Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 20.07.2006

LSG Berlin-Brandenburg: verwaltungsakt, rechtswidrigkeit, rechtsschutz, obliegenheit, link, quelle, rechtsgrundlage, sammlung, behörde, beschwerdeschrift

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
18. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 18 B 813/06 AS ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG, § 86
Abs 1 S 1 SGG, § 174 SGG, § 77
SGG
Anordnung aufschiebender Wirkung bei bestandskräftigem
Verwaltungsakt; einstweiliger Rechtsschutz bei
bestandskräftigem Verwaltungsakt
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus
vom 20. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die – entgegen der Ankündigung in der Beschwerdeschrift bis zum 25. September 2006
nicht begründete - Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie bei verständiger
Würdigung ihres Begehrens (vgl. § 123 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) den erstinstanzlich
geltend gemachten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres
Widerspruches bzw. ihrer Klage gegen den Versagungsbescheid der Beklagten vom 27.
April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. August 2006 gemäß § 86b
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG weiter verfolgt, ist nicht begründet. Dabei stand einer
Entscheidung des Senats nicht entgegen, dass das Sozialgericht (SG), bei dem die
Beschwerde eingelegt worden ist, eine Entscheidung nach § 174 SGG nicht getroffen hat.
Denn der Beschwerde kann schon deshalb unter keinem denkbaren Gesichtspunkt
abgeholfen werden, weil der Versagungsbescheid vom 27. April 2006 ungeachtet seiner
objektiven Rechtswidrigkeit in Bestandskraft erwachsen und damit für die Beteiligten und
das Gericht bindend (vgl. § 77 SGG) ist. Die Nachholung der Entscheidung nach § 174
SGG wäre bei dieser Rechtslage ein bloßer Formalismus (vgl. hierzu: LSG für das Land
Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. März 2002 – L 10 B 29/01 SB – veröffentlicht in
juris).
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist nicht statthaft; denn der
Versagungsbescheid vom 27. April 2006, der dem Bevollmächtigten der Antragstellerin
ausweislich des vorliegenden Empfangsbekenntnisses am 28. April 2006 bekannt
gegeben worden ist, ist bestandskräftig (vgl. zum einstweiligen Rechtsschutz gegen
bestandskräftige Bescheide: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. Juni 2004 – 6 S
30/04 = DÖV 2004, 844; BFH, Beschluss vom 1. Oktober 1981 – IV B 13/81 = NVwZ
1982, 216). Der am 30. Mai 2006 (Dienstag) eingelegte Widerspruch der Antragstellerin
wurde nicht innerhalb der Monatsfrist des § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG erhoben und ist daher
von der Antragsgegnerin mangels ersichtlicher Gründe für eine Wiedereinsetzung
zutreffend als unzulässig verworfen worden.
Die objektive Rechtswidrigkeit des Versagungsbescheides vom 27. April 2006 lässt
dessen Bestandskraft unberührt. Richtigerweise hätte die Antragsgegnerin nämlich die
den B. G. (im Folgenden: G.) betreffenden Auskünfte gemäß § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1
Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) unmittelbar von G.
einholen müssen. Die Auskunftspflichten des § 60 Abs. 1 bis 4 SGB II sind, anders als die
Mitwirkungspflichten des Hilfebedürftigen, die (nur) Obliegenheiten darstellen, als
öffentlich-rechtliche Leistungspflicht des Dritten ausgestattet (vgl. Beschluss des Senats
vom 28. August 2006 – L 18 B 532/06 AS PKH – mit weiteren Nachweisen). Bei Bestehen
einer Partnerschaft ist die Antragsgegnerin berechtigt, die gesetzliche Auskunftspflicht
des G. durch Verwaltungsakt zu konkretisieren und gegebenenfalls mit den Mitteln der
Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen. Die Behörde kann den Partner als Zeugen
vernehmen (§§ 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II, 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch –
Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X -) und gegebenenfalls nach
§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB X das zuständige SG um dessen Vernehmung ersuchen. Bei
unterbliebener oder pflichtwidriger Erfüllung dieser Auskunftspflichten stehen dem
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unterbliebener oder pflichtwidriger Erfüllung dieser Auskunftspflichten stehen dem
Leistungsträger ferner die Rechte nach den §§ 62 und 63 SGB II (Schadenersatz,
Geldbuße bis zu 2.000,- €) zu. Eine Rechtsgrundlage dafür, Auskünfte zum Einkommen
und Vermögen des G. im Wege einer gesetzlichen Leistungspflicht unmittelbar von der
Antragstellerin zu verlangen, besteht hingegen nicht. Die hiervon zu unterscheidende
Obliegenheit im Sinne von § 60 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I)
kann sich von vornherein nur auf Tatsachen aus der Rechtssphäre der – nur insoweit –
mitwirkungspflichtigen Antragstellerin beziehen.
Im Hinblick auf die Bestandskraft des Versagungsbescheides vom 27. April 2006 bleibt
es der Antragstellerin unbenommen, bei der Antragsgegnerin einen Überprüfungsantrag
nach § 44 SGB X zu stellen. Einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung
von Widerspruch und Klage steht jedoch die Bestandskraft dieses Bescheides entgegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht
angefochten werden (§ 177 SGG).
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