Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 03.09.2008

LSG Berlin und Brandenburg: befreiung von der versicherungspflicht, berechnung der beiträge, lehrer, beitragspflicht, einkünfte, unterricht, arbeitsamt, beitragsforderung, verjährung, verwirkung

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 03.09.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 1 R 3305/06
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 30 R 1460/07
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. September 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Der Kläger ist ausgebildeter Physiotherapeut. Seit August 1993 bezog er Leistungen des Arbeitsamtes. Ab dem 20.
Dezember 1999 nahm er eine selbstständige Tätigkeit als Fitnesstrainer auf, für die ihm mit Bewilligungsbescheid
vom 28. Februar 2000 Überbrückungsgeld vom Arbeitsamt Berlin Südwest bewilligt wurde. In der Zeit vom Januar
2000 bis zum 31. Dezember 2007 war der Kläger als selbstständiger Fitnesstrainer tätig. Er arbeitete regelmäßig für
verschiedene Auftraggeber in deren Fitnessstudios, wobei seine wöchentliche Arbeitszeit auftragsabhängigen
Schwankungen unterworfen war. Durchschnittlich lag die wöchentliche Arbeitszeit nach den Angaben des Klägers bei
rund 30 Stunden. Über ein eigenes Fitnessstudio oder eigene Fitnessgeräte verfügte der Kläger nicht. Einen
versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigte er nicht.
Seit dem 10. Oktober 2002 war er insbesondere für die M als Fitnesstrainer tätig. Mit Schreiben vom 12. Mai 2005
beantragte die M die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers. Im beigefügten
Antragsformular gab der Kläger an, ihm obliege das Erstellen von Trainingsplänen, die Durchführung eines
Probetrainings und Tests und die Betreuung der Trainierende.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 1. Juli 2005 die Statusfeststellung ab, weil bereits das Arbeitsamt Berlin
Südwest mit Bescheid vom 28. Februar 2000 über den sozialversicherungsrechtlichen Status entschieden habe und
das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit festgestellt habe.
Mit Schreiben vom 22. August 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, es sei zu prüfen, ob er aufgrund seiner
selbstständigen Tätigkeit der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung unterliege; er werde daher um
entsprechende Angaben gebeten.
Nachdem der Kläger den entsprechenden Fragebogen zur Feststellung der Pflichtversicherung kraft Gesetzes als
selbstständig Tätiger der Beklagten ausgefüllt zurücksandte, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 1. November
2005 wegen der Tätigkeit als Fitnesstrainer Versicherungspflicht gemäß § 2 S. 1 Nr. 1 des Sechsten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB VI) fest. Der Kläger sei ab dem 1. Januar 2000 (Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit)
versicherungspflichtig und habe für den Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis zum 30. November 2005 Beiträge in Höhe
von insgesamt 21.580,87 EUR zu zahlen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 30. November 2005 Widerspruch. Der Bescheid sei zum einen nicht
begründet. Zum anderen unterfalle seine Tätigkeit als Fitnesstrainer nicht dem Lehrerbegriff im Sinne von § 2 S. 1 Nr.
1 SGB VI. Seine Tätigkeit beschränke sich auf das Erstellen von Trainingsplänen, die Durchführung von
Probetrainings und Fitnesstests sowie die Betreuung der Trainierenden. Zudem seien die Beiträge für den Zeitraum
vom 1. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2000 nach § 28 Abs. 1 S. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB
IV) verjährt. Schließlich stehe einer rückwirkenden Beitragsforderung ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch
entgegen, da er nicht rechtzeitig über die Sozialversicherungspflicht aufgeklärt worden sei.
Der Kläger legte zur Ermittlung seines Einkommens Steuerbescheide des Finanzamtes Wfür die Jahre von 2000 bis
2003 vor. Nach diesen Steuerbescheiden erwirtschaftete der Kläger im Jahre 2000 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in
Höhe von 11.246 DM, im Jahr 2001 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 18.194 DM, im Jahre 2002 Einkünfte
aus Gewerbebetrieb in Höhe von 6.089 EUR und im Jahre 2003 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 10.823
EUR.
