Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 16.01.2009

LSG Berlin und Brandenburg: zusicherung, wohnung, angemessenheit der kosten, erlass, heizung, vermietung, behinderung, feststellungsklage, hauptsache, leistungsklage

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 16.01.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 107 AS 27302/08 ER
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 5 B 2097/08 AS ER
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. September 2008 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Die Beteiligten stritten ursprünglich über die Verpflichtung des Antragsgegners, eine Zusicherung zur Übernahme
der Aufwendungen für eine neu anzumietende Wohnung (W in B) zu erteilen. Die seit dem 01. Januar 2005 im
Leistungsbezug bei dem Antragsgegner stehenden Antragsteller leben derzeit in einer 78,61 m² großen, im 2. OG
gelegenen 3 Raum-Wohnung, für die insgesamt monatlich 731,35 EUR (Bruttowarmmiete) zu zahlen sind. Die
Antragstellerin zu 1.) ist die Mutter der Antragsteller zu 2.) – 4.); ihr wurde durch das Landesamt für Gesundheit und
Soziales – Versorgungsamt – mit Bescheid vom 05. August 2008 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 zuerkannt.
Aufgrund gesundheitlicher Beschwerden ist die Antragstellerin zu 1.) auf einen sog. Rollator angewiesen und hat
erhebliche Probleme beim Treppensteigen. Wegen dieser gesundheitlichen Beschwerden hatte sie bereits in der
Vergangenheit anderen, barrierefreien Wohnraum gesucht und um Zusicherung zuletzt für die Aufwendungen einer im
5. OG gelegenen, 79,38 m² großen Wohnung in der W in B mit einer monatlichen Bruttowarmmiete in Höhe von
680,12 EUR gebeten. Dies lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 14.04.2008 ab. In einem deswegen zwischen
den Beteiligten geführten – inzwischen erledigten - einstweiligen Rechtsschutzverfahren erkannte der Antragsgegner
zwischenzeitlich, nachdem die Antragsteller das dortigen Verfahren wegen anderweitiger Vermietung der Wohnung in
der Hauptsache für erledigt erklärt hatten, die Feststellung der Erforderlichkeit eines Umzugs (Hilfsantrag zu 2.)) an.
Als dieselbe Wohnung erneut zur Vermietung angeboten wurde, suchte die Antragstellerin zu 1.) nochmals um eine
Zusicherung zur Übernahme der Kosten dieser Wohnung im Rahmen des noch laufenden Widerspruchverfahrens
nach. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2008 wies der Antragsgegner den Widerspruch als unbegründet
zurück, weil die Kosten dieser Wohnung unangemessen seien und daher die Zusicherung nicht erteilt werden könne.
Am 08. September 2008 haben die Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht, und beantragt, den
Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Abgabe einer Zusicherung für die Tragung der Aufwendungen
der Wohnung in der W in B zu verpflichten. Das Sozialgericht Berlin hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung mit Beschluss vom 16. September 2008 zurückgewiesen, weil die Aufwendungen für die neue Wohnung
unangemessen hoch seien und daher eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Zusicherung gemäß § 22 Abs. 1
Satz 1 SGB II nicht bestehe. Hiergegen richtet sich die am 22.Oktober 2008 erhobene Beschwerde der Antragsteller.
