Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 21.12.1992

LSG Berlin-Brandenburg: diagnose, icd, aufrechnung, behandelnder arzt, abrechnung, vergütung, öffentlich, rechtsverordnung, patientenakte, ausgabe

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 9.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 9 KR 244/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 16 S 1 Nr 1 KHG, § 17 Abs 1 S
1 KHG vom 21.12.1992, § 17
Abs 2 KHG, § 17 Abs 2a KHG
vom 22.12.1999, § 11 Abs 1
BPflV 1994
Krankenhaus - Vergütung von Krankenhausleistungen -
Bundesweiter Fallpauschalen-Katalog - Abrechnungs-
Bestimmungen - Fallpauschale 11.03 - Hauptdiagnose -
entsprechende Diagnose - Aufrechnung
Leitsatz
Für die Abrechenbarkeit einer Fallpauschale nach dem "Bundesweiten Fallpauschalen-Katalog
für Krankenhäuser" kommt es nicht nur auf die in seiner Spalte 4 genannten Prozeduren,
sondern auch auf die in Spalte 3 aufgeführten Diagnosen an.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. April
2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Vergütung einer vollstationären Krankenhausbehandlung
nach der Fallpauschale 11.03.
Das zum damaligen Zeitpunkt von der F Universität B (FUB) betriebene
Universitätsklinikum B F(UKBF) - es wird heute als Teil der Klägerin unter der
Bezeichnung C C B F geführt - behandelte auf seiner hämatologischen Station in der
Zeit vom 12. September bis zum 7. Oktober 2000 den bei der Beklagten
krankenversicherten G R (im Folgenden: der Versicherte). Bei diesem war 1998 ein
Aderhautmelanom am linken Auge mit einer Größe von 9,7 mm diagnostiziert worden.
Aufgrund einer lokalen Strahlentherapie kam es zu einer Vernarbung des Tumors; die
Narbe schrumpfte hierbei auf eine Größe von unter 3 mm. In der Zeit vom 15. bis zum
19. September 2000 wurde dem Versicherten nach dem Auftreten von
Lebermetastasen eine Hochdosischemotherapie verabreicht, am 22. September 2000
erfolgte die Transplantation positiver autologer Stammzellen. Die Rechnung der FUB
vom 30. Oktober 2000, mit der für die Erbringung der Fallpauschale 11.03 ein Betrag von
174.708,93 DM geltend gemacht wurde, beglich die Beklagte zunächst in vollem
Umfang, ließ die Abrechenbarkeit dieser Fallpauschale jedoch vom Medizinischen Dienst
der Krankenversicherung (MDK) anschließend überprüfen. Nachdem der MDK in
mehreren Stellungnahmen die Abrechenbarkeit der o.g. Fallpauschale verneint hatte
und die hierüber in Kenntnis gesetzte FUB an ihrer Auffassung festhielt, kündigte die
Beklagte mit Schreiben vom 24. Juni 2002 eine Korrektur des in Rechnung gestellten
Betrages in Höhe von 149.988,68 DM (76.687,99 Euro) an, da nur eine Abrechnung in
Höhe der Abteilungs- und Basispflegesätze gerechtfertigt sei. Die an das UKBF
gerichtete „Ausgabe-Sammelanordnung“ der Beklagten ebenfalls vom 24. Juni 2002
enthält im Wesentlichen folgende Aufstellung:
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Im Rahmen ihrer am 24. Dezember 2003 erhobenen Klage hat die Klägerin vorgebracht,
die hier streitbefangene Fallpauschale 11.03 in der für das Jahr 2001 geltenden Fassung
habe nach dem OPS-301 insbesondere die Prozedur 5-411, also eine unstreitig
durchgeführte Knochenmarktransplantation, umfasst. Da im Entlassungsbericht des
Krankenhauses „als Hauptdiagnose C 49.9 (bösartige Neubildung Bindegewebe …) und
als Nebendiagnose C 69.3 (Aderhautmelanom) verschlüsselt worden“ seien und in der
Definition der Fallpauschale 11.03 die ICD-10-Diagnose C 49.9 mitenthalten sei, seien
die Abrechnungsvoraussetzungen dieser Fallpauschale erfüllt. Dass als Nebendiagnose
ferner C 69.3 verschlüsselt worden sei, schade nicht. Trotz ihres irreführenden Namens
habe diese Erkrankung nichts mit dem malignen Melanom der Haut gemeinsam,
sondern sei der großen heterogenen Gruppe der malignen Weichteiltumore zuzuordnen.
