Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 12.02.2010

LSG Berlin-Brandenburg: arbeitsentgelt, gesellschafter, nebentätigkeit, vergütung, gehaltserhöhung, freizeit, abgrenzung, verfügung, form, arbeitslohn

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 1.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 1 KR 97/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 342 SGB 3, § 7 Abs 1 S 1 SGB
4, § 14 Abs 1 S 1 SGB 4, § 226
Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 5, § 162 Nr 1
SGB 6
Beitragspflicht - Provisionszahlung einer Versicherungsmaklerin
an ihre Mitarbeiter - Arbeitsentgelt
Leitsatz
Weitergeleitete Provisionszahlungen, die ein Versicherungsmakler an Angestellte auszahlt,
können Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB IV sein, obgleich die Nebentätigkeit auf
Grundlage eines extra Handelsvertretervertrages ausgeübt wird.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Beigeladene haben jedoch ihre
außergerichtlichen Kosten jeweils selbst zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht, wie Provisionszahlungen der Klägerin an ihre Mitarbeiterinnen, die
Beigeladenen zu 1 und 2, sozialversicherungsrechtlich zu behandeln sind.
Die Klägerin ist Versicherungsmaklerin. Sie setzt auch Handelsvertreter ein. Die
Beigeladenen zu 1) und 2) sind bzw. waren bei ihr angestellt.
Die Beigeladene zu 2) war ab 01. Juli 1996 als Bürokraft tätig mit einer wöchentlichen
Arbeitszeit von 20 Stunden (Arbeitsvertrag vom 01. September 1997).
Die Klägerin und die Beigeladene zu 2) schlossen ferner am 01. September 1997 einen
„Handelvertretervertrag“ ab. In dessen Nr. 1 war die Provisionshöhe für vermittelte und
abgeschlossene Versicherungsverträge geregelt, welche der „Mitarbeiter“ erhalte. Nach
Nr. 2 wurde dem Mitarbeiter während der Vertragsdauer Kundenschutz gewährt. Die
vermittelten Verträge blieben im Bestand der Klägerin, der Vertragspartner (gemeint:
der Mitarbeiter) erwerbe hieran keine Rechte, insbesondere auch keine auf
Ausgleichsanspruch nach § 89 b Handelsgesetzbuch (HGB). Der Kundenschutz
gegenüber den anderen Mitarbeitern sei zu gewährleisten.
Die Beigeladene zu 1 wurde ab 01. September 1997 als Kauffrau für Bürokommunikation
eingestellt. Die Arbeitszeit betrug 40 Stunden wöchentlich (vgl. Arbeitsvertrag vom 02.
September 1997.
Auch zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) bestand ein gleichlautender
)
Beide Beigeladenen meldeten ein Gewerbe an.
Unter dem 16. April 2001 vereinbarte die Klägerin mit beiden Beigeladenen jeweils
„Ergänzungen zum Arbeitsvertrag zu § 1 Tätigkeit“. In der Vereinbarung heißt es u. a.:
„Zu den Haupttätigkeiten im Bürobetrieb zählen:
Beide Beigeladenen schlossen schließlich mit der Klägerin am 20. Dezember 2001 mit
Gültigkeit ab 01. Februar 2002 „Regelungen zur Zusatzvergütung für selbst akquirierte
und selbst abgeschlossene Versicherungsverträge“ ab. Danach erhielten die
Beigeladenen neben der Vergütung für die hauptberufliche Tätigkeit im
Angestelltenverhältnis eine Zusatzvergütung für selbst getätigte
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Angestelltenverhältnis eine Zusatzvergütung für selbst getätigte
Versicherungsabschlüsse. Die Abfindung des bisherigen eigenen Bestandes wurde in
Form einer Ersatzvergütung durch eine Gehaltserhöhung pro Monat sowie einen
Versorgungsbeitrag als Arbeitgeberleistung in eine Unterstützungskasse für betriebliche
Altersvorsorge geregelt. Damit sollten Bestandspflegeprovisionen sowie der Anspruch
auf deren Erhalt erloschen und abgegolten sein. Auf die Regelung zur Zusatzvergütung
sollte kein Rechtsanspruch bestehen. Sie sollten vielmehr eine freiwillige
Arbeitgeberleistung darstellen und je nach aktuellen Gesichtspunkten änderbar bzw.
ergänzungsfähig sein.
