Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 05.05.2004

LSG Berlin und Brandenburg: rücknahme der klage, wohnung, haushalt, wohngemeinschaft, vermieter, krankenpflege, behandlung, versorgung, form, mietvertrag

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 05.05.2004 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 87 KR 803/01
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 9 KR 759/01
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juli 2001 und der Bescheid der
Beklagten vom 25. September 2000 in der Ge- stalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2001 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten für die von ihr in Anspruch genommene Behandlungspflege vom
24. September bis zum 7. November 2000 in Höhe von 319,21 Euro zu erstatten. Die Beklagte hat der Klägerin ihre
außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für Leistungen der häuslichen Krankenpflege.
Die 1931 geborene Klägerin ist als Rentnerin Mitglied der beklagten Krankenkasse. Infolge eines im Sommer 1999
erlittenen Schlaganfalls bedarf sie der Pflege. Sie bewohnt deshalb seit 1. Oktober 1999 ein 14 m² großes Zimmer in
einer von dem D W B-K e.V. gemieteten Wohnung in der Wstraße in B-K (Mietvertrag vom 14./15. September 1999).
Die Bruttokaltmiete der Klägerin beträgt monatlich 155,19 Euro (303,53 DM). Hinzu kommt eine monatliche Pauschale
für Heizung und Nebenkosten sowie Warmwasserbereitung in Höhe von 28,87 Euro (56,47 DM). Für Stromkosten
zahlt die Klägerin 25,56 Euro (50,00 DM) monatlich. Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, der
Klägerin den Gebrauch der Mietsache (Zimmer Nr. 10 einschließlich der gemeinschaftlich genutzten Flächen [Bad,
Küche, Wohnzimmer und Flur]) während der Mietzeit zu gewähren. Darüber hinaus ist der Vermieter lediglich zur
ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung der Mietsache verpflichtet. Weitergehende Verpflichtungen
enthält der Mietvertrag für den Vermieter nicht. In der insgesamt 145 m² großen Wohnung wohnen neben der Klägerin
regelmäßig fünf weitere ältere Menschen, die wie die Klägerin ebenfalls an der Alzheimer Krankheit leiden und
entsprechend pflegebedürftig sind. Alle Bewohner der Wohngemeinschaft zahlen monatlich 204,52 Euro (400,00 DM)
in eine Haushaltskasse. Aus dieser Kasse werden u.a. die Lebensmitteleinkäufe bezahlt. Über die weitere
Verwendung des Geldes entscheiden die Bewohner. Sie nehmen am Einkauf und auch an der Zubereitung der
Speisen teil, sofern sie dazu gesundheitlich in der Lage sind. Über die Ausstattung und Möblierung der Wohnung
entscheiden allein die Bewohner bzw. deren gesetzliche Vertreter. Die Einrichtungsgegenstände der Wohnung
befinden sich entweder im Alleineigentum der Bewohner oder im Gemeinschaftseigentum sämtlicher Bewohner, sofern
die Anschaffung mit Hilfe der Haushaltskasse vorgenommen worden ist. Bei Auszug oder Tod eines Bewohners der
Wohngemeinschaft entscheiden die übrigen Bewohner bzw. deren gesetzliche Vertreter, wer neu einzieht. Es ist
insoweit nicht Voraussetzung, dass ein Mieter pflegebedürftig sein muss, um ein Zimmer in der Wohngemeinschaft zu
bekommen. Festgelegte Zeiten für die Bewohner wie Küchenöffnungszeiten, Essenszeiten, Weck- und
Schlafengehenszeiten existieren nicht. Die Tagesstrukturierung erfolgt entsprechend ihren individuellen Wünschen
und Bedürfnissen.
Für die Klägerin ist vom Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg eine Betreuerin mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge,
Wohnungsangelegenheiten, Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung und Vertretung gegenüber Behörden
bestellt worden.