Sie tragen vor, dass die Wohnung in der Zwischenzeit wieder anderweitig vermietet worden sei. Die gleichwohl weiter
bestehende Unklarheit hinsichtlich der Höhe der als angemessen anzusehenden Kosten der Unterkunft und Heizung
begründe auch zukünftig die Gefahr, dass der Antragsgegner Anträge auf Zusicherung zu konkreten
Wohnungsangeboten ablehne. Dadurch würde sich die derzeit ungesunde Wohnsituation auf unbestimmte Zeit
hinauszögern und weitere Rechtsstreitigkeiten und einstweilige Rechtsschutzverfahren nach sich ziehen. Zur
Vermeidung weiterer Verfahren sei eine sog. Elementenfeststellungsklage zulässig, mit der festgestellt würde, wie
hoch die angemessenen Kosten einer neuen Unterkunft sein dürften. Die Antragsteller beantragen: Der Beschluss
vom 16.09.2008 des Sozialgerichts Berlin mit dem Aktenzeichen S 107 AS 27302/08 ER wird aufgehoben. Es wird
festgestellt, dass die Antragsteller und Beschwerdeführer einen Anspruch auf den Erlass einer Zusicherung für eine
der Behinderung der Antragstellerin und Beschwerdeführerin zu1.) entsprechenden Unterkunft nach § 4 Abs. 1 Satz 1
AV-Wohnen, hilfsweise für eine Unterkunft mit einer maximalen Bruttowarmmiete inklusive der Kosten für
Warmwasser in Höhe von 747,28 EUR, gegenüber der Antrags- und Beschwerdegegnerin haben. Der Antragsgegner
beantragt, die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16.09.2008
zurückzuweisen. Die Beschwerde sei bereits unzulässig. Wegen der erfolgten anderweitigen Vermietung könnten die
Antragsteller mit der begehrten Feststellung auch nichts erreichen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und
Streitstandes sowie wegen des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners (Kd.-Nr.: ), die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren,
Bezug genommen.
II. Die Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann
das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges
das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das
ursprüngliche Rechtsschutzbegehren der Antragsteller, die Antragsgegnerin zur Zusicherung der Übernahme der
Kosten für die Wohnung in der W in B zu verpflichten, hat sich durch die anderweitige Vermietung der Wohnung
erledigt. Die Prüfung, ob ein Anspruch auf eine Zusicherung nach § 22 Abs. 2 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch
(SGB II) besteht, kann immer nur für eine konkrete Wohnung erfolgen. Ansonsten besteht – mangels Konkretisierung
des Antrages auf Zusicherung der Übernahme der Kosten für eine bestimmte Wohnung - kein Rechtsschutzbedürfnis
für eine Verpflichtung zur Erteilung einer Zusicherung. Denn deren Erteilung setzt neben der Erforderlichkeit des
Umzuges gerade voraus, dass die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Dies aber kann nur
beurteilt werden, wenn die neue Unterkunft konkret bezeichnet ist. Dieser Situation haben die Antragsteller Rechnung
tragen wollen, indem sie jetzt die Feststellung begehren, dass die Antragsteller einen Anspruch auf den Erlass einer
Zusicherung für eine der Behinderung der Antragstellerin zu 1) entsprechende Unterkunft nach Nr. 4 Abs. 1 Satz 1
AV-Wohnen, hilfsweise für eine Unterkunft mit einer maximalen Bruttowarmmiete inklusive der Kosten für
Warmwasser in Höhe von 747,28 EUR haben. Darin liegt nur eine Beschränkung ihres Begehrens nach § 86 b Abs. 1
Nr. 2 SGG, mithin keine Antragsänderung im Rechtssinne. Denn es handelt sich um eine Einschränkung des
ursprünglichen Klageantrags in der Hauptsache ohne Änderung des Klagegrundes, die gemäß §§ 153 Abs. 1, 99 Abs.
