Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 16.04.2008

LSG Berlin und Brandenburg: heizung, wohnung, erlass, hauptsache, wohnraum, feststellungsklage, witwenrente, glaubhaftmachung, verwaltung, abrede

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 16.04.2008 (rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 157 AS 3248/08 ER
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 5 B 473/08 AS ER
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 12. Februar 2008 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren im Wesentlichen noch die Feststellung, dass der
Antragsgegner verpflichtet sei, ihr Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches
(SGB II) unter Ansatz der tatsächlich anfallenden Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren.
Die 1953 geborene, eine Witwenrente beziehende und teilweise einer Erwerbstätigkeit nachgehende Antragstellerin
steht seit Mai 2005 im ergänzenden Leistungsbezug des Antragsgegners. Sie bewohnt unter der sich aus dem
Rubrum ergebenden Anschrift eine 61,33 m² große, sich über zwei Zimmer, Bad und Küche erstreckende Wohnung.
Zu Beginn des Leistungsbezuges lebte sie in dieser von ihr im März 2003 bezogenen Wohnung zusammen mit ihrem
damaligen Lebensgefährten M A; nach dessen Auszug am 01. April 2006 bewohnt sie die Wohnung allein. Die Miete
belief sich ab Oktober 2006 auf 503,75 EUR (Nettokaltmiete 338,43 EUR, Betriebskostenvorschuss 123,17 EUR,
Heizkostenvorschuss 36,34 EUR sowie Kabelanschluss 5,81 EUR), ein Jahr später wurde sie um 7,35 EUR
(Nettokaltmiete) auf insgesamt 511,10 EUR erhöht. Schließlich stieg die Nettokaltmiete zum 01. Januar 2008
nochmals um 4,23 EUR, sodass sich die Gesamtmiete nunmehr auf 515,33 EUR beläuft.
Mit Schreiben vom 30. Juli 2007 informierte der Antragsgegner die Antragstellerin, dass ihre Miete den Richtwert für
angemessene Kosten der Unterkunft für einen Einpersonenhaushalt in Höhe von 360,00 EUR übersteige. Die Kosten
der Unterkunft einschließlich der Heizkosten seien zunächst für die Dauer eines Jahres ab Beginn des
Leistungsbezuges in tatsächlicher Höhe übernommen worden. Die Jahresfrist ende jedoch am 31. Januar 2008.
Sofern die Voraussetzungen für eine weitere Übernahme der zu hohen Kosten nicht vorlägen, werde die
Antragstellerin schon jetzt aufgefordert, die Kosten für die Unterkunft durch einen Wohnungswechsel oder auf andere
geeignete Weise zu senken. Sofern die Antragstellerin die Miete nicht senke, könnten nach Ablauf von sechs
Monaten ab Zugang dieses Schreibens nur noch die angemessenen Kosten der Unterkunft als Bedarf anerkannt
werden.
Mit Bescheid vom 02. Oktober 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 14. De¬zember 2007 gewährte
der Antragsgegner der Antragstellerin für die Zeit vom 01. November 2007 bis zum 30. April 2008 Leistungen nach
dem SGB II, und zwar bis einschließlich Dezember 2007 in Höhe von monatlich 485,62 EUR, für Januar 2008 in Höhe
von 489,85 EUR sowie ab Februar 2008 in Höhe von monatlich 334,52 EUR.
Mit ihrem am 09. Oktober 2007 eingelegten Widerspruch wandte die Antragstellerin sich gegen die Absenkung der ihr
für die Unterkunft ab Februar 2008 gewährten Leistungen. Trotz längerer Wohnungssuche habe sie bislang keinen
neuen Mietvertrag abschließen können. Sie habe negative Schufa-Einträge mit der Folge, dass die Vermieter mit ihr
keinen Vertrag abschließen würden. Im Übrigen wolle sie in einer zumutbaren Wohnung leben. Den Widerspruch wies
der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2008 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat die Antragstellerin, über deren Vermögen mit Beschluss des Amtsgerichts W vom 15. Oktober 2007
das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, am 24. Januar 2008 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben und zugleich
sinngemäß beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr über den Januar
2008 hinaus Leistungen zur Grundsicherung unter Ansatz der tatsächlichen Mietkosten zu gewähren.