Selbst wenn man entgegen der allein relevanten Entlassungsanzeige das
Aderhautmelanom als Hauptdiagnose ansehen würde, könnte nach Nummer 2 der dem
Fallpauschalen-Katalog vorangestellten Abrechnungsbestimmungen die Fallpauschale
11.03 aufgrund einer „entsprechenden“ Diagnose abgerechnet werden, da die
durchgeführte Prozedur (Knochenmarktransplantation) nach Art und Aufwand derjenigen
Leistung entspreche, die der Fallpauschalen-Definition zu Grunde liege. Trotz der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (Urteil vom 13. Dezember 2001, Az.:
B 3 KR 1/01 R) sei eine Analogbewertung im vorliegenden Falle nicht ausgeschlossen, da
die Zuordnung des Aderhautmelanoms zu den Hauttumoren nicht mehr dem
medizinischen Wissensstand entspreche.
Mit Urteil vom 25. April 2006 hat das Sozialgericht Berlin die Beklagte verurteilt, an die
Klägerin 76.687,99 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweils
gültigen Basiszinssatz seit dem 24. Juni 2002 zu zahlen. Zur Begründung hat das
Sozialgericht ausgeführt, die - unstreitige, allerdings nicht genannte - Hauptforderung
der Klägerin sei nicht infolge Erfüllung nach § 389 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m.
§ 69 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) untergegangen. Zum einen habe
die Beklagte die Aufrechnung nicht wirksam nach § 388 Satz 1 BGB erklärt, da sie die
Hauptforderung, gegen die sie habe aufrechnen wollen, nicht benannt habe und die
fehlende Bestimmtheit nicht dadurch geheilt werde, dass sich die Beteiligten in dem
Bestehen einer der Klägerin zustehenden Hauptforderung einig seien. Zum anderen
habe auch keine Aufrechnungslage bestanden, da die Klägerin zur Rückzahlung der für
die Behandlung des Versicherten geleisteten Vergütung nicht verpflichtet gewesen sei.
Die Berechnung der Fallpauschale 11.03 sei möglich, weil im Entlassungsbericht der
Klägerin der in Spalte 4 der Fallpauschale 11.03 aufgeführte OPS 8-805.0 aufgeführt sei
und es nicht zusätzlich auf eine der in Spalte 3 genannten Diagnosen nach dem ICD-10
ankomme.
Gegen dieses ihr am 3. Mai 2006 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der
Beklagten vom 29. Mai 2006, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt: Die
Hauptforderungen, gegen die sie aufgerechnet habe, ergäben sich aus der o.g.
Ausgabe-Sammelanordnung. Die dort genannten Forderungen der Klägerin seien
hinsichtlich des Grundes und der Höhe unstreitig. Die Aufrechnung werde gegenüber
diesen Hauptforderungen anteilig erklärt. Selbst wenn man der Auffassung des
Sozialgerichts folge, habe dieses gegen die Untersuchungsmaxime des § 103
Sozialgerichtsgesetz (SGG) verstoßen, in dem es zu keinem Zeitpunkt den Versuch
unternommen habe, den Sachverhalt insoweit aufzuklären. Dass für die Abrechnung
einer Fallpauschale selbstverständlich sowohl die in Spalte 4 des bundesweiten
Fallpauschalen-Katalogs ausgewiesene und in Form eines OPS-Schlüssels kodierte
Leistung als auch die in den Spalten 3a (ICD-10) bzw. 3b (ICD-9) der Fallpauschale
zugeordneten Hauptdiagnosen gegeben sein müssten, stellten selbst die
Krankenhausgesellschaften nicht in Abrede.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 2006 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie verweist auf die erstinstanzliche Entscheidung, beruft sich auf ihr erstinstanzliches
Vorbringen und trägt ergänzend vor: Die Behandlung im streitigen Zeitraum habe nur
die Lebertumore des Versicherten betroffen, nicht hingegen den Primärtumor im Auge.
