Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 28.02.2008

LSG Berlin und Brandenburg: hochgradige schwerhörigkeit, ärztliche behandlung, arbeitsunfall, gutachter, erwerbsfähigkeit, arthrose, rente, fraktur, unfallfolgen, verkehrsunfall

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 28.02.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 68 U 774/05
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 3 U 348/06
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 24. November 2006 wird
zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. Dem Kläger werden 225,00 Euro
Verschuldenskosten auferlegt.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit
(MdE) von 35 v. H.
Der 1958 geborene Kläger, der als Bauarbeiter in der Baufirma seiner Ehefrau tätig war, erlitt am 12. September 2002
auf dem Weg zur Arbeit mit dem Motorrad einen Unfall, als er auf ein vor ihm fahrendes Auto auffuhr. Der
Durchgangsarzt Dr. L, Chefarzt der Abteilung Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Krankenhaus R,
diagnostizierte in seinem Durchgangsarztbericht vom 13. September 2002 eine Tibiakopffraktur rechts. Die Fraktur
wurde am 12. September 2002 im V H-Klinikum operativ mit einer Platten- und Zugschraubenosteosynthese versorgt
(Zwischenbericht vom 07. Oktober 2002). Ab dem 08. Mai 2003 war der Kläger wieder arbeitsfähig. Mit bindendem
Bescheid vom 24. September 2003 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Gesamtvergütung in Höhe von 2.607,44
Euro für die Zeit vom 08. Mai 2003 bis zum 30. Juni 2004. Die Berechnung erfolgte auf der Grundlage einer MdE von
20 v. H. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt: Geringgradige Bewegungseinschränkung im Kniegelenk
rechts, Muskelminderung am rechten Bein, vordere Kreuzbandinstabilität im Kniegelenk sowie eine in den
Röntgenbildern erkennbare Stufe in der seitlichen Schienbein-kopfgelenkfläche im Sinne einer posttraumatischen
Arthrose nach Bruch des Schienbeinkopfes rechts. Grundlage der Entscheidung waren ein erstes Rentengutachten
von Dr. L/Dr. B vom 31. Juli 2003 und ein Röntgenzusatzgutachten von Dr. T/Dr. F vom 07. Juli 2003.
Am 10. Juni 2004 beantragte der Kläger die Weiterzahlung seiner Rente über den 30. Juni 2004 hinaus, da seine
Erwerbsfähigkeit aufgrund des Unfalls weiterhin eingeschränkt sei. Er gab an, seit dem 12. September 2002 an einer
Hörminderung zu leiden, die von seinem behandelnden Arzt S diagnostiziert worden sei. Er habe diese Erkrankung
bisher nicht angegeben, da er davon ausgegangen sei, dass sich sein Hörvermögen wieder stabilisiere. Die Beklagte
holte zunächst ein Rentengutachten zur Rentenfeststellung im Anschluss an eine Gesamtvergütung von Dr. L/Dr. B
vom 24. August 2004 ein, das ein weiteres Röntgenzusatzgutachten von Dr. T/Dr. F vom 20. Juli 2004
berücksichtigte. Danach war die Fraktur vollstän-dig konsolidiert. Es bestand nur noch eine leichte
Bewegungseinschränkung des rechten Knies mit einem Streckdefizit von 5 Grad, eine vordere Instabilität nach
Funktionsminderung des vorderen Kreuzbandes bei Zustand nach knöchernem Ausriss, eine Verschmächtigung der
O-berschenkelmuskulatur (minus 2 cm) und eine daraus resultierende Kraftminderung im rechten Bein sowie ein
belastungsabhängiges Beschwerdebild mit abendlicher peripherer Schwellnei-gung, Anlaufschmerzen und leichtem
Schonhinken. Die MdE sei für die Zeit vom 01. Juli 2004 bis zum 19. Juli 2005 mit 20 v. H. einzuschätzen. Es sei
nicht zu erwarten, dass die durch den Unfall geminderte Erwerbsfähigkeit sich bessern werde. Außerdem zog die
Beklagte einen Bericht des Hals-Nasen-Ohren-Arztes S vom 06. September 2004 bei. Dieser berichtete von einer
erstmaligen Vorstellung des Klägers am 29. Oktober 2002 wegen eines seit ca. 12 Tagen bestehenden Druckgefühls
im linken Ohr. Im Tonschwellenaudiogramm hätten sich rechts eine c5-Senke von 55 dB, links eine pancochleäre
Schwerhörigkeit von 30 bis 45 dB mit zusätzlicher Schallleitungsschwerhörigkeit von ca. 28 dB gefunden. Eine am
04. November 2002 durchgeführte Kontrolluntersuchung habe einen im Wesentlichen unveränderten audiometrischen
Befund im Tonschwellenaudiogramm erbracht, jedoch sei die Impedanzmessung rechts unauffällig gewesen. Bei
Verdacht auf das Vorliegen einer Innenohrerkrankung sei zusätzlich eine Therapie mit einer rheologischen wirksamen
Substanz empfohlen worden. Zum vereinbarten Kontrolltermin am 07. November 2002 sei der Kläger nicht erschienen.
