Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 19.11.2008

LSG Berlin-Brandenburg: grobe fahrlässigkeit, abrechnung, erstellung, richtigstellung, vertragsarzt, behandlung, unrichtigkeit, patient, konzentration, beweismittel

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
24. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 24 KA 12/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 82 Abs 1 SGB 5, § 83 Abs 1
SGB 5 vom 21.12.1992, § 83
Abs 3 SGB 5 vom 20.12.1988, §
106 SGB 5, § 45 Abs 2 S 1 BMV-
Ä vom 19.12.1994
Kassenärztliche Vereinigung - Zweck der Plausibilitätskontrolle -
Tagesprofile als geeignetes Beweismittel - Bedenken gegen
Annahme einer sicheren Unplausibilität
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 19. November 2008 und der
Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2001 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 09. Mai 2003 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht ein Honorarkürzungsbescheid aufgrund einer Plausibilitätsprüfung für das
Quartal II/1997 in Höhe von 20.957,31 Euro.
Der Kläger ist seit dem 01. Januar 1991 als Praktischer Arzt in K zur vertragsärztlichen
Versorgung zugelassen. Die Beklagte setzte mit Honorarbescheid vom 30. Oktober
.
Nach Einführung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche
Leistungen (EBM) in der ab dem 01. Januar 1996 geltenden Fassung, mit dem
hausärztliche Gesprächsleistungen besser vergütet wurden und infolgedessen starke
Leistungsausweitungen festzustellen waren, nahm die Beklagte auch verstärkt
Plausibilitätsprüfungen der Honorarabrechnungen vor.
Beim Kläger wurde zunächst jedoch eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchgeführt. Der
Beschwerdeausschuss bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg kürzte mit
Regressbescheid vom 25. November 1998, dem Kläger am 08. April 1999 zugestellt, die
Sparte Besuche/Visiten um 35 Prozent und die Wegegebühren ebenfalls um 35 Prozent.
Das Honorar wurde um 23.834,45 DM gekürzt (GA L 7 KA 43/01, Bl. 33). Die hiergegen
gerichtete Klage wies das Sozialgericht Potsdam (SG) mit Urteil vom 17. Oktober 2001
(Aktenzeichen S 1 KA 108/99) ab. Über die dagegen eingelegte Berufung (Aktenzeichen
LSG Berlin-Brandenburg, L 7 KA 43/01*25) ist noch nicht entschieden, das Verfahren
ruht im Hinblick auf den hiesigen Rechtsstreit.
Die Beklagte prüfte anhand von Zeitschienen die Abrechnungen der Quartale III und
IV/1996 sowie I und II/1997 auf Plausibilität und gelangte zu dem Ergebnis, dass die sich
ergebenden Behandlungszeiten bereits unter Berücksichtigung nur tagesbezogener
Gebührennummern (GNR) unplausibel gewesen seien. Auf die Tabelle mit Beispielsfällen
im Anhörungsschreiben vom 18. Februar 2000 wird verwiesen.
Sie hob mit Aufhebungsbescheid vom 11. Oktober 2001 u. a. den Honorarbescheid für
das Quartal II/1997 auf und setzte das Honorar auf nur noch 78.259,45 DM fest.
Gleichzeitig forderte sie für dieses Quartal die Differenz in Höhe von 40.988,94 DM
zurück. Weiter heißt es in dem Bescheid, der Rückforderungsbetrag, werde infolge der
Beachtung des Ergebnisses des Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahrens für das Quartal
II/1997 um 23.834,45 DM reduziert.
Rechtsgrundlage der Neufestsetzung seien § 45 Abs. 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag –
Ärzte (BMV-Ä) und § 34 Abs. 4 Sätze 1 und 2 Arzt-/Ersatzkassen-Vertrag (EKV). Danach
sei die Beklagte berechtigt, Abrechnungen des Vertragsarztes rechnerisch und
hinsichtlich der ordnungsgemäßen Anwendung der Gebührenordnung richtig zu stellen.
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Der Vertragsarzt habe nach den genannten Verträgen zu bestätigen, dass er die
abgerechneten Leistungen persönlich erbracht habe und die Abrechnung sachlich richtig
sei. Darin liege eine eigenständige Voraussetzung für die Entstehung des Anspruches
eines Vertragsarztes auf Vergütung. Mit der Sammelabrechnung garantiere der
Vertragsarzt, dass die Angaben auf den von ihm eingereichten Behandlungsausweisen
bzw. Datenträgern zuträfen. Diese Garantiewirkung entfalle, wenn sich diese als falsch
erweise, weil abgerechnete Leistungen nicht oder nicht ordnungsgemäß erbracht worden
seien. Wenn die Garantiefunktion entfallen sei, sei der auf der Bestätigung
ordnungsgemäßer Abrechnung beruhende Honorarbescheid rechtswidrig, die
Kassenärztliche Vereinigung sei berechtigt, ihn aufzuheben (Bezugnahme auf BSG,
Urteil vom 30.08.2000 – B 6 KA 16/99 R – BSGE 86, 30 ff.; Urteil vom 17.09.1997 – 6 RKa
86/95).
