Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 10.04.2006

LSG Berlin und Brandenburg: befangenheit, beteiligter, zustellung, hauptsache, unparteilichkeit, zivilprozessordnung

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 10.04.2006 (nicht rechtskräftig)
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 1 SF 49/06
Das Gesuch, die Richterin am Sozialgericht wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird als unzulässig
verworfen.
Gründe:
Ein Richter kann gemäß § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 42 ff Zivilprozessordnung (ZPO) wegen Besorgnis
der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit
eines Richters zu rechtfertigen. Gründe für ein derartiges Misstrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem
Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der Richter nicht
unvoreingenommen entscheiden werde. Nach § 43 ZPO kann ein Beteiligter einen Richter wegen Besorgnis der
Befangenheit allerdings nicht mehr ablehnen, wenn er sich, ohne den ihm bekannten Ablehnungsgrund geltend zu
machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat.
Aus diesem Grund ist das ausdrücklich erst am 21. März 2006 angebrachte Befangenheitsgesuch, das der Kläger mit
dem Verhalten der abgelehnten Richterin in der mündlichen Verhandlung am 14. Dezember 2005 begründet,
unzulässig, denn es ist nicht vor Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung und damit nicht rechtzeitig
angebracht worden. Aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung, dessen Richtigkeit der Kläger nicht
angezweifelt hat, ergibt sich nicht, dass ein Befangenheitsgesuch in der mündlichen Verhandlung gestellt worden ist.
Zur Begründung seines Gesuchs nimmt der Kläger Bezug unter anderem auf die Begründung seiner
Nichtzulassungsbeschwerde und seiner Dienstaufsichtsbeschwerde. Hier hat er – jeweils mit Schriftsatz vom 13.
Februar 2006 - den Ablauf der Verhandlung aus seiner Sicht im Einzelnen geschildert und dabei insbesondere wörtlich
übereinstimmend ausgeführt, er habe der Richterin angekündigt, sich die unfaire Verhandlung nicht bieten lassen und
dagegen vorgehen zu wollen. Damit hat er nicht einmal behauptet, bereits vor den in der mündlichen Verhandlung
gestellten Sachanträgen zur Hauptsache einen Befangenheitsantrag gestellt zu haben. Die Ankündigung, sich gegen
das behauptete Verhalten zu einem späteren Zeitpunkt noch wehren zu wollen, reicht hierfür nicht aus. Denn der
Zweck des § 43 ZPO ist es, den Ablehnungsberechtigten zu veranlassen, sich sofort nach Kenntnis eines
Befangenheitsgrundes zu entscheiden, ob er sich darauf berufen will oder nicht; ob ein Richter am Verfahren
mitwirken darf, soll nicht in der Schwebe bleiben. Vorliegend hat der Kläger den Ausgang des Verfahrens und die
Zustellung von Protokoll und schriftlichen Urteilsgründen abgewartet, bevor er auf die behaupteten
Befangenheitsgründe (zunächst nur im Rahmen einer Dienstaufsichtsbeschwerde und der
Nichtzulassungsbeschwerde) zurückgekommen ist. Das Ablehnungsgesuch ist damit als verspätet anzusehen.
Da das Ablehnungsgesuch bereits auf Grundlage der klägerischen Darstellung des Sachverhalts als unzulässig
anzusehen war, bedurfte es der Einholung einer dienstlichen Äußerung der abgelehnten Richterin nicht.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).