Er habe sich erst wieder am 19. Juli 2004 vorgestellt und dabei von einem Wegeunfall mit dem Motorrad am 12.
September 2002 berichtet. Nach diesem sei die Hörminderung links aufgetreten. Bei unauffälligem Spiegelbefund
habe sich beidseits audiometrisch ein Befund wie im Oktober 2002 gefunden. Der Kläger habe weitere Befunde
vorlegen wollen. Dies sei bisher jedoch nicht geschehen. Nach einer erneuten Untersuchung des Klägers berichtete
der Hals-Nasen-Ohren-Arzt S unter dem 23. Oktober 2004, es sei ihm wegen fehlender Vorbefunde bzw. Unterlagen
über den Unfall und seine Folgen nicht möglich zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die hier diag-nostizierte
Hörminderung Folge des Unfallgeschehens sei. Das Hörvermögen sei beiderseits gemindert, jedoch links weitaus
deutlicher ausgeprägt als rechts. Nach Beiziehung eines Vorerkrankungsverzeichnisses der AOK B vom 17.
November 2004 mit Vorerkrankungen seit dem 08. August 2002 und einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 19.
November 2004 gewährte die Beklagte dem Kläger mit bindendem Bescheid vom 08. Dezember 2004 eine
Verletztenrente als vorläufige Entschädigung ab dem 01. Juli 2004 nach einer MdE von 20 v. H. Als Unfallfolgen
erkannte die Beklagte an: endgradige Streckhemmung im rechten Kniegelenk, vordere Kreuzbandinstabilität im
rechten Kniegelenk, Muskelminderung am rechten Bein sowie die in den Röntgenbildern erkennbare Stufe in der
seitlichen Schienbeinkopfgelenkfläche im Sinne einer posttraumatischen Arthrose und abgeheilte tiefe
Beinvenenthrombose nach Bruch des Schienbeinkopfes rechts mit knöchernem Ausriss des vorderen Kreuzbandes.
Auf Nachfrage der Beklagten erklärte der Arzt S, dem zuvor die zu dem Arbeitsunfall beigezogenen medizinischen
Unterlagen vorgelegt worden waren, nunmehr, es bestehe eine mittel- bis hochgradige Schwerhörigkeit links, während
rechts ein normales bis annähernd normales Hörvermögen bestehe. Daraus ergebe sich eine MdE von 10 v. H. Da der
Kläger vor dem Unfall beschwerdefrei gewesen sei, scheine die Schwerhörigkeit Folge des Unfallereignisses zu sein
(Schreiben vom 13. Februar 2005). Nachdem die Beklagte ein drittes Rentengutachten von Dr. L/Dr. M vom 29. April
2005 einge-holt hatte, die die MdE wegen der Tibiakopffraktur unter Berücksichtigung des weiteren Rönt-
genzusatzgutachtens vom 14. April 2005 nach wie vor mit 20 v. H. einschätzten, veranlasste sie eine Begutachtung
durch den Hals-Nasen-Ohren-Arzt Prof. Dr. K, Chefarzt der Abteilung für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und plastische
Gesichts- und Halschirurgie des St. G-Krankenhauses. Dieser kam in seinem Gutachten vom 29. April 2005 zu dem
Ergebnis, bei dem Kläger bestehe eine mittel- bis hochgradige sensorineurale Schwerhörigkeit links. Jegli-cher
Zusammenhang dieser Hörminderung mit dem Unfallereignis vom 12. September 2002 sei eher unwahrscheinlich, da
ein derartiger als Unfallfolge akut eingetretener Hörverlust in Verbindung mit der vorliegenden Untererregbarkeit des
Vestibularisorgans mit starken objektiven Befindlichkeitsstörungen wie einem plötzlichen Taubheitsgefühl mit
Schwindel, Übelkeit und eventuell Erbrechen einhergehen würde. Hierüber fänden sich in den vorliegenden Unterlagen
aber keine Hinweise. Auch ergäben sich keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Schädelhirntraumas. Darüber
hinaus habe der Hals-Nasen-Ohren-Arzt S auch angegeben, der Kläger habe sich erstmals am 29. Oktober 2002 mit
einer seit etwa 12 Tagen, d. h. seit etwa dem 17. Oktober 2002 bestehenden plötzlichen Hörminderung links in seiner
Praxis vorgestellt. Der Unfall habe sich jedoch etwa einen Monat vorher, nämlich am 12. September 2002 ereignet.