Mit Änderungsbescheid vom 6. Januar 2006 stellte die Beklagte die Beitragshöhe ab dem 1. Januar 2000 fest und
ermittelte insgesamt für den Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis zum 31. Januar 2006 eine Beitragsforderung in Höhe
von 10.620,49 EUR. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 14. März 2006 stellte die Beklagte fest, dass die Beiträge
für den Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis zum 30. November 2000 verjährt seien und daher nur noch Beiträge ab
Dezember 2000 zu zahlen seien.
Schließlich lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. März 2006 die Befreiung von der Versicherungspflicht in der
Rentenversicherung für Selbstständige nach § 231 Abs. 6 SGB VI ab, weil die Tätigkeit erst nach dem 31. Dezember
1998 aufgenommen worden sei. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 28. April 2006 ebenfalls Widerspruch
mit der Begründung, er übe keine Lehrertätigkeit aus.
Die Widersprüche gegen die Bescheide vom 1. November 2005 und 29. März 2006 wies die Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2006 zurück. Der Kläger sei als Fitnesstrainer in Fitnessstudios selbstständig
tätiger Lehrer im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Eine Befreiung von der
Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 6 SGB VI käme aufgrund der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit erst nach
dem 31. Dezember 1998 nicht in Betracht.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 14. Juli 2006 Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben.
Anlässlich der Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit habe er um eine Beratung beim Arbeitsamt Berlin Südwest
ersucht. Dort sei er auf die Versicherungspflicht nicht hingewiesen worden. Auch bei einer Prüfung durch das
Hauptzollamt sei er auf die Versicherungspflicht nicht hingewiesen worden. Seine Tätigkeit als Fitnesstrainer
unterfalle nicht dem Lehrerbegriff im Sinne von § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI. Im Übrigen berufe er sich wegen der
unterbliebenen Beratung zur Versicherungspflicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, die Verjährung
und die Verwirkung der Beitragsansprüche.
Während des Klageverfahrens hat der Kläger den Steuerbescheid für das Jahr 2004 vorgelegt, aus dem sich
Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 11.843 EUR ergeben.
Die Beklagte hat daraufhin mit weiterem Änderungsbescheid vom 4. September 2006 die Beitragshöhe neu
festgesetzt und für den Zeitraum vom 1. Dezember 2000 bis zum 30. September 2006 eine Beitragsforderung in Höhe
von insgesamt 11.138,91 EUR beziffert.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 1. November 2005 in der Fassung der Bescheide vom 6. Januar 2006 und 14. März
2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2006 aufzuheben,
hilfsweise, unter Änderung des Bescheides vom 29. März 3006 den Kläger nach § 231 Abs. 6 SGB VI von der
Versicherungspflicht zu befreien.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat die M um eine detaillierte Beschreibung der Tätigkeiten des Klägers ersucht. Die M hat mit
Schreiben vom 8. Januar 2007 mitgeteilt, die Tätigkeit der Kläger sei Grätetrainer in ihrem Hause; seine Arbeit habe
insbesondere umfasst die selbstständige Annahme der Kunden zur Durchführung und Erarbeitung von
Trainingsprogrammen, die Betreuung der Kunden bei der Durchführung der gemeinsam erarbeiteten
Trainingsprogramme und die Überarbeitung bestehender Trainings Empfehlungen zur Unterstützung des Kunden bei
seinen individuellen Trainingsprogrammen. Der Kläger habe als freier Trainer in Zusammenarbeit mit den Kunden
individuelle Trainingsempfehlungen gegeben und in Zusammenführung mit den persönlichen Trainingszielen des
Kunden ein individuelles Trainingsprogramm erstellt.
Das Sozialgericht Berlin hat mit Urteil vom 20. September 2007 die Klage abgewiesen. Der Kläger sei
versicherungspflichtig nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI gewesen, weil er als selbstständiger Lehrer im Sinne dieser
Regelung anzusehen sei. Der Kläger könne sich auch nicht erfolgreich auf einen sozialrechtlichen
Herstellungsanspruch berufen, da bereits eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht ersichtlich sei. Mangels Kenntnis
der Tätigkeit des Klägers habe sie keine Hinweispflicht getroffen. Es ließe sich schließlich auch nicht feststellen,
dass das Arbeitsamt oder das Hauptzollamt eine Hinweispflicht verletzt habe. Gründe für eine Verwirkung im Sinne
von § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) seien ebenfalls nicht ersichtlich, ebenso wenig wie eine Verjährung der
Beiträge ab Dezember 2000.