Die Fallpauschale 11.03 sei zumindest auf der Grundlage einer „entsprechenden“
Diagnose abrechenbar.
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Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens
der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte und die von der Klägerin
geführte, den Versicherten betreffende Patientenakte, die beigezogen wurden und
Gegenstand der mündlichen Verhandlungen waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben,
denn die zulässige Klage ist unbegründet. Gegen den geltend gemachten
Vergütungsanspruch hat die Beklagte mit ihrer Gegenforderung wirksam aufgerechnet.
I.
Universitätsmedizingesetzes - BerlUMG -), ist als Gesamtrechtsnachfolgerin der FUB
und der Humboldt-Universität zu Berlin für die Human- und Zahnmedizin (§ 1 Abs. 2
BerlUMG) Inhaberin der streitigen Vergütungsforderung geworden.
II.
aufgrund ihrer in der „Ausgabe-Sammelanordnung“ der Beklagten vom 24. Juni 2002
aufgeführten Rechnungen mit den folgenden Rechnungsnummern zu:
Durch die Angabe der Rechnungsnummern sind die durch die Klage rechtshängig
gewordenen Forderungen der Klägerin hinreichend bestimmt bzw. bestimmbar.
Unerheblich ist daher, ob der von der Beklagten herangezogenen Rechtsprechung des 3.
Senats des BSG zu folgen ist, wonach konkrete Feststellungen zu einer unstreitigen
Hauptforderung nicht erforderlich sein sollen (BSG, Urteile vom 22. Juli 2004, Az.: B 3 KR
21/03, und vom 3. August 2006, Az.: B 3 KR 7/06 R, beide veröffentlicht in juris). Indem
die Klägerin gegenüber jeder dieser Hauptforderungen anteilig aufgerechnet hat, sind
diese nur in Höhe der Aufrechnung rechtshängig geworden.
III.
durch Aufrechnung erloschen. Denn der Beklagten steht als Gegenforderung ein
öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Höhe von 76.687,99 Euro zu (hierzu unter
1.), mit dem sie wirksam aufgerechnet hat (hierzu unter 2.).
1.) Die von der Beklagten geltend gemachten Rückforderungsbegehren basieren auf
dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Dieses aus den allgemeinen
Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Rechtsinstitut setzt voraus, dass im
Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund
erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen
worden sind. Ein öffentliches Rechtsverhältnis liegt hier vor, da auch schon für die Zeit
vor der Neufassung des § 69 SGB V zum 1. Januar 2000 die Abrechnungsbeziehungen
zwischen Krankenkasse und Krankenhaus öffentlich-rechtlich geprägt waren. Im Rahmen
des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gelten ähnliche Grundsätze wie im
bürgerlichen Recht der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812ff BGB), dem der
öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch zumindest insoweit vergleichbar ist, als beide
Ansprüche als Ausdruck eines althergebrachten Rechtsgrundsatzes dem Ausgleich
rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen dienen. Allerdings ist auch im Zivilrecht
nicht ausdrücklich geregelt, wann eine Bereicherung ungerechtfertigt ist. Es lässt sich
deshalb keine einheitliche Formel für das Vorliegen oder Fehlen eines die
Vermögensverschiebung rechtfertigenden Grundes aufstellen. Allgemein anerkannt ist
jedoch, dass Leistungen zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, die in
Wirklichkeit nicht besteht, grundsätzlich zurückgefordert werden können (BSGE 93, 137
m.w.N.).
