Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 17.10.2005

LSG Berlin-Brandenburg: beginn der versicherung, mitgliedschaft, ordentliche kündigung, krankenkasse, wahlrecht, beitragssatz, hauptsache, beendigung, krankenversicherung, verweigerung

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
24. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 24 B 1178/05 KR
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 193 Abs 1 SGG, § 175 Abs 4
SGB 5
Ermessensentscheidung des Gerichts bei Beschluss über die
außergerichtlichen Kosten
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 17.
Oktober 2005 (S 10 KR 113/04) geändert.
Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des
Rechtsstreits zu erstatten.
Gründe
I. Der Rechtsstreit wurde in der Hauptsache um ein Sonderkündigungsrecht der Klägerin
in Bezug auf ihre Mitgliedschaft zur gesetzlichen Krankenversicherung geführt.
Die Klägerin war seit 01. März 2003 Mitglied der damaligen T.-BKK, die zum 01. April
2004 mit einer anderen Krankenkasse fusionierte, aber auch weiterhin den Namen „T.-
BKK“ führte. Während der Beitragssatz vor der Fusion 12,8 v. H. betrug, setzte die -
fusionierte - Beklagte ihn für die Zeit ab 01. April 2004 auf 13,8 v. H. fest.
Die Klägerin kündigte ihre Mitgliedschaft unter Hinweis auf den erhöhten Beitrag zum 30.
Juni 2004 mit Schreiben vom 13. April 2004. Die Beklagte lehnte die Beendigung der
Mitgliedschaft mit Bescheid vom 26. April 2004/Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2004
ab: Ein Sonderkündigungsrecht nach § 175 Abs. 4 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB
V) bestehe nicht, weil die zum 01. April 2004 neu errichtete Krankenkasse ihren
Beitragssatz nicht „erhöht“, sondern erstmalig festgesetzt habe.
Mit ihrer am 17. Juni 2004 erhobenen Klage hat sich die Klägerin auf ein
Sonderkündigungsrecht berufen, wobei maßgeblich sei, dass sie mit einem höheren
Beitragssatz belastet werde.
Im Hinblick auf beim Bundessozialgericht (BSG) anhängige Revisionsverfahren hat das
Sozialgericht auf Anregung der Beteiligten am 18. August 2004 das Ruhen des
Verfahrens angeordnet.
Nachdem das BSG entschieden hatte, dass ein Sonderkündigungsrecht auch bei
Beitragsfestsetzungen im Rahmen von Krankenkassenfusionen bestehe (12 RK 23/04 R,
vom 02. Dezember 2004), bestritt die Beklagte auch im vorliegenden Verfahren ein
Sonderkündigungsrecht nicht weiter und erkannte grundsätzlich auch einen Anspruch
auf Erstattung der Beitragsdifferenz zur neu gewählten Krankenkasse an.
Die Klägerin übersandte daraufhin eine Mitgliedschaftsbestätigung der
Bundesknappschaft vom 02. Juli 2004, nach der ihre Mitgliedschaft zum 01. Oktober
2004 beginnt.
Die Klägerin hat dazu vorgetragen, ein früherer Beginn der Mitgliedschaft sei nicht
möglich gewesen, weil die Beklagte die Wirksamkeit der Kündigung erst zum 30.
September 2004 bestätigt habe.
Nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache hat die Klägerin beim Sozialgericht
beantragt,
der Beklagten die Kosten des Verfahrens ausgehend von der Mittelgebühr aufzuerlegen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
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den Kostenantrag abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die Klägerin habe nach Ausstellung der Kündigungsbestätigung
vom 21. Juni 2004 die Beklagte bereits zum 30. September 2004 verlassen und daher
das Rechtsschutzbedürfnis für den vorliegenden Rechtsstreit verloren.
Dementsprechend habe das BSG es abgelehnt, der Beklagten in einem vergleichbaren
Fall die außergerichtlichen Kosten der dortigen Kläger aufzuerlegen (Hinweis auf
Beschluss vom 14. Dezember 2004 - B 12 KR 24/04 R).
Mit Beschluss vom 17. Oktober 2005 hat das Sozialgericht entschieden, dass die
Beklagte der Klägerin außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten habe: Die Klägerin
habe zwar ursprünglich ein Rechtschutzbedürfnis für ihre Klage gehabt, dieses sei aber
durch Ausübung des Wahlrechts zum Ende der 18monatigen Bindungsfrist entfallen. Die
Mitgliedschaft zur Beklagten habe nur einmal wirksam beendet werden können. Das
Wahlrecht sei verbraucht und eine Beendigung der Mitgliedschaft zu einem früheren
Zeitpunkt unter jedem denkbaren Gesichtspunkt ausgeschlossen. Eine von vornherein
begrenzte Mitgliedschaft bei der Bundesknappschaft, die unter diesen Umständen
allenfalls in Betracht käme, sehe das Gesetz nicht vor. Die Klägerin habe durch ihr
eigenes Tun ihrer Klage die Grundlage entzogen und sie jeder Erfolgsaussicht beraubt.