Die Beklagte führte bei der Klägerin im Frühjahr 2003 eine Betriebsprüfung nach § 28 p
Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) durch. Sie teilte der Klägerin in der
Schlussbesprechung am 14. Mai 2003 mit, dass in den Jahren 1999 bis 2002 einige
Arbeitnehmer Provisionszahlungen erhalten hätten, die als Arbeitslohn zu behandeln
und für die Beiträge nachzuerheben seien. Mit Bescheid vom 10. September 2003 stellte
sie einen Nachforderungsbetrag von 8.701,74 Euro fest. Davon entfiel als Beiträge für
die Beigeladenen zu 1) und 2) ein Betrag in Höhe von insgesamt 6.938,50 Euro. Nach
der entsprechenden Lohnsteuerrichtlinie (LStR) seien Vermittlungsprovisionen, die
Beschäftigte von ihren Arbeitgebern erhielten, grundsätzlich laufendes Arbeitsentgelt.
Dies gelte insbesondere für Provisionen, die Versicherungsgesellschaften ihren im
Innendienst beschäftigten Arbeitnehmern für die gelegentliche Vermittlung von
Versicherungen zahlten. Die Arbeitnehmerinnen hätten eine Zusatzvergütung durch die
Provisionen für die selbst getätigten Versicherungsabschlüsse erhalten.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Die Beigeladenen zu 1) und 2) hätten sich die
Provisionen als freie Versicherungsmakler verdient. Diese Tätigkeit hätten sie neben
ihrer Tätigkeit als Angestellte ausgeführt. Beide Beigeladenen seien für
Sekretariatsaufgaben eingestellt worden. Im Gegensatz zu den Anlageberatern umfasse
ihre Tätigkeit nicht die Kundenbetreuung, Bearbeitung von Kundenanfragen oder die
Bestandsakquise. Ihr einziger Kundenkontakt bestehe in der Entgegennahme der
Garderobe und dem Servieren von Getränken. Die Vermittlungstätigkeit erfolge also
nicht im Rahmen des Dienstverhältnisses.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2004
zurück. Nach Abschnitt 71 Abs. 1 der Lohnsteuerrichtlinien seien bei Beschäftigten mit
direktem Kundenkontakt sämtliche Provisionszahlungen - auch die Dritter -
Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV. Es werde nicht danach unterschieden, ob die
Vertragsabschlüsse während der Arbeitszeit oder in der Freizeit vermittelt würden. Bei
Beschäftigten ohne direkten Kundenkontakt handele es sich nur bei den Provisionen für
Vertragsabschlüsse während der Arbeitszeit um Arbeitsentgelt. Werde allerdings
ausschließlich der Arbeitgeber aufgrund der Vertragsabschlüsse und
Eigenversicherungen als Provisionsnehmer provisionsberechtigt, handele es sich bei den
dann an Beschäftigte weitergeleiteten Provisionen stets um Arbeitsentgelt. So liege der
Sachverhalt hier. Es sei also unerheblich, wann die Beigeladene zu 1 und 2 die Verträge
vermittelt hätten. Die Gesellschafter der Klägerin hafteten für die
Beitragsnachforderungen als Gesamtschuldner.
Hiergegen richtet sich die am 02. April 2004 vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG)
erhobene Klage. Entgegen der Auffassung der Beklagten seien entsprechend der LStR H
71 Abs. 2 Provisionen, die an im Innendienst beschäftigte Arbeitnehmer für die
gelegentliche Vermittlung von Versicherungen gezahlt würden, nur dann als Arbeitslohn
anzusehen seien, wenn die Vermittlungstätigkeit im Rahmen des Dienstverhältnisses
ausgeübt werde. Bisher bestehe zwischen den Tätigkeiten der Beigeladenen als
Sekretärinnen und der eines Versicherungsmaklers bzw. Versicherungsagenten kein
rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang. Die Beigeladenen zu 1) und 2) hätten
ihre Vermittlungstätigkeit nicht unter Ausnutzung dienstlicher Kontakte ausgeübt,
sondern im Wesentlichen im Bekannten-, Freundes- oder Verwandtenbereich vermittelt.
Sie hätten bis 31. Dezember 2001 die Bestandsprovision außerhalb des Bestandes der
Klägerin und außerhalb der regulären Arbeitszeit erhalten. Der Abrechnungsaufwand, die
sich mit jedem neuen Vertragsabschluss ändernde Höhe der Bestandsprovisionen zu
berechnen, sei für die Klägerin für ihre beiden Mitarbeiterinnen mit einem
unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verbunden gewesen. Sie habe diese deshalb
pauschal abgefunden.