Mit Bescheid vom 26. November 1999 gewährte die A B - P - der Klägerin für die Zeit ab 1. Juni 1999 Leistungen der
sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II. Danach werden die Pflegesätze durch professionelle Pflegekräfte
zu den vereinbarten Sätzen bis zu 920,33 Euro (1.800,00 DM) je Kalendermonat gezahlt. Die Pflegeleistungen (kleine
Körperpflege [20 Einsätze für vier Wochen], große Körperpflege [28 ...], Begleitung außer Haus [8 ...], kleine
Reinigung [20 ...], große Reinigung [8 ...], Wäschepflege [8 ...], Einkaufen [8 ...], Zubereitung einer warmen Mahlzeit
[28 ...], Zubereitung einer sonstigen Mahlzeit [84 ...], psychosoziale Betreuung [28 ...], Haushaltsbuch [1 ...],
Haushaltsbesuchspauschale [20 ...] und Hausbesuche Wochenende/Nacht [8 ...]) werden vom 1. August 2000 an von
der Diakonie-Sozialstation S gGmbH aufgrund eines Pflegevertrages vom 14. Juli 2000 erbracht. Diese Gesellschaft
hat drei, zeitweise vier Gesellschafter, die auch Mitglied des DW B-K e.V. sind. Insgesamt hat dieser Verein rund 27
Mitglieder.
Wegen eines Stauungsekzems erhielt die Klägerin aufgrund ärztlicher Verordnung vom 30. August bis zum 20.
November 2000 häusliche Krankenpflege in Form von Behandlungspflege (Behandlung des Stauungsekzems und
Medikamentenabgabe), zunächst wöchentlich täglich und anschließend zweimal in der Woche.
Die Beklagte übernahm zunächst die Kosten dieser Pflege bis zum 12. September 2000 (Bescheid vom 4. September
2000) sowie in der Folgezeit bis zum 23. September 2000. Mit Bescheid vom 25. September 2000 lehnte sie die
Übernahme der Kosten für die Zeit vom 24. September 2000 an ab. Sie führte sinngemäß aus, dass
Behandlungspflege nur in dem eigenen Haushalt des Versicherten gewährt werden könne. Da die Klägerin aber einen
solchen nicht führe, sondern in einer Wohngemeinschaft lebe, könnten die entsprechenden Kosten nicht erstattet
werden. Die offenen Rechnungen in Höhe von umgerechnet 319,21 Euro (624,33 DM) hat die Klägerin bezahlt. Den
gegen die Entscheidung der Beklagten erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1.
Februar 2001 mit der Begründung zurück, dass Bewohner therapeutischer Wohngemeinschaften keinen eigenen
Haushalt führten, bzw. dass in festen Wohngemeinschaften nur dann eine eigene Haushaltsführung möglich sei, wenn
diese Wohngemeinschaften nicht durch die Pflegenotwendigkeit der Bewohner geprägt werde. So habe auch das
Sozialgericht Berlin in einem Urteil vom 18. August 2000 (S 72 KR 800/99) entschieden, dass in therapeutischen
Wohngemeinschaften kein eigener Haushalt geführt werde. Da die Klägerin in einer solchen therapeutischen
Wohngemeinschaft lebe und somit keinen eigenen Haushalt führe, könnten Leistungen der häuslichen Krankenpflege
nicht gewährt werden.
Mit Bescheid vom 19. Juni 2001 lehnte die Beklagte die Erstattung weiterer Kosten in Höhe von 2.280,11 Euro
(4.459,50 DM) für die der Klägerin seit dem 1. Februar 2001 verordnete und erbrachte Behandlungspflege ab.
