Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 12.01.2011

LSG Berlin und Brandenburg: gesetzliche vermutung, verschlechterung des gesundheitszustandes, beweis des gegenteils, stationäre behandlung, motiv, tod, klinikum, krankheit, versorgung, pflege

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 12.01.2011 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 15 R 5418/05
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 16 R 936/10 ZVW
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. März 2006 aufgehoben und die Klage
abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren einschließlich des Revisionsverfahrens nicht zu
erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von großer Witwenrente (WR) aus der Versicherung des am 2004 verstorbenen F R (im
Folgenden: Versicherter).
Die 1950 geborene Klägerin lebte nach eigenen Angaben mit dem 1946 geborenen und zuletzt als Schulhauswart beim
L B beschäftigten Versicherten, den sie 2004 heiratete, seit 1978 in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Sie hat
aus ihrer ersten Ehe zwei in den Jahren 1969 (H E; im Folgenden: H.E.) und 1973 (I E; im Folgenden: I.E.) geborene
Kinder. In den Jahren 2003 und 2004 erzielte die Klägerin aus ihrer Beschäftigung als Apothekenhelferin bei der VN
für G GmbH ein monatliches Bruttoentgelt von ca. 2.400,- EUR (Bescheinigung vom 2. Februar 2005).
Bei dem Versicherten wurde erstmals im Oktober 2002 ein Blasenkarzinom diagnostiziert, das zunächst operativ
entfernt wurde. Im Mai 2003 erkrankte er an einer neurologischen Erkrankung (Guillain-Barré-Syndrom), in deren
Verlauf er nach einem stationären Aufenthalt im Klinikum N vom 18. April 2003 bis zum 26. April 2003 auch eine
Anschlussheilbehandlungsmaßnahme in der Brandenburgklinik der Beklagten in B vom 15. Mai 2003 bis zum 12. Juni
2003 durchlief; auf den Entlassungsbericht vom 16. Juni 2003 wird Bezug genommen. Im Februar 2004 wurde bei
dem Kläger ein metastasierendes Urothelkarzinom der Harnblase festgestellt, das sich als rasch progredient mit
Befall der Leber und Lymphknoten darstellte (Entlassungsbericht des Klinikums N vom 07. Juni 2004), worauf sich der
Versicherte zu palliativen Zwecken einer Chemotherapie unterzog. Die Chemotherapie wurde im Klinikum N vom 08.
Juni bis zum 10. Juni 2004 stationär fortgesetzt. Wegen einer deutlichen Verschlechterung des Allgemeinzustandes
mit Verschlechterung der Leberfunktionsleistung erfolgte eine weitere stationäre Behandlung im Klinikum N vom 14.
Juni 2004 bis zum 10. Juli 2004, wobei wegen des sich kontinuierlich verschlechternden Zustandes des Versicherten
die Chemotherapie abgebrochen und der Versicherte mit Morphium medikamentös behandelt wurde. Im Verlauf dieses
Krankenhausaufenthaltes heirateten die Klägerin und der Versicherte. Nach einer erneuten Entlassung mit
Homecarebetreuung wurde der Versicherte am 27. Juli 2004 notfallmäßig im Klinikum N stationär aufgenommen, wo
er am selben Tage wegen Leber- und Nierenversagens verstarb.
Am 16. November 2004 beantragte die Klägerin die Gewährung von WR. Sie gab an, die Eheschließung sei zur
Sicherung der erforderlichen Betreuung des ständig auf Pflege angewiesenen Versicherten erfolgt, dessen Tod bei
Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen sei. Mit Bescheid vom 13. Juni 2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab mit der Begründung, dass
vorliegend im Hinblick auf die gesetzliche Vermutung in § 46 Abs. 2a Sozialgesetzbuch – Gesetzliche
Rentenversicherung – (SGB VI) davon auszugehen sei, dass die Erlangung einer Versorgung Ziel der Eheschließung
gewesen sei. Diese gesetzliche Vermutung habe die Klägerin nicht widerlegen können.
Im Klageverfahren hat die Klägerin, die weiterhin vollschichtig als Apothekenhelferin beschäftigt war, vorgetragen, sie
und der Versicherte hätten bereits seit 1981 oder 1982 heiraten wollen. Sie habe zunächst aber die Volljährigkeit ihrer
Kinder aus erster Ehe abwarten wollen, weil sie Probleme für die Kinder befürchtet habe, wenn diese einen anderen
Nachnamen bekommen hätten. Der Versicherte habe im Hinblick auf seine 1969 geborene Tochter A aus erster Ehe
ebenfalls abwarten wollen, bis seine Tochter volljährig und er nicht mehr unterhaltspflichtig gewesen sei. Die Hochzeit
sei dann aus familiären Gründen immer weiter verschoben worden, teilweise auch wegen finanzieller Erwägungen. Bei
der Einlieferung des Versicherten in das Klinikum N im Jahr 2004 habe dieser dann geäußert, sie sollten nunmehr
heiraten, damit sich niemand mehr einmischen könne und sie – die Klägerin – die Rechte einer Ehefrau habe.
