Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 29.10.2009

LSG Berlin-Brandenburg: vergleich, vergütung, schiedsstelle, gestehungskosten, verpflegung, betriebsführung, schiedsspruch, pflegeheim, fax, heimbewohner

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
27. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 27 P 46/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 76 SGB 11, § 80a SGB 11, § 82
Abs 1 SGB 11, § 82 Abs 2 SGB
11, § 84 Abs 1 SGB 11
Soziale Pflegeversicherung - Bestimmung der
leistungsgerechten Vergütung einer stationären
Pflegeeinrichtung durch die Schiedsstelle - Gerichtlicher
Überprüfungsmaßstab der Schiedsstellenentscheidung -
Grundsätze leistungsgerechter Vergütung - Abstellen auf
einheitliche Werte für ein Flächenland - Berücksichtigung der
bindenden Anordnung der Heimaufsicht über den
einrichtungsspezifischen Personalbestand - Verwirkung
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 10.
Mai 2007 und der Schiedsspruch der Beklagten vom 4. Februar 2004 aufgehoben, soweit
die Festsetzung der Pflegesätze und Entgelte für Unterkunft und Verpflegung für
Zeiträume ab dem 22. Oktober 2003 begehrt wird. Die Beklagte wird verpflichtet,
insoweit über den Antrag der Klägerin vom 28. Februar 2003 unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreites zu drei Vierteln, die Beklagte zu einem
Viertel zu tragen. Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Schiedsspruch der Beklagten zur leistungsgerechten
Vergütung für allgemeine Pflegeleistungen und zum angemessenen Entgelt für
Unterkunft und Verpflegung bei stationärer Pflege durch die Klägerin.
Die Klägerin betreibt eine Pflegeeinrichtung mit 160 Plätzen, davon 5
Kurzzeitpflegeplätze, als zugelassene Pflegeeinrichtung (Versorgungsvertrag aus dem
Jahr 1999). Mit Bescheid vom 4. September 2000 ordnete die Heimaufsicht im
Einvernehmen mit den Beigeladenen zu 1) bis 5) und 7) an, einen Mangel in der
Personalausstattung zu beheben, indem die Anwesenheit einer bestimmten Anzahl von
Pflegekräften für bestimmte Tageszeiten in bestimmten Wohnbereichen vorgegeben
wurde. Es wurde die sofortige Vollziehung angeordnet. Der Antrag auf Aussetzung der
sofortigen Vollziehung wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 10.
Januar 2001, 7 L 1392/00, abgelehnt. Der Widerspruchsbescheid vom 25. September
2002 verwies darauf, dass die Überwachung des Heimes am 27. März 2002 ergeben
habe, dass eine ausreichende Qualität der Pflege nach dem anerkannten Stand
medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse noch immer nicht gewährleistet sei; um die
festgestellten Mängel in der Pflege und Betreuung zu beheben, sei das mit dem
Bescheid vom 4. September 2000 geforderte Personal notwendig. Die Erforderlichkeit
der von der Heimaufsicht festgelegten Personalzahlen ergebe sich auch unter
Berücksichtigung des gesamten Einrichtungskonzepts, weil die im Einrichtungskonzept
beschriebenen Leistungen der Pflege und Betreuung einschließlich der angebotenen
Zusatzleistungen und sonstige Leistungen nur mit dem geforderten Personal zu
realisieren seien. Für die heimaufsichtsrechtliche Beurteilung komme es nicht auf die
Pflegesatzvereinbarungen an. Eine spätere Kontrolle durch die Heimaufsicht im Jahr
2003 hat lediglich zu einer Beanstandung hinsichtlich der Fachkraftquote (48,08 % statt
50 %, ohne Pflegeleitung) geführt. Spätere Kontrollen haben keine Beanstandungen
hinsichtlich der Quantität des Personaleinsatzes gezeigt.
Im Kalenderjahr 2002 waren als Pflegevergütungen Pflegesätze von 33,49 EUR
(Pflegestufe 1), 41,69 EUR (Pflegestufe 2), 58,55 EUR (Pflegestufe 3), 67,20 EUR (Stufe
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(Pflegestufe 1), 41,69 EUR (Pflegestufe 2), 58,55 EUR (Pflegestufe 3), 67,20 EUR (Stufe
H.), und für Unterkunft und Verpflegung ein einheitlicher Satz von 14,73 EUR täglich
vereinbart. Grundlage dafür war die Vereinbarung über gemeinsame Grundsätze für die
Vergütung vollstationärer Pflegeleistungen nach dem 8. Kapitel des SGB XI für das Land
Brandenburg zwischen den Landesverbänden der Pflegekassen im Land Brandenburg,
dem Verband der privaten Krankenversicherung, dem überörtlichen Sozialhilfeträger
sowie der Vereinigung der Träger der stationären Pflegeeinrichtungen. Auf dieser
Grundlage wurden bis 2002 weitestgehend flächendeckend im gesamten Bundesland
einheitliche Pflegesätze vereinbart, welche Differenzierungen nur nach drei
Größenklassen der Pflegeeinrichtungen und den Pflegestufen bei jährlichen
Anpassungen der Beträge vorsahen. Dies wurde auch für das Jahr 2003 mit über 70%
der Pflegeeinrichtungen im Bundesland so praktiziert. Während der
Pflegesatzverhandlungen zwischen der Klägerin und den Beigeladenen für das Jahr 2003
von Oktober 2002 bis Dezember 2002 forderte die Klägerin Pflegesätze in Höhe von
42,86 EUR (Pflegestufe 1), 53,61 EUR (Pflegestufe 2), 75,70 EUR (Pflegestufe 3), 87,04
EUR (Stufe H) und für Unterkunft und Verpflegung einen einheitlichen Satz von 16,83
EUR täglich. Die Beigeladenen zu 1) bis 5) und 7) unterbreiteten mit Schreiben vom 11.
Dezember 2002 ein Gegenangebot mit Pflegesätzen von 34,72 EUR (Pflegestufe 1),
43,33 EUR (Pflegestufe 2), 61,00 EUR (Pflegestufe 3), 70,08 EUR (Stufe H) und für
Unterkunft und Verpflegung mit einem einheitlichen Satz von 14,91 EUR täglich. Keines
der Angebote wurde angenommen. Mit Schreiben vom 20. Januar 2003 unterbreitete die
Klägerin ein neues Angebot mit Pflegesätzen von 29,68 EUR (Pflegestufe null), 46,51
EUR (Pflegestufe 1), 58,96 EUR (Pflegestufe 2), 84,53 EUR (Pflegestufe 3), 97,66 EUR
(Stufe H) und für Unterkunft und Verpflegung mit einem einheitlichen Satz von 16,91
EUR täglich. Die Beigeladenen zu 1) bis 5) und 7) haben diesen Antrag als nicht
gesetzeskonformen Antrag auf Nachverhandlungen oder erneute
Pflegesatzverhandlungen abgelehnt (Schreiben vom 7. Februar 2003).