Gegen das dem Kläger am 1. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat er am 24. Oktober 2007 bei dem Sozialgericht Berlin
Berufung zu dem Landessozialgericht Berlin- Brandenburg eingelegt. Unter Hinweis auf ein Urteil des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. Januar 1994 (IV R 79/92) erklärt der Kläger, er habe lediglich in der Anfangsphase
des Trainings Wissen vermittelt. Seine Tätigkeit als Fitnesstrainer habe er zum 1. Januar 2008 aufgegeben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. September 2007, den Bescheid der Beklagten vom 1. November 2005 in
der Gestalt der Bescheide vom 6. Januar 2006, 14. März 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2006
sowie den Bescheid vom 4. September 2006 aufzuheben,
hilfsweise, den Bescheid vom 29. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2006
aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn von der Versicherungspflicht zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt
der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (Versicherungsnummer: 4), die Gegenstand
der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist ohne weitere Zulassung nach § 144 Abs.1 Nr. 1
des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung statthaft, weil der Wert des
Beschwerdegegenstandes 500 EUR übersteigt.
Gegenstand des Verfahrens sind nicht nur die Bescheide der Beklagten vom 1. November 2005, 6. Januar 2006 und
14. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2006. Gegenstand ist vielmehr auch der im
Klageverfahren ergangene Änderungsbescheid vom 4. September 2006, weil dieser die oben genannten Bescheide für
den streitigen Zeitraum ersetzt und somit nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des anhängigen Gerichtsverfahrens
geworden ist.
Die so verstandene Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht Berlin hat die Klage zu Recht
abgewiesen. Mit ihrem Hauptantrag ist die Klage zwar zulässig, jedoch unbegründet. Die angegriffenen Bescheide der
Beklagten sind rechtmäßig. Der Kläger war im streitigen Zeitraum versicherungspflichtig und damit auch
beitragspflichtig in der Rentenversicherung.
Nach § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI sind versicherungspflichtig insbesondere selbstständig tätige Lehrer und Erzieher, die im
Zusammenhang mit einer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer
beschäftigen.
Nach dieser Regelung war der Kläger zumindest im Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis zum 1. Januar 2008
versicherungspflichtig tätig.
Er übte eine selbstständige Tätigkeit aus. Weder lag eine geringfügige Beschäftigung im Sinne von § 8 des Vierten
Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) vor, noch ist von einer so genannten "Scheinselbstständigkeit" des Klägers im
fraglichen Zeitraum auszugehen. Nach den glaubhaften Angaben des Klägers, von denen der Senat ausgeht, weil sie
insbesondere im Einklang mit den übrigen Ermittlungen (beispielsweise vorgelegter Rechnungen an die Auftraggeber
und der vorgelegten Steuerbescheide) sind, war der Kläger im gesamten streitigen Zeitraum regelmäßig für mehrere
Auftraggeber gleichzeitig tätig, wobei über den gesamten Zeitraum gesehen seine durchschnittliche wöchentliche
Arbeitszeit bei rund 30 Stunden lag. Für seine Tätigkeiten erzielte der Kläger monatliche Einkünfte in Höhe von mehr
als 630 DM (in den Jahren 2000 und 2001) bzw. 325 EUR (im Jahre 2002)/ 400 EUR (ab April 2003). Ausweislich der
vorgelegten Steuerbescheide erwirtschaftete der Kläger im Jahr 2000 insgesamt 11.246 DM (: 12 =) mithin 937,16
DM/monatlich, im Jahr 2001 (18.194 EUR: 12=) 1516,16 DM/monatlich, im Jahr 2002 (6.089 EUR: 12=) 507,41
EUR/monatlich, im Jahr 2003 (10.823 EUR: 12=) 901,91 EUR/ monatlich und im Jahr 2004 (11.883 EUR: 12=) 990,25
EUR/monatlich.
Einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigte der Kläger nicht.
Schließlich war er auch als selbstständiger Lehrer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI tätig.