Hier belegten die Tagesschienen die Fehlerhaftigkeit der Abrechnung. Es ergäben sich
bei den beispielhaft erfassten Tagen Behandlungszeiten von bis zu 17 Stunden und 38
Minuten bzw. 20 Stunden und 14 Minuten mit Notfalldienst. Auch bei Berücksichtigung
nur tagesbezogener Gebührennummern hätten sich zahlreiche Tage mit mehr als 12
Stunden Behandlungszeit gefunden.
Die Neufestsetzung des Honorars orientiere sich am Honorardurchschnitt der
Fachgruppe.
Der Kläger erhob Widerspruch. Es gäbe keine signifikanten Zeitüberschreitungen, die
einen Verstoß gegen das Gebot der vollständigen und ordnungsgemäßen
Leistungserbringung begründeten. Die Beklagte habe im Rahmen der Quartalsprofile nur
auffällige 18 Tage aufgeführt. Obgleich von einer Inplausibilität anhand der Erstellung von
Tagesprofilen erst bei Behandlungszeiten von durchschnittlich 13 Stunden ausgegangen
werden könne, enthalte die Tabelle zahlreiche Tage mit Stundenzahlen unter 13
Stunden.
Die Beklagte wies diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09. Mai 2003
zurück. Nach den quartals- und tagesbezogenen Zeitprofilen habe der Kläger im Quartal
II/1997 insgesamt 783 Stunden und 43 Minuten gearbeitet, wobei 17 Tage mit mehr als
12 Stunden täglicher Arbeitszeit ermittelt worden seien. Die Zeitangaben zum
Arbeitsaufwand der Erbringung ärztlicher Leistungen seien vom Vorstand beschlossen
und festgelegt worden. Die Ordinationsgebühr GNR 1 sei nur bei unmittelbarem
persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt einmal pro Behandlungsfall berechnungsfähig. Mit
ihr seien alle Leistungen abgegolten, die im Anhang zum EBM als nicht gesondert
abrechnungsfähige Leistungen aufgeführt seien. Es könne von einer Komplexleistung
ausgegangen werden, die sich über das gesamte Quartal erstrecke. Da der Arzt jedoch
eine gewisse Zeit zur Behandlung der Patienten investieren müsse, sei analog zur
Zeitvorgabe der Konsultationsgebühr GNR 2 von einem Maximalwert von 2 Minuten
ausgegangen worden. Soweit der Kläger meine, den Zeitwert der Leistung nach GNR 1
durch alle 60 Quartalsarbeitstage dividieren zu können, sei dies unlogisch, da man
davon ausgehen könne, dass viele Patienten den Arzt nur einmal und nur wenige
Patienten öfter als viermal pro Quartal aufsuchten.
Hiergegen hat sich die Klage vor dem Sozialgericht Potsdam (SG) gerichtet. Die
Tagesprofile seien falsch ermittelt. Die Beklagte dürfe zwar die von ihrem Vorstand
festgelegten Zeitschienen zugrunde legen. Es sei ferner auch vor dem Hintergrund der
einschlägigen Grundrechte nicht ersichtlich, weshalb im vorliegenden Fall hinsichtlich der
Tagesprofile vor dem Hintergrund der Einführung des EBM 2000 Plus und dessen faktisch
vereinheitlichten Bemessungsgrößen nicht die von der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung ermittelten Werte zugrunde gelegt werden könnten. Unter
Zugrundelegung der Zeitschiene der KBV seien die Abrechnungen unauffällig, weil die
tägliche Behandlungszeit durchgehend unter 12 Stunden geblieben sei.
Auch habe die Beklagte keine Richtigstellung vorgenommen. Das Ergebnis der
Honorarneufestsetzung entspreche vielmehr einer verdeckten Wirtschaftlichkeitsprüfung
nach Durchschnittswerten gemäß § 106 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Das
(echte) Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren (im ruhenden Rechtsstreit L 7 KA 43/01*25)
hätte nicht stattfinden dürfen, bevor das hier streitgegenständliche
Richtigstellungsverfahren abgeschlossen gewesen wäre. Die Beklagte habe zudem
rechtswidrig eine Verrechnung vorgenommen.
