Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 08.03.2011
LSG Berlin-Brandenburg: vergütung, quelle, rückgriff, link, anwendungsbereich, sammlung, zivilprozessordnung, vorrang, vertreter, zustellung
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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
10. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 10 SF 186/10 BE
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 178 SGG, § 56 Abs 2 S 1 RVG,
§ 33 Abs 3 RVG
Sozialgerichtliches Verfahren, Vergütungsfestsetzung für den
Prozesskostenhilfeanwalt, Unstatthaftigkeit der Beschwerde
gegen Erinnerungsentscheidung des Sozialgerichts in
Vergütungsfestsetzungsverfahren, Vorrang des § 178 SGG
gegenüber den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 24. Juni
2010 wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Der beschwerdeführende Rechtsanwalt (im Folgenden Beschwerdeführer) begehrt die
Heraufsetzung seiner Vergütung, die ihm im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) als
dem Antragsteller des Ausgangsverfahrens (Sozialgericht Berlin S 66 As 2923/10
ER) beigeordneten Prozessbevollmächtigten von dem Bezirksrevisor als Vertreter der
Landeskasse (im Folgenden Beschwerdegegner) zu zahlen ist.
Das SG Berlin hat mit dem im Tenor bezeichneten Beschluss, der die Belehrung enthielt,
gemäß § 178 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei die Beschwerde hiergegen nicht statthaft,
die Erinnerung des Beschwerdeführers gegen den nach § 55
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) erlassenen Beschluss des Urkundsbeamten der
Geschäftsstelle vom 24. Juni 2010 zurückgewiesen, mit dem es abgelehnt worden war,
eine weitere Vergütung von 238,00 EUR festzusetzen.
Der Beschwerdeführer hält die Beschwerde wegen der Regelungen in §§ 56 Abs 2 Satz 1,
33 Abs 3 RVG für statthaft; hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird
auf seinen Schriftsatz vom 29. Juli 2010 Bezug genommen.
Demgegenüber verneint der Beschwerdegegner die Statthaftigkeit der Beschwerde
unter Hinweis auf zahlreiche obergerichtliche Entscheidungen, ua des
Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg.
II.
Die Beschwerde ist unstatthaft; sie war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 202 SGG
iVm § 572 Abs 2 Satz 2 Zivilprozessordnung ). Denn in Festsetzungssachen
hinsichtlich der dem im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse
zu zahlenden Vergütung ist eine Beschwerdemöglichkeit gegen die
Erinnerungsentscheidung des SG von Gesetzes wegen ausgeschlossen (§ 178 Satz 1
SGG). Diese Norm bestimmt, dass auf Erinnerung ergangene Beschlüsse des SG
endgültig sind.
Der Beschwerdeausschluss gilt trotz der Regelungen in §§ 56 Abs 2 Satz 1, 33 Abs 3
RVG. Zwar können danach Beschlüsse, die auf Erinnerungen gegen
Kostenfestsetzungen der Urkundsbeamten ergangen sind, innerhalb von zwei Wochen
nach Zustellung der Entscheidung mit der Beschwerde angefochten werden, wenn der
Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt oder das Gericht, das die
angefochtene Entscheidung erlassen hat, das Rechtsmittel wegen grundsätzlicher
Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat. Die genannten
Vorschriften sind im sozialgerichtlichen Verfahren jedoch nicht anwendbar. Der Senat
gibt seine bisherige, allerdings noch für den zeitlichen Anwendungsbereich der
Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung formulierte gegenteilige Auffassung auf
(Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2005 – L 6 B 31/03 AL, juris RdNr 10) und schließt
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(Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2005 – L 6 B 31/03 AL, juris RdNr 10) und schließt
sich der – soweit ersichtlich – unter der Geltung des RVG nunmehr einhelligen
Auffassung der Senate des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg an (vgl nur
LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Februar 2009 – L 15 SF 9/09 B, juris RdNr 8ff
mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung; vgl auch Leitherer in Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, RdNr 3aE zu § 178; Böttiger in
Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, RdNr 19 zu § 178 und Frehse in Jansen, SGG, 3. Aufl 2009,
RdNr 8 zu § 178 SGG, jeweils mwN). Die genannten Vorschriften des RVG stellen keine
Spezialvorschriften für die Rechtsbehelfe gegen Festsetzungssachen der vorliegenden
Art dar, sondern werden durch die speziellere Regelung in § 178 Satz 1 SGG – wie die
gesetzessystematische Auslegung unter Berücksichtigung der Gesetzesgeschichte zeigt
(vgl hierzu umfassend: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Februar 2009, aaO,
RdNr 10ff) - verdrängt. Ein Rückgriff auf die in Rede stehenden Vorschriften des RVG ist
nur in den Verfahrensordnungen denkbar, die die Beschwerdemöglichkeit nicht ihrerseits
ausgeschlossen haben (vgl Frehse, aaO).
Die damit fehlende Beschwerdemöglichkeit bedingt, dass in
Vergütungsfestsetzungssachen nach § 55 RVG keine landeseinheitliche
Vereinheitlichung durch obergerichtliche Rechtsprechung stattfindet. Dies ist als
Konsequenz der gesetzessystematischen Herleitung des Beschwerdeausschlusses
hinzunehmen. Einheitlichkeit wäre zudem nur gesichert, falls beim LSG (entgegen der
derzeitigen Sachlage bei LSG Berlin-Brandenburg) ein allein zuständiger Kostensenat
gebildet wird.
Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich, weil das Verfahren gebührenfrei ist und Kosten
nicht erstattet werden (§ 56 Abs 2 Satz 2 und 3 RVG).
Dieser Beschluss ist nicht mit einer Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar
(§ 177 SGG).
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