Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 18.04.2002
LSG Berlin-Brandenburg: anspruchsdauer, rahmenfrist, arbeitsamt, beitragspflichtige beschäftigung, arbeitslosigkeit, betrug, eugh, klinikum, firma, entstehung
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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
30. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 30 AL 112/02
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 106 Abs 1 S 2 AFG vom
27.06.1987, Art 12 Abs 1 S 1
EWGV 1408/71, Art 67 Abs 1
EWGV 1408/71, Art 67 Abs 3
EWGV 1408/71
Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes - Beschäftigungszeiten
und Arbeitslosengeldbezug in Frankreich - Kumulierungsverbot
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 18. April
2002 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das
Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anspruchsdauer von Arbeitslosengeld ab 01. Oktober
1994.
Der 1944 geborene, seit 1996 (wieder-)verheiratete Kläger ist von Beruf Architekt und
war vom 01. Mai 1976 bis zum 30. April 1990 bei dem Klinikum der R-W T Hochschule
(RWTH) in A beschäftigt. In der Zeit vom 01. Mai 1990 bis zum 31. März 1991 war er u. a.
als Geschäftsführer bei einem Unternehmen in F (T C). Anschließend war er arbeitslos
und bezog vom 16. April 1991 bis zum 31. März 1992 Leistungen aus der französischen
Arbeitslosenversicherung. Vom 01. April 1992 bis zum 30. September 1994 war er als
Architekt bei dem Architektenbüro H in M beschäftigt.
Der Kläger meldete sich am 26. August 1994 bei dem Arbeitsamt A arbeitslos und
beantragte Arbeitslosengeld ab 01. Oktober 1994. In die Lohnsteuerkarte des Klägers
war ab 01. Juli 1994 die Steuerklasse I mit 1,5 Kinderfreibeträgen eingetragen. In dem
Antragsformular erklärte er u. a., ausländische Sozialleistungen nicht zu beziehen. Das
Arbeitsamt A bewilligte dem Kläger durch Bescheid vom 26. Oktober 1994
Arbeitslosengeld ab 01. Oktober 1994 für 364 Wochentage (Bemessungsentgelt 1.650
DM wöchentlich; Leistungsgruppe A; erhöhter Leistungssatz; AFG-LeistungsVO 1994).
Nach den Zahlungsnachweisen Nr. 1 vom 02. Januar 1995 und Nr. 1 vom 02. Februar
1995 bezog der Kläger in dem Zeitraum vom 01. Oktober 1994 bis zum 31. Dezember
1995 Arbeitslosengeld in Höhe von 601,80 DM wöchentlich und vom 02. bis 07. Januar
1995 in Höhe von 577,80 DM wöchentlich. Am 07. Januar 1995 bestand ein Restanspruch
von 279 Wochentagen.
Vom 09. Januar 1995 bis zum 30. Juni 1996 war der Kläger als Abteilungsleiter Planung
der L Bauingenieur GmbH und Co. Hochbau KG in B beschäftigt. Am 20. Mai 1996
meldete er sich bei dem Arbeitsamt A arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld ab 01.
Juli 1996. In die Lohnsteuerkarte des Klägers für das Jahr 1996 war zu Beginn des Jahres
die Steuerklasse I ohne Kinderfreibetrag eingetragen.
Mit Alg-Bewilligungsverfügungen vom 29. Mai 1996, 10. und 13. Juni 1996
(Änderungsbescheid vom 12. Juni 1996) bewilligte das Arbeitsamt A dem Kläger
Arbeitslosengeld für 487 Wochentage ab 01. Juli 1996 (Bemessungsentgelt 1.590 DM
wöchentlich; Leistungsgruppe A; Leistungssatz 67 v. H.; AFG-LeistungsVO 1996;
Zahlungsnachweis Nr. 3 vom 07. Februar 1997).
Mit Veränderungsmitteilung vom 23. Juni 1997 zeigte der Kläger dem Arbeitsamt A
seinen Wohnsitzwechsel zum 01. Juli 1997 nach G/B an; bereits am 27. Juni 1997
meldete er sich beim Arbeitsamt P arbeitslos.