Das Bundessozialgericht hat zu dieser Problematik in seinem Urteil vom 22. Juni 2005 (B 12 RA 6/04 R, SozR 4-
2600 § 2 Nr. 1) folgendes ausgeführt:
" Der Kreis der Rentenversicherungspflichtigen wird grundsätzlich und in aller Regel dadurch bestimmt, dass
diejenigen kraft Gesetzes in das System einbezogen werden, die ihrer Erwerbstätigkeit im Rahmen einer abhängigen
Beschäftigung nachgehen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AVG, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Soweit über eine derartige Anknüpfung an
Modalitäten der Ausübung hinaus Personen - wie hier Lehrer - auf Grund der selbstständigen Ausübung bestimmter
Berufe in die Versicherung einbezogen werden, findet dies seine Rechtfertigung grundsätzlich darin, dass bei
typisierender Betrachtung gerade bei ihnen eine dem Kreis der versicherungspflichtigen Arbeitnehmer vergleichbare
Schutzbedürftigkeit besteht. Wie diese sind auch Lehrer, die keinen Angestellten/versicherungspflichtigen
Arbeitnehmer beschäftigen, allein auf den Einsatz ihrer eigenen Arbeitskraft angewiesen und werden deshalb nahezu
vom Beginn der staatlich organisierten Rentenversicherung an in den Fällen der geminderten Erwerbsfähigkeit und des
Alters ebenfalls als einer Kompensation entfallenen Erwerbseinkommens bedürftig angesehen (vgl. zur Einbeziehung
Selbstständiger allgemein bereits Entwurf des Gesetzes zur Alters- und Invaliditätsversicherung, RT-Drucks 1888/89
Nr. 10 S 73, speziell zur erstmaligen Einbeziehung der Lehrer im Rahmen des Invalidenversicherungsgesetzes (IVG)
Entwurf eines Invalidenversicherungsgesetzes vom 19. Januar 1899, RT-Drucks Nr. 93 S 240, 241). Dass sich dies
seit der erstmaligen Begründung von Versicherungspflicht bis heute geändert hätte, ist nicht erkennbar (vgl bereits
Urteile des Senats vom 11. Dezember 1987, 12 RK 58/85, SozR 2400 § 2 Nr 24 S 37 und vom 12. Oktober 2000, B
12 RA 2/99 R, SozR 3-2600 § 2 Nr 5 S 28, 32).
Wie der Senat ebenfalls bereits entschieden hat, ist die wegen der vermuteten Schutzbedürftigkeit der Betroffenen
angeordnete Versicherungspflicht unter diesen Umständen weder davon abhängig, ob eine besondere pädagogische
Ausbildung durchlaufen wurde (Urteil vom 12. Oktober 2000 a. a. O. S 29), noch ob es ein etwa durch
Ausbildungsordnungen geregeltes Berufsbild des (selbstständigen) Lehrers gibt (Urteil vom 12. Oktober 2000 a. a. O.
S 30), noch kommt es darauf an, ob die Erwerbstätigkeit innerhalb eines eigenen Betriebs ausgeübt wird (Urteil vom
19. Dezember 1979, 12 RK 52/78, SozR 2200 § 166 Nr. 5 S 8; ebenso für den Bereich der Künstlersozialversicherung
Urteil vom 14. Dezember 1994, 3/12 RK 80/92, SozR 3-5425 § 1 Nr. 4 S 15). Auch ist aus der Sicht des an der
Schutzbedürftigkeit der Ausübenden orientierten Sozialversicherungsrechts selbst im Sonderfall des Lehrens von
Kunst (§ 2 Künstlersozialversicherungsgesetz) grundsätzlich unerheblich, welche Geisteshaltung der Lehrtätigkeit zu
Grunde liegt (vgl. zur Versicherungspflicht einer Eurythmie-Lehrerin BSG vom 14. Dezember 1994, 3/12 RK 62/93,
SozR 3-5425 § 2 Nr 2 S 5, 9), welches Niveau die ausgeübte Tätigkeit hat und ob sich der Unterricht nur an Laien
wendet (BSG vom 14. Dezember 1994, 3/12 RK 80/92, SozR 3-5425 § 1 Nr 4 S 17 m. w. N.).