Hintergrund dessen sei gewesen, dass die schwer alkoholkranke Tochter des Versicherten diesen immer wieder mit
Geldforderungen belästigt habe. Der Versicherte habe auch nicht gewollt, dass seine Tochter von seiner schweren
Erkrankung erfahre. Er habe von ihr – der Klägerin – auch verlangt, diese solle seiner Tochter ausrichten, dass diese
nicht mehr anrufen und sich ausschließlich an sie – die Klägerin – wenden solle. Dies habe der Versicherte seiner
Tochter auch anlässlich eines Krankenbesuches persönlich mitgeteilt. Durch die Eheschließung habe daher auch
gewährleistet werden sollen, dass die Tochter des Versicherten keinen Einfluss auf dessen Behandlung und Pflege
habe nehmen können.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen KP (Schwester der
Klägerin; im Folgenden: P.), I.E. und H.E.; hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlagen 1
bis 3 zur Sitzungsniederschrift vom 06. März 2006 Bezug genommen. Das SG hat der auf Gewährung von WR nach
dem verstorbenen Versicherten für die Zeit ab 27. Juli 2004 gerichteten Klage mit Urteil vom 06. März 2006
stattgegeben. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei auch begründet. Die Klägerin habe gegen die
Beklagte einen Anspruch auf WR nach § 46 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI. Der Ausschlussgrund des § 46 Abs. 2a SGB
VI liege nicht vor. Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe sei zur Überzeugung der Kammer widerlegt. Es
sei nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen, für
die Klägerin einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Zwar sei nach den vorliegenden
medizinischen Unterlagen auch aus Sicht der Klägerin der Tod des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung in
zumindest absehbarer Zeit zu erwarten gewesen. Die Klägerin und der Versicherte hätten aber bereits seit langer Zeit
Heiratsabsichten gehabt, was sich zur Überzeugung des Gerichts aus den Angaben der Klägerin und den
Einlassungen der Zeugen ergeben habe. Überwiegender Anlass und Beweggrund für die dann letztlich vorgezogene
"Nottrauung" am 02. Juli 2004 sei schließlich die Tatsache gewesen, dass die Pflege und Vertretung des Versicherten
in allen im Zusammenhang mit der Krankheit auftretenden Problemen für die Klägerin als Lebensgefährtin große
Schwierigkeiten mit sich gebracht habe bzw. mit sich hätte bringen können, und zwar im Hinblick auf die drohende
Einmischung durch die Tochter des Versicherten, die ohne die Eheschließung die nächste Verwandte des
Versicherten gewesen wäre. Alle Zeugen hätten dieses Motiv bestätigt. Im Übrigen sei bei der Klägerin, die seinerzeit
und auch derzeit noch über ein monatliches Arbeitsentgelt von etwa 2.400,- EUR verfüge, keinerlei
Versorgungsbegehren erkennbar gewesen. Der Rentenbeginn folge aus § 99 Abs. 2 SGB VI.
Der Senat hat die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten mit Urteil vom 31. Januar 2007 (- L 16 R 487/06 -) mit
der den Tenor des SG-Urteils berichtigenden Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte zur Gewährung großer WR
ab 27. Juli 2004 verurteilt worden ist. Das Bundessozialgericht (BSG) hat dieses Urteil nach Zulassung und Einlegung
der Revision durch die Beklagte aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das
Landessozialgericht (LSG) zurückverwiesen, weil das LSG verfahrensfehlerhaft dem von der Beklagten im Termin zur
mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, den Standesbeamten zu den Umständen der Trauung als Zeugen
zu vernehmen, nicht gefolgt sei (Urteil vom 6. Mai 2010 - B 13 R 134/08 R -).
Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung im Einzelnen vor: Das SG sei unzutreffend davon ausgegangen,
dass die Vermutung einer Versorgungsehe nach § 46 Abs. 2a SGB VI vorliegend widerlegt sei. Hierfür sei der volle
Beweis des Gegenteils erforderlich, der nicht habe geführt werden können. Bei der vorzunehmenden
Gesamtabwägung sei vielmehr davon auszugehen, dass das langjährige Zusammenleben der Klägerin mit dem
Versicherten ohne Trauschein die Annahme rechtfertige, dass die knapp vier Wochen vor dem Ableben des
Versicherten geschlossene Ehe lediglich zu Versorgungszwecken geschlossen worden sei. Auch die konkreten
Umstände der Eheschließung würden für eine Versorgungsehe sprechen. Zum Zeitpunkt der Eheschließung habe
nicht mehr davon ausgegangen werden können, dass der Versicherte noch längere Zeit leben würde und es sich um
den Beginn eines neuen gemeinsamen, auf die Zukunft gerichteten Lebensabschnitts handeln würde. Es habe sich
vielmehr um eine "Nottrauung" angesichts einer lebensbedrohlichen Erkrankung gehandelt, die den Eheschließenden
auch bekannt gewesen sei. Gestützt werde diese Annahme auch durch das Schreiben des die Eheschließung
durchführenden Standesbeamten V W (im Folgenden: W.) vom 20. April 2007, in dem ausgeführt werde, dass für die
Krankenhaustrauung eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt worden sei, ausweislich derer der Versicherte
lebensbedrohlich erkrankt gewesen sei und jederzeit habe versterben können. Bei diesem Sachverhalt sei nach der
zwischenzeitlich vorliegenden Rechtsprechung des BSG (z.B. Urteil vom 5. Mai 2009 – B 13 R 55/08 R – juris) der
Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a SGB VI grundsätzlich nicht erfüllt. Schließlich sei auch nicht glaubhaft, dass
über 20 Jahre lang durchgehend immer Gründe vorgelegen haben sollten, die die Klägerin und den Versicherten an
einer Eheschließung gehindert hätten. Bei einem ernsthaften und dringlichen Heiratswunsch wäre dessen
Verwirklichung lange vor dem Bekanntwerden der Krebserkrankung zu erwarten gewesen. Vorliegend seien jedoch
konkrete Heiratspläne erst ganz kurzfristig nach dem Bekanntwerden der Krebserkrankung und während einer auf
dieser Erkrankung beruhenden kontinuierlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Versicherten
gefasst worden. Das Motiv, den Anforderungen der Bürokratie durch die Eheschließung besser gerecht werden zu
können bzw. den Einmischungsversuchen der Tochter des Versicherten entgegenzuwirken, stelle keine mit dem
Beweggrund der Versorgung vergleichbare Motivationslage dar. Derartigen Einmischungsversuchen hätte der
Versicherte mit einer auf die Klägerin ausgestellten Vorsorgevollmacht wirksam Einhalt gebieten können. Auch die
Einkommensverhältnisse der Klägerin widerlegten die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nicht. Denn
bereits damals sei es offensichtlich gewesen, dass die Altersrente der zu diesem Zeitpunkt knapp 54 Jahre alten
Klägerin eines Tages erheblich niedriger sein würde als ihr Erwerbseinkommen und sie beim späteren Bezug einer
Versichertenrente zumindest eine Teilleistung aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes zu erwarten
gehabt hätte.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 06. März 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin
beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat im Berufungsverfahren die ärztlichen Bescheinigungen der Ärztin U beigezogen, die anlässlich der
Eheschließung erstellt worden sind (Aufenthaltsbescheinigung und ärztliche Erklärung aus Anlass einer
Eheschließung vom 2. Juli 2004); hierauf wird Bezug genommen. Der Senat hat ferner Beweis erhoben durch
uneidliche Vernehmung des mit der Eheschließung betrauten Standesbeamten W (im Folgenden: W.) als Zeuge;
hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 12. Januar 2011
verwiesen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen
verwiesen.
Die Verwaltungsakten der Beklagten für den Versicherten (Renten- und Rehabilitationsakten), die Akte des BSG – B
13 R 134/08 R - und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf (große) WR nach § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VI. Nach der
genannten Vorschrift, deren bis 31. Dezember 2007 maßgebende Fassung auf den vorliegend für die Zeit ab 27. Juli
2004 geltend gemachten WR-Anspruch anzuwenden ist (vgl § 300 Abs. 2 SGB VI), haben Witwen, die nicht wieder
geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der – wie hier – die allgemeine Wartezeit erfüllt hat,
Anspruch auf große WR, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser
Vorschrift sind in der Person der zum Zeitpunkt des Ablebens des Versicherten 53 Jahre alten Klägerin erfüllt. Dem
Anspruch auf große WR steht indes die Vorschrift des § 46 Abs. 2a SGB VI entgegen.