Der Kläger bezog Arbeitslosengeld vom 01. Juli 1996 bis zum 15. November 1997; an
diesem Tage betrug der Restleistungsanspruch 55 Wochentage (Zahlungsnachweis Nr. 3
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diesem Tage betrug der Restleistungsanspruch 55 Wochentage (Zahlungsnachweis Nr. 3
vom 17. November 1997).
In der Zeit vom 17. November 1997 bis zum 10. Juli 1998 befand der Kläger sich in einer
beruflichen Bildungsmaßnahme, für die er Unterhaltsgeld bezog. In der Zeit vom 11. Juli
1998 bis zum 04. August 1998 bezog der Kläger antragsgemäß Anschlussunterhaltsgeld
und vom 05. August 1998 bis zum 08. Oktober 1998 Arbeitslosengeld. Mit Ablauf des 08.
Oktober 1998 war sein Anspruch auf Arbeitslosengeld erschöpft. Ab 09. Oktober 1998
bezog der Kläger (Anschluss-) Arbeitslosenhilfe.
Bereits mit Schreiben vom 27. März 1998 (Eingang bei dem Arbeitsamt P - Dienststelle
Z - lt. Eingangsstempel am 31. März 1997 - richtig wohl: 31. März 1998) beantragte der
Kläger die Überprüfung der Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes. Mit Schreiben vom
14. April 1998 teilte das Arbeitsamt P dem Kläger mit, seine Restanspruchsdauer auf
Arbeitslosengeld betrage 55 Tage.
Am 29. Juli 1998 und 06. August 1998 beantragte er (erneut) die Überprüfung der
Anspruchsdauer seines Arbeitslosengeldes ab 1994. Durch Bescheid - ohne Datum - (lt.
Kläger: 17. August 1998) teilte das Arbeitsamt P dem Kläger mit, die bewilligte
Anspruchsdauer sei korrekt. Aufgrund einer Beschäftigungszeit vom 01. April 1992 bis
zum 30. September 1994 bei dem Architekturbüro H sei ein Grundanspruch von 364
Werktagen ab 01. Oktober 1994 durch das Arbeitsamt A bewilligt worden. Der Kläger
habe keine weiteren Beschäftigungszeiten nachgewiesen, weshalb die Bewilligung nicht
zu beanstanden sei (913 Kalendertage beitragspflichtige Beschäftigung = 364 Werktage
Anspruch auf Arbeitslosengeld).
Der Kläger legte hiergegen am 04. September 1998 Widerspruch unter Hinweis auf seine
Beschäftigungsverhältnisse vom 01. Mai 1976 bis zum 30. September 1994 ein und
übersandte mit einem weiteren Schriftsatz vom 22. September 1998 u. a.
Verdienstbescheinigungen für die Zeit seiner Tätigkeit in F bei der Firma T C von
November 1990 bis März 1991 und weitere Unterlagen. Mit einem weiteren Schriftsatz
(Eingang bei der Beklagten am 29. Januar 1999) legte der Kläger u. a. im Einzelnen seine
Beschäftigungs- und Arbeitslosigkeitszeiten dar und macht einen Restanspruch auf
Arbeitslosengeld von 246 Wochentagen ab 09. Oktober 1998 geltend.
Durch Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 1999 wurde der Widerspruch des Klägers
zurückgewiesen. Er habe innerhalb der Rahmenfrist vom 01. April 1992 bis 30.
September 1994 insgesamt 913 Tage in einer die Beitragspflicht begründenden
Beschäftigung gestanden und somit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer
von 364 Tagen erworben. Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld sei vom
Arbeitsamt A korrekt festgesetzt worden. Wegen der Einzelheiten des
Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 1999 wird auf Blatt 93 bis 97 der
Leistungsakten der Beklagten verwiesen.
Der Kläger hat am 15. März 1999 Klage vor dem Sozialgericht Potsdam erhoben, mit der
er sein Begehren weiter verfolgt hat.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Potsdam am 18. April 2002 hat
sich die Beklagte im Wege eines Teilanerkenntnisses dahingehend verpflichtet, dem
Kläger ab 01. Oktober 1994 Arbeitslosengeld für eine Anspruchsdauer von 375 Tagen
und ab 09. Oktober 1998 für noch 13 Tage Arbeitslosengeld zu gewähren.
Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen und sodann beantragt,
den Bescheid vom 17. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.