Die Beigeladene zu 1) hat vorgetragen, die Vertragsanbahnungen zum Teil zu Hause
erledigt zu haben. Soweit sie diese im Büro durchgeführt habe, sei dies geschehen, um
kompetente Hilfe einer der Gesellschafter der Klägerin in Anspruch zu nehmen. Die
Tätigkeit sei im gegenseitigen Einvernehmen auf ihren Wunsch hin wieder beendet
worden. Im Rahmen ihrer Vermittlungen von Versicherungen sei sie nicht
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worden. Im Rahmen ihrer Vermittlungen von Versicherungen sei sie nicht
weisungsabhängig beschäftigt gewesen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 18. September 2007 abgewiesen. Gemäß § 14 SGB
IV zählten zum Arbeitsentgelt alle Einnahmen, die aus einem Beschäftigungsverhältnis
erzielt würden. Aus Nr. 3 der Verfügung der Oberfinanzdirektion M vom 30. Mai 1990
folge, dass bei Vertragsabschlüssen und Eigenversicherungen durch Arbeitnehmer
Provisionsweitergaben Arbeitsentgelt seien, wenn ausschließlich das
Versicherungsunternehmen bzw. das Kreditinstitut provisionsberechtigt sei. In diesem
Falle sei es unerheblich, ob der Arbeitnehmer mit oder ohne direkten Kundenkontakt
handele und ob die Verträge während der Arbeitszeit oder in der Freizeit vermittelt
worden seien. So liege der Fall hier.
Hiergegen richtet sich die rechtzeitige Berufung der Klägerin. Sie hat zu deren
Begründung ihr Vorbringen wiederholt und vertieft. Entscheidend sei, ob es sich bei einer
Nebentätigkeit mit Provisionseinnahmen um eine dem Arbeitnehmer aus seinem
Arbeitsverhältnis obliegende Verpflichtung handele. Letzteres sei nur dann anzunehmen,
wenn der Arbeitnehmer mit der Nebentätigkeit unter der Kontroll- und Weisungsbefugnis
des Arbeitgebers eine rechtliche oder faktische Nebenpflicht aus dem Dienstverhältnis
erfülle. Das Arbeitsverhältnis der Beigeladenen sei durch typische Bürotätigkeiten
geprägt gewesen. Eine Kundenakquise und Bearbeitung und der Abschluss von
Versicherungsverträgen während der Arbeitszeit oder aus dem Bestand der Klägerin sei
den Beigeladenen nach den Ergänzungen zu § 1 des Arbeitsvertrages ausdrücklich sowie
unter Androhung des Verlusts von Provisionsansprüchen bzw. der Kündigung des
Handelsvertretervertrages untersagt worden. Die fast 20 Jahre alte Verfügung der OFD
Münster gelte nur für Vertragsabschlüsse von Arbeitnehmern eines Kreditinstitutes und
sei veraltet.
Sie beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 18.
September 2007 den Bescheid der Beklagten vom 10. September 2003 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2004 insoweit aufzuheben, als dort
Beiträge für Provisionszahlungen an die Beigeladene zu 1 und die Beigeladene zu 2 in
Höhe von zusammen 6.938,50 Euro nachgefordert werden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 1) hat ergänzend mitgeteilt, dass bei den jeweiligen
Vertragsanbahnungen im Büro einer der Gesellschafter mit teilgenommen und sie
fachlich unterstützt habe. Zudem sei es ihr möglich gewesen, durch die
Inanspruchnahme der im Büro vorhandenen EDV-Anlage kundenfreundlich und schnell
Prämienberechnungen durchführen zu können. Durch die Beratung im Büro habe sie
auch die Möglichkeit gehabt, umgehend auf die verfügbaren unterschiedlichen
Antragsformulare zugreifen zu können.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Prüfbescheid ist rechtmäßig und
verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten.
Ermächtigungsgrundlage ist § 28 p Abs. 1 Satz 1 und 5 SGB IV. Danach prüfen die
Träger der Rentenversicherung mindestens alle vier Jahre bei den Arbeitgebern, ob diese
ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im
Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß
erfüllen. Sie setzen insoweit auch Beiträge durch Verwaltungsakt fest.
Bemessungsgrundlage für die Höhe der Beiträge abhängig Beschäftigter - hier der
Beigeladenen zu 1 und 2 - ist in der Kranken-, Pflege-, Renten- sowie
Arbeitslosenversicherung jeweils das Arbeitsentgelt des Beschäftigten, § 226 Abs. 1 Nr.
1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) § 75 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch i. V.
m. § 226 Abs. 1 Satz 1 SGB V, § 162 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, § 342
Sozialgesetzbuch Drittes Buch.
