Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 25.06.2010

LSG Berlin-Brandenburg: aufschiebende wirkung, öffentliches interesse, körperliche unversehrtheit, anfechtungsklage, form, hauptsache, sanktion, verwertung, link, leistungskürzung

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
29. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 29 AS 1420/10 B ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 31 Abs 1 SGB 2, § 31 Abs 3 S
3 SGB 2, § 20 SGB 2
Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für einen Sanktionsbescheid;
Minderung des Arbeitslosengeldes um 100 v.H.;
Nichtentscheidung über die Bewilligung von Sachleistungen in
Sanktionsbescheid
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam
vom 25. Juni 2010 insoweit aufgehoben, als darin die aufschiebende Wirkung des
Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. Mai 2010 (richtig: 17.
Mai 2010) (Sanktionsbescheid) angeordnet worden ist.
Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des
Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. Mai 2010 (richtig: 17.
Mai 2010) (Sanktionsbescheid) wird abgelehnt.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die Hälfte der notwendigen
außergerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu erstatten;
außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin, die sich allein gegen die im Beschluss
des Sozialgerichts Potsdam vom 25. Juni 2010 angeordnete aufschiebende Wirkung des
Widerspruchs gegen den (Sanktions-)Bescheid vom 17. Mai 2010 richtet, ist begründet.
Zu Unrecht hat das Sozialgericht Potsdam die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs
gegen den (Sanktions-)Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. Mai 2010 angeordnet.
Gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht
der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage
keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise
anordnen. Hier haben Widerspruch und Anfechtungsklage gemäß § 39 Nr. 1 des Zweiten
Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) keine aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende
Wirkung des Widerspruchs bzw. der Anfechtungsklage ist anzuordnen, wenn eine
Interessenabwägung ergibt, dass dem privaten Aussetzungsinteresse gegenüber dem
öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang einzuräumen ist. Dabei ist zu beachten, dass
der Gesetzgeber grundsätzlich die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Davon
abzuweichen besteht nur Anlass, wenn im Einzelfall gewichtige Argumente für eine
Umkehr des gesetzgeberisch angenommenen Regelfalls sprechen, d.h. besondere
Umstände vorliegen, die ausnahmsweise das Privatinteresse des vom Verwaltungsakt
Belasteten in den Vordergrund treten lassen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b Rn 12 c m.w.N.). Ein wesentliches Kriterium
bei der Interessenabwägung ist die nach vorläufiger Prüfung der Rechtslage zu
bewertende Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache (vgl. auch Keller a.a.O.,
§ 86 b Rn 12, 12 e; Berlit, info also 2005, S. 3, 6; Krodel, Das sozialgerichtliche
Eilverfahren, 2. Aufl. 2008, S. 92), wobei beachtet werden muss, dass für die sofortige
Vollziehung eines Verwaltungsaktes ein besonderes Interesse erforderlich ist, das über
jenes hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt (BVerfG, Beschluss vom
30. Oktober 2009, 1 BvR 2395/09 – veröffentlicht in juris und in NJW 2010, 1871-1872).
Hat die Hauptsache offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist die aufschiebende Wirkung in
der Regel anzuordnen, weil am Vollzug eines rechtswidrigen Bescheides in der Regel kein
öffentliches Interesse besteht (Keller, a.a.O., § 86b Rn 12 f). Bei einem als rechtmäßig zu
beurteilenden Bescheid hingegen ist das öffentliche Interesse am Vollzug regelmäßig
vorrangig. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, d.h. ist der
Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, so ist jedenfalls in Fällen, in denen wie
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Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, so ist jedenfalls in Fällen, in denen wie
vorliegend, existenzsichernde Leistungen in Frage stehen und damit die Wahrung der
Würde des Menschen berührt wird, eine Folgenabwägung vorzunehmen, die auch Fragen
des Grundrechtsschutzes einbezieht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, 1 BvR
569/05 Rn. 25,26,29, in Breith. 2005, 803 ff.).
Unter Anwendung dieser Kriterien kann hier die Anordnung der aufschiebenden Wirkung
des Widerspruchs, der nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II grundsätzlich
keine aufschiebende Wirkung hat, nicht erfolgen, weil vorliegend mehr für als gegen die
Rechtmäßigkeit des (Sanktions-)Bescheides spricht.
Der (Sanktions-)Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. Mai 2010 ist nicht offensichtlich
rechtswidrig.
Die Voraussetzungen für die Absenkung des Regelsatzes um 100 vom Hundert gemäß §
31 Abs. 3 Satz 2 SGB II sind erfüllt. Nach dieser Vorschrift wird bei jeder weiteren
wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 SGB II das Arbeitslosengeld II um 100
vom Hundert gemindert. Dies gilt gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn der
erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist.