Februar 1999 in der Gestalt des Anerkenntnisses vom 18. April 2002 aufzuheben und die
Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 26. Oktober 1994 in der Gestalt des
Anerkenntnisses vom 18. April 2002 abzuändern und ihm ab 01. Oktober 1994
Arbeitslosengeld für die Dauer von 635 Tagen zu gewähren und ihm ab 22. Oktober 1998
Arbeitslosengeld für noch 207 Tage zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf den Widerspruchsbescheid verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass
entgegen der Auffassung des Klägers ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer
von 572 Tagen nach Beendigung der Beschäftigung beim Klinikum der RWTH zum 30.
April 1990 nicht entstanden sei, da die Voraussetzungen des seinerzeit geltenden § 106
AFG nicht erfüllt gewesen seien. Der Kläger habe in Deutschland einen Anspruch auf
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AFG nicht erfüllt gewesen seien. Der Kläger habe in Deutschland einen Anspruch auf
Arbeitslosengeld erstmals ab 01. Oktober 1994 erworben. Zu berücksichtigen sei hierbei
jedoch, dass der Kläger bereits in F einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 01. April
1991 erworben gehabt habe. Diese Zeit des Leistungsbezugs sei auf die deutsche
Anspruchsdauer anzurechnen. Nach Art. 12 der EWG-VO 1408/71 bestünde aber ein
Kumulationsverbot, wonach Beschäftigungszeiten, die bereits bei einer Leistung in
einem anderen Land berücksichtigt worden seien, nicht nochmals heranzuziehen seien.
Aus dem Arbeitslosengeldbezug in F bis 31. März 1992 habe der Kläger keinen
Mitnahmeanspruch nach Art. 69 der EWG-VO 1408/71. Dies ergebe sich aus der
Bescheinigung vom 25. August 2002 (E 301), wozu im Einzelnen auf Bl. 84 bis 86 der
Gerichtsakten verwiesen wird. Der Mitnahmeanspruch sei durch die Arbeitsaufnahme
des Klägers ab 01. April 1992 erloschen.
Das Sozialgericht Potsdam hat durch Urteil vom 18. April 2002 die Klage abgewiesen
und zur Begründung u. a. ausgeführt, über das Teilanerkenntnis hinaus habe der Kläger
keinen weiteren (Rest-)Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Rahmenfrist nach § 106 Abs.
1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) umfasse den Zeitraum vom 01. Oktober 1987
bis zum 30. September 1997. In dieser Zeit habe der Kläger ausgehend von seinen
Beschäftigungen und seinem Lebensalter zum Zeitpunkt der Arbeitslosigkeit am 01.
Oktober 1994 (50 Jahre) einen Höchstanspruch von 676 Tagen gehabt. Hiervon seien
301 Tage (01. April 1991 bis 16. April 1992) abzuziehen gewesen, weil er in Frankreich in
dieser Zeit Arbeitslosengeld bezogen habe. Somit habe er ab 01. Oktober 1994 einen
Restanspruch von noch 375 Tagen gehabt. Diese Rechtsfolge ergebe sich aus Art. 12
Abs. 1 Satz 1 der EWG-VO 1408/71. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach
französischem Recht und der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach deutschem Recht (des
AFG) seien Ansprüche gleicher Art.
Gegen das dem Kläger am 29. Mai 2002 zugestellte Urteil hat er am 28. Juni 2002
Berufung eingelegt und für 635 Wochentage Arbeitslosengeld ab 01. Oktober 1994
geltend gemacht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 18. April 2002 und den Bescheid der
Beklagten vom 17. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.
Februar 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bewilligungsbescheid
des Arbeitsamtes A vom 26. Oktober 1994 und den Änderungsbescheid des
Arbeitsamtes A vom 12. Juni 1996 in der Gestalt des Teilanerkenntnisses vom 18. April
2002 teilweise zurückzunehmen und ihm Arbeitslosengeld ab 1. Oktober 1994 für 635
Tage unter Verrechnung der von der Beklagten bezogenen Leistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt im Wesentlichen Bezug auf ihre Verwaltungsentscheidungen und das
erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die
Gerichtsakten, die Leistungsakten der Beklagten ebenso verwiesen wie auf die weiteren
Gerichtsakten des Sozialgerichts Potsdam (S 15 AL 329/00 ER und S 15 AL 95/01). Die
Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Potsdam hat die zulässige
Klage - unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses der Beklagten - im Ergebnis zu
Recht abgewiesen. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen der Beklagten sind in
diesem Umfang nicht zu beanstanden und insoweit rechtmäßig. Der Kläger hat keinen
Anspruch auf Arbeitslosengeld mit einer Anspruchsdauer von mehr als 375
Wochentagen ab 01. Oktober 1994. In diesem Umfang ist dem Kläger auch
Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses gewährt worden.