Der Umstand, dass ursprünglich die Beklagte Anlass zur Klage gegeben habe, habe
demgegenüber für die Frage der Kostenerstattung zurückzutreten.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 31. Oktober 2005 zugestellten Beschluss
richtet sich die Beschwerde der Klägerin vom 11. November 2005.
Sie trägt vor, selbst wenn ihr Rechtschutzinteresse in Bezug auf die Wirksamkeit der
Kündigung weggefallen sei, habe ein Feststellungsinteresse fortbestanden.
Die Beklagte hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Zudem sei ein wegen der
Kostenentscheidung eingelegtes Rechtsmittel unzulässig.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht
zur Entscheidung vorgelegt (Eingang 17. November 2005).
II. Die Beschwerde ist gemäß § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Gegen
Beschlüsse des Sozialgerichts ist nach dieser Vorschrift die Beschwerde regelmäßig
statthaft, es sei denn sie ist durch besondere Vorschriften ausgeschlossen. Der
Ausschluss der Berufung nach § 144 Abs. 4 SGG schränkt das Beschwerderecht insoweit
nicht ein (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage, § 172 Rdnr.
4).
Die Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat auf der Grundlage des § 193 Abs. 1
SGG zu Unrecht entschieden, dass die Beteiligten einander außergerichtliche Kosten
nicht zu erstatten haben. Insoweit sind in Ausübung des in § 93 SGG eingeräumten
Ermessens sowohl die Erfolgsaussicht der Klage zum Zeitpunkt der Erledigung, als auch
die Veranlassung zur Klageerhebung zu berücksichtigen. Das Sozialgericht ist zu
Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin durch eigenes Tun ihrer Klage die
Grundlage entzogen und sie jeder Erfolgsaussicht beraubt habe.
Die Klägerin hätte im Rechtsstreit voraussichtlich obsiegt. Ihr stand wegen der
Beitragserhöhung ein Sonderkündigungsrecht nach § 175 Abs. 4 SGB V zu und sie hat
von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht, indem sie die Bundesknappschaft als neuen
Versicherungsträger gewählt hatte. Durch diese Wahl hatte sie das Rechtschutzinteresse
für die Klage nicht verloren, denn der Rechtsstreit wurde gerade um den
frühestmöglichen Beginn des Wahlrechts und damit der Mitgliedschaft bei der
Bundesknappschaft geführt. Die Festlegung des Versicherungsbeginns bei der
Bundesknappschaft zum 01. Oktober 2004 erfolgte gerade, weil die Beklagte eine
(ordentliche) Kündigung erst zum 30. September 2004 bestätigt hatte.
Der vom BSG am 14. Dezember 2004 entschiedene Fall, auf den sich das Sozialgericht
bezogen hat, lag völlig anders. Dort ging es nicht mehr um den Beginn der Versicherung
bei der gewählten Krankenkasse, denn der dortige Kläger hatte zunächst am 14. Juni
2004 eine andere Krankenkasse (die dort beigeladene BKK C.) gewählt und dann erst -
zum Ablauf der Bindungsfrist - eine weitere Krankenkasse. Es leuchtet ein, dass nach
endgültiger Wahl einer dritten Kasse - für die Zwischenzeit - ein weiteres Wahlrecht nicht
bestehen konnte. Allein darauf bezieht sich die – vom Sozialgericht für den vorliegenden
Fall übernommene- Bemerkung des BSG, „eine von vornherein begrenzte
Mitgliedschaft, die unter diesen Umständen allenfalls in Betracht käme, sieht das Gesetz
nicht vor“.
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Vorliegend hat die Klägerin noch im Juni 2004 den Aufnahmeantrag bei der
Bundesknappschaft gestellt, die am 02. Juli 2004 die Mitgliedschaft bestätigt hat. Sie hat
ihr Wahlrecht also nicht durch die Wahl einer anderen Krankenkasse verbraucht und auch
die Fristen des § 175 Abs. 4 SGB V eingehalten. Dass die Mitgliedschaft bei der
fristgemäß gewählten Bundesknappschaft nicht vor dem 01. Oktober 2004 beginnen
konnte, lag vorliegend ausschließlich an der Verweigerung der Kündigungsbestätigung
durch die Beklagte, die damit zugleich auch Veranlassung zur Klageerhebung gegeben
hatte.
Über die Höhe der dem Bevollmächtigten der Klägerin zustehenden Gebühr hat der
Senat nicht zu entscheiden, weil nach § 193 SGG nur eine Kostengrundentscheidung
erfolgt (Meyer-Ladewig a.a.O. § 193 Rdnr. 14 a). Entscheidungen zur Höhe der zu
erstattenden Kosten sind erforderlichenfalls durch den Urkundsbeamten des
erstinstanzlichen Gerichts nach § 197 SGG zu treffen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht
angefochten werden (§ 177 SGG).
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