Den Anforderungen dieses in langer Tradition entwickelten sozialversicherungsrechtlichen Begriffs des Lehrers genügt
demgemäß die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit zweifellos dann, wenn die Feststellungen des LSG zutreffen,
dass sie insbesondere auch als Aerobic-Trainerin Kenntnisse zu Bewegungsabläufen und zum Training sämtlicher
Muskelgruppen vermittelt und das auf die durchschnittlichen Fähigkeiten der jeweiligen Kursteilnehmer abgestellte
Kursangebot von ihr in einem Trainingsplan mit entsprechender Musikbegleitung vor dem jeweiligen Kursbeginn
schriftlich festgehalten wird. Unabhängig davon, ob die Klägerin gegen diese Feststellungen berechtigte Einwände
erhoben hat, stellt sich die ausgeübte Tätigkeit indes auch dann als Lehrtätigkeit dar, wenn die Behauptung der
Klägerin als zutreffend unterstellt wird und ihre Tätigkeit tatsächlich allein darauf gerichtet sein sollte, den ständig
wechselnden Kursteilnehmern in ihrer jeweiligen Gesamtheit isoliert auf die Zeit der unmittelbaren Begegnung eine
aktuelle und mit sonstigen Einheiten nicht abgestimmte Anleitung zur gemeinsamen Körperbewegung zu vermitteln,
deren Inhalt keinerlei Gedächtnisspuren hinterlässt und demgemäß außerhalb des Kurses nicht reproduzierbar ist.
Auch dann handelt es sich um die Vermittlung einer - wenn auch flüchtigen - speziellen Fähigkeit durch praktischen
Unterricht in der organisierten Form eines Kurses im institutionellen Rahmen des jeweiligen Studios (vgl. in diesem
Sinne bereits Urteil des Senats vom 12. Oktober 2000, B 12 RA 2/99 R, SozR 3-2600 § 2 Nr. 5 S 29 m. w. N.). Auf
die Abgrenzbarkeit des Rechtsbegriffs des Lehrers im Sinne des Sozialversicherungsrechts von einem in sonstigen
rechtlichen und tatsächlichen Kontexten gebrauchten Begriff des Lehrers kommt es insofern nicht an. Soweit sich die
Klägerin im Übrigen auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 13. Januar 1994 (IV R 79/92, BFHE 173, 331) beruft,
wird hieraus deutlich, dass auch die oberstgerichtliche Rechtsprechung zum Steuerrecht jede unterrichtende Tätigkeit,
insbesondere ausdrücklich auch den Unterricht in Sport und Gymnastik den freien Berufen (§ 18 Abs. 1 Nr. 1
Einkommensteuergesetz) zuordnet und dieses Ergebnis nur dann gefährdet sieht, wenn andere Leistungen wie etwa
die Überlassung von Sportgeräten und die Einweisung in deren Gebrauch im Rahmen eines Mietvertrags den Inhalt
der Tätigkeit prägen und diese damit insgesamt zu einer gewerblichen machen. Dass die Klägerin mit den
Kursteilnehmern zusätzlich Mietverträge schließt oder sonstige die Lehrtätigkeit überwiegende Leistungen erbringt, ist
indes nicht ersichtlich."
Nach dieser Rechtsprechung, der sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt, hat der Kläger im streitigen
Zeitraum eine Tätigkeit als selbstständig tätiger Lehrer im Sinne von § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI ausgeübt. Der Kläger hat
spezielle Fähigkeiten durch seine Tätigkeit vermittelt. Nach den Angaben der M vom 8. Januar 2007 und auch seinen
eigenen Angaben hat der Kläger im streitigen Zeitraum als Fitnesstrainer sein Sachwissen vermittelt. Er hat mit
Interessenten ein Probetraining durchgeführt und hierbei die Fitnessgeräte und Bewegungsabläufe erklärt. Ferner hat
er für die Mitglieder der Fitnessstudios individuelle Trainingspläne erstellt und hierzu zuvor eine Untersuchung und
Tests bei den Mitgliedern durchgeführt. Schließlich hat er in der Trainingsphase diese beaufsichtigt und ist auf
Probleme und Fragen der Trainierenden eingegangen. Insgesamt hat der Kläger damit den Kunden der Fitnesscenter
die zur Ausübung eines sinnvollen Trainings notwendigen Kenntnisse vermittelt.
Wie auch schon im von dem Bundessozialgericht zu entscheidenden Fall führt das Urteil des BFH vom 13. Januar
1994 (IV R 79/92) vorliegend nicht zu einer anderen Bewertung.