Mit Schreiben vom 28. Februar 2003 hat die Klägerin die Schiedsstelle angerufen und die
Festsetzung der Pflegesätze ab 1. Januar 2003 entsprechend ihrem Angebot vom 20.
Januar 2003 beantragt. Gleichzeitig kündigte sie die Begründung des Antrages an. Die
Klägerin reichte die Begründung (ohne Anlagen) per Fax am 22. Oktober 2003, mit
Anlagen am 27. Oktober 2003 ein. Die beantragte Vergütung ergebe sich aus einem
internen Vergleich, weil ein externer Vergleich nicht in Betracht komme, da die im Land
Brandenburg vereinbarten Pflegesätze nicht als aussagefähige Marktpreise angesehen
werden könnten. Es müssten die konkrete Personalausstattung aufgrund der Anordnung
der Heimaufsicht, bestimmte Sach- und Wartungskosten (insbesondere für den Bereich
Unterkunft und Verpflegung) und ein angemessener Unternehmerlohn berücksichtigt
werden.
Die Beklagte setzte die Vergütungen für die vollstationären Pflegeleistungen für die Zeit
vom 27. Oktober bis 31. Dezember 2003 mit Schiedsspruch vom 4. Februar 2004
entsprechend dem Angebot der Beigeladenen vom 11. Dezember 2002 fest. Maßgeblich
für die Höhe der leistungsgerechten Vergütungen seien die Marktpreise, wie sie sich
durch einen externen Vergleich ergeben würden. Die Beklagte sei von den Pflegesätzen
für vergleichbar große Pflegeeinrichtungen ohne Besonderheiten ausgegangen, weil
keine überzeugenden Gründe dafür vorgelegen hätten, von einem externen Vergleich
abzusehen. Eine Ausnahmesituation bestehe bei der Klägerin nicht. Die Klägerin gehe
mit ihrem Antrag weit über die in Brandenburg vereinbarten Pflegevergütungen mit
vergleichbaren Pflegeeinrichtungen hinaus, ohne dass nachvollziehbar eine
vergütungsrelevante Leistungssteigerung durch die Klägerin dargelegt worden sei. Die
von der Beklagten herangezogenen Pflegesätze seien keine den Pflegeeinrichtungen
aufoktroyierten. Vielmehr handele es sich um Marktpreise im Sinne der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts. Dabei sei sich die Beklagte bewusst, dass der nach § 70 Abs 1
und 2 SGB XI zu beachtende Grundsatz der Beitragsstabilität den
Verhandlungsspielraum der Beigeladenen einschränke. Die Klägerin könne sich nicht auf
die von der Heimaufsicht geforderte Personalausstattung berufen, weil der im externen
Vergleich zugrunde gelegte Orientierungsrahmen eine entsprechende
Personalausstattung mit besonders günstigen Fachkräfteanteilen (von 60%)
berücksichtige und die festgesetzten Pflegesätze die Klägerin in die Lage versetzen
würden, ihren Verpflichtungen nachzukommen und auch ein Qualitätsmanagement
einzuführen und weiterzuentwickeln. Es falle in das Direktionsrecht der Klägerin, selbst zu
bestimmen, wie das Personal eingesetzt werden solle. Unter Berücksichtigung der
Pflegestufenverteilung bei der Antragstellerin ergebe sich für die Beklagte ein
nachvollziehbarer Personaleinsatz von 52,79 Vollzeitkräften einschließlich 2,0 Kräften für
den medizintechnischen Dienst. Auf der Basis der von der Beklagten vorgenommenen
Festsetzung hätten 70% aller Pflegeeinrichtungen mit 78% aller vollstationären Plätze
das Vergütungsangebot der Beigeladenen angenommen. Das gelte auch für das im
Angebot der Beigeladenen berücksichtigte Sachkostenbudgets. Im Hinblick auf den
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Angebot der Beigeladenen berücksichtigte Sachkostenbudgets. Im Hinblick auf den
vollständigen Eingang der Antragsbegründung am 27. Oktober 2003 habe die
Schiedsstelle die Laufzeit der festgesetzten Pflegesätze rückwirkend erst ab diesem
Zeitpunkt bestimmen können. Der Antrag vom Februar 2003 habe nicht im Kern die
gemäß § 7 PflSchV erforderlichen Angaben und die entsprechende Begründung
enthalten.
Die dagegen beim Sozialgericht Hamburg erhobene Klage wurde an das Sozialgericht
Neuruppin verwiesen. Dieses hat die Klage mit Urteil vom 10. Mai 2007 abgewiesen. Die
Klägerin habe mit den Vergütungssätzen aus dem Jahr 2002 weiter gewirtschaftet, was
deutlich mache, dass bereits diese geringeren Pflegesätze eine entsprechende
Bewirtschaftung ermöglicht hätten. Die Berücksichtigung der Gestehungskosten sei
durch das Gesetz ausgeschlossen worden, was auch die höchstrichterliche
Rechtsprechung bestätigt habe. Maßgeblich sei ein externer Vergleich. Mit der Vorlage
der externen Vergleichsliste im Schiedsstellenverfahren durch die Beigeladenen sei die
Beklagte den Erfordernissen zur Ermittlung des Marktpreises durch einen externen
Vergleich hinreichend nachgekommen. Der Einwand der Klägerin, dass der externe
Vergleich aufgrund der vereinheitlichten Pflegesätze keine Aussagekraft habe, greife
nicht, weil es nicht darauf ankomme, wie die Preise im Einzelnen entstanden seien. Die
durch die Beklagte festgesetzten Vergütungssätze würden die Obergrenze der Preise
innerhalb der vergleichbaren Einrichtungen im Land Brandenburg darstellen. Die
Anordnung der Heimaufsicht gegenüber der Klägerin stelle keine besonders zu
berücksichtigende Abweichung dar, weil die Vorgaben des Heimgesetzes auf jede der im
externen Vergleich benannten Einrichtungen zutreffen würden. Der
streitgegenständliche Zeitraum im Jahr 2003 sei durch die Anordnung der Heimaufsicht
nicht betroffen. Die Abwägungen der Beklagten in ihrer Entscheidung seien
ermessensgerecht und auch umfangreich dargestellt worden. Auch hinsichtlich der
Sachkosten müsse sich die Klägerin an den Vorgaben aus dem externen Vergleich
messen lassen. Dies gelte auch für die Kostenposition Unternehmerlohn. Nicht zu
berücksichtigen seien Wartungskosten, weil diese Bestandteil des Investitionsbetrages
und nicht Gegenstand der Pflegevergütung seien. Auch die Entscheidung über den
Laufzeitbeginn sei von der Beklagten ermessensfehlerfrei getroffen worden.