Arbeitsentgelte sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung,
gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahme besteht, unter welcher
Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der
Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB
IV).
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Die weite Bestimmung des Arbeitsentgelts erfasst demnach alle Einnahmen, die dem
Versicherten im ursächlichen Zusammenhang mit einer Beschäftigung zufließen
(Bundessozialgericht - BSG, Urteil vom 26. Oktober 1988 - 12 RK 18/87 - SozR 2100 § 14
Nr. 19 S. 17). Im vorliegenden Fall ist von einem Zusammenhang zwischen dem
Beschäftigungsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen und den
Provisionszahlungen auszugehen. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob Provisionen
als erfolgsabhängige Vergütung einer Entgeltabrechnungsperiode zugeordnet werden
können oder ob es sich um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt nach § 23 a Abs. 1 Satz 1
SGB IV handelt, das nicht einer bestimmten Abrechnungszeit zugeordnet werden kann.
Im Streit sind auch nur tatsächlich ausbezahlte Provisionen (vgl. für Provisionseinbehalte
BSGE 21, 48).
Aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände ist hier davon auszugehen, dass die
weitergeleiteten Provisionen der Klägerin an die Beigeladenen im Zusammenhang mit
einem (einheitlichen) Mitarbeiterverhältnis zu sehen ist. Zwar ist nach den
ursprünglichen vertraglichen Vereinbarungen eine Trennung zwischen Arbeitsvertrag und
Handelsvertretervertrag vereinbart worden. Bei der Vermittlungstätigkeit hat es sich
jedoch im Ergebnis nicht um eine selbstständige gehandelt:
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1
Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in
einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine
Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist.
Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte
in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung
umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine
selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das
Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene
Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit
gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt
davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung
Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-
2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das
Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche
Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall
eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine
„Beschäftigung“ vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie
es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt
ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, sowie es sich aus den von
ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung
erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen
stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf
die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen
Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist,
solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist.
Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf
Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG,
Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung
das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 - 12 BK 98/94 -).
Hier überwiegen die Merkmale eines einheitlichen, abhängigen
Beschäftigungsverhältnisses.
Die Beigeladenen waren auch hinsichtlich der Vermittlungen in den Betrieb integriert.
Dies folgt zur Überzeugung des Senats aus den -unbestrittenen- Angaben der
Beigeladenen zu 1).
Beide unterlagen auch keinem relevanten Unternehmerrisiko. Das maklertypische
Risiko, nur den Aufwand vergütet zu erhalten, der in einem Vermittlungserfolg mündet,
tragen auch abhängig Beschäftigte, soweit sie Provisionen als Vergütung erhalten.
Bereits im Handelsvertretervertrag wird der Handelsvertreter nicht als solcher, sondern
als „Mitarbeiter“ bezeichnet. Die Regelungen (Höhe des Provisionsanspruches,
Abgrenzung des Kundenkreises) sind auch für Nebentätigkeiten als Angestellte sinnvoll.
Entscheidend ist, dass in der Praxis nicht streng zwischen der Angestelltentätigkeit und
der als Maklerinnen differenziert wurde. So haben die Beigeladenen nach den Angaben
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der als Maklerinnen differenziert wurde. So haben die Beigeladenen nach den Angaben
der Beigeladenen zu 1) die Vermittlungstätigkeit auch bei der Klägerin ausgeübt und
sich dabei sogar ihrer Gesellschafter bedient. Deutlich manifestiert sich die Praxis in der
nachträglichen Änderung beider Verträge, den „Ergänzungen zum Arbeitsvertrag“. Dort
ist zum einen zur Tätigkeit ausdrücklich die Kundenakquise mit aufgeführt worden. Zum
anderen regelt die Änderung des Arbeitsvertrages gleichzeitig auch eine Änderung des
Handelsvertretervertrages. Der Provisionsanspruch (aus dem Handelsvertretervertrag)
sollte erlöschen, sofern aus dem Bestand der Klägerin Kundenvorbereitung bzw.
Bearbeitungen auf eigene Rechnung während der Arbeitszeit vorgenommen werden
sollten. Schließlich sollte der Anspruch auf Bestandsprovisionen nicht nur durch eine
Gehaltserhöhung abgefunden werden, sondern darüber hinaus durch eine typische
freiwillige Arbeitgeberleistung eines Vorsorgebeitrages.
Die Kostenentscheidung folgt für beide Instanzen aus §§ 197 a Abs. 1, Abs. 2 S. 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 2, 162 Abs. 3
Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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