtigt die Vertragspartner
ausdrücklich zur Schaffung der Bundesmantelverträge, welche nach Abs. 1 Satz 2
Bestandteil der Gesamtverträge (§ 83 SGB V) und nach § 95 Abs 3 Satz 2 SGB V für
jeden zugelassenen Vertragsarzt verbindlich sind.
§ 38 bis § 30 BMV-Ä lauten:
§ 38 Stationäre vertragsärztliche (belegärztliche) Behandlung
Stationäre vertragsärztliche Behandlung (belegärztliche Behandlung) liegt vor,
1. wenn und soweit das Krankenhaus gemäß § 108 SGB V zur Krankenbehandlung
zugelassen ist,
2. wenn die Krankenkasse Krankenhausbehandlung oder stationäre Entbindung
gewährt,
3. wenn die stationäre ärztliche Behandlung nach dem zwischen der Krankenkasse
und dem Krankenhaus bestehenden Rechtsverhältnis nicht aus dem Pflegesatz
abzugelten ist und
4. wenn der Vertragsarzt gemäß § 40 als Belegarzt für dieses Krankenhaus
anerkannt ist.
§ 39 Belegärzte
(1) Belegärzte sind nicht am Krankenhaus angestellte Ärzte, die berechtigt sind,
Patienten (Belegpatienten) im Krankenhaus unter Inanspruchnahme der hierfür
bereitgestellten Dienste, Einrichtungen und Mittel vollstationär oder teilstationär zu
behandeln, ohne hierfür vom Krankenhaus eine Vergütung zu erhalten.
(2) Die stationäre Tätigkeit des Vertragsarztes darf nicht das Schwergewicht der
Gesamttätigkeit des Vertragsarztes bilden. Er muss im erforderlichen Maße der
ambulanten Versorgung zur Verfügung stehen.
(3) Die Anerkennung als Belegarzt kann grundsätzlich für nur ein Krankenhaus
ausgesprochen werden.
(4) Als Belegarzt ist nicht geeignet,
1. wer neben seiner ambulanten ärztlichen Tätigkeit eine anderweitige
Nebentätigkeit ausübt, die eine ordnungsgemäße stationäre Versorgung von Patienten
nicht gewährleistet,
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2. ein Arzt, bei dem wegen eines in seiner Person liegenden wichtigen Grundes
die stationäre Versorgung der Patienten nicht gewährleistet ist,
3. ein Arzt, dessen Wohnung und Praxis nicht so nahe am Krankenhaus liegen,
dass die unverzügliche und ordnungsgemäße Versorgung der von ihm ambulant und
stationär zu betreuenden Versicherten gewährleistet ist; hat der Arzt mehrere
Betriebsstätten, gilt dies für die Betriebsstätte, in welcher hauptsächlich die
vertragsärztliche Tätigkeit ausgeübt wird.
(5) Die Belegärzte sind verpflichtet, einen Bereitschaftsdienst für die Belegpatienten
vorzuhalten, für den von den Krankenkassen ein leistungsgerechtes Entgelt zu zahlen ist
(§ 121 Abs. 3 SGB V). Das Nähere regeln die Partner auf Landesebene.
(6) Ärztlicher Bereitschaftsdienst wird wahrgenommen, wenn sich der
bereitschaftsdiensthabende Arzt auf Anordnung des Krankenhauses oder des
Belegarztes außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit im Krankenhaus aufhält, um im
Bedarfsfall auf der (den) Belegabteilung(en) rechtzeitig tätig zu werden.
Die Krankenkassen entgelten die Wahrnehmung dieses Bereitschaftsdienstes, wenn
dem Belegarzt durch seine belegärztliche Tätigkeit Aufwendungen für diesen ärztlichen
Bereitschaftsdienst entstehen.
Der Belegarzt hat - ggf. durch eine Bestätigung des Krankenhausträgers -
gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung nachzuweisen, dass ihm Kosten für den
ärztlichen Bereitschaftsdienst für Belegpatienten entstanden sind. Die Kassenärztliche
Vereinigung unterrichtet hierüber die Krankenkassen.
Der von Belegärzten selbst wahrgenommene Bereitschaftsdienst fällt nicht unter die
vorstehende Regelung. Für einen solchen Bereitschaftsdienst wird kein Entgelt gezahlt.
Dies gilt auch für jegliche Art von Rufbereitschaft des Belegarztes, seines Assistenten
oder von Krankenhausärzten für den Belegarzt.
§ 40 Verfahren zur Anerkennung als Belegarzt
(1) Die Anerkennung als Belegarzt setzt voraus, dass an dem betreffenden
Krankenhaus eine Belegabteilung der entsprechenden Fachrichtung nach Maßgabe der
Gebietsbezeichnung (Schwerpunkt) der Weiterbildungsordnung in Übereinstimmung mit
dem Krankenhausplan oder mit dem Versorgungsvertrag eingerichtet ist und der
Praxissitz des Vertragsarztes im Einzugsbereich dieser Belegabteilung liegt.