Die Klägerin verfolgt ihr Begehren mit der Berufung weiter. Die angefochtene
Entscheidung der Beklagten sei nicht ausreichend begründet worden. Das Sozialgericht
habe die besonderen Konsequenzen der heimaufsichtlichen Anordnung verkannt und
das Einvernehmen der Beigeladenen nicht hinreichend gewürdigt. Gerade die
Personalausstattung stelle ein klassisches Differenzierungskriterium im Rahmen des
externen Vergleichs dar. Maßgeblich für die Rückwirkung des Schiedsspruchs sei der
Zugang des Schiedsstellenantrags bei der Schiedsstelle. Jede andere Auslegung würde
gegen den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes verstößt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 10. Mai 2007 und den
Schiedsspruch der Beklagten vom 4. Februar 2004 aufzuheben und die Beklagte zu
verpflichten, für die Zeit ab dem 28. Februar 2003 unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Die Beigeladenen zu 1) bis 5) und 7) machen für den Fall, dass die heimaufsichtliche
Anordnung zu Mehrkosten i.S.d. § 117 Abs 6 SGB XI geführt haben sollte, den Einwand
der Verwirkung geltend.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren
Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-
und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die
Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat im Sinne der Aufhebung der Entscheidungen des Sozialgerichts und
der Beklagten und der Verpflichtung der Beklagten zur Neuentscheidung Erfolg. Dies gilt
jedoch nicht für das Begehren, die Pflegesätze und die Entgelte für Unterkunft und
Verpflegung auch mit Wirkung für die Zeiträume vom 28. Februar bis zum 21. Oktober
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Verpflegung auch mit Wirkung für die Zeiträume vom 28. Februar bis zum 21. Oktober
2003 festzusetzen.
1. Die Berufung ist wie auch die Klage zulässig. Die kombinierte Anfechtungsklage und
Verpflichtungsklage ist statthaft (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG). Im Hinblick auf den der
Beklagten eingeräumten und gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren
Entscheidungsspielraum (BSG, Urteil vom 29.01.2009, B 3 P 7/08 R, RdNr 41) macht die
Klägerin zulässig neben der Anfechtung der Entscheidung der Beklagten einen Anspruch
auf erneute Entscheidung der Beklagten geltend.
2. Der angefochtene Schiedsspruch ist rechtswidrig und der Schiedsantrag der Klägerin
für die Zeiträume ab 22. Oktober 2003 neu zu bescheiden. Hierbei wird die
Rechtsauffassung des erkennenden Senats zu beachten sein. Der Senat folgt dabei für
Zeiträume ab 1. Januar 2002 der mit den Urteilen des 3. Senats des BSG vom 29. Januar
2009 geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. etwa Urteil B 3 P 7/08 R). Dies
hat der Senat bereits mit seinem Urteil vom 1. April 2009, Az.: L 27 P 7/08 (das noch
Zeiträume vor 2002 betraf) angedeutet.
Der Senat hat ausschließlich zu überprüfen, ob die Ermittlung des Sachverhalts in einem
fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs erfolgt ist, ob zwingendes
Gesetzesrecht beachtet und ob der bestehende Beurteilungsspielraum eingehalten
worden ist (BSG, aaO RdNr 42). Dies ist zur Überzeugung des Senats bei der hier
angefochtenen Entscheidung der Beklagten nicht der Fall. Die Schiedsstelle hat in
wesentlicher Hinsicht die Maßstäbe für die Preisbildung der Pflegesätze verkannt. Sie hat
insbesondere nicht berücksichtigt, dass die Pflegesätze einzelfallbezogen für die
jeweilige Pflegeeinrichtung und nicht nach einheitlichen Werten für ein größeres
Einzugsgebiet oder gar für ein Flächenland festzusetzen sind. Sie hat dabei den
konkreten Personalbedarf, der sich hier durch die vorläufig maßgebliche und die
Beteiligten im Jahre 2003 bindende heimaufsichtliche Anordnung bestimmte,
rechtswidrig nicht berücksichtigt. Sie hat weiterhin nicht berücksichtigt, dass es ihre
Aufgabe war, Pflegesätze ausgehend vom Antrag der Klägerin im Rahmen des unter
Beachtung der Interessen aller Beteiligten, auch der Heimbewohner, wirtschaftlich
Angemessenen festzulegen, die auch einen angemessenen „Unternehmerlohn“
einschließen. Die Beklagte hat deshalb in wesentlicher Hinsicht den ihr eingeräumten
Beurteilungs- und Ermessensspielraum unzutreffend ausgefüllt. Sie hat auch über den
Zeitpunkt des Inkrafttretens ihrer Entscheidung neu zu befinden, soweit nicht
Geltungszeiträume vor dem 22. Oktober 2003 betroffen sind.
a) Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung in formeller Hinsicht sind § 76 SGB
XI iVm § 85 Abs 5 Satz 1 und § 87 Satz 3 Halbsatz 1 SGB XI (BSG, Urteil vom
29.01.2009, B 3 P 7/08 R, RdNr 9). Danach setzt die Schiedsstelle mit der Mehrheit ihrer
Mitglieder (§ 76 Abs 3 Satz 4 SGB XI) die Pflegesätze bzw die Entgelte für Unterkunft und
Verpflegung auf Antrag einer Vertragspartei unverzüglich fest, wenn eine Vereinbarung
darüber innerhalb von sechs Wochen nach schriftlicher Aufforderung zur Verhandlung
nicht zustande gekommen ist.
Im vorliegenden Fall ist die Beklagte als Schiedsstelle zu der von ihr getroffenen
Entscheidung berufen gewesen und für die erneute Entscheidung berufen.