Bei der sachlich-rechnerischen Richtigstellung trage grundsätzlich die Kassenärztliche
Vereinigung die Beweislast (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 08.03.2000 – B 6 KA
16/99). Dabei komme der Plausibilitätsprüfung nur der Charakter eines
Aufgreifkriteriums zu. Keinesfalls dürften Sanktionen auf lediglich statistische
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Aufgreifkriteriums zu. Keinesfalls dürften Sanktionen auf lediglich statistische
Vermutungen gestützt werden. Der Nachweis der Inplausibilität setze eine korrekte
Ermittlung voraus. Eine solche werde bestritten
Selbst wenn man das Zahlenmaterial der Beklagten als richtig unterstelle, trügen sie
nicht den Nachweis der Inplausibilität. Soweit die Rechtsprechung darauf abgestellt habe,
dass der Vertragsarzt die abgerechneten Leistungen unmöglich ordnungsgemäß habe
erbringen können, hätten weitaus höhere tagesbezogenen Arbeitszeiten durchgehend
vorgelegen. Er verfüge über ein eingespieltes großes Praxisteam. In der Praxis des
Klägers bestehe ein gut organisierter und bereits seit langer Zeit eingespielter
Praxisablauf. Arbeitsanweisungen könnten sich auf die wesentlichen Inhalte
beschränken. Bescheinigungen, Telefonate etc. würden im Wesentlichen ebenfalls vom
Praxispersonal übernommen. Die Erstellung von Befundberichte könne an
entsprechenden Tagen mit Spitzenbelastungen verschoben werden. Die Praxis verfüge
über drei separate Behandlungskabinen sowie ein weiteres separates
Behandlungszimmer. In vielen Fällen - gerade auch bei langjährigen Patienten - auch mit
chronischen Beschwerden, beschränkten sich viele Behandlungsgespräche auf das
Ausstellen von Wiederholungsrezepten sowie eine kurze Kontrolltätigkeit. Darüber hinaus
erfolgten Überweisungen und/oder Einweisungen, welche ebenfalls zeitlich kaum ins
Gewicht fielen und zudem vom Praxispersonal vorbereitet werden könnten. Auch bei
nicht delegationsfähigen Leistungen könne das Praxispersonal helfend und zeitsparend
tätig werden. An Tagen einer spitzenmäßigen Arbeitsbelastung seien keine
Praxisorganisationsgespräche, Personalmaßnahmen und ähnliche Tätigkeiten
durchgeführt worden. Terminabsprachen würden vom Sekretariat vorgenommen. Die
Dokumentation könne in Spitzenzeiten möglicherweise nicht stets sofort am
Behandlungstag erfolgen.
Der Zeitaufwand für die insgesamt lediglich sechs Privatpatienten sei marginal. Diese
würden nicht zeitintensiver behandelt als Kassenpatienten. Leistungen aus
Berufsgenossenschaftsbehandlungen oder Unfallversicherungsträgern seien ganz
überwiegend vernachlässigbar.
Die Beklagte übersehe weiter, dass die Praxis keine Bestellpraxis sei. Einerseits gebe es
deshalb zwar ein deutliches Ausmaß von Spitzenbelastungszeiten. Dem stünden
andererseits aber auch Leistungstäler gegenüber.
Die Unrichtigkeit der Abrechnungs-Sammelerklärung müsse jedenfalls auf zumindest
grobe Fahrlässigkeit beruhen, wovon die Beklagte rechtsfehlerhaft ausgehe. Die hierfür
nämlich erforderliche „jedem einleuchtende Offensichtlichkeit“ läge jedenfalls nicht vor.
Der Kläger hat im Schriftsatz vom 03. November 2006 seinen Arbeitstag am 02. April
1997 geschildert. Auf den Schriftsatz wird ergänzend Bezug genommen.
Weiter wird auf die klägerischen Tabellen im Schriftsatz vom 13. Dezember 2006 und auf
Anlagen mit der Aufstellung, welche Patienten am 02. April 1997 und am 09. Juni 1997
behandelt wurden und welche EBM-Ziffern abgerechnet wurden, verwiesen.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 25. August 2003 die Klage hinsichtlich der
Honorarabrechnungen III/1996 bis I/1997 anerkannt und die Berichtigungen in Höhe von
153.240,05 DM (78.350,39 Euro) aufgehoben.