Der Klägerin standen für die Behandlung des Versicherten in der Zeit vom 12.
September bis zum 7. Oktober 2000 ein Vergütungsanspruch nur in Höhe der
unstreitigen tagesgleichen Abteilungs- und Basispflegesätze zu. Ein darüber
hinausgehender Vergütungsanspruch bestand nicht, denn die Voraussetzungen für die
Abrechnung der Fallpauschale 11.03 lagen im Falle des Versicherten nicht vor.
a) Grundlage des Vergütungsanspruchs sind die nach Maßgabe des
Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) und der Bundespflegesatzverordnung (BPflV)
getroffenen vertraglichen Vereinbarungen: Nach § 16 Satz 1 Nr. 1 KHG erlässt die
Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats Vorschriften
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Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats Vorschriften
über die Krankenhauspflegesätze. Nach der im Jahre 2000 geltenden Rechtslage ist die
Vergütung grundsätzlich nach der Anzahl der Behandlungstage zu bemessen und für
alle Benutzer einheitlich zu berechnen (§ 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 KHG). Nach § 17 Abs.
2a KHG in der im Jahre 2000 geltenden Fassung (alte Fassung - aF -) sind für die
Vergütung von allgemeinen Krankenhausleistungen schrittweise Fallpauschalen und
Sonderentgelte einzuführen (Satz 1), die bis zum 31. Dezember 1997 in der
Rechtsverordnung nach § 16 Satz 1 Nr. 1 KHG bestimmt wurden (Satz 2). Erstmals für
den Pflegesatzzeitraum 1998 haben gem. Satz 3 dieser Vorschrift die Spitzenverbände
der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam mit
der Deutschen Krankenhausgesellschaft Entgeltkataloge und deren Weiterentwicklung
vereinbart. Die Entgeltkataloge sind für diejenigen Krankenhausträger unmittelbar
verbindlich, die Mitglieder einer Landeskrankenhausgesellschaft sind; andernfalls sind die
Entgeltkataloge der Pflegesatzvereinbarung zugrunde zu legen (Satz 6). Die in der
Rechtsverordnung bestimmten Fallpauschalen und Sonderentgelte galten ab 1. Januar
1998 als vertraglich vereinbart (Satz 7). Mit den Fallpauschalen werden die gesamten
Leistungen des Krankenhauses für einen bestimmten Behandlungsfall vergütet (Satz
10). Zur Vergütung der Leistungen des Krankenhauses, die nicht durch Fallpauschalen
oder Sonderentgelte erfasst werden, sind tagesgleiche Abteilungspflegesätze als Entgelt
für ärztliche und pflegerische Leistungen und ein für das Krankenhaus einheitlicher
Basispflegesatz als Entgelt für sonstige Leistungen vorzusehen (Satz 12).
Die aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung erlassene BPflV hat die gesetzlichen
Vorgaben unter teilweiser Wiederholung präzisiert. Dem zunächst als Anlage zur BPflV
bekannt gemachten "Bundesweiten Fallpauschalen-Katalog für Krankenhäuser" (FPK) in
der im Jahre 2000 geltenden Fassung, Anhang 1 und 2 zu § 11 Abs. 1 BPflV,
vorangestellt sind die "Abrechnungs-Bestimmungen", die u.a. folgendes regeln:
"1. Fallpauschalen werden für die im Entgeltkatalog bestimmten
Behandlungsfälle berechnet, wenn diese die Hauptleistung des Krankenhauses für den
Patienten sind ...
