Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 18.02.2010
LSG Berlin-Brandenburg: verwaltungsakt, form, arbeitsförderung, erlass, sammlung, ermessen, link, mangel, quelle, auflage
1
2
3
4
5
6
7
8
Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
18. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 18 AL 76/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 65a SGG, § 84 Abs 1 SGG, §
96 Abs 1 SGG, § 53 SGB 3 vom
31.12.2008
Sozialgerichtliches Verfahren; Zulässigkeit der Einlegung eines
Widerspruchs per E-Mail; Einbeziehung eines negativen
Zugunstenbescheides in das gerichtliche Verfahren; Leistungen
der Arbeitsförderung; Erforderlichkeit einer Mobilitätsbeihilfe
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 18.
Februar 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Förderung der Aufnahme einer Beschäftigung durch Gewährung
einer Trennungskostenbeihilfe.
Der 1984 geborene Kläger nahm nach vorheriger Arbeitslosigkeit am 2. Juni 2008 eine
Beschäftigung als Monteur in Süddeutschland auf. Wegen der Einzelheiten wird auf den
Arbeitsvertrag des Klägers mit der i vom 15. Mai 2008 Bezug genommen. Die Beklagte
lehnte den am 30. Mai 2008 gestellten Antrag auf Trennungskostenbeihilfe ab mit der
Begründung, dass nach § 8 des Arbeitsvertrages gleichartige Leistungen bereits von der
Arbeitgeberin erbracht würden (Bescheid vom 17. Oktober 2008).
Mit einer e-Mail vom 18. Oktober 2008 ging ein Widerspruch gegen den
Ablehnungsbescheid vom 17. Oktober 2008 bei der Beklagten ein, der nicht
handschriftlich vom Kläger unterzeichnet war. Nachdem die Beklagte den Kläger darauf
hingewiesen hatte, dass der Widerspruch zwingend schriftlich oder zur Niederschrift
einzureichen sei, und dem Kläger Gelegenheit gegeben hatte, den Widerspruch bis
spätestens 20. November 2008 „in der erforderlichen Form“ nachzuholen (Schreiben
vom 22. und 23. Oktober 2008) oder die Urheberschaft schriftlich zu bestätigen, verwarf
sie den Widerspruch nach Ablauf der gesetzten Frist als unzulässig
(Widerspruchsbescheid vom 24. November 2008).
Die am 21. November 2008 eingegangene Mitteilung des Klägers, mit der er die in dem
Hinweisschreiben vom 23. Oktober 2008 erbetenen Unterlagen einreichte, sah die
Beklagte als Überprüfungsantrag iSv § 44 Sozialgesetzbuch –
Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) an, den sie mit Bescheid
vom 5. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2009
ablehnte.
Die am 2. Dezember 2008 erhobene und auf Gewährung von Trennungskostenbeihilfe
gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) Neuruppin abgewiesen (Urteil vom 18.
Februar 2010). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Die
Beklagte habe den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 17. Oktober 2008
zutreffend als unzulässig verworfen, weil der Widerspruch innerhalb der Widerspruchsfrist
nicht in der gesetzlichen Form eingelegt worden sei.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Auf seine im
Berufungsverfahren eingereichten Schreiben wird Bezug genommen.
Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich der Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 18. Februar 2010 und den Bescheid
der Beklagten vom 17. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
der Beklagten vom 17. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
24. November 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, seinen Antrag auf
Trennungskostenbeihilfe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu
bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Im Übrigen habe der Kläger auch in der
Sache keinen Anspruch auf Trennungskostenbeihilfe, da diese zur Aufnahme der
Beschäftigung nicht notwendig gewesen sei und der Kläger zudem von der Arbeitgeberin
entsprechende Beihilfen erhalten habe.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende
Schriftsätze nebst Ablagen Bezug genommen.
Der Verwaltungsvorgang der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind
Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne
mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl. §§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und 4
Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Die erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in Gestalt einer
„Bescheidungsklage“ ist zwar zulässig (vgl hierzu BSGE 49, 85, 87), aber nicht
begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 17. Oktober 2008 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2008 und Neubescheidung
seines Antrags auf Trennungskostenbeihilfe. Der Widerspruch des Klägers gegen den
Bescheid vom 17. Oktober 2008 wurde nicht in der gesetzlichen Form und Frist
eingelegt, so dass die Beklagte diesen Widerspruch zu Recht als unzulässig verwerfen
durfte. Der Bescheid vom 17. Oktober 2008 ist bestandskräftig (§ 77 SGG).
Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG ist der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der
Verwaltungsakt dem Beschwerten bekannt gegeben worden ist, schriftlich oder zur
Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Der per e-
Mail vom 18. Oktober 2008 eingelegte – nicht unterschriebene - Widerspruch gegen den
mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom 17.