Sie hat ausgeführt, der Kläger könne sich bei der Verwendung von Zeitschienen nicht die
für ihn günstigsten Mindestdurchschnittszeiten der unterschiedlichen Kassenärztlichen
Vereinigungen zu Eigen machen. Dies widerspreche der Beurteilungskompetenz der
einzelnen Kassenärztlichen Vereinigung. Im Übrigen ergäben die Gesamtarbeitszeiten
zwar ein Auffälligkeitskriterium, seien jedoch nicht alleine die Nachweisgrundlage für eine
falsche Abrechnung. Die Fehlerhaftigkeit der Abrechnung werde jedoch an dem
kontinuierlichen Umfang der von ihm abgerechneten nach dem EBM zeitgebundenen
Leistungen deutlich. Allein für diese ergäbe sich an den genannten Stichtagen
Behandlungszeiten zwischen 6 Stunden 30 Minuten und 8 Stunden 49 Minuten (auf die
Tabelle Seite 3 des Schriftsatzes wird ergänzend verwiesen). Beispielsweise habe er am
02. April 1997 59 Patienten behandelt. Nach den abgerechneten mit Zeitvorgaben
verbundenen Gebührennummern des EBM habe er für 19 Patienten mindestens einen
Zeitaufwand von 8 Stunden und 49 Minuten gehabt, ohne dass er einen weiteren
Patienten gesehen oder untersucht habe. Es sei ferner zu berücksichtigen, dass der
Kläger an diesem Tag auch noch vier Hausbesuche und vier Mitbesuche durchgeführt
habe, die jeweils mindestens je 10 Minuten gedauert hätten. Unter Einbeziehung dieser
Hausbesuche ergebe sich bereits ein Zeitaufwand von 10 Stunden und 9 Minuten, ohne
dass er zu den weiteren 27 Patienten überhaupt Kontakt gehabt habe. Berücksichtige
man ferner, dass in den dargelegten Behandlungszeiten alle weiteren notwendigen
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man ferner, dass in den dargelegten Behandlungszeiten alle weiteren notwendigen
Arbeiten des Klägers (also sonstige Betreuungsleistungen, die nicht zeitbewertet sind,
die Behandlung von Privatpatienten, die Praxisorganisation und Terminabsprachen, die
berufsrechtlich und vertragsarztrechtlich vorgeschriebene Dokumentation der
erbrachten Leistungen und Befunde, die Anweisungen an das Hilfspersonal, das
Ausfüllen von Bescheinigungen, die Erstellung von Befundberichten, Telefonaten und
Konsultation, Leistungen aus Berufsgenossenschaftsbehandlungen und
Unfallversicherungsträgern) und beachte, dass es sich bei den Zeiten um Mindestzeiten
gehandelt habe, könne man nur zu der Schlussfolgerung gelangen, dass die
Leistungslegenden des EBM nicht erfüllt worden sein könnten.
Beim 02. April 1997 habe es sich auch nicht um einen Tag mit Ausnahmecharakter
gehandelt. Die Tabelle verdeutliche, dass der Kläger regelmäßig zeitbewertete EBM-
Leistungen in dem dargestellten Umfang abgerechnet habe. Es sei der Schluss
gerechtfertigt, dass dieser in grob fahrlässiger Weise Leistungen in die Abrechnungen
eingetragen habe, deren Leistungsinhalte zumindest nicht vollständig erbracht worden
sein könnten.
Dass der Kläger am 02. April 1997 59 Patienten abgerechnet habe, sei der Summe der
zu den EBM-Gebührennummern 1 M, 1 R und 2 angegebenen Zahlen zu entnehmen.
Der Kläger habe für den 02. April 1997 eine Sprechstundenzeit von neun Stunden
angegeben. Nach seiner eigenen Darstellung seien davon 7 Stunden und 10 Minuten für
15 Patientengespräche aufgewandt worden. Er hätte demnach noch eine Stunde und 50
Minuten für die verbleibenden Patienten (64 Patienten minus 15 Gesprächspatienten
minus 8 Hausbesuchspatienten), demnach pro Patient nur 2 Minuten und 41 Sekunden
zur Verfügung gehabt. Für den 09. Juni 1997 wären für 61 Patienten noch 2 Stunden und
15 Minuten verblieben, pro Patient also 2 Minuten und 13 Sekunden. Es müsse allerdings
noch berücksichtigt werden, dass die Gesprächspatienten nicht nur die veranschlagten
Mindestzeiten in Anspruch genommen haben dürften. Die Zeit für Diagnostik und
Therapie sei nämlich in den Gesprächsnummern nicht enthalten. Es dürfe auch nicht
davon ausgegangen werden, dass der Arzt nach Erreichen der vorgesehenen
Mindestdauer das Gespräch sofort abbrechen könne Zu berücksichtigen sei schließlich,
dass auch andere Patienten zeitintensive Behandlungsleistungen in Anspruch
genommen hätten. So sei beispielsweise am 09. Juni 1997 eine Leistung nach der
Gebührennummer 149 EBM abgerechnet worden (Früherkennung von Krankheiten bei
Kindern). Für eine solche Untersuchung sei ein Zeitlimit von 15 Minuten kalkuliert. Auch
müssten die Privatpatienten berücksichtigt werden, die jedenfalls einen Teil der
Sprechstundenzeit des Vertragsarztes blockierten. Alle Gesichtspunkte insgesamt ließen
nur den Schluss zu, dass die vom Kläger abgerechneten Gesprächsleistungen nicht
leistungslegendengerecht erbracht worden sein könnten. Folge man der Argumentation
des Klägers, müssten alle Nichtgesprächspatienten nur oberflächlich behandelt worden
sein. Dies sei alleine schon wegen des Rentneranteils schlichtweg unglaubhaft.