Rechtsgrundlage für das Klagebegehren ist § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch 10.
Buch (SGB X). Hiernach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar
geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im
Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt
oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und
soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die Beklagte ist
bei der Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 1. Oktober 1994 unter Berücksichtigung des
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bei der Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 1. Oktober 1994 unter Berücksichtigung des
Teilanerkenntnisses im Ergebnis weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen
noch hat sie das Recht unrichtig angewandt.
Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld richtet sich gemäß § 106 AFG in der hier
maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Verlängerung des Versicherungsschutzes bei
Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit vom 27. Juni 1987 (BGBl. I S. 1542) nach der Dauer der
die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung innerhalb der Rahmenfrist. Gemäß §
104 Abs. 2 AFG geht die Rahmenfrist dem ersten Tage der Arbeitslosigkeit unmittelbar
voraus, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld
erfüllt sind oder nach § 105 AFG als erfüllt gelten. Sie beträgt drei Jahre und reicht nicht
in eine vorausgegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine
Anwartschaftszeit erfüllt hatte (§ 104 Abs. 3 AFG). Hiernach umfasste die Rahmenfrist
für den Anspruch des Klägers ab 01. Oktober 1994 die Zeit vom 01. Oktober 1991 bis
zum 30. September 1994.
Die Anwartschaftszeit hat gemäß § 104 Abs. 1 AFG erfüllt, wer in der Rahmenfrist 360
Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG)
gestanden hat. Durch die Arbeitslosmeldung und Antragstellung des Klägers am 26.
August 1994 zum 01. Oktober 1994 war daher eine Anwartschaft auf das
Arbeitslosengeld entstanden, denn der Kläger stand in der Zeit vom 01. April 1992 bis
zum 30. September 1994 in einer Beschäftigung bei dem Architektenbüro H in M. Auch
die übrigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 01. Oktober
1994 waren erfüllt. Der Kläger stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung und war
arbeitslos im Sinne des § 101 Abs. 1 Satz 1 AFG.
Die Dauer des Arbeitslosengeldanspruchs regelt § 106 AFG.
§ 106 Abs. 1 AFG lautet: Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld beträgt 156
Tage. Die Anspruchsdauer verlängert sich nach Maßgabe der Dauer der die
Beitragspflicht begründenden Beschäftigung innerhalb der auf sieben Jahre erweiterten
Rahmenfrist und des Lebensjahres, das der Arbeitslose bei Entstehung des Anspruchs
vollendet hat. Sie beträgt
§ 106 Abs. 2 AFG lautet: Hat der Arbeitslose die Anwartschaftszeit durch
Beschäftigungszeiten von weniger als dreihundertsechzig Kalendertagen erfüllt (§ 104
Abs. 1 Satz 4 AFG), so begründen Beschäftigungszeiten innerhalb der Rahmenfrist von
insgesamt mindestens
1. hundertachtzig Kalendertagen eine Anspruchsdauer von 78 Tagen und
2. zweihundertvierzig Kalendertagen eine Anspruchsdauer von 104 Tagen.
§ 106 Abs. 3 AFG bestimmt: § 104 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 und Abs. 3 AFG gilt
entsprechend. Die Dauer des Anspruchs verlängert sich um die Dauer des nach § 125
Abs. 1 AFG erloschenen Anspruchs auf Arbeitslosengeld, wenn nach der Entstehung des
erloschenen Anspruchs noch nicht sieben Jahre verstrichen sind; sie verlängert sich
längstens bis zu der dem Lebensalter des Arbeitslosen zugeordneten Höchstdauer.
Der Kläger hatte danach ab 01. Oktober 1994 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mit
einer Anspruchsdauer von mehr als 375 Wochentagen.