Vor diesem Hintergrund sei ein akuter Hörverlust links im Sinne eines Hörsturzes, gegebenenfalls mit vestibulärer
Beteiligung, unabhängig vom Unfallereignis denkbar. Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom
20. Mai 2005 gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 10. Juni 2005 ab dem 01. Juli 2005 anstelle der
Rente als vorläufige Entschädigung eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v. H. Als Folgen des
Arbeitsunfalls wurden anerkannt: endgradige Streckhemmung im rechten Kniegelenk, vordere Kreuzbandinstabilität im
rechten Kniegelenk, Muskelminderung am rechten Bein sowie die in den Röntgenbildern erkennbare Stufe in der
seitlichen Schienbeinkopfgelenkflä-che im Sinne einer posttraumatischen Arthrose und abgeheilte tiefe
Beinvenenthrombose nach Bruch des Schienbeinkopfes rechts mit knöchernem Ausriss des vorderen Kreuzbandes.
Als Folge des Arbeitsunfalls wurde nicht anerkannt: Schwerhörigkeit links. Wegen der Höhe der MdE legte der Kläger
Widerspruch ein, den er damit begründete, die Schlussfolgerungen des Gutachtens von Prof. Dr. K seien empirisch
nicht haltbar. Es negiere eindeutige Tatsachen bzw. lasse diese außer Acht. Es sei nicht richtig, dass er Herrn S
berichtet habe, erst seit 12 Tagen an einer Hörminderung zu leiden. Vielmehr habe er erst seit dieser Zeit der
Hörminderung soviel Bedeutung beigemessen, dass er sich in ärztliche Behandlung bege-ben habe. Er versichere,
dass er vor seinem Unfall unter keiner Hörminderung gelitten habe. Diese habe er erst zwei Tage nach seiner
Beinoperation festgestellt, als ihm seine Frau Kopfhö-rer mit in die Klinik gebracht habe. Sobald er dazu körperlich in
der Lage gewesen sei - also etwa sechs Wochen nach dem Unfall - habe er die Hals-Nasen-Ohren-Praxis des Herrn S
aufgesucht. Die Inkompetenz des Sachverständigen werde auch durch seine widersprüchlichen Aussagen belegt,
wonach der Hörverlust einmal aufgrund eines Hörsturzes gegebenenfalls mit vestibulärer Beteiligung resultieren solle,
während er ein anderes Mal die Ursache in einer langsam progredienten retrocochleären Innenohrerkrankung sehe.
Den ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis im Sinne einer Contusio labyrinthi negiere der
Sachverständige mit wissenschaftlich nicht haltbaren Folgerungen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09. September 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zu-rück.
Mit seiner dagegen bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, sein Hörschaden
sei auf den Arbeitsunfall vom 12. September 2002 zurückzuführen. Denn er habe erstmals nach diesem
Verkehrsunfall noch im Krankenhaus Schwierigkeiten mit dem Hören gehabt, während vorher keinerlei Probleme
bestanden hätten. Der Kläger hat sich im Weiteren auf ein Attest des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. K vom 14. Februar
2006 bezogen, der darin ausgeführt hat, die MdE für die Hörminderung sei nach der Tabelle von Feld-mann mit 15 v.