(2) Über die Anerkennung als Belegarzt entscheidet die für seinen Niederlassungsort
zuständige Kassenärztliche Vereinigung auf Antrag im Einvernehmen mit allen
Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen. Die Ziele
der Krankenhausplanung sind zu berücksichtigen.
(3) Dem Antrag ist eine Erklärung des Krankenhauses über die Gestattung
belegärztlicher Tätigkeit und die Zahl der zur Verfügung gestellten Betten beizufügen.
Die Erklärung wird den Landesverbänden der Krankenkassen zur Kenntnis gegeben.
(4) Die Anerkennung als Belegarzt endet mit der Beendigung seiner
vertragsärztlichen Zulassung oder mit der Beendigung der Tätigkeit als Belegarzt an
dem Krankenhaus, für welches er anerkannt war. Die Landesverbände der
Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen sind vom Ende der Anerkennung zu
benachrichtigen. Ist ein Ruhen der vertragsärztlichen Zulassung angeordnet, ruht auch
die belegärztliche Tätigkeit.
(5) Die Anerkennung als Belegarzt ist durch die Kassenärztliche Vereinigung
zurückzunehmen oder zu widerrufen, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr
vorliegen. Die Kassenärztliche Vereinigung kann die Anerkennung außerdem widerrufen,
wenn entweder in der Person des Vertragsarztes ein wichtiger Grund vorliegt oder der
Vertragsarzt seine Pflichten gröblich verletzt hat, so dass er für die weitere
belegärztliche Tätigkeit ungeeignet ist. Die Entscheidung der Kassenärztlichen
Vereinigung ist dem Vertragsarzt und den Landesverbänden der Krankenkassen und
den Verbänden der Ersatzkassen mitzuteilen.
(6) Der Widerruf der Anerkennung kann auch von den Landesverbänden der
Krankenkassen bei der Kassenärztlichen Vereinigung beantragt werden.
§ 30 bis § 32 EKV enthalten im Wesentlichen gleich lautende Regelungen.
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3.) Diese Regelungen stehen einer Belegarztanerkennung der Klägerin im Ergebnis
entgegen. Denn ohne Vertrag zwischen Dr. H und dem Krankenhaus Hklinik kann über
eine Anerkennung als Belegarzt (§ 38 Abs. 1 Satz 1 BMV-Ä) nicht entschieden werden.
Allerdings enthalten die das Belegarztwesen betreffenden Bestimmungen der
Bundesmantelverträge keine ausdrückliche Regelung, dass die Anerkennung als
Belegarzt den Abschluss eines (wirksamen) Vertrages zwischen Belegkrankenhaus und
Belegarzt voraussetzt. Dieses Erfordernis ergibt sich nach Auffassung des Senats jedoch
aus dem Regelungsgefüge. Denn zum einen lassen sich essentielle Voraussetzungen für
eine Anerkennung als Belegarzt ohne Belegarztvertrag nicht beurteilen (hierzu unter a).
Zum anderen bestehen nicht unerhebliche Missbrauchsmöglichkeiten, deren zumindest
teilweise Verhinderung ohne Belegarztvertrag nicht zu bewerkstelligen ist (hierzu unter
b).
a) Der konkrete Inhalte der belegärztlichen Tätigkeit ergibt sich erst und ausschließlich
aus dem Belegarztvertrag zwischen Krankenhaus und dem an der vertragsärztlichen
Versorgung teilnehmenden Arzt. In welchem Umfang und unter welchen Bedingungen
das Krankenhaus dem Belegarzt Belegbetten zur Verfügung stellt, unterliegt ebenso der
- weitgehend freien - vertraglichen Vereinbarung wie die Art und der Umfang der vom
Belegarzt zu erbringenden Leistungen. Ob und ggf. in welchem Umfang beispielsweise
auch konsiliarärztliche Aufgaben vom Belegarzt übernommen werden, bedarf einer
vertraglichen Regelung. Erst wenn die KV anhand des konkreten Belegarztvertrages den
Gesamtumfang der vom Arzt übernommenen Pflichten überblickt, kann sie beurteilen,
ob die stationäre (belegärztliche) Tätigkeit tatsächlich nicht das Schwergewicht der
Gesamttätigkeit des Vertragsarztes (§ 39 Abs. 2 Satz 1 BMV-Ä) bildet. Dem kann nicht
entgegengehalten werden, bereits die Bescheinigung des Belegkrankenhauses über die
beabsichtigte Zahl der von ihm zur Verfügung gestellten Betten beschreiben den
Umfang der stationären Tätigkeit des Vertragsarztes hinreichend genau. Einer solchen
Bescheinigung kommt im Verhältnis Krankenhaus-Belegarzt allenfalls insofern
verbindliche Wirkung zu, als das Krankenhaus dem Belegarzt den Abschluss eines
Belegarztvertrages nicht mehr verweigern darf. Die Parteien des Belegarztvertrages
wären jedoch vertragsrechtlich nicht gehindert, sich auf eine wesentlich höhere
Bettenzahl zu einigen, sodass ggf. fraglich sein könnte, ob der Belegarzt seinen
(unveränderten) vertragsärztlichen Verpflichtungen noch in ausreichendem Maße
nachkommen kann.