Der Kläger hatte gemäß § 106 Abs. 1 Satz 2 AFG in der auf 7 Jahre erweiterten
Rahmenfrist vom 01. Oktober 1987 bis zum 30. September 1994 Beschäftigungszeiten
im Geltungsbereich des AFG bei dem Klinikum des RWTH in A vom 01. Oktober 1987 bis
zum 30. April 1990 und als Architekt bei der Firma H in M vom 01. April 1992 bis zum 30.
September 1994 zurückgelegt. In die vorgenannte Rahmenfrist fällt auch die
Beschäftigung des Klägers als Geschäftsführer eines Unternehmens (T C) in F vom 01.
Mai 1990 bis zum 31. März 1991. Sie ist nach Art. 67 der EWG-VO 1408/71 zu
berücksichtigen.
Nach Art. 67 Abs. 1 der EWG-VO 1408/71 berücksichtigt der zuständige Träger eines
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Nach Art. 67 Abs. 1 der EWG-VO 1408/71 berücksichtigt der zuständige Träger eines
Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften der Erwerb, die Aufrechterhaltung oder
das Wiederaufleben des Leistungsanspruchs von der Zurücklegung von
Versicherungszeiten abhängig ist, soweit erforderlich, die Versicherungs- und
Beschäftigungszeiten, die als Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften eines anderen
Mitgliedstaats zurückgelegt wurden, als handelte es sich um Versicherungszeiten, die
nach den eigenen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind; für
Beschäftigungszeiten gilt dies jedoch unter der Voraussetzung, dass sie als
Versicherungszeiten gegolten hätten, wenn sie nach den eigenen Rechtsvorschriften
zurückgelegt worden wären.
Gemäß Art. 67 Abs. 3 der EWG-VO 1408/71 gelten die Absätze 1 und 2 außer in den in
Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe a) Ziffer ii) und Buchstabe b) Ziffer ii) genannten Fällen
nur unter der Voraussetzung, dass die betreffende Person unmittelbar zuvor
im Falle des Absatzes 1 Versicherungszeiten,
im Falle des Absatzes 2 Beschäftigungszeiten nach Rechtsvorschriften zurückgelegt hat,
nach denen die Leistung beantragt werden.
Zwar haben die Voraussetzungen von Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe a) Ziffer ii) und
Buchstabe b) Ziffer ii) der EWG-VO 1408/71 nicht vorgelegen.
Die in Frankreich verbrachte Beschäftigungszeit des Klägers (01. Mai 1990 bis 31. März
1991) ist vorliegend aber dennoch gemäß Art. 67 Abs. 1 und 3 EWG-VO 1408/71 zu
berücksichtigen, denn der Kläger hatte unmittelbar vor Eintritt seiner Arbeitslosigkeit in
Deutschland am 01. Oktober 1994 bis zum 30. September 1994 Versicherungszeiten in
Deutschland aufgrund seiner Tätigkeit als Architekt bei der Fa. H, d. h. nach dem AFG
zurückgelegt, nach dessen Regelungen er dann auch ab 01. Oktober 1994
Arbeitslosengeld beantragt hatte. Zuständig ist hiernach also der Staat, in welchem der
Arbeitslose seine letzte Beschäftigung vor Eintritt der Arbeitslosigkeit ausgeübt hatte,
hier also im Hinblick auf den Antrag auf Arbeitslosengeld für die Zeit ab 01. Oktober
1994 Deutschland. Art. 67 Abs. 3 EWG-VO 1408/71 begründet eine Alleinzuständigkeit
des zuständigen Staates, hier Deutschlands, das an den Arbeitslosen, hier den Kläger,
Leistungen unter Einbeziehung der in anderen Mitgliedsstaaten, hier F, zurückgelegten
Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten zu gewähren hat; (vgl. Eichenhofer, in Fuchs
(Hg), Europäisches Sozialrecht, Art. 67 Rz. 15 ff. unter Hinweis auf Art. 13 EWG-VO
1408/71).
Vorliegend ist daher im Rahmen der Feststellung der Anspruchsdauer des
Arbeitslosengeldes iSd § 106 Abs. 1 Satz 2 AFG der in F zurückgelegte
Beschäftigungszeitraum zu berücksichtigen, denn der Zeitraum vom 01. Mai 1990 bis
zum 31. März 1991 fällt in die auf 7 Jahre verlängerte Rahmenfrist. In dieser Zeit ging der
Kläger einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in F nach, was zwischen den
Beteiligten nicht umstritten ist.