3 Nr. 2 SGG nicht als Klageänderung gilt. Dies macht die geänderte Antragsfassung allerdings noch nicht ohne
weiteres zulässig. Unabhängig vom Ziel des Antrags müssen die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen
grundsätzlich vorliegen. Dies ist hier nicht der Fall. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch in der
nunmehr geänderten Fassung als Feststellungsantrag bereits unzulässig. Dem von den Antragstellern formulierten
Antrag entspräche in der Hauptsache eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Mit ihr kann die
Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Voraussetzung ist
allerdings, dass das Begehren nicht mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgt werden kann (Subsidiarität
der Feststellungsklage, ständige Rechtsprechung: BSG, Urteil vom 27. Januar 1977 – 12/8 REh 1/75 - BSGE 43, 150;
Urteil vom 16. März 1978 – 11 RK 9/77 - BSGE 46,81; Urteil vom 09. Oktober 1984 – 12 RK 18/83 – BSGE 57, 184;
Urteil vom 22. Mai 1985 – 12 RK 30/84 - BSGE 58, 153; Urteil vom 05. Oktober 2006 – B 10 LW 4/05 R – NZS
2007,504; Urteil vom 29.01.2008 – B 7/7a AL 6/06 R – SozR 4-4100 § 128 Nr. 8). Bereits daran fehlt es hier, denn die
begehrte Feststellung allein bringt die Antragstellerin ihrem eigentlichen Ziel, ihre Wohnsituation zu verändern, nicht
wesentlich näher. Ihr Begehren ist auf die Erteilung einer Zusicherung im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II
gerichtet. Daraus, dass die richtige Klageart dementsprechend die Verpflichtungsklage wäre, folgt die Unzulässigkeit
einer Feststellungsklage. Für den Feststellungsantrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gilt nichts anderes,
zumal auch nicht erkennbar ist, dass es für die Feststellung eines Anspruchs einen Anordnungsgrund geben könnte.
Im Übrigen ist die Zusicherung (anders als die Zusicherung, die nach § 22 Abs. 2 a SGB II eingeholt werden muss)
keine Voraussetzung für einen Anspruch auf die Übernahme höherer Kosten der Unterkunft und Heizung. Sie hat
lediglich den Zweck, über die Angemessenheit der Unterkunftskosten vor deren Entstehung eine Entscheidung
herbeizuführen und so für den Hilfebedürftigen das Entstehen einer erneuten Notlage infolge der nur teilweisen
Übernahme von Kosten zu vermeiden (vgl. Kalhorn in Hauck/Noftz § 22 SGB II Rn. 43; Lang in Eicher/Spellbrink SGB
II § 22 Rn. 65ff; Berlit in LPK-SGB II 2. Auflage 2007 § 22 Rn. 71). Eine weitergehende Bedeutung kommt ihr damit
nicht zu (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.11.2007 – L 28 B 1101/07 AS PKH -). Sie hat nur
Bedeutung z. B. für die Übernahme von Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten, auf die die Antragsteller jedoch
ausdrücklich verzichtet haben (vgl. Antragsschriftsatz an das Sozialgericht Berlin vom 08.09.2008, Seite 5).
Der nunmehr geänderte Antrag läuft damit im Ergebnis auf die Erstattung eines Rechtsgutachtens zur Höhe der
maximal als angemessen anzusehenden Kosten der Unterkunft und Heizung der Antragsteller hinaus; hierzu sind die
Gerichte allerdings nicht berufen. Zudem verkennen die Antragsteller, dass die Angemessenheit der Kosten der
Unterkunft und Heizung nicht abstrakt, sondern einzelfallbezogen zu beurteilen ist (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 –
B 7b AS 18/06 R – BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 = SGb 2007, 543). Soweit der Senat in dem von den
Antragstellern zitierten Beschluss vom 15. Dezember 2006 (L 5 B 1147/06 AS ER) Ausführungen zur
ausnahmsweisen Zulässigkeit einer Elementenfeststellungsklage gemacht hatte, hat er diese in ihrer Allgemeinheit
nicht aufrechterhalten (Beschluss vom 25.06.2008 – L 5 B 1156/08 AS ER -). Im Übrigen lägen die Voraussetzungen
hier ohnehin nicht vor. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich von dem der damaligen Entscheidung zugrunde
liegenden dadurch, dass hier zwischen den Beteiligten die Frage der Erforderlichkeit eines Umzuges unstreitig ist.
Schließlich hat der Antragsgegner im einstweiligen Rechtschutzverfahren vor der 103. Kammer des Sozialgerichts
Berlin (S 103 17155/08 ER) die Erforderlichkeit eines Umzugs in eine behindertengerechte Wohnung anerkannt. Nach
alledem war die Beschwerde zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung der
§§ 183,193 SGG und orientiert sich am Ausgang des Beschwerdeverfahrens. Dieser Beschluss kann nicht mit der
Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).