2. Maßgeblich für die Zuordnung eines Patienten zu einer Fallpauschale und
damit für deren Abrechenbarkeit ist die im Entgeltkatalog ausgewiesene Leistung in
Verbindung mit der genannten Hauptdiagnose für den Krankenhausaufenthalt oder einer
entsprechenden Diagnose. Dabei gilt folgende Rangfolge der Definitionen:
a) der Operationsschlüssel nach dem OPS-301 (Spalte 4),
b) der Diagnosenschlüssel nach der ICD (Spalte 3); dieser grenzt die
Fallpauschalen ergänzend zu Spalte 4 näher ab; die Fallpauschale ist auch bei
"entsprechenden" Diagnosen abzurechnen, wenn die erbrachte Leistung nach Art und
Aufwand der Leistung entspricht, die der Fallpauschale zugrunde liegt;
c) die Textdefinition (Spalte 2); sie ist maßgeblich, soweit eine nähere Definition
der Fallpauschalen mit den Schlüsseln nach den Spalten 4 und 3 nicht dargestellt
werden kann und somit nur aus der Textfassung hervorgeht".
Zur hier streitigen Fallpauschale 11.03 finden sich im FPK u.a. folgende Eintragungen:
b) Entgegen der klägerischen Auffassung liegen die Voraussetzungen für die
Abrechnung der Fallpauschale 11.03 nicht vor. Zwar führte die Klägerin die in Spalte 4
des im Jahre 2000 anzuwendenden FPK aufgeführte Prozedur 8-805.0 (Transfusion von
Blutstammzellen aus dem peripheren Blut, autogen, tiefkühlkonserviert) bzw. 5-411.0
(Knochenmarktransplantation) des Operationenschlüssels nach § 301 SGB V (OPS-301,
Version 2.0, Stand: 15. November 2000) unstreitig durch. Ob die Prozedur 8-805.0 (so
die Entlassungsanzeige der FUB vom 25. Oktober 2000) oder 5-411.0 (so die Rechnung
der FUB vom 30. Oktober 2000 und das erstinstanzliche Vorbringen der Klägerin)
durchgeführt wurde, kann letztlich dahinstehen, da beide in Spalte 4 genannt werden.
Die Prozeduren unterscheiden sich nur durch die Art der Stammzellgewinnung.
Es lag jedoch keine der in Spalte 3a abschließend aufgeführten Diagnosen nach der 10.
Revision der Internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandter
Gesundheitsprobleme (ICD-10) vor.
aa) Die Klägerin behauptet, Hauptdiagnose sei die Diagnose C 49.9 (bösartige
Neubildung sonstigen Bindegewebes und anderer Weichteilgewebe, nicht näher
bezeichnet) gewesen. Demgegenüber wies die Entlassungsanzeige der FUB vom 25.
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bezeichnet) gewesen. Demgegenüber wies die Entlassungsanzeige der FUB vom 25.
Oktober 2000 tatsächlich die Diagnose C 49.0 (Bindegewebe und andere
Weichteilgewebe des Kopfes, des Gesichtes und des Halses) aus. Ungeachtet dieser
uneinheitlichen Darstellung widerspricht das Vorbringen der Klägerin ihren gesamten
Aufzeichnungen und Feststellungen in der dem Gericht überlassenen Patientenakte des
Versicherten. Diese erwähnt an keiner Stelle die Diagnose C 49.0 bzw. deren Definition.