Im Erörterungstermin am 19. September 2007 hat der Kläger das Anerkenntnis der
Beklagten angenommen. In dem Termin sind die Tageslisten (mit den einzelnen
abgerechneten Leistungen) für die Tage 02. April 1997 und 09. Juli 1997 eingereicht
worden, auf die ergänzend verwiesen wird.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19. November 2008 abgewiesen.
Die Beklagte habe die vom Kläger abgegebene Abrechnungen für das Quartal II/1997 zu
Recht als unrichtig angesehen und das Honorar auf den Fachgruppendurchschnitt
schätzend gekürzt. Es sei keine unzulässige Doppelprüfung des Klägers erfolgt. Richtig
sei lediglich, dass die sachlich-rechnerische Richtigstellung Vorrang vor der
Wirtschaftlichkeitsprüfung habe. Nach Auswertung der Tagesprofile des Klägers für den
02. April 1997 und den 09. Juni 1997, die hier geeignet seien zur Feststellung, ob
abgerechnete Leistungen vollständig erbracht worden seien, sei eine vollständige
persönliche Erbringung durch den Kläger nicht mehr plausibel.
Zur Überzeugung der Kammer habe der Kläger die Inplausibilität nicht widerlegen
können. Am 02. April habe der Kläger bereits für die Gesprächspatienten und die
Hausbesuche mindestens einen zeitlichen Aufwand von 7 Stunden und 30 Minuten
gehabt. Am 09. Juni 1997 ergäben die 15 Patienten und die Zeit für die Hausbesuche
knapp 11 Stunden. Für die weiteren fast ca. 60 Patienten sei damit kaum noch Zeit
verblieben, wobei der Kläger an diesem Tag u. a. auch noch fünfmal die Nr. 8911
(Vorsorgeuntersuchung) abgerechnet habe. Nur unter Einbeziehung der
Gesprächsleistungen und Hausbesuche ergebe sich somit auch ohne Berücksichtigung
der weiteren vom Kläger mit und ohne Zeitvorgabe abgerechneten Leistungen eine
tägliche Arbeitszeit, die nicht plausibel erscheine. Auch bei der Unterstellung eines
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tägliche Arbeitszeit, die nicht plausibel erscheine. Auch bei der Unterstellung eines
routiniert zügig arbeitenden Arztes sei es ausgeschlossen, dass die Leistungen nach den
genannten Gebührennummern in vollem Umfang ordnungsgemäß erbracht worden
seien. Zum einen erforderten bereits die Gespräche eine hohe Konzentration des
Arztes. Zum anderen sei bei Berücksichtigung von notwendigen Wegezeiten nicht
schlüssig nachvollziehbar, wie und wann nach über acht bzw. neun Stunden Tätigkeit in
der Praxis noch die vom Kläger abgerechneten Hausbesuche durchgeführt worden sein
können. Damit entfalle die Garantiefunktion der Abrechnungssammelerklärung. Das
BSG halte in einem solchen Fall bei mindestens grober Fahrlässigkeit eine hohe
Honorarkürzung für zulässig (Bezugnahme auf BSG, SozR 3-5550 § 35 Nr. 1). Grobe
Fahrlässigkeit sei beim Kläger zu bejahen, da sich die festgestellten Abrechnungsfehler
nicht nur auf einen Tag oder auf eine Rechnungsnummer beschränkten. Dem seit Jahren
als Vertragsarzt tätigen Kläger habe bei der Abrechnung klar sein müssen, dass für die
Gesprächsleistungen eine Mindestzeit vorgegeben sei und eine Abrechnung nur erfolgen
könne, wenn diese eingehalten sei. Beides gelte für die Abrechnung der
Gebührennummer 40 mit 30 Minuten. Ein schlichtes Versehen scheide aus.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Das SG habe sich weder mit dem von
ihm vorgelegten Patientenlisten noch mit seinen Berechnungen auseinandergesetzt. Er
hat im Übrigen sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Er hat nochmals
darauf hingewiesen, dass die beanstandeten Spitzen auf Tage gefallen seien, die im
Quartalsanfang lägen. Es komme dort vermehrt zu Erstkontakten, die sich in einer
Vielzahl von Fällen auf Wiederholungsrezepte, Ausstellen von Überweisungen und
ähnliche Kontroll- und Routineinhalte beschränke.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 19. November 2008 sowie den
Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 09. Mai 2003 aufzuheben, soweit er nicht bereits vom Anerkenntnis der Beklagten
vom 25. August 2003 erfasst worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Es fänden sich im gesamten Quartal auffällige
Behandlungszeiten, nicht nur am Anfang.
Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze und Unterlagen wird ergänzend
Bezug genommen. Der Verwaltungsvorgang der Beklagten hat vorgelegen und war
Gegenstand der Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat Erfolg. Der Bescheid vom 11. Oktober 2001 ist, soweit er noch nicht
von der Beklagten aufgehoben worden ist, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen
Rechten.
1.) Die Beklagte war zwar grundsätzlich zu der durchgeführte Plausibilitätsprüfung auch
ohne eine zu diesem Zeitpunkt bestehende gesamtvertragliche Vereinbarung
berechtigt. Es kann jedoch nicht mit der gebotenen Sicherheit davon ausgegangen
werden, dass die tatsächlich vom Kläger vorgenommene Abrechnung unplausibel ist.
Die Berechtigung der Beklagten, die Honorarabrechnungen der Vertragsärzte auf
sachliche und rechnerische Richtigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls die
Honorarabrechnung zu berichtigen, ergab sich aus § 45 Abs. 2 Satz 1 BMV-Ä in der seit
1. Januar 1995 geltenden und § 34 Abs. 4 Satz 2 EKV-Ä in der seit 1. Juli 1994 geltenden
Fassung, die auf der Grundlage des § 83 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V
– (in der Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I
2477) vereinbart, dann auf der Grundlage des § 83 Abs. 1 SGB V (in der Fassung
Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl. I 2266) geändert
worden sind. Nach den im Primär- und Ersatzkassenbereich im Wesentlichen gleich
lautenden Regelungen obliegt den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) die Prüfung
der von den Vertragsärzten eingereichten Abrechnungen ihrer vertragsärztlichen
Leistungen hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Die Vorschriften gestatten
es der Beklagten, dem Kläger aufgrund nicht ordnungsgemäßer Honorarabrechnung zu
Unrecht erteilte Honorarbescheide ohne Beachtung weiterer Voraussetzungen
aufzuheben und den materiell-rechtlich richtigen Zustand herzustellen. Die
Plausibilitätskontrolle ist dabei kein eigenständiges Prüfverfahren neben der
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Plausibilitätskontrolle ist dabei kein eigenständiges Prüfverfahren neben der
Wirtschaftlichkeitsprüfung und der sachlich-rechnerischen Richtigstellung nach § 106
SGB V, sondern dient der Aufdeckung von Abrechnungsfehlern und unwirtschaftlicher
Leistungserbringung (vgl. BSG SozR 3-2500 § 83 Nr. 1).
Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstreckt sich auf die
Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß – somit ohne Verstoß gegen
gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des
Wirtschaftlichkeitsgebotes – erbracht worden sind. Solche Verstöße können z. B. darin
liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur
Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des
Fachgebietes erbracht worden sind (vgl. BSG SozR 3-2500 § 75 Nr. 10 m.w.N.). Zur
Feststellung, ob abgerechnete Leistungen vollständig erbracht worden sind, ist es
zulässig, Tagesprofile zu verwenden (vgl. BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 4; SozR 3-2500 § 83
Nr. 1). Tagesprofile sind ein geeignetes Beweismittel, um einem Arzt unkorrekte
Abrechnungen nachweisen zu können. Die Beweisführung mit Tagesprofilen ist dem
Indizienbeweis zuzuordnen. Für ihre Erstellung sind bestimmte Anforderungen
erforderlich. Für die Ermittlung der Gesamtbehandlungszeit des Arztes an einem Tag
dürfen nur solche Leistungen in die Untersuchung einbezogen werden, die ein
Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzen. Delegationsfähige Leistungen haben außer
Betracht zu bleiben. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die für die einzelnen ärztlichen
Leistungen zugrunde zu legenden Durchschnittszeiten so bemessen sein müssen, dass
ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in
kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen kann. Der
Qualifizierung als Durchschnittszeit entspricht es, dass es sich hierbei nicht um die
Festlegung absoluter Mindestzeiten handelt, sondern um eine Zeitvorgabe, die im
Einzelfall durchaus unterschritten werden kann. Die Durchschnittszeit stellt sich aber bei
einer ordnungsgemäßen und vollständigen Leistungserbringung als der statistische
Mittelwert dar.
Bei der Erstellung von Tagesprofilen ist zudem zu beachten, dass bestimmte Leistungen
nebeneinander berechnungsfähig sind, der zu berücksichtigende Zeitaufwand in diesen
Fällen also nicht für jede Leistung angesetzt werden darf. Tagesprofile sollen für einen
durchgehenden längeren Zeitraum – bspw. für ein Abrechnungsquartal – erstellt werden
(BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 4), jedoch genügt als Nachweis für eine Falschabrechnung
des Quartals bereits ein beliebiger falsch abgerechneter Tag (BSG SozR 3-2500 § 83 Nr.