Vergütungsverhandlungen der Klägerin mit den Beigeladenen waren bei Antragstellung
durch die Klägerin endgültig gescheitert. Insofern kommt es nicht darauf an, dass die
Klägerin zulässig eine zweite Verhandlungsrunde zu beginnen bestrebt war, denn auch
diese war an der Ablehnung der Beigeladenen gescheitert. Selbstverständlich ist es bei
einem als vertraglich konzipierten Vergütungssystem möglich, auch nach Scheitern von
Verhandlungen vor Anruf der Schiedsstelle erneut ein den Antragsteller bindendes
Vertragsangebot zu unterbreiten, das auch wirksam angenommen werden darf. Dies
folgt auch aus § 85 Abs 7 SGB XI, der selbst nach Abschluss eines
Schiedsstellenverfahrens bei unvorhersehbaren wesentlichen Änderungen
Neuverhandlungen verpflichtend vorschreibt. Im vorliegenden Fall sprach für einen
zweiten Versuch schon der Umstand, dass ernsthafte Verhandlungen beim ersten
Anlauf nicht unternommen worden waren, sondern einfach Angebote ausgetauscht
wurden. Auch wenn die Beklagte zur Neuentscheidung verpflichtet ist, sind die anderen
Beteiligten nicht gehindert, bis zur Entscheidung der Beklagten eine gemeinsame
vertragliche Lösung zu finden, die den Schiedsstellenspruch entbehrlich macht.
b) Materielle Grundlage der angefochtenen Entscheidung sind § 84 Abs 2 Satz 1 und 4
SGB XI iVm § 82 Abs 1 und 2 sowie § 85 Abs 3 SGB XI - jeweils in der bis Dezember 2004
gültigen Fassung. Dem Grundkonzept nach ist das Vergütungsrecht für
Pflegeeinrichtungen seit Einführung des SGB XI maßgeblich von der Erwartung bestimmt,
durch eine Wettbewerbs-orientierung Anreize für möglichst kostengünstige Leistungen
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durch eine Wettbewerbs-orientierung Anreize für möglichst kostengünstige Leistungen
setzen zu können (BSG, Urteil vom 29.01.2009, B 3 P 7/08 R, RdNr 11). Grundlage
hierfür ist die mit dem Ersten SGB XI-Änderungsgesetz vom 14.6.1996 (BGBl I 830)
eingefügte Regelung des § 85 Abs 2 Satz 2 SGB XI, wonach für jedes zugelassene
Pflegeheim die Vergütung gesondert festzulegen ist. Hierdurch soll anstelle einer für alle
Einrichtungen einheitlichen Preisgestaltung eine im Preiswettbewerb ausdifferenzierte
Preisbildung befördert werden (vgl BT-Drucks 13/3696 S 16 zu § 85). Als flankierende
Maßnahme hat der Gesetzgeber die Pflegekassen durch das Erste SGB XI-
Änderungsgesetz schließlich zusätzlich verpflichtet, den Versicherten bei
Inanspruchnahme von Pflegeleistungen eine Leistungs- und Preisvergleichsliste zur
Verfügung zu stellen (vgl § 72 Abs 5 SGB XI idF des Ersten SGB XI-Änderungsgesetzes
seit dem 1.1.2002 geregelt in § 7 Abs 3 SGB XI idF des Pflege-
Qualitätssicherungsgesetzes - PQsG - vom 09.09.2001, BGBl I 2320; zu den Motiven vgl
BT-Drucks 13/3696 S 15). Auch das zielte auf die Verstärkung des Wettbewerbs unter
den Einrichtungen (BSG, Urteil vom 29.01.2009, B 3 P 7/08 R, RdNr 11). Von diesem
Wettbewerbskonzept ist auch das Vergütungsregime des SGB XI für die stationäre Pflege
maßgeblich geprägt (BSG, Urteil vom 29.01.2009, B 3 P 7/08 R, RdNr 12).
Diese Grundsätze zur Vergütung von stationären Pflegeleistungen hat der Gesetzgeber
in der Folgezeit noch mehrfach modifiziert. Im ersten Schritt hat er zunächst durch das
PQsG mit Wirkung zum 1.1.2002 als § 80a SGB XI das Instrument der Leistungs- und
Qualitätsvereinbarung (LQV) eingefügt, die nunmehr gemäß § 84 Abs 5 SGB XI idF des
Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes - PflegeWEG - vom 28.5.2008 (BGBl I 874)
Bestandteil der Pflegesatzvereinbarung selbst geworden ist. Maßgebend war für den
Gesetzgeber die Einschätzung, dass sich die Kostenträger entgegen der gesetzlichen
Intention häufig an einem "Durchschnittswertemodell" orientierten und auf Vergütungen
zu durchschnittlichen Vergütungssätzen hinwirkten. Dies laufe dem Anspruch der Heime
auf eine leistungsgerechte Vergütung zuwider und sei zudem Kosten treibend. Deshalb
sei ein Vergleich mit solchen Einrichtungen geboten, die in ihren individuellen Leistungen
konkret vergleichbar seien - ua als Grundlage dafür würden separate LQV benötigt (vgl
BT-Drucks 14/5395 S 20).
Die mit den Urteilen vom 14.12.2000 (BSGE 87, 199 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1)
begründete Rechtsprechung führt das BSG nur noch teilweise fort. Insbesondere hält es
daran fest, dass ausschließlich auf Gestehungskosten gestützte Vergütungsansprüche
im geltenden Recht keine Grundlage finden (BSG, Urteil vom 29.01.2009, B 3 P 7/08 R,
RdNr 18) und dass die Pflegevergütung auf einem marktorientierten
Versorgungskonzept beruhen muss (BSG ebd RdNr 19). Das BSG hält aber nicht daran
fest, dass die Höhe der Gestehungskosten für die zu vereinbarende Vergütung
grundsätzlich bedeutungslos sei und es regelmäßig nur auf die "Feststellung von
Marktpreisen" ankommt (so noch die Urteile vom 14.12.2000, vgl BSGE 87, 199, 203 =
SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 6). Dem stehen die Regelungen des § 85 Abs 3 Sätze 2 bis 4
SGB XI für das Pflegesatzverfahren entgegen (BSG, Urteil vom 29.01.2009, B 3 P 7/08 R,
RdNr 20). Dabei geht der 3. BSG-Senat nunmehr insbesondere von der Einschätzung
des Gesetzgebers des PQsG zum 1.1.2002 aus, dass das bisherige Vergütungsregime in
der Praxis der stationären Pflege nicht zu der erwarteten wettbewerbsorientierten
Ausdifferenzierung geführt, sondern nur kostentreibend gewirkt und eine unerwünschte
Vereinheitlichung der Pflegesätze befördert hat (BSG, Urteil vom 29.01.2009, B 3 P 7/08
R, RdNr 21).