Stattdessen wird in folgenden Teilen der Patientenakte die Diagnose C 69.3 bzw. deren
Definition nach der ICD-10 (bösartige Neubildung der Chorioidea) erwähnt:
- das Deckblatt der Krankengeschichte, das als Entlassungsdiagnose (!!) nennt: „C
69.3 Bösartige Neubildung Chorioidea“
- die an Dr. J - offensichtlich ein weiterer behandelnder Arzt des Versicherten -
gerichtete Epikrise der FUB vom 6. Oktober 2000: „Diagnosen: Aderhautmelanom
links“,
- die Aufnahmeanamnese
- der Status Präsens: „Diagnosen: hep. met. Aderhautmelanom“
- die Anmeldung zum Röntgenthorax am 14. September 2000
- die Anfrage zum kardiologischen Konsil vom 18. September 2000: „klinische
Diagnose hep. met. Aderhautmelanom“
- die Anmeldung zur Oesophago-Gastro-Duodenoskopie: “Indikation bzw. Fragestellung
hep. met. Aderhautmelanom“
- die Konsultationsanfrage an die Augenpoliklinik vom 13. September 2000
- das Schreiben der FUB vom 15. September 2000 an die Schwester des Versicherten
- das Standardverlaufsprotokoll
Auch wenn der Versicherte – wie von der Klägerin erstmals in der mündlichen
Verhandlung vom 4. Juni 2009 vorgebracht – im fraglichen Zeitraum nicht wegen des
Aderhautmelanoms, sondern wegen der erst infolge dieses Primärtumors entstandenen
Lebertumore behandelt wurde, ändert dies im Ergebnis nichts. Denn die insoweit
einschlägige Diagnose C 78.7 („sekundäre bösartige Neubildung der Leber“) hätte die
Beklagte ebenfalls nicht zur Abrechnung der Fallpauschale 11.03 berechtigt, da sie in
Spalte 3 der o.g. Fallpauschalendefinition nicht aufgeführt ist.
bb) Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kommt es für die Abrechenbarkeit der
Fallpauschale 11.03 auch auf die Angaben in Spalte 3 des FPK an, wie sich aus folgenden
Überlegungen ergibt:
Wäre alleine die Einschlägigkeit einer in Spalte 4 genannten Prozedur maßgeblich für die
Abrechenbarkeit einer Fallpauschale, könnte das Krankenhaus immer dann, wenn eine
Prozedur bei mehreren Fallpauschalen genannt wird, eine beliebige dieser
Fallpauschalen abrechnen, ohne dass es auf die konkrete Erkrankung der Versicherten
ankäme (ebenso: Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. Januar 2005, Az.: L
1 KR 154/03). Dies war offensichtlich nicht gewollt. Im vorliegenden Fall beispielsweise
könnte die Prozedur 8-805.0 auch zur Abrechenbarkeit der Fallpauschale 11.06 führen.
Bei Durchführung der Prozeduren 5-411.1, 8-805.1 oder 8-805.2 könnte das
Krankenhaus sogar zwischen den Fallpauschalen 11.01, 11.02, 11.04 und 11.05 wählen.
Zu Recht weist das Sozialgericht daraufhin, dass die Formulierung „in Verbindung mit“
unter Ziffer 2 Satz 1 der Abrechnungsbestimmungen und das Wort „ergänzend“ unter
Satz 2 Buchstabe b) dieser Regelung dafür sprechen, dass die in Spalte 4 und 3
genannten Voraussetzungen jeweils kumulativ vorliegen müssen (im Ergebnis ebenso:
Rochell/Engelke/Stapf/Fricke KH 98, 742ff, die die in den Spalten 2 bis 4 „im Sinne von
gleichwertigen, notwendigen Bedingungen“ verstehen und bei der Verletzung einer
Bedingung die Abrechenbarkeit der Fallpauschale ausschließen; a.A. Leitfaden zur
Einführung von Fallpauschalen und Sonderentgelten gemäß
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Einführung von Fallpauschalen und Sonderentgelten gemäß
Bundespflegesatzverordnung 1995 [Schriftenreihe des Bundesministeriums für
Gesundheit, Band 44], S. 138). Allerdings kann aus dem Wort „Rangfolge“ (Ziffer 2 Satz
2, 1. Halbsatz) nicht abgeleitet werden, die Durchführung einer in Spalte 4 genannten
Prozedur lasse die Angaben in den Spalten 3 und 2 der jeweiligen Fallpauschale obsolet
werden. Eine durch mehrere Stufen zum Ausdruck gebrachte „Rangfolge“ schließt nach
der grammatischen Bedeutung dieses Wortes eine kumulative Anwendung dieser Stufen
nicht aus. Folgte man der Auffassung des Sozialgerichts, wäre nicht erklärlich, warum
sich auch bei den Prozeduren, die in der gesamten Spalte 4 nur ein einziges Mal erwähnt
werden (z.B. 9-262.0 und 9-262.1 bei den Fallpauschalen 16.01 und 16.02), überhaupt
Eintragungen in den Spalten 3 und 2 finden, da sie ja mangels Abgrenzungsproblematik
keinerlei Relevanz besäßen.