Das Sozialgericht Berlin hat die Antragstellerin aufgefordert, ihre Bemühungen, angemessenen Wohnraum zu finden,
glaubhaft zu machen. Nachdem diese darauf nicht reagiert hatte, hat es den Erlass der begehrten einstweiligen
Anordnung mit Beschluss vom 12. Februar 2008 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die
Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht habe. In Anwendung der vom Bundessozialgericht
zur Angemessenheit der Unterkunftskosten entwickelten Grundsätze sei in Berlin für einen Einpersonenhaushalt eine
Bruttowarmmiete in Höhe von höchstens 374,14 EUR angemessen, was im Einzelnen erläutert wird. Zwar könnten
unter bestimmten Voraussetzungen auch unangemessene Kosten übernommen werden. Diese Voraussetzungen
lägen bei der Antragstellerin aber nicht vor. Es sei ihr vielmehr zumutbar und möglich, die Kosten zu senken. Dass ihr
kein angemessener Alternativwohnraum zur Verfügung stehe, sei nicht glaubhaft gemacht. Es obliege dem
Hilfebedürftigen nachzuweisen, dass er sich intensiv und mit ihm zumutbar erreichbaren Hilfen und Hilfsmitteln um
eine hinsichtlich der Kosten angemessene Wohnung bemüht habe. Aufgrund des entspannten Wohnungsmarktes in
Berlin seien innerhalb der vorgenannten Kostengrenze Wohnungen anzumieten. Trotz entsprechender Aufforderung
habe die Antragstellerin jedoch konkrete Bemühungen zur Wohnungssuche weder vorgetragen noch glaubhaft
gemacht. Soweit ihr nach der erfolgten Berechnung angemessene Kosten der Unterkunft in Höhe von 374,14 EUR,
also ein Mehrbetrag von 14,14 EUR zu gewähren sei, sei ein Anordnungsgrund nicht gegeben. Es handele sich
insoweit um eine Differenz von weniger als 10 % des Regelsatzes. Es sei nicht zu erkennen, dass die Antragstellerin
im Falle des Abwartens der Hauptsache in eine Notlage geriete.
Gegen diesen ihr am 15. Februar 2008 zugestellten Beschluss richtet sich die am 03. März 2008 eingelegte
Beschwerde der Antragstellerin, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Zur Begründung macht sie geltend, dass
die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss an der Realität vorbeigingen. Jede Wohnungsverwaltung lehne
den Abschluss eines Mietvertrages bei Vorliegen von Schufa-Einträgen und insbesondere bei einem laufenden
Insolvenzverfahren ab. Sie habe sich die Absagen nur mündlich geben lassen und versichere daher eidesstattlich,
entsprechende Auskünfte der Wohnungsverwaltungen erhalten zu haben.
Nachdem die Antragstellerin erklärt hatte, bis Juli 2008 eine Halbtagsbeschäftigung gefunden zu haben, hat der
Antragsgegner auf entsprechende Nachfrage des Gerichts mitgeteilt, dass die Antragstellerin ab dem 01. Februar
2008 eine Beschäftigung aufgenommen habe und laut Arbeitsvertrag monatlich 950,00 EUR brutto verdienen werde.
Ab dem 01. März 2008 ergebe sich damit kein Leistungsanspruch mehr.
Die Antragstellerin hat das Verfahren gleichwohl fortgesetzt und geltend gemacht, dass ihr Arbeitsvertrag nur bis zum
31. Juli 2008 laufe und sie ein dringendes Interesse an einer Klärung habe, in welcher Höhe ihr ab dann wieder
Leistungen für Unterkunft und Heizung zustünden.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 12. Februar 2008 ist gemäß
§§ 172 Abs. 1 und 173 SGG zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin ihren am 24.
Januar 2008 bei Gericht gestellten Antrag, den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihr für Februar bis April 2008
Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II unter Ansatz der tatsächlich anfallenden Kosten für Unterkunft und
Heizung zu gewähren, abgelehnt. Auch soweit es ihr inzwischen im Wesentlichen um die allgemeine Klärung geht, in
welcher Höhe ihr Kosten für Unterkunft und Heizung zustehen, kann sie mit ihrem Antrag keinen Erfolg haben.
Nach § 86b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein
streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig
erscheint. Dies setzt voraus, dass sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht
werden. Dies ist hier nicht der Fall.
Bezogen auf den Zeitraum vom 01. März bis zum 30. April 2008 – dem Tag, an dem der hier
verfahrensgegenständliche Bewilligungsabschnitt endet – liegt bereits kein Anordnungsanspruch vor. Der
Antragstellerin stehen für diesen Zeitraum im Hinblick auf die von ihr im Februar 2008 aufgenommene Beschäftigung
keine Leistungen des Antragsgegners zu. Unter Berücksichtigung ihrer Witwenrente in Höhe von gut 400,00 EUR und
ihres Bruttogehalts von 950,00 EUR ist sie ab März 2008 bei summarischer Prüfung nicht mehr hilfebedürftig im Sinne
der §§ 7 Abs. 1 Nr. 3, 9 SGB II, ohne dass es dabei darauf ankäme, in welcher Höhe ihr Leistungen für Unterkunft und
Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II zustehen würden.
