Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 11.06.2009

LSG Berlin und Brandenburg: rente, freibetrag, wohnkosten, waffengleichheit, zivilprozessordnung, sozialleistung, hepatitis, virus, verfassungsbeschwerde

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 11.06.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 48 VJ 231/07
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 11 VJ 12/10 B RG
Auf die Gegenvorstellung der Klägerin wird der Beschluss des Senats vom 11. Juni 2009 (Az: L 11 VJ 8/09 B PKH)
rückwirkend auf den Zeitpunkt seines Erlasses dahingehend geändert, dass Prozesskostenhilfe unter Anordnung
monatlicher Raten in Höhe von 45,00 EUR bewilligt wird. Außergerichtliche Kosten des Gegenvorstellungsverfahrens
werden nicht erstattet.
Gründe:
Die Gegenvorstellung der Klägerin ist zulässig und begründet.
Bedenken gegen die Zulässigkeit der Gegenvorstellung als einem außerordentlichen Rechtsbehelf gegen eine
unanfechtbare Entscheidung des Gerichts ergeben sich vorliegend trotz Einführung der Anhörungsrüge gemäß § 178 a
des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch das Gesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 3220), deren Voraussetzungen
hier nicht erfüllt sind, nicht. Denn eine Gegenvorstellung ist weiterhin zulässig, wenn die getroffene Entscheidung in
offensichtlichem Widerspruch zum Gesetz steht und insbesondere unter Verletzung von Grundrechten ergangen ist,
sodass sie im Wege der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden könnte, oder wenn die Entscheidung zu einem
groben prozessualen oder sozialen Unrecht führen würde (vgl. BSG SozR 3-1500 § 160 a Nr. 24 m. w. N.; SozR 4-
1500 § 178 a Nr. 3 Rdnr. 5; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Januar 2010 - L 18 AL 6/10 B RG - ). Das ist
hier der Fall. Die angefochtene Entscheidung des Senats berücksichtigt nicht, dass die der Klägerin nach § 3 Abs. 2
des Gesetzes über die Hilfe für durch Anti-D-Immunprophylaxe mit dem Hepatitis-C-Virus infizierte Personen (Anti-D-
Hilfegesetz – Anti-DHG - ) gewährte monatliche Rente in Höhe von 275,- EUR nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Anti-DHG im
Rahmen der Prozesskostenhilfe als einer Sozialleistung (vgl. hierzu LSG Berlin, Beschluss vom 27. August 1992 – L
13 Vs S 17/92 - ) nur zur Hälfte (= 137,50 EUR) als Einkommen im Sinne des § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §
115 Abs. 1 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) hätte berücksichtigt werden dürfen. Dies aber hat zur Folge, dass bei
einem anrechenbaren Einkommen von 102,50 EUR (347,74 EUR Grundsicherung + 471,36 EUR EU-Rente + 137,50
EUR Anti-DHG-Rente./. 386,- EUR Freibetrag./. 468,10 EUR Wohnkosten) nach der Tabelle des § 115 Abs. 2 ZPO
Prozesskostenhilfe unter Festsetzung von Monatsraten in Höhe von nur 45,- EUR hätte bewilligt werden müssen. Die
Entscheidung des Senats steht damit offensichtlich im Widerspruch zum Gesetz und führt zu einer nicht zu
billigenden Ungerechtigkeit im Rahmen des im Interesse der Waffengleichheit geschaffenen prozessualen Rechts
über die Prozesskostenhilfe. Die mithin zulässige Gegenvorstellung erweist sich daher auch als begründet, so dass
der Beschluss des Senats nach Maßgabe des Tenors abzuändern war. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG analog. Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind vom Beklagten nicht zu erstatten, weil er für dieses
Verfahren keinen Anlass gegeben hat. Mangels entsprechender gesetzlicher Vorschrift können diese Kosten auch
nicht der Staatskasse auferlegt werden (vgl. zur Anhörungsrüge: Beschluss des Senats vom 5. Januar 2010 – L 11
VH 82/09 ER m. w. N.)
Dieser Beschluss kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten
werden.