Danach haben Witwen keinen Anspruch auf WR, wenn die Ehe – wie hier - nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es
sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige
oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Diese
Vorschrift wurde durch Artikel 1 Nr. 6b des Altersvermögensergänzungsgesetzes vom 21. März 2001 (BGBl. I S. 403)
mit Wirkung vom 01. Januar 2002 in das SGB VI eingefügt. Sie begründet für alle seit ihrem Inkrafttreten am 01.
Januar 2002 (vgl. § 242a Abs. 3 SGB VI) geschlossenen Ehen die gesetzliche Vermutung, dass bei einem Tod des
Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung alleiniger oder
überwiegender Zweck der Eheschließung war. Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat weniger als
ein Jahr gedauert, nämlich vom 02. Juli 2004 bis zum 27. Juli 2004. Die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a
SGB VI greift also ein. Sie ist vorliegend nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens auch nicht widerlegt, weil zur
vollen Überzeugung des Senats nicht erwiesen ist, dass der in Gestalt einer Nottrauung im Krankenhaus vollzogenen
Eheschließung zumindest gleichgewichtig (auch) Motive zugrunde lagen, die nicht auf Versorgungsgesichtspunkten
beruhen.
Eine gewichtige Bedeutung bei der Gesamtbewertung aller vom Senat feststellbaren inneren und äußeren Ehemotive
kommt dem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. So kann
ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender besonderer (äußerer) Umstand insbesondere
dann anzunehmen sein, wenn der Tod des Versicherten, bei welchem bisher kein gesundheitliches Risiko eines
bevorstehenden Ablebens bekannt war, unvermittelt, das heißt plötzlich oder unerwartet eingetreten ist. Auf der
anderen Seite ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen
Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht erfüllt (vgl
hierzu BSG im Revisionsurteil vom 6. Mai 2010 – B 13 R 134/08 R – juris). Indes ist auch bei einer nach objektiven
Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der
Ehegatten im Einzelfall der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest
gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der
abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine
Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines
Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der
Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem
Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besondere Umstände, welche von diesem für die
Widerlegung der gesetzlichen Annahme ("Vermutung") einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten
Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden. Bei alldem ist der Ausnahmetatbestand des
§ 46 Abs. 2a SGB VI nur erfüllt, wenn insoweit nach § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 292
Zivilprozessordnung (ZPO) der volle Beweis erbracht wird. Dieser erfordert zumindest einen der Gewissheit nahe
kommenden Grad der Wahrscheinlichkeit; die nur denkbare Möglichkeit reicht nicht aus. Hiernach ist eine Tatsache
bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falls nach vernünftiger Abwägung
des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle
richterliche Überzeugung zu begründen. Eingedenk des im sozialgerichtlichen Verfahrens gemäß § 103 SGG
geltenden Amtermittlungsgrundsatzes muss der Betroffene zur Anspruchsbegründung den Sachverhalt zwar nicht
darlegen und beweisen. Er muss allerdings dann mit der Versagung des geltend gemachten Anspruchs auf WR
rechnen, wenn nach Ausschöpfung des Amtsermittlungsgrundsatzes "besondere Umstände" im Sinne des § 46 Abs.
2a SGB VI nicht festgestellt werden können. Denn die Darlegungs- und Beweislast für ihr Vorliegen als ein den
Anspruch begründender Umstand und damit auch die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises trägt nach dem
Grundsatz der objektiven Beweislast derjenige, welcher den WR-Anspruch geltend macht (BSG, Urteil vom 05. Mai
2009 - B 13 R 55/08 R = SozR 4-2600 § 46 Nr. 6 mwN). Hiervon ausgehend vermag der Senat im vorliegenden
Einzelfall keine besonderen Umstände im Sinne von § 46 Abs. 2a SGB VI zu erkennen, welche die volle richterliche
Überzeugung dahin zu erbringen vermögen, dass es nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen
Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Beiden Eheleuten, die schon seit mindestens 1978 in einer
eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebten, war zum Zeitpunkt der Eheschließung zweifelsfrei bekannt, dass der
Versicherte so lebensbedrohlich erkrankt war, dass er jederzeit hätte sterben können. Dies bestätigt sowohl die
Tatsache, dass mit der Klägerin und dem Versicherten bereits am 1. Juni 2006 ein eingehendes Aufklärungsgespräch
über die unheilbare, rasch progrediente und nur noch einer palliativen Behandlung zugängliche Krebserkrankung
geführt worden war (vgl. Entlassungsbericht des Klinikums N vom 7. Juni 2004) als auch die Tatsache, dass die
Krankenhausärztin in der von der Klägerin beim Standesamt am 1. Juli 2004 zur Anmeldung der Eheschließung
vorgelegten Aufenthaltsbescheinigung bekundet hatte, dass der Versicherte lebensbedrohlich erkrankt sei und
"jederzeit versterben" könne. Auch der Zeuge W. hat bestätigt, dass dem Versicherten bekannt gewesen sei, dass er
nicht mehr lange zu leben habe, und es ihm daher "wichtig" gewesen sei, die Klägerin zu heiraten. Damit steht
zugleich fest, dass die Klägerin und der Versicherte den konkreten Heiratsentschluss erst nach Kenntnisnahme von
der in höchstem Grad lebensbedrohlichen Erkrankung gefasst haben, was letztlich auch die Zeugen P., I.E. und H.E.