Der Antragsteller hat zweifach wiederholt seine Pflichten nach § 31 Abs. 1 SGB II verletzt.
Die erste Pflichtverletzung bestand darin, dass der Antragsteller trotz Belehrung über die
Rechtsfolgen seinen in der Eingliederungsvereinbarung vom 31. März 2009 festgelegten
Pflichten nicht erfüllte, indem er die Maßnahme „“ beim Träger Institut für
Kommunikation und Wirtschaftsbildung GmbH (IKW) in Rathenow wegen wiederholten
unentschuldigten Fehlens schuldhaft beendet hat. Daraufhin senkte die Antragsgegnerin
das Arbeitslosengeld II des Antragstellers mit Bescheid vom 22. Oktober 2009 für die
Zeit vom 01. November 2009 bis 31. Januar 2010 um 30 vom Hundert der
maßgebenden Regelleistung ab. Die erste wiederholte Pflichtverletzung beging der
Antragsteller dadurch, dass er seine aus einer weiteren Eingliederungsvereinbarung vom
29. September 2009 festgelegten Pflichten nicht erfüllte, indem er an einer vereinbarten
beruflichen Weiterbildung beim Jugendaufbauwerk (JAW) Nauen nicht teilnahm. Auf Grund
dieses ersten wiederholten Pflichtverstoßes nahm die Antragsgegnerin mit Bescheid
vom 18. November 2009 gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB II eine weitere Absenkung für
die Zeit vom 1. Dezember 2009 bis 28. Februar 2010 um 60 vom Hundert der
maßgebenden Regelleistung vor. Beide Sanktionsbescheide wurden bestandskräftig.
Die jetzt zur Absenkung des Regelsatzes um 100 von Hundert führende zweite
wiederholte Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 SGB II innerhalb eines Jahres hat der
Antragsteller dadurch begangen, dass er trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die in
einer weiteren Eingliederungsvereinbarung vom 11. Januar 2010 beizubringenden
Eigenbemühungen (2 pro Kalendermonat bis zum 15. April 2010) nicht nachgewiesen
hat. Hierdurch hat er sich im Sinne von § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b) SGB II geweigert, die in
der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten zu erfüllen, insbesondere in
ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen. Der Antragsteller hat für sein
Verhalten auch das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne von § 31 Abs. 1 S. 2
SGB II nicht nachgewiesen.
Der Antragsteller ist auch ordnungsgemäß über die eintretenden Rechtsfolgen belehrt
worden. Die Belehrung hat eine Warn- und Steuerungsfunktion und muss hinreichend
konkret, verständlich, richtig und vollständig sein (Bundessozialgericht - BSG, Urteil v.
16. Dezember 2008, Az. B 4 AS 60/07 R – veröffentlicht u.a. in juris und SozR 4-4200 §
16 Nr 4). Diesen Vorgaben wird die seitens der Antragsgegnerin gegebene
Rechtsfolgenbelehrung gerecht. Sie ermöglichte es dem Antragsteller, in einer seinem
Empfängerhorizont angemessenen Form zu erfassen, welche Auswirkungen auf seinen
Anspruch eine von ihm ohne wichtigen Grund erfolgende Weigerung,
vereinbarungsgemäß Eigenbemühungen nachzuweisen, haben würde. So lässt sich der
Rechtsfolgenbelehrung zunächst ohne weiteres entnehmen, dass eine zur
Leistungskürzung führende Verletzung der Grundpflichten vorliegt, wenn es der
Leistungsempfänger versäumt, die mit ihm unter Nr. 2. vereinbarten
Eingliederungsbemühungen, mithin u.a. den vierteljährlich bis zum 15. April 2010 und
15. Juli 2010 in schriftlicher Form erbetene Nachweis von 2 Eigenbemühungen pro
Kalendermonat, beizubringen. Der Umstand, dass die Rechtsfolgenbelehrung daneben
auch noch weitere Grundpflichtverletzungen aufführt, wie im Wesentlichen die
Weigerung, sich auf alle Vermittlungsvorschläge zu bewerben und über die Ergebnisse
mitzuteilen, die Weigerung konkret benannte Medien zu nutzen, die Weigerung am PP
bei der Akademie S GmbH R teilzunehmen, die Weigerung eine Probearbeit/Praktikum
aufzunehmen und die Weigerung an Gesprächsterminen, führt nicht dazu, dass die
Rechtsfolgenbelehrung nicht als hinreichend konkret anzusehen ist und sie damit
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Rechtsfolgenbelehrung nicht als hinreichend konkret anzusehen ist und sie damit
möglicherweise ihre Warn- und Erziehungsfunktion nicht mehr erfüllen könnte. Vielmehr
war es im Zusammenhang mit der konkreten Fristsetzung für die nachzuweisenden
Eigenbemühungen in der Eingliederungsvereinbarung vom 11. Januar 2010 für den
Antragsteller ohne weiteres ersichtlich, dass mangels anderer angebotener Maßnahmen
zu diesem Zeitpunkt (15. April 2010) ausschließlich der fehlende Nachweis von
Eigenbemühungen als Pflichtverstoß zum Tragen kommen konnte.