Die Berücksichtigung der in F verbrachten Versicherungszeit im Rahmen von § 106 Abs.
1 Satz 2 AFG ist nicht nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der EWG-VO 1408/71 ausgeschlossen. §
12 Abs. 1 Satz 1 der EWG-VO 1408/71 regelt, dass ein Anspruch auf mehrere Leistungen
gleicher Art aus derselben Pflichtversicherung aufgrund der EWG-VO 1408/71 weder
erworben noch aufrechterhalten werden kann. Nach der vom Senat diesbezüglich für
überzeugend gehaltenen Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 08. Juli 1992 – C-102/91
– in SozR 3-6050 Art. 71 Nr. 3) sind in den Fällen des Art. 67 der EWG-VO 1408/71 für die
Berechnung des Anspruchs auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit und die französischen
Versicherungszeiten zu berücksichtigen. Die somit zu berücksichtigenden Zeiträume
nach § 106 Abs. 1 Satz 2 AFG umfassen mehr als 1920 Kalendertage (§ 106 Abs. 1 Satz
3 AFG), so dass dem Kläger unter Beachtung seines Lebensalters am 01. Oktober 1994
(= 50 Jahre) eine Anspruchsdauer von 676 Tagen (Höchstanspruch nach § 106 Abs. 3
letzter Halbsatz AFG) zugestanden hätte. Von dieser Anspruchsdauer sind die Tage
abzuziehen, für die der Kläger Leistungen aus der französischen
Arbeitslosenversicherung bezogen hat (vgl. EuGH in SozR 3-6050 Art. 71 Nr. 3 S. 24).
In der Zeit vom 16. April 1991 bis zum 13. März 1992 bezog der Kläger - zwischen den
Beteiligten nicht umstritten - in F von dem dortigen Sozialleistungsträger, wie sich aus
Blatt 107 und Blatt 108 der Gerichtsakten ergibt, Arbeitslosengeld nach französischem
Recht. Dieser Zeitraum umfasst 301 Tage (= Tage, für die er in Frankreich Leistungen
bezogen hatte - 16. April 1991 bis 31. März 1992 = 351 Kalendertage x 6 Wochentage: 7
Wochentage = 300,85 ≈ 301 Wochen-/Anspruchstage), den auch die Beteiligten -
unstreitig - (Schriftsätze des Klägers vom 16. Oktober 2001 bzw. der Beklagten vom 07.
September 2001) ihrer Berechnung zu Grunde legen.
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Es handelte sich bei dem französischen Arbeitslosengeld auch um eine gleichartige
Leistung iSd § 12 Abs. 1 Satz 1 der EWG-VO 1408/71. Hierfür ist eine völlige Gleichheit
der Berechnungsgrundlagen und der Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nicht
erforderlich. Der EuGH (a.a.O.) führt hierzu überzeugend aus, dass angesichts der
zahlreichen Unterschiede zwischen den nationalen Systemen der sozialen Sicherheit die
Forderung, dass die Berechnungsgrundlagen und die Voraussetzungen für die
Leistungsgewährung völlig gleich sein müssten, dazu führen würde, dass die Anwendung
des Kumulierungsverbots des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 EWG-VO eingeschränkt würde und
dem Sinn dieses Verbots widerspräche.
Dass bei der Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab 01. Oktober 1994 zunächst 11
Wochentage unberücksichtigt geblieben sind, hat bereits das Sozialgericht Potsdam in
der mündlichen Verhandlung vom 18. April 2002 erkannt. Die Beklagte hat hierzu ein -
vom Kläger angenommenes - Teilanerkenntnis über einen weiteren
Arbeitslosengeldanspruch für 13 Tage abgegeben; die Umrechnung von 11 Tagen auf 13
Tage folgt aus § 427 Abs. 4 des Sozialgesetzbuchs Drittes Buch (SGB III) in der ab dem
01. Januar 1998 gültigen Fassung.
Hiernach ergibt sich folgende Berechnung der Dauer des Anspruchs des Klägers auf
Arbeitslosengeld ab 01. Oktober 1994:
Der Kläger hatte am 01. Oktober 1994 - wie bereits ausgeführt - einen Gesamtanspruch
von 676 Anspruchstagen abzüglich 301 Tage (zur Berechnung vgl.o.), insgesamt 375
Wochentage.