Oktober 2008 genügt diesen Formerfordernissen nicht, und zwar schon deshalb nicht,
weil eine Widerspruchseinlegung mittels einfacher e-Mail nicht möglich ist (vgl Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 84 Rn 3 mwN). Die Voraussetzungen einer
zulässigen elektronischen Übermittlung iSv § 65a SGG liegen bereits mangels
Übermittlung der in Rede stehenden e-Mail mit qualifizierter elektronischer Signatur
nicht vor. Der Kläger hat trotz eines entsprechenden unmissverständlichen Hinweises
der Beklagten die gesetzlich zwingend erforderliche Schriftform auch innerhalb der bis
zum 18. November 2008 (vgl. § 64 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGG; Bekanntgabe des
Bescheides am 18. Oktober 2008) laufenden Widerspruchsfrist nicht nachgeholt,
sondern (frühestens) erst mit dem am 21. November 2010 bei der Beklagten
eingegangenen Schreiben. Eine Wiedereinsetzung in die Widerspruchsfrist (vgl hierzu
BSGE 43, 19, 24) scheidet schon deshalb aus, weil die Beklagte den Kläger ausdrücklich
auf die fehlende Schriftform hingewiesen und diesem die Möglichkeit gegeben hatte,
diesen Mangel innerhalb der von ihr gesetzten Frist zu heilen. Wiedereinsetzungsgründe
im Übrigen sind nicht ersichtlich.
Eine Sachentscheidung über das Begehren des Klägers ist dem Gericht daher verwehrt.
Sie ist auch nicht dadurch eröffnet, dass der nach Klageerhebung verlautbarte negative
Zugunstenbescheid vom 5. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 20. Januar 2009 gemäß § 96 Abs. 1 SGG in der seit 1. April 2008 geltenden und
vorliegend anwendbaren (vgl zur Anwendung auf nach dem Inkrafttreten ergangene
Verwaltungsakte BSG, Beschluss vom 30. September 2009 – B 9 SB 19/09 B – juris -;
BSG, Beschluss vom 16. Dezember 2009 – B 7 AL 146/09 B – juris) Fassung des
Gesetzes vom 26. März 2008 (BGBl I 444) kraft Gesetzes Gegenstand des
sozialgerichtlichen Verfahrens geworden wäre. Denn nach § 96 Abs. 1 SGG nF wird ein
nach Klageerhebung ergangener neuer Verwaltungsakt „nur dann“ Gegenstand des
20
21
22
nach Klageerhebung ergangener neuer Verwaltungsakt „nur dann“ Gegenstand des
Verfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangen ist und den
angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Letzteres ist bei dem negativen
Zugunstenbescheid vom 5. Dezember 2008 jedoch nicht der Fall (so ausdrücklich BSG,
Beschluss vom 30. September 2009 – B 9 SB 19/09 B -; zur – gegenteiligen - Rechtslage
vor dem 1. April 2008: BSG, Urteil vom 20. Juli 2005 – B 13 RJ 37/04 R - juris). Der Kläger
hatte zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 5. Dezember 2008 bzw. vor dem
1. April 2008 auch keine Rechtsposition erworben, die ein schutzwürdiges Vertrauen in
den Fortbestand des § 96 Abs. 1 SGG in der bis 31. März 2008 geltenden Fassung hätte
begründen können.
Indes weist das Gericht darauf hin, dass einem – im Ermessen der Beklagten stehenden
– Anspruch des Klägers auf Trennungskostenbeihilfe nach § 53 Abs. 2 Nr. 3c
Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) in der bis 31. Dezember 2008 geltenden
und vorliegend anwendbaren Fassung bereits entgegensteht, dass diese Mobilitätshilfe
iSv § 53 Abs. 1 SGB III nur erbracht werden kann, soweit dies zur Aufnahme der
Beschäftigung „notwendig“ ist. Erforderlich ist danach ein Element der Unverzichtbarkeit
dahingehend, dass die Mobilitätshilfe dann nicht notwendig iSv § 53 Abs. 1 SGB III ist,
wenn die Beschäftigungsaufnahme auch ohne diese Leistung erfolgt wäre (vgl hierzu
BSG, Urteil vom 4. März 2009 – B 11 AL 50/07 R = SozR 4-4300 § 53 Nr 2). Vorliegend
hat der Kläger die Beschäftigung unabhängig von der beantragten
Trennungskostenbeihilfe aufgenommen, was schon daraus erhellt, dass er den
Arbeitsvertrag bereits am 15. Mai 2008 vor der Beantragung der
Trennungskostenbeihilfe abgeschlossen hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht
vor.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum