Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 14.03.2017

LSG Berlin-Brandenburg: arbeitsgemeinschaft, verfügung, rückabwicklung, vollstreckung, link, sammlung, quelle, bestätigung, zivilprozessordnung, vorschuss

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
10. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 10 B 1004/05 AS ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 136 Abs 1 Nr 4 SGG
Auslegung des Urteilstenors
Tenor
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im
Beschwerdeverfahren zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage der Anrechnung der für die Erziehung eines
Kindes in Vollzeitpflege mit erweiterten Förderbedarfs gezahlten Pauschale nach dem
Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) i.H.v. 958,80 Euro monatlich bei Leistungen
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Antragsgegnerin bewilligte der
Antragstellerin für den Leistungszeitraum 1. Januar bis 31. März 2005 mit
Bewilligungsbescheid vom 16. Dezember 2004 in der Fassung des Änderungsbescheides
vom 22. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. April 2005
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach SGB II unter Berücksichtigung der
für die Erziehung des Pflegekindes gezahlten Pauschale. Mit Bescheid vom 11. April 2005
bewilligte die Antragsgegnerin auch für die Zeit vom 1. April 2005 bis 30. September
2005 monatliche Leistungen unter Anrechnung der gezahlten Pauschale.
Die Antragstellerin hat am 28. April 2005 beim Sozialgericht Berlin (SG) Klage erhoben,
über die noch nicht entschieden ist, und einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung gestellt. Mit Beschluss vom 10. Mai 2005 hat das SG die Antragsgegnerin
verpflichtet, der Antragstellerin ab Mai 2005 monatlich 832,00 Euro ALG II zu gewähren.
Die Erziehungspauschale nach § 39 SGB VII dürfe nicht auf das ALG II angerechnet
werden. Bei vorläufiger Prüfung ergebe sich ein Gesamtbedarf von 875,80 Euro. Als
Einkommen sei lediglich das angerechnete Kindergeld i.H.v. 115,50 Euro anzusetzen,
von dem die Beiträge zu den Pflichtversicherungen sowie die 30,00 Euro Pauschale
abzusetzen sei, so dass sich ein bereinigtes Einkommen von 44,07 Euro ergebe.
Gegen den der Antragsgegnerin am 30. Mai 2005 zugestellten Beschluss legte diese am
30. Juni 2005 Beschwerde ein. Der Antragstellerin wurde in Ausführung des Beschlusses
mit Bescheid vom 2. Juni 2005 ein Vorschuss in Höhe von 831,73 Euro monatlich
bewilligt.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. Mai 2005 aufzuheben und den Antrag
der Antragstellerin vom 28. April 2005, sie im Wege der einstweiligen Anordnung zu
verpflichten, umgehend höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu
gewähren, abzulehnen,
hilfsweise den Beschluss des Sozialgerichts Berlin insoweit aufzuheben, als sie darin
verpflichtet wird, ab Mai 2005 einen höheren Betrag ALG II als monatlich 396,63 Euro zu
gewähren und den Antrag der Antragstellerin vom 28. April 2004, sie im Wege der
einstweiligen Anordnung zu verpflichten, umgehend höhere Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhaltes zu gewähren, insoweit abzulehnen, als sie verpflichtet wird, ab
Mai 2005 einen höheren Betrag ALG II als monatlich 396,63 Euro zu gewähren.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie teilt mit, sie habe einen Folgeantrag am 10. November 2005 gestellt.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen
Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin verwiesen, die Gegenstand der Beratung und
Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe
Das Passivrubrum war von Amts wegen zu berichtigen, da die Arbeitsgemeinschaft des
Landes Berlin und der Bundesagentur für Arbeit für den örtlichen Bereich des
Verwaltungsbezirks Pankow, bezeichnet als JobCenter Pankow, vertreten durch den
Geschäftsführer, nach Auffassung des Senats im Sinne des § 70 Nr. 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG) beteiligtenfähig ist (für die Arbeitsgemeinschaft für den
örtlichen Bereich des Verwaltungsbezirks Lichtenberg-Hohenschönhausen, Beschluss
des Senats vom 14. Juni 2005, als vormals 10. Senat des Landessozialgerichts Berlin, L
10 B 44/05 AS ER).
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist als unzulässig zu verwerfen (§ 572 Abs. 2
Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 202 SGG). Für eine Entscheidung im
Beschwerdeverfahren besteht kein Rechtschutzbedürfnis mehr.