Bereits am 26. Februar 2001 hat die Klägerin Klage erhoben. Mit dieser begehrte sie die Erstattung der Kosten der
Behandlungspflege vom 24. September 2000 (im erstinstanzlichen Verfahren irrtümlich vom 25. September 2000 an)
in Höhe von 319,21 Euro und nach Erlass des Bescheides vom 19. Juni 2001 die Erstattung der weiteren Kosten in
Höhe von 2.280,11 Euro, sowie sinngemäß die Gewährung von zukünftig verordneter Behandlungspflege als
Sachleistung. Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen, dass sie entgegen der Auffassung der Beklagten einen
eigenen Haushalt führe. Sie beteilige sich an den Kosten des täglichen Bedarfs der Bewohner der Wohnung und sie
beteilige sich, wenn auch in einem geringen Umfang, an der Hausarbeit. Das Sozialgericht hat die Altenpflegerinnen
HE-V und S F der Diakonie-Sozialstation SgGmbH über die Umstände der Wirtschaftsführung und der Pflege der
Klägerin als Zeugen vernommen. Wegen der Einzelheiten des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die
Anlagen zur Sitzungsniederschrift der öffentlichen Sitzung des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juli 2001 verwiesen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 23. Juli 2001 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der
Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2001 Gegenstand des Verfahrens geworden sei, weil Gründe der
Prozessökonomie für eine Einbeziehung sprächen. Die Klage sei jedoch unbegründet. Die Klägerin habe keinen
Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten, weil Voraussetzung für die Gewährung von
Behandlungspflege sei, dass die Pflege in dem Haushalt des zu Pflegenden erbracht werde. Über einen solchen
eigenen Haushalt verfüge die Klägerin aber nicht. Denn ein solcher Haushalt setze schon begrifflich ein gewisses Maß
an eigenwirtschaftlichen Haushalten voraus. Hierzu sei die Klägerin aber nicht fähig. Dies habe die Beweisaufnahme
ergeben.
Gegen das ihr am 28. August 2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 11. September 2001 eingelegte Berufung der
Klägerin. Sie trägt vor, dass sie entgegen der von der Beklagten und dem Sozialgericht vertretenen Auffassung über
einen eigenen Haushalt verfüge. Die Beweisaufnahme des Sozialgerichts habe ergeben, dass die Wohngemeinschaft
so organisiert sei, dass sie im Rahmen des medizinisch Möglichen ein möglichst eigenständiges Leben führen und
eine möglichst eigenständige Wirtschaftsführung vornehmen könne. Soweit sie aufgrund ihrer Erkrankung zu einem
eigenständigen Leben und einer eigenständigen Wirtschaftsführung nicht mehr in der Lage sei, sei ihr eine Betreuerin
zur Seite gestellt, die sie insoweit im Rechtssinne vertrete.
Die Klägerin hat den Streitgegenstand ihrer Klage im Berufungsverfahren auf die Erstattung der Kosten für die von ihr
in der Zeit vom 24. September 2001 bis zum 7. November 2001 in Anspruch genommene Behandlungspflege in Höhe
von 319,21 Euro beschränkt und die weiterführende Klage zurückgenommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juli 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 25. September 2000 in
der Gestalt des Widerspruchs- bescheides vom 1. Februar 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verur- teilen, ihr die
Kosten für die vom 24. September bis zum 7. November 2000 von ihr in Anspruch genommene Behandlungspflege in
Höhe von 319,21 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
die sie für unbegründet hält.
Der Senat hat den Geschäftsführer der Diakonie-Sozialstation S gGmbH, Herrn K-M S, über die Umstände der Pflege
der Menschen in der Wohnung in der Wstraße in B-Kals Zeugenvernommen. Wegen des Ergebnisses dieser
Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 5. Mai 2004 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die die Klägerin betreffende
Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die dem Senat vorlag und die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie nicht dadurch unzulässig geworden, dass durch die teilweise
Rücknahme der Klage durch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 5. Mai 2004 der Beschwerdewert der
Klage die für die Zulassung der Berufung festgelegte Grenze von 500,- Euro (§ 144 Abs. 1 Satz Nr. 1 des
Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) unterschreitet. Denn für die Berechnung des Wertes des Beschwerdegegenstandes ist
in der Rechtsmittelinstanz der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels maßgebend (§ 202 SGG in Verbindung mit §
4 der Zivilprozessordnung). Zu diesem Zeitpunkt lag der Wert des Berufungsstreitwertes über der Grenze von 500,-
Euro. Eine nachträgliche Einschränkung des Beschwerdewertes führt nicht zur Unzulässigkeit der Berufung, weil die
Rechtshandlung mit der Rechtsmitteleinlegung abgeschlossen war (Rohwer-Kahlmann, Aufbau und Verfahren der
Sozialgerichtsbarkeit [Std.: 41 Lfg./Juli 2003] § 144 RdNr. 7). Die teilweise Rücknahme der Klage war im Übrigen auch
sachgerecht und nicht willkürlich (vgl. Krasney-Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. neu
bearbeitete Auflage 2002, VIII. Kapitel, RdNr. 18, Bernsdorff in Hennig, SGG [Std.: 8 EL/Februar 2004] § 144 RdNr.