Grundsätzlich sind nach dieser neuen Rechtsprechung Pflegesatzverhandlungen und evtl
nachfolgende Schiedsstellenverfahren nach einem zweigliedrigen Prüfungsmuster
durchzuführen: Grundlage der Verhandlung über Pflegesätze und Entgelte ist zunächst
die Abschätzung der voraussichtlichen Kosten der in der Einrichtung erbrachten
Leistungen nach § 85 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 SGB XI (Prognose). Daran
schließt sich in einem zweiten Schritt die Prüfung der Leistungsgerechtigkeit nach § 84
Abs 2 Satz 1 und 4 SGB XI an. Maßgebend hierfür sind die Kostenansätze vergleichbarer
Leistungen in anderen Einrichtungen (externer Vergleich). Im Ergebnis sind Pflegesätze
und Entgelte dann leistungsgerecht iS von § 84 Abs 2 Satz 1 SGB XI, wenn erstens die
voraussichtlichen Gestehungskosten der Einrichtung nachvollziehbar und plausibel
dargelegt werden und sie zweitens in einer angemessenen und nachprüfbaren Relation
zu den Sätzen anderer Einrichtungen für vergleichbare Leistungen stehen (BSG ebd
RdNr 22).
c) Zunächst ist - im ersten Prüfungsschritt - die Plausibilität der einzelnen Kostenansätze
festzustellen. Die Vergütungsforderung einer Einrichtung ist nicht ausreichend belegt,
wenn sie nicht auf einer plausiblen und nachvollziehbaren Darlegung der
voraussichtlichen Gestehungskosten beruht. Trotz ihrer Wettbewerbsorientierung sollen
sich die Pflegesätze und Entgelte nicht nur an der marktüblichen Vergütung für solche
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sich die Pflegesätze und Entgelte nicht nur an der marktüblichen Vergütung für solche
Leistungen orientieren, sondern auch an den voraussichtlichen Gestehungskosten. Eine
Vergütung für stationäre Pflegeleistungen ist deshalb im Grundsatz erst dann
leistungsgerecht, wenn sie die Kosten einer Einrichtung hinsichtlich der voraussichtlichen
Gestehungskosten unter Zuschlag einer angemessenen Vergütung ihres
Unternehmerrisikos und eines etwaigen zusätzlichen persönlichen Arbeitseinsatzes
sowie einer angemessenen Verzinsung ihres Eigenkapitals deckt (BSG, Urteil vom
29.01.2009, B 3 P 7/08 R, RdNr 24).
Die voraussichtlichen Gestehungskosten müssen plausibel und nachvollziehbar sein,
also die Kostenstruktur des Pflegeheims erkennen und eine Beurteilung seiner
Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit im Einzelfall zulassen (§ 85 Abs 3 Satz 2
Halbsatz 1 und Satz 3 SGB XI). Deshalb hat das Pflegeheim zunächst geeignete
Nachweise beizubringen; die Vorlage einer reinen Kostenkalkulation ohne weitere
Angaben reicht in aller Regel nicht aus. Nicht von vornherein als unplausibel
ausgeschlossen ist auch die Erhöhung von Kostenansätzen, die in den Vorjahren
aufgrund fehlerhafter Kalkulation oder sogar bewusst - etwa um Marktsegmente zu
erobern - zu niedrig angesetzt worden sind; im letzteren Fall besteht allerdings eine
besonders substantiierte Begründungspflicht des Pflegeheims (BSG, Urteil vom
29.01.2009, B 3 P 7/08 R, RdNr 25); hier sind insbesondere die Interessen der
Heimbewohner und deren schutzwürdiges Vertrauen in die bisherigen Pflegesätze und
die darauf aufbauende Erwartung nur angemessener Kostensteigerungen zu
berücksichtigen. Dass der Gesetzgeber die erforderliche Vergewisserung gemäß § 85
Abs 3 Satz 2 bis 4 SGB XI an die nachvollziehbare Darlegung der voraussichtlichen
Gestehungskosten der Einrichtung geknüpft hat, ist nicht zu beanstanden. Im Gegenteil
liegt eine solche Vorgehensweise nahe, weil die Pflegesatzvereinbarungen gemäß § 85
Abs 2 Satz 2 SGB XI einrichtungsindividuell auszuhandeln sind und das
Vergütungsregime des SGB XI damit - im Interesse von Heimbewohnern, Kostenträgern
und Einrichtungen gleichermaßen - auf möglichst ausdifferenzierte und den
Einrichtungsbesonderheiten Rechnung tragende Vergütungen zielt. (BSG, Urteil vom
29.01.2009, B 3 P 7/08 R, RdNr 27)
Im vorliegenden Fall haben weder die Beigeladenen noch die Beklagte ein Bestreben
erkennen lassen, einrichtungsindividuelle Pflegesätze verhandeln bzw festsetzen zu
wollen. Die vorgelegten detaillierten Kalkulationen mit gutachterlicher Untersetzung
wurden weitestgehend ignoriert.
Insbesondere wurde unberücksichtigt gelassen, dass mit der heimaufsichtlichen
Anordnung ein einrichtungsspezifischer Personalbestand vorzuhalten und einzusetzen
und deshalb auch zu vergüten war. Die heimaufsichtliche Anordnung war vorläufig
vollstreckbar, das gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit gerichtete
Rechtsschutzbegehren blieb erfolglos. Die Anordnung war nicht befristet oder in
sonstiger Weise erledigt und entfaltete daher auch angesichts unveränderter
tatsächlicher Umstände (Anzahl der Plätze und deren Struktur hinsichtlich der
Pflegestufen) für das Jahr 2003 unveränderte Geltung. Damit war für alle Beteiligten, so
auch für den erkennenden Senat, bindend der Personalbedarf in seinem Minimum
vorgegeben. Dieser überschritt deutlich die von den Beigeladenen, der Beklagten und
dem Sozialgericht als angemessen angesehenen Personalzahlen. Die Beigeladenen und
die Beklagte hielten übereinstimmend 52,79 Vollzeitkräfte im Bereich der Pflege
einschließlich zweier Vollzeitkräfte für den medizinischen Dienst für sachgerecht. Nach
der heimaufsichtlichen Anordnung entsteht jedoch allein für den Bereich der unmittelbar
in den Wohnbereichen pflegenden Mitarbeiter ein Bedarf von mindestens 56,95
Vollzeitkräften, denn nach der heimaufsichtlichen Anordnung entsteht ein
kalendertäglicher Personalbedarf von mindestens 258 Anwesenheitsstunden (94.170
Anwesenheitsstunden insgesamt bei 1.653,8 Arbeitsstunden pro Mitarbeiter jährlich,
wobei 54,3 Abwesenheitstage pro Mitarbeiter wegen Urlaub, Fortbildung, Krankheit und
Feiertagen entsprechend der Anlage 2 zur Vereinbarung vom 19.10.1998 berücksichtigt
sind). Der von der Klägerin angesetzte kalendertägliche Aufwand mit 33 Mitarbeitern
(täglich anwesende Arbeitnehmer mit Vollzeitarbeitsverträgen) erscheint angemessen
(aus 258 Anwesenheitsstunden errechnet sich ein kalendertäglicher Personalbedarf von
mindestens 32,25 „Köpfen“ mit Vollzeitarbeitsverträgen). Ergänzt um zwei medizinische
Vollzeitkräfte ergibt sich eine Abweichung vom Ansatz der Beigeladenen und der
Beklagten von etwa 12 Prozent. Inwieweit die heimaufsichtliche Vorgabe dem
heimaufsichtrechtlichen Standard entspricht oder darüber (u.U. rechtswidrig)
hinausgeht, ist angesichts ihrer Bindung unbeachtlich. Immerhin war er ausdrücklich
auch mit den Besonderheiten der Klägerin begründet (siehe Widerspruchsbescheid der
Heimaufsicht). Das entsprechende Personal war jedenfalls 2003 von der Klägerin auch
tatsächlich vorgehalten worden, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Bei der
einrichtungsspezifischen Pflegesatzfestlegung konnte der so vorgegebene
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einrichtungsspezifischen Pflegesatzfestlegung konnte der so vorgegebene
Personalbedarf daher angesichts einer erheblichen Abweichung von der
Personalkalkulation der Beigeladenen nicht unberücksichtigt bleiben. Allerdings sind die
tatsächlich für die konkrete Einrichtung der Klägerin zu erwartenden Personalkosten
anzusetzen.
Die seitens der Klägerin geltend gemachten Wartungskosten sind im Pflegesatz nicht zu
berücksichtigen, weil sie im Rahmen des Investitionsbetrages zu vergüten sind und nicht
zur Pflegevergütung im Sinne des § 84 Abs 1 iVm § 82 Abs 2 Nr 1 SGB XI zählen. Danach
dürfen in der Pflegevergütung und in den Entgelten für Unterkunft und Verpflegung keine
Aufwendungen berücksichtigt werden für Maßnahmen, die dazu bestimmt sind, die für
den Betrieb der Pflegeeinrichtung notwendigen Gebäude und sonstigen
abschreibungsfähigen Anlagegüter herzustellen, anzuschaffen, wiederzubeschaffen, zu
ergänzen, instandzuhalten oder instandzusetzen. Dass es an entsprechenden
anderweitigen, anspruchsbegründenden Regelungen gefehlt haben mag, ist
unbeachtlich. Insofern ist die Entscheidung des Sozialgerichts nicht zu beanstanden.
Sofern von der Klägerin anderweitige Wartungskosten geltend gemacht werden sollten,
wäre dies im weiteren Verfahren vor der Schiedsstelle zu substantiieren.
d) Auch nachvollziehbare prognostische Gestehungskosten rechtfertigen den geltend
gemachten Vergütungsanspruch nur, soweit er - im zweiten Prüfungsschritt - dem
Vergütungsvergleich mit anderen Einrichtungen standhält und sich insoweit als
leistungsgerecht iS von § 84 Abs 2 Satz 1 SGB XI erweist. Das folgt aus § 84 Abs 2 Satz
4 und Satz 7 SGB XI, wonach die Pflegesätze wirtschaftlicher Betriebsführung
entsprechen müssen und hierbei die Pflegesätze derjenigen Einrichtungen angemessen
berücksichtigt werden können, die im Wesentlichen gleichartig sind; diese Grundsätze
galten auch schon in dem hier streitbefangenen Zeitraum des Jahres 2003 (BSG, Urteil
vom 29.01.2009, B 3 P 7/08 R, RdNr 28). Obergrenze der Vergütungsforderung ist - auch
bei nachvollziehbar prognostischen Gestehungskosten - das Maß des auch im Vergleich
mit der Vergütung anderer Einrichtungen wirtschaftlich Angemessenen. Das folgt
insbesondere aus § 84 Abs 2 Satz 4 und 7 SGB XI, mit dem der Gesetzgeber die
Pflegevergütung in Abkehr vom Selbstkostendeckungsprinzip am Leitbild der
Leistungsgerechtigkeit (§ 84 Abs 2 Satz 1 SGB XI) ausgerichtet hat. Leistungsgerecht
sind die Pflegesätze danach, soweit sie es einem Pflegeheim bei wirtschaftlicher
Betriebsführung ermöglichen, seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen (§ 84 Abs 2 Satz 4
SGB XI). Insoweit sind Pflegesätze und Entgelte einerseits an den individuellen
Besonderheiten des Pflegeheims auszurichten, als es um "seinen Versorgungsauftrag"
geht; Bezugspunkt hierfür ist der einrichtungsindividuelle Versorgungsauftrag, wie er sich
aus dem Versorgungsvertrag und weiteren Vereinbarungen - insbesondere den LQV
nach § 84 Abs 5 SGB XI - im Einzelfall ergibt. Maßstab der Wirtschaftlichkeit der
Betriebsführung ist andererseits nicht der im Einzelfall, sondern der dazu allgemein
erforderliche Betriebsaufwand. Augenfälliger Ausdruck dessen ist zunächst, dass die
Pflegesätze nach § 84 Abs 2 Satz 4 SGB XI "einem" Pflegeheim bei wirtschaftlicher
Betriebsführung die Erfüllung seines Versorgungsvertrages ermöglichen müssen. Zum
Maßstab erhoben ist daher der generalisierte Vergütungsbedarf eines idealtypischen
und wirtschaftlich operierenden Pflegeheimes (BSG ebd. RdNr 29).