1).
Sind Tagesprofile unter Beachtung dieser Kriterien erstellt worden, ist es rechtlich
unbedenklich, aus ihnen bei entsprechenden Ergebnissen im Wege des Indizienbeweises
auf die Abrechnung nicht oder nicht ordnungsgemäß erbrachter Leistungen durch einen
Arzt zu schließen. Ergibt sich in einem Tagesprofil eine tägliche Gesamtarbeitszeit, die
der Arzt unmöglich geleistet haben kann, so ist die Schlussfolgerung gerechtfertigt, er
könne nicht alle abgerechneten Leistungen vollständig erbracht haben. Da nicht bzw.
nicht in vollem Umfang erbrachte Leistungen nicht berechnungsfähig sind (Allgemeine
Bestimmungen A I S. 1 EBM), können sie im Wege der sachlich-rechnerischen
Berichtigung gestrichen werden (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. November
2002, L 5 KA 4454/00). Nur die in Plausibilitätskontrollen tatsächlich aufgedeckten und
somit vorliegenden Abrechnungsfehler berechtigen die Kassenärztlichen Vereinigungen
im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung zu deren Berichtigung, letztlich zu
Honorarkürzungen (ebenso – weitgehend wörtlich übernommen– bereits LSG Berlin-
Brandenburg, Urteil vom 10.10.2007 – L 7 KA 56/03 – juris Rdnr. 20 bis 22).
2.) Ob die vom SG herangezogenen Tagesprofile für die beiden Spitzentage unter
Beachtung dieser Kriterien erstellt wurden, kann bereits dahingestellt bleiben. Sie
rechtfertigen nämlich aus Sicht des Senats keine Annahme der Inplausibilität der
Abrechnung.
Der Schluss der Beklagten wie der Kammer des Sozialgerichts, die Behandlung aller
Sprechstundenpatienten außer den so genannten Gesprächspatienten sei unter
Berücksichtigung der Zeiten für diese und die Hausbesuche mit einem Durchschnitt von
wenigen Minuten (unter 3 Minuten) habe nicht stattgefunden, erscheint nicht zwingend.
Es ist nicht sicher genug davon auszugehen, dass der Kläger die Zeiten für die
Gesprächspatienten unrichtig lang angesetzt habe, während er in Wahrheit mehr Zeit für
die übrigen Sprechstundenpatienten verbracht hat:
Bedenken gegen die Annahme einer sicheren Unplausibilität bestehen bereits, weil die
Beklagte nicht für jeden Quartalstag Tagesprofile erstellt hat. Sie hat sich vielmehr auf
eine Auswahl von Tagen mit besonders hohen Zeiten beschränkt. Dem Einwand des
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eine Auswahl von Tagen mit besonders hohen Zeiten beschränkt. Dem Einwand des
Klägers, den Spitzentagen ständen auch unterdurchschnittliche Tage gegenüber, ist sie
im Bescheid nicht nachgekommen. In ihrer Aufstellung „Übersicht: Behandlungszeit –
täglich“ finden sich als Zeitsummen nur tagesbezogener Gebühren an normalen
Werktagen auch summen von 3 Stunden und 56 Minuten (Donnerstag, 08. Mai 1997), 3
Stunden 59 Minuten (Montag, 19. Mai 1997) und 3 Stunden 41 Minuten (Freitag, 27. Juni
1997).
Der Kläger hat – unwiderlegt – auf die Größe seiner Praxis und das eingespielte
Praxisteam hingewiesen, das ihn befähigt haben kann, die Sprechstundenpatienten „im
Minutentakt“ zu behandeln. Er hat – auf Drängen der Beklagten - die Abrechnungsdaten
aller Patienten und eine Aufstellung eingereicht, welche Patienten am 02. April 1997 und
am 09. Juni 1997 behandelt wurden und welche EBM-Ziffern abgerechnet wurden, ohne
dass durchgreifende Unstimmigkeiten aufgedeckt worden sind. Die Qualität eines
solchen hausärztlichen „Massenbetriebes“ ist für die Frage der Inplausibilität nicht
Überprüfungsmaßstab, lediglich die vollständige Leistungserbringung.
Die Beklagte verhält sich weiter auch widersprüchlich, wenn sie einerseits meint, der
Kläger habe die abgerechneten Gesprächsleistungen bzw. zeitabhängigen Leistungen
nicht im abgerechneten zeitlichen Umfang erbracht, andererseits jedoch die Auffassung
vertritt, nur von fahrlässiger Falschabrechnung ausgehen zu können. Letztlich steht
nämlich der Vorwurf vorsätzlichen Handelns im Raum: Es erscheint ausgeschlossen,
dass der Kläger die ihm unterstellten dauerhaften Falscheinträge über die
Behandlungszeiten der zeitabhängigen Gebühren nicht zumindest mit Eventualvorsatz
vorgenommen hätte.