28 und Zeihe, SGG [8. Auflage, Std.: 1. April 2003], § 144 RdNr. 16 e). Denn sie beruht auf der nach der hier am 11.
September 2001 erfolgten Berufungseinlegung ergangenen geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass
Folgebescheide über die Ablehnung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege für spätere Zeiträume nicht in
entsprechender Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand eines anhängigen sozialgerichtlichen Prozesses
werden (Urteil des Bundessozialgerichts [BSG] vom 28. Mai 2003 - B 3 KR 32/02 R -, SozR 4-2500 § 37 Nr. 2).
Die Berufung ist auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juli 2001 ist aufzuheben. Der Bescheid
der Beklagten vom 25. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2001 ist
rechtswidrig und verletzt die Klägerin in eigenen Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung ihrer Kosten
in Höhe von 319,21 Euro hinsichtlich der in der Zeit vom 24. September bis zum 7. November 2000 erhaltenen
Behandlungspflege.
Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) hat die Krankenkasse dem
Versicherten die Kosten für eine selbst beschaffte Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn sie die
Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Klägerin hatte in dem hier
streitbefangenen Zeitraum einen Anspruch auf Gewährung von Behandlungspflege in dem geltend gemachten
Umfang. Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche
Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherstellung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist.
Die medizinische Notwendigkeit der Versorgung des Stauungsekzems der bei der Beklagten versicherten Klägerin ist
zwischen den Beteiligten unstreitig. Bei den der Klägerin verordneten Behandlungen handelt es sich auch um
Maßnahmen der Behandlungspflege. Hierzu gehören alle Pflegemaßnahmen, die durch eine bestimmte Erkrankung
erforderlich werden, auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit
zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten bzw. Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern (Urteil des
BSG vom 21. November 2002 - B 3 KR 13/02 R -, SozR 3-2500 § 37 Nr. 5). Die der Klägerin ärztlich verordneten
Maßnahmen (Verbandswechsel und Salbeneinreibung) dienten der Sicherung der ärztlichen Behandlung des
Stauungsekzems der Klägerin.