Methode der Wahl zur Beurteilung der Leistungsgerechtigkeit einer Vergütungsforderung
für stationäre Pflegeleistungen ist weiterhin, wie vom BSG Senat bereits mit den Urteilen
vom 14.12.2000 entschieden (BSGE 87, 199, 203 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 6 f), der
externe Vergleich mit anderen Einrichtungen; allerdings nach dem modifizierten
Prüfungsansatz des 3. BSG-Senats nunmehr mit anderer Grundlage und Zielrichtung
(BSG, Urteil vom 29.01.2009, B 3 P 7/08 R, RdNr 30). Überdies bestimmt das Ergebnis
des externen Vergleichs die angemessene Pflegevergütung nicht abschließend. Eine
solche rechtlich verbindliche Wirkung kann dem externen Vergleich im Rahmen der
modifizierten Rechtsprechung des BSG zur leistungsgerechten Pflegevergütung nicht
mehr zukommen (BSG ebd RdNr 31). Leistungsgerecht ist eine Pflegevergütung dann,
wenn sie sich im Hinblick auf die Vergütung anderer Einrichtungen nicht als
unwirtschaftlich erweist. Die Pflegesätze anderer Einrichtungen können demzufolge nur
eine Vergleichsgröße im Rahmen der Angemessenheitskontrolle nach § 84 Abs 2 Satz 4
und 7 SGB XI darstellen, nicht aber eine unmittelbar verbindliche Bemessungsgröße für
Pflegesatz und Entgelt sein. Insoweit ist der externe Vergleich kein Ersatz für die von den
Pflegesatzparteien und ggf der Schiedsstelle vorzunehmende Bewertung der
Pflegesatzforderung auf ihre wirtschaftliche Angemessenheit, sondern eine Grundlage
dieser Bewertung.
Einerseits zielt das Vergütungsrecht des SGB XI mit dem Maßstab der wirtschaftlichen
Betriebsführung auf eine möglichst kostengünstige und Wirtschaftlichkeitsreserven
ausschöpfende Versorgung. Das entspricht auch den Interessen von Heimbewohnern
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ausschöpfende Versorgung. Das entspricht auch den Interessen von Heimbewohnern
und Kostenträgern (BSG ebd. RdNr 35). Deshalb ist ein höherer Pflegesatz bei
vergleichbarer Pflegeleistung stets der Rechtfertigung bedürftig und nach § 84 Abs 2
Satz 4 SGB XI nur dann leistungsgerecht iS von § 84 Abs 2 Satz 1 SGB XI, wenn sich der
von der Vergütung abgedeckte Aufwand der Einrichtung im Rahmen des wirtschaftlich
Angemessenen hält. Andererseits ist es den Heimträgern innerhalb dieses Rahmens
auch nicht verwehrt, ihre Pflegeleistungen zu höheren Pflegesätzen anzubieten (BSG
ebd). Zudem sind zuletzt in das SGB XI eingefügte Regelungen von dem Bestreben
getragen, eine Vergütungsspirale nach unten zu Lasten der Pflegequalität und auf
Kosten einer unter das ortsübliche Maß abgesunkenen Arbeitsvergütung zu vermeiden
(vgl §§ 72 Abs 3 Satz 1 Nr 2, 84 Abs 2 Satz 7 SGB XI und hierzu BT-Drucks 16/7439 S 67
zu Nr 40 Buchstabe c) aa sowie S 71 zu Nr 50 Buchstabe a) bb; BSG aaO RdNr 35).
Entscheidend kommt es jeweils in der Gesamtbewertung darauf an, ob der von der
Einrichtung geforderte Vergütungssatz im Vergleich mit günstigeren Pflegesätzen und
Entgelten anderer Einrichtungen im Hinblick auf die Leistungen der Einrichtung und die
Gründe für ihren höheren Kostenaufwand (dennoch) als insgesamt angemessen und
deshalb leistungsgerecht iS von § 84 Abs 2 Satz 1 SGB XI anzusehen ist (BSG ebd RdNr
36).
Im vorliegenden Fall haben sich die Beigeladenen und die Beklagte ausschließlich auf
einen externen Vergleich gestützt und eine weitergehende Bewertung, ob der Ansatz für
die Pflegekosten auch unter Berücksichtigung der Interessen der Heimbewohner und der
Beitragssatzstabilität noch wirtschaftlich angemessen war, unterlassen. Sie haben damit
den ihnen eingeräumten Beurteilungs- und Ermessenspielraum verkannt. Sofern
geringfügige Abweichungen von den „Listenpflegesätzen“ (im Cent-Bereich) im von der
Schiedsstelle übernommenen Angebot der Beigeladenen bestehen, lassen sich dafür
plausible Gründe der Entscheidung der Beklagten nicht entnehmen. Der von der
Beklagten vorgenommene Rückgriff auf die Pflegesätze, die mit anderen Einrichtungen
vereinbart waren, konnte im vorliegenden Fall für den anzustellenden bewertenden
Vergleich nur sehr eingeschränkte Aussagekraft haben. Dies folgt zum einen daraus,
dass eine dem (jedenfalls seit 2002) erklärten gesetzgeberischen Willen zuwiderlaufende
Praxis einheitlicher Pflegesätze für ein ganzes Bundesland fortgesetzt und Maßstab der
Beurteilung werden sollte. Zweitens war eine hinreichende Vergleichbarkeit wegen der
kalkulatorischen Grundlagen im Hinblick auf den wesentlichen Kostenfaktor der
Personalkosten für den konkreten Fall ausschlossen.
Die einheitlichen Kostensätze beruhten auf einem bestimmten Personalschlüssel, der für
den konkreten Fall wegen der heimaufsichtlichen Anordnung keine Kalkulationsgrundlage
sein konnte (s o). Da die Beigeladenen die weitestgehend einheitlichen Pflegesätze mit
einer bestimmten kalkulatorischen Begründung im Bundesland durchzusetzen
versuchten, kann ein von dieser kalkulatorischen Grundlage abstrahierender Vergleich,
der sich allein an die tatsächlichen Pflegesätze vergleichbarer Einrichtungen hält, nicht
sachgerecht sein. Unter diesen Umständen konnte zwar ein Vergleich erfolgen. Dieser
hätte aber die Differenzen stärker in den Blick nehmen müssen. Eine eigenständige
Bewertung, inwieweit die Pflegesatzbeträge der Klägerin noch wirtschaftlich angemessen
waren, ist nicht erfolgt und wird von der Beklagten nunmehr nachzuholen sein. Nach der
aktuellen Rechtsprechung des BSG erscheint dem Senat ausgeschlossen, die
einheitlichen Kostensätze mit den anderen Einrichtungen im Jahr 2003 als Obergrenze
anzusehen, wovon noch das Sozialgericht unzutreffend ausgegangen ist. Weil es auf die
wirtschaftliche Angemessenheit ankommt, kann dem Umstand bei ex-post-Betrachtung,
dass die Klägerin seit 2003 mit den bisherigen Pflegesätzen wirtschaftlich überlebt habe,
keine entscheidende Bedeutung zukommen.