H. zu bewerten. Der Kläger hat deshalb die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 35 v. H. begehrt.
Mit Gerichtsbescheid vom 24. November 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung
ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf eine höhere Einstufung seiner MdE und daran anknüpfend auf die
Gewährung einer höheren Verletztenrente, denn die anerkannten Gesundheitsunfallfolgen im Bereich des rechten
Beins rechtfertigten keine höhere MdE als 20 v. H. Dies werde vom Kläger auch nicht in Frage gestellt. Die
Hörminderung sei bei der MdE-Bemessung jedoch nicht zu berücksichtigen. Sie sei ausgehend von den
gutachterlichen Feststellungen des Prof. Dr. K nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrschein-lichkeit auf den
angeschuldigten Unfall zurückzuführen. Den gutachterlichen Feststellungen zufolge bestehe beim Kläger eine
linksseitige mittel- bis hochgradige Schwerhörigkeit sowie eine Untererregbarkeit des linken Vestibularorgans. Ein
ursächlicher Zusammenhang mit den angeschuldigten Unfallereignis im Sinne einer Contusio labyrinthi sei zwar
möglich, indessen eher unwahrscheinlich, da ein solcher als Unfall akut eintretender Hörverlust in Verbindung mit der
vorliegenden Vestibularuntererregbarkeit mit starken Befindlichkeitsstörungen wie einem plötzlichen Taubheitsgefühl,
Schwindel, Übelkeit und eventuellem Erbrechen einherginge. Diese seien jedoch nicht dokumentiert und würden vom
Kläger auch nicht behauptet. Er habe lediglich von einer Benommenheit, die er angesichts der weiteren Unfallschäden
als Lappalie angesehen habe, berichtet. Eine derartige Benommenheit könne kaum mit starken
Befindlichkeitsstörungen, wie sie laut Prof. Dr. K hätten auftreten müssen, gleichgesetzt werden. Dass derartige
Befindlichkeitsstörungen nicht zwangsläufig einträten, werde vom Kläger zwar be-hauptet, aber durch nichts belegt.
Hierdurch könnten die gutachterlichen Feststellungen auch nicht substantiiert in Zweifel gezogen werden. Gleiches
gelte für das Attest von Dr. K vom 14. Februar 2006 und die Stellungnahme des Herrn S vom 13. Februar 2005. Das
Attest von Dr. K verhalte sich nicht zur Genese der Hörminderung. Herr S werte die Hörminderung in seiner
Stellungnahme vom 13. Februar 2005 zwar als Unfallfolge, da das Hörvermögen noch im Mai 2002 anlässlich der
Verlängerung der Fahrerlaubnis für Bus und Lkw nicht beanstandet worden sei. Allein hieraus könne nicht auf die
unfallbedingte Verursachung der Hörminderung geschlossen werden. Alternativursachen gehe Herr S nicht nach,
obwohl hierfür Hinweise bestünden. So passe die beim Kläger vorhandene Befundkonstellation ausweislich der
Feststellungen von Prof. Dr. K zu einer eher langsamen progredienten retrocochleären Innenohrer-krankung.
Gegen den am 29. November 2006 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 29. Dezember 2006 eingelegte
Berufung des Klägers, mit der er geltend macht, die Entscheidung der ersten Instanz sei bereits deshalb falsch, weil
das Gericht dem angebotenen Beweis auf Vernehmung seiner Ehefrau hätte nachgehen müssen, um aufgrund dieser
Erklärung gegebenenfalls mit dem Gutachter Rücksprache zu nehmen, ob er immer noch davon ausgehe, dass der
ursächliche Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall nicht wahrscheinlich sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 24. November 2006 aufzuheben und die Beklagte unter
Abänderung des Bescheides vom 10. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. September 2005
zu verurteilen, die ihm gewährte Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von
35 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat, wie das Sozialgericht
zutreffend entschieden hat, keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer
MdE von 35 v. H.