Der BFH hatte im Rahmen seiner Entscheidung zu klären, ob auch der Betrieb eines Fitnessstudios eine
unterrichtende Tätigkeit darstellen kann. Er hat entscheidend darauf abgestellt, was nach Art und Umfang der
Leistungen insgesamt der Tätigkeit das Gepräge gab. Liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit auf dem
Zurverfügungstellen des Gerätes und der Räume, so ist im Zweifel von einer gewerblichen Tätigkeit (im Sinne des
Steuerrechts) auszugehen. Wird dagegen eher Unterricht erteilt, so führt dies Zurverfügungstellen nicht zu einer
Gewerblichkeit der Unterrichtstätigkeit.
Auch unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung ist bei dem Kläger von einer Unterrichtstätigkeit auszugehen. Er
selbst verfügte über keine eigenen Räume oder Gerätschaften, die er den Trainierenden zur Verfügung stellen konnte.
Seine Leistungserbringung erschöpfte sich vielmehr im Wesentlichen darin, sein Fachwissen zu vermitteln. Entgegen
der Ansicht des Klägers geschah die Vermittlung des Fachwissens auch nicht nur in der Anfangsphase eines neuen
Trainingsprogramms. Wie er vielmehr selbst einräumte, vermittelte er sein Fachwissen auch während der
Trainingsphase an die Trainierenden, indem er ihr Training überwachte, für Fragen zur Verfügung stand und
entsprechende Hinweise erteilte.
Insgesamt bleibt danach festzustellen, dass der Kläger im streitigen Zeitraum nach § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI als
selbstständig tätiger Lehrer versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung war. Entsprechend sind
nach § 173 SGB VI Beiträge an die Beklagte zu zahlen, wobei nach § 169 Nr. 1 SGB VI der Kläger als selbstständig
Tätiger beitragspflichtig ist. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berechnung der Beiträge sind weder vorgetragen, noch
für das Gericht ersichtlich. Mit den Änderungsbescheiden hat die Beklagte vielmehr den zwischenzeitlich vorgelegten
Einkommensnachweisen zutreffend Rechnung getragen.
Die Verpflichtung zur Entrichtung der streitigen Beiträge ist schließlich weder durch einen behaupteten
sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, eine Verwirkung oder einer Verjährung des Beitrages für Dezember 2000
entfallen. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Berlin, denen sich der Senat anschließt,
verwiesen.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass selbst dann, wenn ein Beratungspflichtverstoß angenommen werden
würde, dieser nicht zum Entfallen der Pflicht einer Beitragszahlung führen könnte. Denn ein fehlender Hinweis auf die
Beitragspflicht wäre nicht ursächlich für das Entstehen der Beitragspflicht. Die gesetzliche Versicherungspflicht und
damit auch die Pflicht zur Beitragszahlung treten vielmehr bei Verrichtung einer entsprechenden Tätigkeit kraft
Gesetzes ein und stehen nicht zur Disposition des Versicherungspflichtigen. Der Eintritt der Beitragspflicht kann
daher auch bei Kenntnis dieser Pflicht allenfalls dadurch abgewendet werden, dass die die Beitragspflicht
begründende Tätigkeit nicht ausgeübt wird. Insoweit ist jedoch festzustellen, dass der Kläger seine Tätigkeit noch bis
Ende 2007 ausgeübt hat, obwohl er spätestens durch den Bescheid vom 1. November 2005 in Kenntnis von der
Beitragspflicht gesetzt wurde. Es ist daher nicht ersichtlich, dass der Kläger seine selbstständige Tätigkeit nicht
aufgenommen hätte, wenn er rechtzeitig über die Beitragspflicht informiert worden wäre.
Der Hilfsantrag des Klägers konnte schließlich auch keinen Erfolg haben; er ist ebenfalls unbegründet.
Eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 6 SGB VI kommt nicht in Betracht. Wie die Beklagte
und auch das Sozialgericht zutreffend ausgeführt haben, scheitert eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach
dieser gesetzlichen Regelung bereits daran, dass der Kläger nicht am 31. Dezember 1998 seine selbstständige
Tätigkeit ausgeübt hat.
Auch eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach anderen Vorschriften ist nicht möglich. So scheitert
beispielsweise eine Befreiung nach § 6 SGB VI daran, dass der Kläger nicht zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung
Mitglied einer Berufsständischen Kammer war (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) oder als Lehrer eine Anwartschaft auf eine
Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder entsprechender kirchenrechtlicher Regelungen hat (§ 6 Abs. 1
Nr. 2 SGB VI).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.