Die Klägerin hat die hier streitbefangene Behandlungspflege auch in ihrem eigenen Haushalt erhalten. Unter einem
Haushalt ist nach allgemeinem Sprachgebrauch die häusliche, wohnungsmäßige, familienhafte Wirtschaftsführung zu
verstehen (Gerlach in Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch (Std.: 58. Erg.-Lfg. I/02), § 37 SGB V RdNr. 27). Der Haushalt
befindet sich an dem Ort, an dem oder von dem aus menschliche Grundbedürfnisse wie Ernährung, Kleidung,
Körperpflege und Hygiene, Ruhe und Schlaf zumeist erfüllt werden, also regelmäßig in der Wohnung (Höfler in
Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht (Std.: EL 39/Dezember 2002), § 37 RdNr. 12). Das von der Klägerin
angemietete Zimmer sowie die von ihr genutzten Gemeinschaftsflächen (Bad-Küche, Wohnraum und Flur) in der
Wohnung Wstraße in B-K ist ihr Haushalt in diesem Sinne. An diesem Ort erfüllt sie ihre Grundbedürfnisse. Hier
organisiert sie zusammen mit den anderen Bewohnern der Wohnung ihren Lebensalltag selbst. Dass sie aufgrund ihrer
Erkrankung nicht in der Lage ist, eine Vielzahl von in diesem Zusammenhang zu treffenden Entscheidungen
selbständig zu treffen - der Senat kann offen lassen, in welchem Umfang dies der Fall ist - schließt nicht aus, dass
das Tatbestandsmerkmal des eigenen Haushalts erfüllt ist. Der Senat vermag sich nicht der Auffassung des
Sozialgerichts anzuschließen, dass ein gewisses Maß an eigenwirtschaftlichem Haushalten gegeben sein muss,
damit im Rechtssinne ein Haushalt vorliegt. Denn insoweit ist der Klägerin eine Betreuerin mit dem Aufgabenkreis
Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung und Vertretung
gegenüber Behörden zur Seite gestellt worden. Zweck der Betreuung ist es gerade, die Selbstbestimmung des
Betreuten soweit als möglich zu achten (Diederichsen in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 62. Aufl. 2003, Einf. v. §
1896 RdNr. 5 und Schwab in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 4. Aufl. 2002, Vor § 1896 RdNr.
12). Die Auffassung des Sozialgerichts hätte demgegenüber zur Folge, dass Versicherte mit einem der Erkrankung
der Klägerin ähnlichen Krankheitsbild, die trotz ihrer Erkrankung in ihrer eigenen Wohnung verblieben sind und dort
betreut und gepflegt werden, wegen der möglicherweise fehlenden Fähigkeit, eigenverantwortlich Entscheidungen zu
treffen, Behandlungspflege selbst in ihrer eigenen Wohnung nicht erhalten könnten. Abgesehen davon, dass diese
Folge nicht nur den Anspruch auf Krankenpflege in einer dem Normzweck des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V, der
Sicherung der mit der ambulanten ärztlichen Behandlung verfolgten Ziele im häuslichen Bereich (vgl. Höfler, a.a.O., §
37 RdNr. 2), widersprechenden Art und Weise verkürzen würde, würde dies auch dem gesetzgeberischen Zweck des
Betreuungsrechts, dem zu Betreuenden ein Höchstmaß an Autonomie zu belassen, widersprechen.
Im Übrigen ging es dem Gesetzgeber bei der Umschreibung des Aufenthaltsortes der Versicherten im Rahmen der
Behandlungspflege vor allem um die Abgrenzung zur Leistungserbringung im stationären Bereich. Die Regelung geht
davon aus, dass Behandlungspflege dort zu erbringen ist, wo die Versorgung des Versicherten mit Grundpflege und
hauswirtschaftlicher Hilfe, vergleichbar der Versorgung bei stationärer Behandlung im Krankenhaus sichergestellt ist
(Urteil des BSG vom 21. November 2000 - B 3 KR 13/02 R -, a.a.O., m.w.Nachw.). Der Anspruch der Versicherten auf
Behandlungspflege kann deshalb ebenso wie im Bereich der Pflegeversicherung nicht davon abhängen, ob er sich zu
Hause aufhält. Im Hinblick auf den vorrangigen Zweck der Behandlungspflege, das Ziel der ärztlichen Behandlung,
also die Heilung, Besserung oder die Verhütung einer Verschlimmerung einer Krankheit zu sichern, ist der
Aufenthaltsort des Versicherten - sofern nicht Krankenhausbehandlung oder vollstationäre Pflege vorliegt - ohne
Belang (Urteil des BSG vom 21. November 2002, B 3 KR 13/02 R, a.a.O.).