b) Die Pflicht zur Vorlage des Belegarztvertrages eröffnet der Kassenärztlichen
Vereinigung (KV) aber auch wesentlich größere Möglichkeiten, Missbräuchen
entgegenzuwirken. Wie anfällig das Belegarztwesen für Missbräuche ist, offenbart der
Sachverhalt, der einer weiteren Entscheidung des Senat vom selben Tag zugrunde lag
(Beschluss vom 27. Januar 2010, Az.: L 7 KA 139/09 B ER, zur Veröffentlichung in Juris
vorgesehen): dort ergab sich nur aus dem Belegarztvertrag, dass die Belegärztin - eine
Augenärztin - auf Verlangen des Krankenhauses auf ihrem Fachgebiet im Rahmen
„konsiliarischer“ Tätigkeit u.a. Operationen stationärer Patienten anderer Abteilungen
durchführen sollte, obwohl das Krankenhaus über keine augenärztliche Planabteilung
verfügte. Die OP-Tätigkeit der Belegärztin hätte somit zur Umgehung der
Krankenhausplanung geführt, eine Anerkennung als Belegärztin hätte wegen § 40 Abs. 2
Satz 2 BMV-Ä nicht erfolgen dürfen. Ohne Vorlage des Belegarzt-Vertrages wäre dieser
Missbrauch weder der KV noch den Krankenkassen, deren Einvernehmen für die
Anerkennung als Belegarzt herzustellen ist (§ 40 Abs. 2 Satz 1 BMV-Ä), bekannt
geworden. Auch weiteren in der Rechtsprechung bereits angesprochene
Missbrauchsmöglichkeiten - etwa wenn ein Krankenhausträger an den Belegarzt
Anforderungen in Bezug auf den zeitlichen Umfang der belegärztlichen Tätigkeit, an die
Präsenz des Belegarztes im Krankenhaus und an die Verzahnung von stationärer und
ambulanter Behandlungstätigkeit stellt, die mit der Vorrangregelung in § 39 Abs. 2 Satz
1 BMV-Ä kollidieren oder wenn der Krankenhausträger sich im Belegarztvertrag von den
Vertragspartnern weitgehende Zusatzleistungen - wie etwa eine Teilnahme am
Hintergrunddienst für stationäre Patienten - ausbedungen hat, die dem Aufgabenfeld
des Krankenhauses zuzurechnen sind und von dem abweichen, was typischerweise dem
belegärztlichen Tätigkeitsbereich entspricht (BSG, Urteile vom 2. September 2009, Az.:
B 6 KA 27/08 R und B 6 KA 44/08 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.) - lässt sich durch die
Pflicht zur Vorlage des Belegarztvertrages wirkungsvoll vorbeugen.
Im Übrigen stellte eine Anerkennung als Belegarzt ohne wirksamen Belegarztvertrag
eine Anerkennung auf Vorrat dar. Statusentscheidungen auf Vorrat, die offen lassen,
wann von der Begünstigung Gebrauch gemacht werden soll, sind jedoch ebenso
missbräuchlich wie Statusentscheidungen vorbereitende Anträge auf Vorrat (hierzu:
BSG, SozR 3-5520 § 25 Nr. 5; zur Unzulässigkeit sonstiger behördlicher Entscheidungen
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BSG, SozR 3-5520 § 25 Nr. 5; zur Unzulässigkeit sonstiger behördlicher Entscheidungen
„auf Vorrat“: VG Gießen, Urteil vom 31. März 2008, Az.: 1 K 99/08 - zu einer
vorbeugenden bauaufsichtsbehördlichen Verfügung -; OVG Schleswig-Holstein, NordÖR
2007, 452 - zum Sofortvollzug einer Bodenabbaugenehmigung -; VG Minden, Beschluss
vom 04. September 2000, Az.: 11 L 1135/00.A, veröffentlicht in Juris (nur Leitsätze) - zu
einer Abschiebungsandrohung).
4.) Auf die zwischen den Beteiligten in erster Linie streitige Frage, ob bei einem MVZ
angestellte Ärzte als Belegärzte anerkannt werden können, kommt es somit nicht an.
5.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. SGG i.V.m. § 154
Abs. 1 VwGO und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1
SGG).
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