Bei dieser erforderlichen Neubewertung ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin
gewinnorientiert arbeitendes Unternehmen ist und wirtschaftlich angemessene
Pflegesätze in solchen Fällen Anteile für das Unternehmerrisiko und angemessene
Verzinsung des Eigenkapitals enthalten sollen. Diesen Anteil wollten die Beklagte und die
Beigeladenen ausdrücklich durch das formelle Vorgehen unter Berufung auf den
externen Vergleich nicht zum Gegenstand der Festsetzung machen. Insofern haben sie
ihren Beurteilungs- und Ermessensspielraum verkannt. Da es bisher Marktpreise, wie sie
sich der Gesetzgeber vorgestellt hat, wegen der einheitlichen Pflegesätze nicht gab,
können die Gewinnerwartungen aus den bisherigen einheitlichen Pflegesätzen nur
geringen Aussagewert haben. Entscheidend ist, dass die vereinbarten Pflegesätze noch
wirtschaftlich angemessen sind, auch im Vergleich mit anderen Einrichtungen. Insoweit
kann angesichts der besonderen Situation in Brandenburg mit kaum existentem
Preiswettbewerb durchaus auch der Vergleich mit entsprechenden Ansätzen im
(näheren) Bundesgebiet erfolgen. Maßstab können aber auch die gesetzlich
pauschalierten Gewinnerwartungen (vergleiche die gesetzlichen Sätze für
Verzugszinsen) oder andere Zinswerte sein. Bindende Vorgaben kann der Senat
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Verzugszinsen) oder andere Zinswerte sein. Bindende Vorgaben kann der Senat
angesichts der Aufgaben und Kompetenzen, die der Schiedsstelle durch den
Gesetzgeber beigemessen werden, nicht machen.
Ggf hat die Beklagte bei ihrer neuen Entscheidung zu beachten, dass die Schiedsstellen
eine umfassende Aufklärungspflicht haben und Aufklärungsermittlungen auf beiden
Seiten durchführen dürfen (BSG ebd RdNr 41). Die Beklagte hat nach Anfrage und ggf
auf deren Antrag den Verband der privaten Krankenversicherung zu beteiligen (§ 85 Abs
2 Satz 3SGB XI).
e) Auf Verwirkung eines Anspruchs auf Vergütung von Mehrkosten nach § 117 Abs 6
SGB XI können sich die Beigeladenen nicht berufen, weil die Klägerin keinen
entsprechenden Vertrauenstatbestand gesetzt hat. Dies folgt zum Einen daraus, dass
die Klägerin gegen die heimaufsichtliche Anordnung den Rechtsweg beschritten hat,
woraus kein Vertrauen der Beigeladenen resultieren kann, dass bei Misserfolg der
Rechtsverteidigung keine Kosten ihnen gegenüber geltend gemacht werden würden.
Angesichts der heimaufsichtlichen Beanstandungen noch im Jahre 2002 und der
weitgehenden Mängelfreiheit seit dem Jahre 2003 im Personalbereich kann erst für die
Zeiträume nach der letzten Beanstandung angenommen werden, dass die Anordnung
vollumfänglich erfüllt wurde und erst sodann entsprechende Mehrkosten überhaupt
anfielen. Die Klägerin hat dann jedoch diese Kosten zeitnah geltend gemacht. Ein
Vertrauenstatbestand konnte sich bei den Beigeladenen daher nicht bilden.
3. Die Beklagte wird hinsichtlich des Inkrafttretens ihrer Entscheidung das ihr nach § 85
Abs 6 SGB XI eingeräumte Ermessen erneut zu betätigen und ihre Entscheidung zu
begründen haben. Die Berufung war zurückzuweisen, soweit die Klägerin das
Inkrafttreten der Festsetzungen der Beklagten für Zeiträume vor dem 22. Oktober 2003
begehrt.
Die Beklagte hat bei ihrer Entscheidung die Interessen der Beteiligten abzuwägen.
Maßgeblicher Zeitpunkt für den Eintritt der Wirksamkeit des Schiedsspruches kann die
Vorlage der Begründung am 22. Oktober 2003 sein. Zu diesem Zeitpunkt waren mit der
als Fax ohne Anlagen eingereichten Begründung sämtliche von der Beklagten in ihrer
Entscheidung geforderten Angaben nach § 7 PflSchV geäußert. Dass erst später auch
die bereits benannten Anlagen mit der Originalbegründung der Schiedsstelle vorgelegt
wurden, erscheint unerheblich, weil diese Vervollständigung in sehr engem zeitlichem
Zusammenhang erfolgte und die wesentlichen Aspekte der Antragsbegründung bereits
mit dem Fax vorgebracht waren. Warum der 22. Oktober 2003 nicht maßgeblich wurde,
hat die Beklagte in ihrer Entscheidung pflichtwidrig nicht hinreichend deutlich gemacht.
Auf den Zeitpunkt der Antragstellung kann sich die Klägerin dagegen nicht berufen, weil
sie selbst es versäumt hat, die nach § 7 Abs 2 PflSchV erforderliche Antragsbegründung
frühzeitig vorzulegen. Insofern kann sie nichts aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz der
Verfahrensbeschleunigung zu ihren Gunsten ableiten, weil bis zur Vorlage der
Begründung die Verfahrensverzögerung durch ihr eigenes Verhalten bewirkt wurde.
Hypothetische Kausalverläufe sind insofern unbeachtlich. Auch wenn den Beigeladenen
der bisherige Streitstand und die Forderungen der Klägerin bekannt gewesen sein
mögen, so war dies bei der Beklagten bis zur Antragsbegründung nicht der Fall. Die
durch § 7 Abs 2 PflSchV vorgegebenen Anforderungen erscheinen auch nicht
unangemessen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 und 2 VwGO.
Sie berücksichtigt den anteiligen Erfolg der Rechtsverfolgung. Maßgeblich war der
streitgegenständliche Zeitraum vom 28. Februar bis 31. Dezember 2003. Insoweit lässt
der Umstand, dass das Neubescheidungsbegehren der Klägerin für den Zeitraum ab 22.
Oktober bis 31. Dezember 2003 weitgehend Erfolg hatte, keine wesentlich andere
Gewichtung zu, weil insofern die Erfolglosigkeit der anderen Zeiträume nicht
unwesentlich ist. Die geänderte Rechtsprechung des BSG lässt zugunsten der Beklagten
keine andere Entscheidung zu, weil Maßstab der Entscheidung der Beklagten die
geänderten Gesetzesgrundlagen hätten sein müssen.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs 2 SGG nicht
vorliegt.
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