Auch der vom Sozialgericht vorgenommene Vergleich mit den
Abrechnungsbestimmungen, die dem Bundesweiten Sonderentgelt-Katalog für
Krankenhäuser (SEK) vorangestellt sind, überzeugt nicht. Die vom Sozialgericht
offensichtlich vorausgesetzte Parallelität beider Abrechnungsbestimmungen besteht
gerade nicht. So fehlt in Ziffer 2 Satz 1 der SEK-Abrechnungsbestimmungen die
Formulierung „in Verbindung mit der genannten Hauptdiagnose“, während nach Ziffer 2
Satz 2 Buchst. b dieser Vorschrift der Diagnosenschlüssel nach der ICD-10 nur
anzuwenden sein soll, „soweit ein solcher vorgegeben ist, um Sonderentgelte
voneinander abzugrenzen“. Das Abgrenzungs- und daher auch das „Rangfolge“-
Problem stellt sich bei der Abrechnung von Sonderentgelten kaum, da sich im SEK kaum
Eintragungen in Spalte 3 (Diagnosen) finden. Dies wiederum hat seine Ursache im
Wesen der Sonderentgelte, die nur einen „Teil der allgemeinen Krankenhausleistungen“
(§ 11 Abs. 2 Satz 1 BPflV aF) - typischerweise operative Leistungen (Dietz/Bofinger
Krankenhausfinanzierungsgesetz, Bundespflegesatzverordnung und Folgerecht, Stand:
5/98 § 14 BPflV, Kap. IV 2) - abdecken, während mit einer Fallpauschale die gesamten
Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergütet werden (§ 17 Abs. 2a Satz 10
KHG aF).
cc) Auch auf der Grundlage einer „entsprechenden Diagnose“ (Ziffer 2 Satz 1 der FPK-
Abrechnungsbestimmungen) kann - entgegen der Rechtsauffassung der Kläger - die
Fallpauschale 11.03 nicht abgerechnet werden. Es kann dahinstehen, wann eine in der
Abrechnung angegebene Diagnose einer im Fallpauschalenkatalog angeführten
Diagnose "entspricht". Denn der Fallpauschalenkatalog, der als abschließend konzipiert
ist, muss nicht wegen einer unbeabsichtigten Regelungslücke mit einer sog.
Analogbewertung geschlossen werden (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2001, Az.: B 3 KR
1/01 R, veröffentlicht in Juris).