Der Kläger bezog in dem Zeitraum vom 01. Oktober 1994 bis zum 07. Januar 1995 für
85 Wochentage Arbeitslosengeld. Am 09. Januar 1995 betrug sein Restanspruch somit
noch 290 Wochentage Arbeitslosengeld.
Da der Kläger in der Zeit vom 09. Januar 1995 bis zum 30. Juni 1996 wieder einer
Beschäftigung bei der L Bauingenieur GmbH und Co. Hochbau KG/B nachgegangen war,
erwarb er einen neuen Arbeitslosengeldanspruch ab 01. Juli 1996 nach §§ 100 ff. AFG.
Die Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes wiederum nach § 106 AFG betrug bei der
vorgenannten Beschäftigungszeit, die 539 Kalendertage umfasste, 208 Wochentage.
Diese 208 Wochentage waren um den Restanspruch von 290 Wochentagen zu erhöhen,
so dass dem Kläger für 498 Wochentage ab 01. Juli 1996 Arbeitslosengeld zugestanden
hat. Er bezog vom 01. Juli 1996 bis zum 15. November 1997 für 432 Wochentage
Arbeitslosengeld, so dass am 15. November 1997 ein Restanspruch von 66
Wochentagen bestand.
Nachdem der Kläger Unterhaltsgeld in der Zeit vom 17. November 1997 bis zum 10. Juli
1998 bezog, beanspruchte er ab 11. Juli 1998 Anschlussunterhaltsgeld. Nach § 156 Abs.
2 SGB III in der hier ab 01. Januar 1998 anzuwendenden Fassung beträgt die Dauer des
Anschlussunterhaltsgeldes drei Monate. Nach § 156 Abs. 2 Satz 2 SGB III mindert sie
sich um die Anzahl von Tagen, für die der Arbeitnehmer im Anschluss an eine
abgeschlossene Maßnahme mit Bezug von Unterhaltsgeld einen Anspruch auf
Arbeitslosengeld geltend machen kann. Der Anspruch auf Anschlussunterhaltsgeld von
insgesamt 90 Kalendertagen war deswegen um die Restanspruchsdauer des
Arbeitslosengeldes von 77 Kalendertagen (Restanspruchsdauer nach dem AFG 66
Wochentage/Umrechnung nach § 427 Abs. 4 SGB III von Wochentagen auf Kalendertage:
66 Wochentage x 7 : 6 = 77 Kalendertage) zu mindern.
Nach den Zahlungsanweisungen der Beklagten bezog der Kläger
Anschlussunterhaltsgeld vom 11. August 1998 bis zum 04. August 1998 für 13
Kalendertage und Arbeitslosengeld für 77 Kalendertage vom 05. August 1998 bis zum
08. Oktober 1998. Insgesamt ist hierzu aber festzustellen, dass er für 90 Tage
Leistungen von der Beklagten bezogen hat. Unerheblich ist deswegen, ob die Leistung
als Anschlussunterhaltsgeld für einen Zeitraum von insgesamt 90 Tagen hätte gezahlt
werden müssen oder wie hier geschehen als Arbeitslosengeld. Dass dies keine
weitergehende rechtliche Bedeutung hat, folgt aus § 157 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, denn auf
das Unterhaltsgeld sind hinsichtlich der Höhe die Vorschriften über das Arbeitslosengeld
anzuwenden. Daraus folgt, dass es hinsichtlich der jeweiligen Höhe keinen Unterschied
zwischen Leistungen als Unterhaltsgeld, Arbeitslosengeld oder Anschlussunterhaltsgeld
gibt.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision war zuzulassen, weil der Rechtsstreit im Hinblick auf die Anwendung von Art.
59 Die Revision war zuzulassen, weil der Rechtsstreit im Hinblick auf die Anwendung von Art.
67 der EWG-VO 1471 im Rahmen des § 106 Abs. 1 Satz 2 AFG grundsätzliche Bedeutung
(§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) hat.
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