Auch der Prüfungs- und Beschwerdeausschuss der Beklagten, der dem Kläger -auch für
das hier streitgegenständliche Quartal- vorwirft, unwirtschaftlich gehandelt zu haben, in
dem unnötig viel Zeit mit den Patienten verbracht worden sei bzw. zu viele Hausbesuche
durchgeführt worden seien, muss von gewolltem Handeln ausgehen. Der Vorwurf, die
Patienten überflüssig oft zu Hause behandelt zu haben und insbesondere der, unnötig
lang beim einzelnen Patienten verweilt zu sein, um die entsprechenden Gebühren
abrechnen zu können, setzt bewusstes ärztliches Handeln voraus.
Entscheidend ist jedoch, dass sich die ergebenden Zeiten, nicht so weit vom Leistbaren
entfernen, dass zwingend von Unrichtigkeit ausgegangen werden muss.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass in den Zeitaufstellungen
teilweise die unrealistischen Mindestzeiten nach dem EBM enthalten sind, die
tatsächliche Behandlungszeit im Einzelfall länger gewesen sein muss:
Der Kläger hat zutreffend darauf hingewiesen, dass in anderen veröffentlichten
Entscheidungen der Schluss auf Inplausibilität bei weitaus höheren zu Grunde gelegten
Tagesbehandlungszeiten getroffen wurde (vgl. Urteil des BSG vom 24.11.1993 – 6 RKa
70/91: in einem Monat an fünf Tagen reine Behandlungszeiten von mehr als 24 Stunden
und an weiteren sieben Tagen Behandlungszeiten zwischen 19 und 24 Stunden.; LSG
Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.01.2001 – L 5 KA 2/99- juris Rdnr.25ff: acht Tage mit
Zeiten von mehr als 24 Stunden, Maximalwert 44 Stunden und 45 Minuten).
Im Gegensatz zu dem vom 7. Senat des hiesigen Landessozialgerichts entschiedenen
Fall treten beim Kläger zu den Mindestzeiten der Gespräche nicht so viele Hausbesuche
hinzu, dass dies unmöglich der Fall sein kann (vgl. LSG Berlin, 7. Senat a.a.O. juris Rdnr.
31: dort neben ähnlich umfangreichen Gesprächsmindestzeiten noch 47, 80 bzw. 73
Hausbesuche pro Tag).
Das LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 13. November 2002 –L 5 KA 4454/00) ist
davon ausgegangen, dass die hohen Arbeitszeiten von 13 Stunden und 11 Minuten bis
15 Stunden und 31 Minuten an einzelnen Tagen noch nicht den Schluss rechtfertigten,
dass der Arzt unmöglich alles geleistet haben könne. Bei der dortigen Klägerin ist
vielmehr auffällig gewesen, dass über die Hälfte der Leistungen nach den
Gebührennummern 18 und 851 das EBM -Stand Quartal 1/1996-, also intensive ärztliche
Beratung und Erörterung bei nachhaltig lebensverändernden oder lebensbedrohender
Erkrankung (GNR 17 und 18) sowie verbale Intervention bei psychosomatischen
Krankheitszuständen unter systematischer Nutzung der Arzt-Patienten-Interaktion (GNR
851). Der dortige Senat war der Auffassung, dass derart schwierige Gespräche, die hohe
Konzentration erforderten, an einem Tag nicht allein 11 Stunden und 15 Minuten
gedauert haben könnten (juris Rdnr. 52.; ähnlich bereits U. v. 19.01.2000 -L 5 KA
745/99).
Das SG im hier angegriffenen Urteil legt bei Betrachtung demgegenüber nicht so
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Das SG im hier angegriffenen Urteil legt bei Betrachtung demgegenüber nicht so
schwierige Gespräche zugrunde, teilweise das bloße Verweilen (Nr. 40 EBM). Die Nr. 851
EBM ist am 02. April 1997 ausweislich der Liste der Beklagten nur einmal angefallen,
ebenso am 09. Juni 1997.
Das LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 11.02.2004 – L 4 KA 72/03, Juris-Rdnr. 45) hat
es zuletzt aufgrund der Sachkunde seiner ehrenamtlichen Richter für ausgeschlossen
gehalten, dass ein Vertragsarzt über einen längeren Zeitraum zeitgebundene
Leistungen von im Schnitt mehr als 15 Stunden täglich erbringen könne.
Auch ein solcher Sachverhalt kann für das streitgegenständliche Quartal nicht
angenommen werden. Hier stehen den Spitzentagen auch andere gegenüber.
3.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht
vor.
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