bestätigt haben. Die dem entgegen stehenden Angaben der Klägerin im Verwaltungsverfahren und anlässlich des
Verhandlungstermins vom 31. Januar 2007, es sei nicht zu erwarten gewesen bzw. ihr nicht klar gewesen, dass der
Versicherte bald sterben würde, sind damit ebenso wenig in Einklang zu bringen wie ihr Vortrag bei dem SG, noch im
Februar 2004 sei eine Nachuntersuchung ohne Auffälligkeiten verlaufen und von der Metastasenbildung hätten sie und
der Versicherte erst im Mai 2004 erfahren. Diese offensichtlich unzutreffenden Angaben erschüttern die
Glaubwürdigkeit der Klägerin auch hinsichtlich ihres Vorbringens im Übrigen, die schon seit langer Zeit vor Eintritt der
Erkrankung geplante Eheschließung sei trotz des über mehrere Jahrzehnte währenden Zusammenlebens mit dem
Versicherten immer wieder aus persönlichen und/oder finanziellen Erwägungen aufgeschoben worden. Auch die zu
diesen im Wesentlichen unkonkret vorgebrachten Hinderungsgründen gemachten Aussagen der Zeugen P., I.E. und
H.E. haben den Senat nicht dahingehend zu überzeugen vermocht, dass die Frage der Namensgebung für die Kinder
oder im Einzelnen nicht näher bezeichnete finanzielle Gründe tatsächlich ein solches Gewicht gehabt hätten, die
Klägerin und den Versicherten an einer unabhängig von Versorgungsgesichtspunkten tatsächlich geplanten Heirat
über einen derart langen Zeitraum zu hindern, zumal nach dem Vorbringen der Klägerin beim SG das Zusammenleben
auch ohne Trauschein "immer ohne Probleme" war. Auch das von der Klägerin vorgebrachte Motiv, die Ehe sei
geschlossen worden, um "Einmischungsversuche" der Tochter des Versicherten abzuwehren, rechtfertigt nicht die
sichere Feststellung, die Ehe sei zumindest gleichgewichtig (auch) aus diesem Grund geschlossen worden. Denn
derartigen Versuchen hätte durch geeignete rechtliche Vorkehrungen, zB durch Erteilung einer Vorsorgevollmacht,
ohne weiteres Einhalt geboten werden können. In der Gesamtschau kommt dem zugunsten der Klägerin letztlich (nur)
einzuräumenden Gesichtspunkt, dass die Klägerin und der Versicherte ihrer Beziehung vor dem nahenden Tod des
Versicherten noch den "offiziellen Segen" unabhängig von Versorgungsgesichtspunkten geben wollten, kein derartiges
Gewicht zu, dass dieses Motiv zumindest als dem Versorgungsgedanken gleichgewichtiges Motiv anzusehen wäre,
zumal hier auch zu berücksichtigen ist, dass sich die wirtschaftliche Situation der Klägerin bei Gewährung der
begehrten WR auch tatsächlich, und zwar auch im Fall eines künftigen eigenen Bezugs von Altersrente, verbessert
hätte. Der Klägerin wird nicht unterstellt, dass das von ihr für die Heirat angeführte Motiv, die Liebesbeziehung nach
außen hin zu dokumentieren, nicht vorgelegen hätten. Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung ist angesichts der
festgestellten äußeren Umstände jedoch davon auszugehen, dass dieses Motiv nicht ausschlaggebend für die
Heiratsabsicht war bzw. dass es sich hierbei im Verhältnis zur Versorgungsabsicht jedenfalls nicht um zumindest
gleichwertige Beweggründe gehandelt hat. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt die
außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1
oder 2 SGG liegen nicht vor.