Auch können ihr im Wege der einstweiligen Anordnung keine höheren Leistungen für Februar 2008 zugesprochen
werden. Es fehlt insoweit – jedenfalls inzwischen - an einem Anordnungsgrund. Es ist nicht ersichtlich, dass der
Antragstellerin durch die Nichtgewährung höherer Leistungen für Februar 2008 wesentliche Nachteile drohen, die im
Hauptsacheverfahren nicht mehr auszugleichen wären. Zum einen liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass bei
ihr Mietschulden aufgelaufen wären. Zum anderen müsste sie inzwischen ggfs. angesichts des ihr zufließenden
Gehalts in der Lage gewesen sein, diese zu begleichen. In welcher Höhe ihr im Februar 2008 Leistungen zustanden,
kann daher im Hauptsacheverfahren geprüft werden.
Ergänzend weist der Senat jedoch darauf hin, dass die Antragstellerin auch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft
gemacht hat. Ihre monatlichen Mietkosten in Höhe von 515,33 EUR für Februar 2008 sind für einen
Einpersonenhaushalt zweifelsohne unangemessen, ohne dass es insoweit einer genauen Klärung bedürfte, ob ihr in
Anwendung der vom Bundessozialgericht entwickelten und vom Sozialgericht Berlin in seiner angefochtenen
Entscheidung dargestellten Kriterien Leistungen für Unterkunft und Heizung – wie der Antragsgegner meint – nur in
Höhe von 360,00 EUR zustehen, ob die vom Sozialgericht Berlin veranschlagten 374,14 EUR die Obergrenze der
Angemessenheit darstellen oder ein ggfs. leicht abweichender Wert maßgeblich ist. Diese grundsätzliche
Unangemessenheit wird letztlich auch von der Antragstellerin nicht in Abrede gestellt. Soweit sie hingegen der
Auffassung ist, dass ihr ausnahmsweise Leistungen in unangemessener Höhe gewährt werden müssten, weil es ihr
unmöglich sei, angemessenen Wohnraum zu finden, vermag der Senat ihr mangels entsprechender
Glaubhaftmachung nicht zu folgen. Die Antragstellerin hat zusammen mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung lediglich das Schreiben der in Berlin-W ansässigen Hausverwaltung E F vom 25. Oktober 2007 vorgelegt,
nach dem sie als Mieterin nicht berücksichtigt werden kann, da in der kleinen Verwaltung die Mieter nach gewissen
Kriterien ausgewählt würden. Dies allein ist jedoch nicht geeignet, die Behauptung der Antragstellerin zu stützen,
aufgrund ihrer Einträge in der Schufa-Liste und des über ihr Vermögen eröffneten Insolvenzverfahrens werde ihr keine
Wohnung vermietet. Ebenso wenig reicht hierzu die von der Antragstellerin abgegebene "eidesstattliche Versicherung"
aus. Wenn die Antragstellerin schon – was an sich zu fordern ist - keine Schreiben der Hausverwaltungen vorlegen
kann, so hätte sie zumindest detailliert darlegen müssen, bei welchen Hausverwaltungen sie sich – ggfs. auf welches
konkrete Wohnungsangebot hin - wann vorgestellt hat und wer ihr dort die angeblich negative Auskunft erteilt hat. Die
von der Antragstellerin abgegebene Erklärung stellt sich hingegen weiterhin als reine Behauptung dar.
Soweit die Antragstellerin schließlich im laufenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine allgemeine Klärung
herbeiführen möchte, in welcher Höhe ihr Kosten für Unterkunft und Heizung ab Ende ihrer zurzeit bis zum 31. Juli
2008 befristeten Beschäftigung zustehen werden, kann sie ebenfalls keinen Erfolg haben. Auch wenn grundsätzlich in
den Fällen, in denen in der Hauptsache die Feststellungsklage die richtige Klageart ist, der Erlass einer einstweiligen
Anordnung in Betracht kommt, so liegen hier die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht vor. Die
Feststellungsklage ist gegenüber einer Leistungsklage subsidiär. Sollte die Antragstellerin zu irgendeinem Zeitpunkt
tatsächlich wieder hilfebedürftig werden und der Antragsgegner ihr erneut als Kosten der Unterkunft nur 360,00 EUR
gewähren, kann sie ggfs. dann im Klage- oder auch im Rahmen eines erneuten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens
klären lassen, in welcher Höhe ihr Leistungen zustehen. Aktuell besteht dazu zur Vermeidung wesentlicher Nachteile
offensichtlich kein Bedarf. Im Übrigen kann die Antragstellerin bereits den obigen Ausführungen entnehmen, dass der
Senat jedenfalls zurzeit nicht davon ausgeht, dass der Antragsgegner verpflichtet sein könnte, ihre nicht
angemessene Miete zu tragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).