Auch die Belehrung über die zu erwartenden Rechtsfolgen ist hinreichend konkret,
verständlich und widerspruchsfrei. So geht aus der Belehrung eindeutig hervor, dass bei
der ersten wiederholten Verletzung der Grundpflichten eine Absenkung des
Arbeitslosengeldes II um 60 % der maßgebenden Regelleistung erfolgt und jede weitere
wiederholte Pflichtverletzung zu einem vollständigen Entfallen des Anspruchs auf
Arbeitslosengeld II führt. Ebenso zutreffend verhält sich die Belehrung dahingehend,
dass eine wiederholte Pflichtverletzung dann nicht vorliegt, wenn der Beginn des
Sanktionszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt.
Auch die weiteren Angaben zu den Folgen der Absenkung sind richtig und vollständig. So
enthält die Rechtsfolgenbelehrung zutreffende Angaben dazu, dass Absenkung und
Wegfall mit dem Kalendermonat nach Zugang des entsprechenden Bescheides
beginnen und dass die Absenkung und der Wegfall drei Monate dauern. Ebenso wird
auch darauf hingewiesen, dass während Absenkung und Wegfall der Leistung kein
Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Zwölften
Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) besteht.
Schließlich ist der (Sanktions-)Bescheid auch nicht etwa deswegen rechtswidrig, weil der
Antragsgegner in dem Bescheid nicht zugleich eine Regelung über die Bewilligung von
ergänzenden Sachleistungen oder geldwerten Leistungen gemäß § 31 Abs. 3 S. 6 SGB II
getroffen hat. Der Senat teilt insoweit nicht die Auffassung des Sozialgerichts,
einschließlich der darin zitierten Entscheidungen, wonach die Nichtentscheidung über die
Bewilligung von Sachleistungen bei einer Kürzung von 100 vom 100 der nach § 20 SGB II
maßgebenden Regelleistung unmittelbar zu einer Rechtswidrigkeit des
Sanktionsbescheides führen soll. Die als Ermessensleistung ausgestaltete Regelung des
§ 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II gebietet die Betrachtung des Einzelfalls. Eine solche ist dem
Antragsgegner aber nur möglich, wenn die Sanktion bereits angelaufen ist und der
konkrete Sachverhalt offenbar wird. Im Rahmen einer von dem Leistungsträger
durchzuführenden Ermessensentscheidung ist folglich die Reaktion des Hilfebedürftigen
auf die vorherige Information über die ergänzenden Sachleistungen oder geldwerten
Leistungen zu berücksichtigen. Der Senat teilt insoweit nicht die Auffassung (vgl.
Beschluss des Landessozialgerichtes Berlin-Brandenburg vom 16. Dezember 2008, Az. L
10 B 2154/08 AS ER, zitiert nach juris), wonach sich das Ermessen des Leistungsträgers
stets in der Weise reduziert, dass ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen
immer und zwingend zu erbringen sind. Denn eine fehlende Reaktion des
Hilfebedürftigen auf die Information über ergänzende Sachleistungen berechtigt doch zu
Zweifeln an einem Bedarf für ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen.
Insoweit ist es durchaus möglich, dass ein Hilfebedürftiger seinen Lebensunterhalt im
Sanktionszeitraum möglicherweise auch auf andere Art und Weise decken kann, sei es
durch Unterstützungsleistungen von Freunden oder Verwandten oder durch die
Verwertung von gegebenenfalls vorhandenem liquidem Schonvermögen. Da es des
Erlasses eines Verwaltungsaktes in derartigen Fällen nicht bedarf, ist auch schnelle Hilfe,
z.B. durch Aushändigung eines Warengutscheins, möglich (vgl. Urteil des
Landessozialgerichtes Mecklenburg-Vorpommern vom 3. August 2009, Az. L 8 B 216/09,
zitiert nach juris).
Mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Erbringung ergänzender Sachleistungen im
(Sanktions-)Bescheid vom 17. Mai 2010 hat die Antragsgegnerin daher nach Auffassung
des Senats dem Gesetzeszweck von § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II ausreichend Rechnung
getragen. Zu verweisen ist insoweit auf die Ausführungen des Landessozialgerichtes für
das Land Nordrhein-Westfalen in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2009 (Az. L 9
B 51/09 AS ER, zitiert nach juris), die der Senat nach eigener Prüfung für zutreffend hält.
Darin heißt es:
„Vielmehr ist jedenfalls in der vorliegenden Konstellation davon auszugehen,
dass durch den Hinweis auf die Möglichkeit der Erbringung ergänzender Sachleistungen
im Sanktionsbescheid … dem Gesetzeszweck von § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II Genüge
getan wird. Dieser wird darin gesehen, sicherzustellen, dass auch unterhalb des Bezuges
der Grundsicherung nach dem SGB II eine letzte Grundversorgung erhalten bleiben soll,
die verhindert, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige in seiner Existenz gefährdet wird
(vgl. Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 31, Rn. 51). Zutreffend hat der 7. Senat des LSG
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(vgl. Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 31, Rn. 51). Zutreffend hat der 7. Senat des LSG
NRW in der zitierten Entscheidung (Beschluss vom 9. September 2009, Az. L 7 B 211/09
AS ER) darauf hingewiesen, dass der Grundsicherungsträger die Reaktion des
Hilfebedürftigen auf die vorherige Information über die ergänzenden Sachleistungen der
geldwerten Leistungen bei seiner Ermessensentscheidung zu berücksichtigen hat und
sich das Ermessen des Leistungsträgers nicht stets in der Weise reduziert, dass
ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen immer und zwingend zu
erbringen sind. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist eine fehlende Reaktion des
Hilfebedürftigen auf die Information über ergänzende Sachleistungen aber so zu
würdigen, dass sie geeignet ist, Zweifel an einem Bedarf für ergänzende Sachleistungen
oder geldwerte Leistungen hervorzurufen. Insoweit ist in Betracht zu ziehen, dass ein
Hilfebedürftiger seinen Lebensunterhalt im Sanktionszeitraum möglicherweise auch auf
andere Art und Weise decken kann, sei es durch Unterstützungsleistungen Dritter oder
die Verwertung von liquidem Schonvermögen. Zudem besteht auch die Möglichkeit,
dass ein Hilfebedürftiger der Form der Leistungserbringung als Sachleistung
grundsätzlich ablehnend gegenübersteht.
Zweifel an einem Bedarf für ergänzende Sachleistungen ergeben sich umso
mehr, wenn ein Hilfebedürftiger, wie hier, auch bei der vorausgegangenen Sanktion mit
einer 3 Monate andauernden Leistungskürzung auf 60 vom Hundert des maßgebenden
Regelsatzes keine ergänzenden Sachleistungen bzw. ergänzende Geldleistungen in
Anspruch genommen hat.
Diese Überlegungen gelten zumindest dann, wenn keine Anhaltspunkte dafür
ersichtlich sind, dass der Hilfebedürftige entweder nicht im Stande ist, seine bedrohliche
Lage zu erfassen und/oder er nicht dazu in der Lage ist, aus der erkannten Situation
entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Eine derartige Konstellation könnte in der
zitierten Entscheidung des 7. Senats des LSG NRW vorgelegen haben. Dort war von der
vollständigen Leistungsabsenkung ein Hilfebedürftiger betroffen, der unter Betreuung
stand und damit möglicherweise nicht dazu im Stande war, seine bedrohliche Lage zu
erfassen bzw. hieraus die nahe liegenden Konsequenzen zu ziehen, nämlich um
ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen nachzukommen.“
Vorliegend sind entsprechende Anhaltspunkte nicht ersichtlich, sodass nach Auffassung
des Senats eine Bewilligung entsprechender Leistungen ohne eine Mitwirkung des
Betroffenen in einem Fall von § 31 Abs. 3 S. 6 SGB II in der Regel nicht in Betracht
kommt. In einem solchen Fall gebietet es damit auch die staatliche Schutzpflicht
hinsichtlich der Rechtsgüter Leben, körperliche Unversehrtheit und Würde des Menschen
nach Auffassung des Senats nicht, den Grundsicherungsträger zu verpflichten, mit der
Sanktionsentscheidung auch ohne einen entsprechenden Antrag des Hilfebedürftigen
oder wenigstens einen Hinweis, dass entsprechende Sachleistungen überhaupt begehrt
werden, stets zeitgleich darüber zu entscheiden, ob ergänzende Sachleistungen oder
geldwerte Leistungen erbracht werden (so auch LSG NRW a.a.O.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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