Ein solcher Fall ist hier gegeben. Bei der der Klägerin gewährten Behandlungspflege handelt es sich nicht um eine
(stationäre) Krankenhausbehandlung. Denn die von der Klägerin gewählte Wohnform erfüllt nicht den
Krankenhausbegriff des SGB V. Krankenhäuser sind danach Einrichtungen, die
1. der Krankenhausbehandlung oder Geburtshilfe dienen,
2. fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen, über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag
entsprechende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen und nach wissenschaftlich anerkannten
Methoden arbeiten,
3. mit Hilfe von jederzeit verfügbarem ärztlichem, pflege- funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf
eingerichtet sind, vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten der Patienten zu erkennen, zu
heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten, Krankheits- beschwerden zu lindern oder Geburtshilfe zu leisten, und in
denen
4. die Patienten untergebracht oder verpflegt werden können.
Um eine solche Einrichtung handelt es sich bei der Wohngemeinschaft der Klägerin nicht. Denn weder werden dort
Krankenhausbehandlungen durchgeführt noch steht die Wohngemeinschaft unter ärztlicher Leitung, und es steht auch
nicht jederzeit ärztliches und pflegerisches Personal zur Verfügung. Dies ist auch zwischen den Beteiligten nicht im
Streit.
Die der Klägerin gewährte Behandlungspflege erfolgte aber auch nicht im Rahmen einer Heimpflege. Die
Heimunterbringung setzt schon begrifflich neben der Überlassung einer Unterkunft die Gewährung oder Vorhaltung von
Verpflegung und Betreuung voraus (§ 1 Abs. 1 des Heimgesetzes [HeimG]). Zu einer solchen umfassenden
Leistungserbringung "aus einer Hand" ist der Vermieter der Klägerin nicht verpflichtet. Seine vertragliche Pflicht
erschöpft sich ausschließlich in der Gewährung und der Instandhaltung der Mietsache. Für ihre hauswirtschaftliche
Versorgung und die Organisation der von ihr benötigten Pflege ist ausschließlich die Klägerin, mit Hilfe ihrer
Betreuerin, verantwortlich. Der Vermieter hat insoweit keine Verpflichtungen.
Die von der Klägerin gewählte Form des Wohnens stellt schließlich auch keine unzulässige Umgehung des HeimG
dar. Der Senat kann offen lassen, ob bei einer doppelten Funktion des Leistungsanbieters als Vermieter und als
Pflegeanbieter (vgl. Pöld-Krämer in Lehr- und Praxiskommentar zum Sozialgesetzbuch XI, 2. Aufl. 2003, § 71 RdNr.
8) oder sofern der Vermieter die Versorgung und Betreuung durch Dritte erbringen lässt, mit denen entweder er selbst
oder die Bewohner einen Vertrag über die Erbringung dieser Leistungen abschließen (vgl. Kunz/ Ruf/Wiedemann,
Heimgesetz, 8. Aufl. 1998, § 1 RdNr. 2), von einer Heimbetreuung im Sinne des HeimG auszugehen ist (vgl. nunmehr
§ 1 Abs. 2 des HeimG in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung des Gesetzes vom 5. November 2001, BGBl I S.
2970). Denn derartige Sachverhalte sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Das DWB-K e.V. ist nach dem
Mietvertrag vom 14./15. September 1999 ausschließlich verpflichtet, der Klägerin den Gebrauch der von ihr
angemieteten bewohnten Zimmers und der von ihr mitgenutzten Gemeinschaftsflächen zu gewähren und diese
gegebenenfalls instandzusetzen. Eine Verpflichtung, die Betreuung und Verpflegung der Bewohner der Wohnung
sicherzustellen, besteht - wie ausgeführt - nicht. Dies müssen die Bewohner eigenverantwortlich organisieren. Der
glaubwürdige Zeuge S hat insoweit glaubhaft ausgesagt, dass dies auch tatsächlich geschieht. Die Organisation des
Essen und die Frage, was gegessen wird, entscheiden die Bewohner mit Hilfe der Pflegekräfte. Entsprechendes gilt
auch für die Säuberung der Wohngemeinschaft. Der Zeuge hat insoweit weiter glaubhaft ausgeführt, dass zwischen
dem Abschluss des Mietvertrages und dem Abschluss des Pflegevertrages kein zwingender Zusammenhang besteht.