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge
eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert
ist, Anspruch auf eine Rente. Dabei richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des
körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des
Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Diesen Vorgaben folgend erhält der Kläger bereits seit dem 01. Juli 2005 eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit (§
62 Abs. 2 SGB VII) nach einer MdE von 20 v. H. wegen der noch auf den Arbeitsunfall vom 12. September 2002
zurückzuführenden endgradigen Streckhemmung im rechten Kniegelenk, der vorderen Kreuzbandinstabilität im
rechten Kniegelenk, der Muskelminderung am rechten Bein sowie der in den Röntgenbildern erkennbare Stufe in der
ein-heitlichen Schienbeinkopfgelenkfläche im Sinne einer posttraumatischen Arthrose und der abgeheilten tiefen
Beinvenenthrombose nach Bruch des Schienbeinkopfes rechts mit knöchernem Ausriss des vorderen Kreuzbandes.
Diese Gesundheitsstörungen rechtfertigen eine MdE von 20 v. H., wie sich aus dem nachvollziehbaren und
überzeugenden Rentengutachten von Dr. L/Dr. M vom 29. April 2005 ergibt, das mit dem zuvor erstellten weiteren
Gutachten vom 24. August 2004 zu einer im Wesentlichen gleichen Bewertung der Unfallfolgen und der Einschätzung
der MdE kommt. Diese Feststellungen werden von dem Kläger auch nicht angegriffen. Er ist vielmehr der
Überzeugung, er leide an weiteren Gesundheitsstörungen, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem
Arbeitsunfall vom 12. September 2002 stehen. Dabei handelt es sich um die von dem Gutachter Prof. Dr. K in seinem
Gutachten vom 29. April 2005 festgestellte mittel- bis hochgradige Schwerhörigkeit links und eine Untererregbarkeit
des linken Vestibularisorgans. Diese Diagnose stimmt mit der des behandelnden Hals-Nasen-Ohren-Arztes S vom 13.
Februar 2005 überein. Dieser bewertet die Schwerhörigkeit nach der Tabelle von Feldmann mit einer MdE von 10 v. H.
Der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. K schätzt die MdE in seinem Attest vom 14. Februar 2006 mit einer MdE von 15 v. H.
ein, ohne sich zum Grad der von ihm festgestellten Schwerhörigkeit und zur Ursache der Hörminderung zu äußern.
Der Senat hält es jedoch unabhängig von der Frage, wie hoch die MdE wegen der Unfallfolgen einzuschätzen ist,
nicht für wahrscheinlich, dass die Schwerhörigkeit des Klägers auf dem linken Ohr auf den Wegeunfall vom 12.
September 2002 zurückzuführen ist. Für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der
Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu
bestimmen ist, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit,
ausreichend (BSG SozR 3 – 2200 § 551 RVO Nr. 16. m. w. N.). Ein Zusammenhang ist wahrscheinlich, wenn bei
Abwägung aller Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die
Überzeugung des Gerichts gegründet werden kann.
Nach Auswertung des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens von Prof. Dr. K vom 29. April 2005 hält der
Senat es nicht für wahrscheinlich, dass die mittel- bis hochgradige Schwerhörigkeit links und die Untererregbarkeit
des linken Vestibularisorgans auf den Arbeitsunfall vom 12. September 2002 zurückzuführen ist. Das hat das
Sozialgericht ausführlich und zutreffend in seiner Entscheidung dargelegt. Das erstinstanzliche Urteil ist nicht bereits
deshalb fehlerhaft, wie der Kläger meint, weil das Gericht zunächst dem angebotenen Beweis auf Vernehmung seiner
Ehefrau hätte nachgehen müssen. Der rechtskundig vertretene Kläger hat es bereits unterlassen, dem Sozialgericht
den Namen und die ladungsfähige Anschrift der Zeugin mitzuteilen. Er hat außerdem, nachdem er zum beabsichtigten
Erlass eines Gerichtsbescheids angehört worden ist, den Beweisantrag auch nicht wiederholt. Aus einer solchen
Verfahrensweise ist zu schließen, dass der Beweisantrag nicht aufrecht erhalten wird (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 8.