Im vorliegenden Fall fehlt es schon an einer Regelungslücke. Denn die bösartige
Neubildung der Chorioidea (Aderhaut) bzw. die sekundäre bösartige Neubildung der
Leber sind von den Vertragspartnern des FPK nicht übersehen worden. Sie sind im
Diagnosenschlüssel eigenständig unter Nr. 69.3 bzw. 78.7 ICD-10 erfasst. Damit kann
ausgeschlossen werden, dass sie bei der Umschreibung der Fallpauschale 11.03 im
Diagnoseschlüssel irrtümlich nicht aufgeführt wurden. Der Einwand der Klägerin, nach
aktuellem medizinischem Wissensstand sei das Aderhautmelanom nicht den
Hauttumoren zuzuordnen, geht an der Sache vorbei. Zum einen war das
Aderhautmelanom nach der im Jahre 2000 geltenden Fassung der ICD-10 weder der
Untergruppe C 43 (Melanom) noch der Untergruppe C 44 (sonstige bösartige
Neubildungen der Haut) zugeordnet, sondern der Untergruppe C 69 (bösartige
Neubildungen des Auges und der Augenanhangsgebilde). Zum anderen wäre es nicht
Aufgabe der Gerichte, insoweit vertragliche Vereinbarungen zu korrigieren. Denn eine
Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen
Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein
streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt
wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Sofern
sich in der Praxis erweist, dass es dabei zu Ungereimtheiten kommt, ist es Aufgabe der
nunmehr dafür zuständigen Vertragspartner, dies durch Weiterentwicklung der
Fallpauschalen- bzw. Sonderentgeltkataloge und der Abrechnungsbestimmungen zu
beheben (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BPflV). Kommt es dabei zu keiner Einigung, ist
zunächst die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 6 KHG anzurufen (§ 15 Abs. 4 BPflV), bevor
sich die Gerichte mit Fragen der Angemessenheit von Vergütungen befassen können.
Dabei sind die Entscheidungen der Schiedsstelle nur beschränkt überprüfbar (BSG
a.a.O.).
2.) Mit diesem Rückforderungsanspruch hat die Beklagte wirksam aufgerechnet.
a) Das SGB enthält zwar keine allgemeine Regelung der Aufrechnung. Für die
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a) Das SGB enthält zwar keine allgemeine Regelung der Aufrechnung. Für die
Rechtsverhältnisse zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen ordnet § 69 Abs. 1
Satz 3 SGB V in der seit dem 18. Dezember 2008 geltenden Fassung (neue Fassung -
nF -) jedoch die entsprechende Anwendung der Vorschriften des BGB, somit auch der
die Aufrechnung betreffenden §§ 387ff, an, soweit sie nicht - was hier nicht der Fall ist -
mit dem Regelungssystem des SGB V unvereinbar sind (allgemein zur Aufrechnung als
Institut des öffentlichen Rechts: BSGE 75, 283; 63, 224). Voraussetzung dieses
einseitigen Rechtsgeschäfts, mit dem ohne weitere sozialrechtliche Ermächtigungsnorm
(BSGE 75, 283) gemäß § 389 BGB die wechselseitige Tilgung zweier Forderungen zum
Zeitpunkt des Eintritts der Aufrechungslage bewirkt wird, ist gemäß § 387 BGB, dass sich
zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung gegenseitige, gleichartige und fällige bzw.
erfüllbare Forderungen gegenüberstehen. Dies ist hier der Fall. Zum Zeitpunkt der
Aufrechnungserklärung der Beklagten im Juni 2002 standen sich ihre o.g. fällige
Erstattungsforderung und die in der o.g. „Sammel-Ausgabeanordnung“ aufgelisteten,
erfüllbaren Vergütungsansprüche der Klägerin als gleichartige Forderungen gegenüber.
b) Der Aufrechnung seitens der Beklagten steht die von ihr mit Erfüllungswirkung (§ 366
BGB) vorgenommene Zahlung nicht entgegen. Denn der Krankenkasse bleiben etwaige
Einwendungen gegen Grund und Höhe der geltend gemachten Behandlungskosten trotz
der Zahlung erhalten; die Rückforderung und die Möglichkeit späterer Aufrechnung
gegen unbestrittene Forderungen des Krankenhauses aus anderen Behandlungsfällen
werden durch die Zahlung nicht ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 20. November 2008,
Az.: B 3 KN 4/08 KR R, veröffentlicht unter www.bundessozialgericht.de, m.w.N.).
c) Die Beklagte hat die Aufrechnung auch wirksam gegenüber der Klägerin (§ 388 BGB)
erklärt. In der mündlichen Verhandlung vom 4. Juni 2009 hat die Beklagte zudem
klargestellt, dass sie gegen alle der genannten Forderungen anteilig aufrechne.
IV.
Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des
Rechtsstreites.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht
vorliegen.
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