Dabei ist zunächst klarzustellen, dass die Antragsgegnerin mit dem angefochtenen
Beschluss des SG nicht verpflichtet wurde, über den 30. September 2005 hinaus
Leistungen entsprechend dem Beschlusstenor zu gewähren. Vielmehr beschränkt sich
die Verpflichtung der Antragsgegnerin darauf, in den zum Zeitpunkt der Entscheidung
des SG zwischen den Beteiligten streitigen Zeiträumen ab Mai 2005 bis September 2005
ALG II monatlich in Höhe von 832,- Euro zu gewähren. Zwar ergibt sich die Befristung der
einstweiligen Regelung nicht aus dem Tenor des Beschlusses des SG, der im
Allgemeinen allein maßgebend ist. Gibt ein Tenor aber - wie hier – Anlass zu Zweifeln
über seinen Inhalt, dann ist er durch Heranziehung des sonstigen Inhaltes der
Entscheidung auszulegen (vgl bereits BSGE 4, 121; BSGE 6, 97). Danach kann im
Ergebnis kein Zweifel daran bestehen, dass die Antragsgegnerin nur bis 30. September
2005 zur Gewährung von ALG II i.H.v. 832,- Euro verpflichtet worden ist. Für ein anderes
Auslegungsergebnis besteht kein Raum. Ziel des Rechtsstreites im Zeitpunkt der
Stellung des Antrages auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes war die Verpflichtung
der Antragsgegnerin zu Gewährung höherer Leistungen. Für den im April 2005 gestellten
Rechtsschutzantrag war aber der durch den Bewilligungsbescheid vom 11. April 2005
bezeichnete Bewilligungszeitraum vom 1. April bis 30. September 2005 (vgl. § 41 Abs. 1
Satz 4 SGB II: Bewilligungszeitraum i.d.R. sechs Monate) der maßgebliche zeitliche
Bezugsrahmen. Den Gründen des Beschlusses ist nicht zu entnehmen, dass eine über
den laufenden Bewilligungszeitraum hinausgehende einstweilige Regelung getroffen
werden sollte.
Nach Ablauf des Zeitraums hat sich die einstweilige Regelung – und nur sie ist
Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens - durch Zeitablauf erledigt. Die
Klärung der Frage, ob die der einstweiligen Regelung zugrunde liegende
Rechtsauffassung des SG zutrifft, bleibt dem Klageverfahren vorbehalten. Die
Bestätigung der vorläufigen Maßnahme oder deren Rückabwicklung bleiben nach dem
System des Prozessrechts dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, in dem zu klären ist,
ob dem von einer einstweiligen Anordnung Begünstigten diese Leistung endgültig
zusteht (vgl. auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. November
2005 - 14 B 1147/05 AS ER; OVG Berlin, Beschluss vom 15. September 1997 – 2 SN
11/97, NVwZ 1998, 85; Thüringisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 17. Juli
1997 – 8 E 425.97, FEVS 1998, 129; VGH Mannheim, Beschluss vom 22. April 1992 – 6 S
435/92 , NVwZ-RR 1992, 442; Philipp, Besonderheiten des verwaltungsgerichtlichen
Verfahrens in sozialrechtlichen Streitigkeiten, BayVBl 1989, 387, 391). Der
Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin steht bei einer stattgebenden Entscheidung
der ersten Instanz im einstweiligen Rechtschutzverfahren der Aussetzungsantrag nach §
199 Abs. 2 SGG zur Verfügung, um eine Vollstreckung aus der einstweiligen Anordnung
zu verhindern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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