A. 2005, § 160 RN 18 b m. w. N.). Selbst wenn es der Senat als wahr unterstellt, dass dem Kläger erstmalig etwa
zwei Tage nach der Knieoperation, als ihm seine Ehefrau die Kopfhörer für den Fernseher mitgebracht hatte, eine
Hörminderung aufgefallen ist, während vor dem Unfall eine Hörminderung nicht bestanden haben soll, ist es nicht
wahrscheinlich, dass die Hörminderung auf dem Unfall beruht. Medizinische Unterlagen, aus denen sich eine bereits
vor dem Unfall bestehende Hörminderung ergibt, konnten zwar nicht ermittelt werden. Das bedeutet aber nicht im
Umkehrschluss, wie der Arzt Schulze in seinem Bericht vom 13. Februar 2005 vorsichtig andeutet, dass die nunmehr
festgestellte Hörminderung wahrscheinlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen ist, weil weitere Argumente dagegen
sprechen. Prof. Dr. K hat bei der Bewertung des Kausalzusammenhangs die Ausführungen des Klägers zum Beginn
seiner Hörstörung berücksichtigt. Gleichwohl ist der Gutachter zu dem Ergebnis gekommen, es sei eher
unwahrscheinlich, dass die Schwerhörigkeit links auf den Unfall zurückzuführen sei. Er hält zwar einen ursächlichen
Zusammenhang mit dem Unfallereignis im Sinne einer Contusio labyrinthi grundsätzlich für möglich und denkbar. Im
konkreten Fall des Klägers schließt er einen solchen Zusammenhang jedoch aus. Zum einen ist eine Fraktur des
Labyrinths durch die MRT-Untersuchung vom 27. April 2005 ausgeschlossen worden. Der Gutachter hat auch keine
Anhaltspunkte für ein Schädel-Hirn-Trauma finden können. Zum anderen stellt er entscheidend darauf ab, dass eine
Contusio labyrinthi mit bestimmten Begleiterscheinungen wie plötzlichem Taubheitsgefühl mit Schwindel, Übelkeit und
eventuell Erbrechen einhergehe. Die Schlussfolgerung des Gutachters, es müsse angesichts des Fehlens von
dokumentierten starken Befindlichkeitsstörungen davon ausgegangen werden, dass eine solche Contusio labyrinthi
nicht eingetreten sei, ist für den Senat nachvollziehbar. Soweit der Kläger behauptet, eine Befindlichkeitsstörung
müsse mit einer Contusion nicht einhergehen, hat er seine Behauptung nicht durch medizinische Unterlagen
untermauert. Der Gutachter hat seine Schlussfolgerung auch nicht dadurch relativiert, dass er entsprechend dem
Bericht des Arztes S vom 06. September 2004 davon ausgegangen ist, der Kläger habe erstmals 12 Tage vor dem
29. Oktober 2002 über eine Hörminderung geklagt. Denn aus dem Gutachten ergibt sich, dass er diesen Zeitablauf nur
als darüber hinaus gehendes Argument verwendet. Gegen die Verwertbarkeit des Gutachtens spricht letztlich auch
nicht, dass Prof. Dr. K zwei alternative Ursachen für den Hörverlust diskutiert. Der Gutachter hält aufgrund des
klinischen Befunds eine langsam progrediente retrocochleäre Innenohrerkrankung für die Ursache der Hörminderung.
Diese Auffassung hat der Hals-Nasen-Ohren-Arzt S zunächst in seinem Bericht vom 06. September 2004 ebenfalls
geäußert. Wegen des in dem Bericht des Arztes geschilderten zeitlichen Ablaufs seiner Beschwerden könnte der
Hörverlust nach Auffassung des Gutach-ters auch auf einen Hörsturz zurückzuführen sein. Welche dieser beiden
Alternativen nun tat-sächlich Ursache für die Schwerhörigkeit ist, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht
maßgeblich. Festzustellen für den geltend gemachten Anspruch ist vielmehr allein, ob die nachgewiesene Erkrankung
ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen ist. Das ist nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen
auszuschließen.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Die Auferlegung von Verschuldenskosten beruht auf § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Der Kläger hat den Rechtsstreit
fortgeführt, obwohl die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung im Verhandlungstermin von dem Senat dargelegt und
auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fort-führung des Rechtsstreits hingewiesen worden war. Die Höhe der
Kosten orientiert sich an § 184 SGG und bedarf keiner weiteren Begründung.