Der Bestand des Mietvertrages ist von dem Bestand des Pflegevertrages nicht abhängig. Die Bewohner der Wohnung
in der Wstraße in B-K sind in der Wahl der Pflegeeinrichtung frei. Ein Bestimmungsrecht des Vermieters besteht
nicht.
Gegen eine Umgehung des HeimG spricht im vorliegenden Fall auch der Umstand, dass der Umfang der von der
Klägerin in Anspruch genommenen Pflegedienstleistung von der Pflegeleitung des Pflegeunternehmens nach ihrer
individuellen Bedürftigkeit ermittelt worden ist, wie die konkrete Aufzählung der notwendigen Leistungen im
vorliegenden Fall zeigt und auch vom Zeugen S bestätigt worden ist. Betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte des
Pflegeunternehmens oder gar des Vermieters fließen hier nicht mit ein. Anders als bei einer Heimunterbringung oder
bei einer stationären Pflegeeinrichtung erfolgt die Vergütung der Pflege nicht in Form von Fallpauschalen bzw. Tages-
oder Monatssätzen, sondern die Kosten der Pflege richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen des Einzelfalles.
Der Zeuge S hat insoweit glaubhaft ausgeführt, dass dies für das Pflegeunternehmen zur Folge hat, dass sie in
verschiedenen Wohngemeinschaften, in denen sie ebenfalls tätig sind, defizitär arbeiten.
Die Leistungspflicht des Pflegeunternehmens beschränkt sich im Übrigen auf die Erbringung ambulanter
Pflegeleistungen. Für die Organisation ihres eigenen Lebensumfeldes, wie beispielsweise die Einrichtung des
angemieteten Zimmers, die Vorsorge gegen Lebensrisiken (Hausrats- und Glasversicherung) und die Renovierung
ihres Zimmers ist ausschließlich die Klägerin allein verantwortlich und soweit es die gemeinschaftlich genutzten
Flächen betrifft, die Bewohner der Wohnung als Gemeinschaft. Eine umfassende, alle Bereiche des täglichen Lebens
abdeckende Versorgung und Betreuung der Klägerin erfolgt weder durch den Vermieter noch durch das
Pflegeunternehmen. Es stellt zwar, wie der Zeuge S ausgesagt hat, eine Nachtwache, hierbei handelt es sich aber um
einen Studenten und nicht um pflegerisches Personal. Aufgabe dieses Studenten ist es lediglich, dafür Sorge zu
tragen, dass die an Alzheimer erkrankten Bewohner der Wohnung nicht ohne Aufsicht nachts die Wohnung verlassen.
Nach der Aussage des Zeugen S besitzen die Pflegekräfte keinen separaten Aufenthaltsraum. Dies zeigt, dass die
Einrichtung nicht dergestalt ausgelegt ist, dass eine "Rund-um-die- Uhr-Betreuung" der Bewohner der Wstraße in B-K,
wie es bei einer Heimunterbringung regelmäßig der Fall ist, gewährleistet ist.
Nach alledem handelt es sich jedenfalls in dem hier vorliegenden Fall der Klägerin deshalb nicht um eine
Heimunterbringung, sondern um eine Form des so genannten "Betreuten Wohnens". Diese Art des Wohnens, bei dem
ambulante Wohngruppen sich Pflege und Betreuung selbst organisieren (Pöld-Krämer, a.a.O., § 71 RdNr. 8 a) ist im
Übrigen auch nach dem Willen des Gesetzgebers von der Heimunterbringung abzugrenzen (vgl. dazu auch BT-
Drucks. 14/6366, S. 2).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Senat hat davon abgesehen, wegen der
teilweisen Rücknahme der Klage durch die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu quoteln. Denn die Beklagte hat
die Klägerin insoweit zur Klageerhebung veranlasst, weil sie den Bescheid vom 19. Juni 2001 mit einer fehlerhaften
Rechtsbehelfsbelehrung versehen hat.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der Senat die Revision gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG
zugelassen.