Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 06.11.2006

LSG Berlin und Brandenburg: hauptsache, energieversorgung, gesetzesmaterialien, heizung, fernwärme, erlass, ernährung, obsiegen, rechtsstaatsprinzip, rechtsschutz

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 06.11.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 53 AS 4702/05
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 10 B 581/06 AS PKH
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Dabei kann dahin stehen, ob die Beschwerde schon deshalb unzulässig ist, weil im Beschwerdeverfahren nunmehr
die Beiordnung von Rechtsanwalt Prof. Dr. B an Stelle von Rechtsanwalt Dr. M beantragt wird, d.h. es insoweit an
einer beschwerdefähigen Entscheidung des Sozialgerichts fehlt. Denn nach § 73 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm
§§ 114, 121 Abs. 2 Satz 1 1. Alt Zivilprozessordnung (ZPO) ist Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines
Rechtsanwalts nur zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Dies verlangt nicht, dass der Prozesserfolg gewiss oder überwiegend wahrscheinlich ist, vielmehr genügt eine "reale
Chance zum Obsiegen". Die Prozesskostenhilfe darf allerdings bei einer "nur entfernten Erfolgschance" verweigert
werden. Insbesondere gilt, dass die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe ungeachtet des Fehlens
einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gerechtfertigt sein kann, wenn die Rechtsfrage anlässlich der
gesetzlichen Regelungen oder im Hinblick auf die in bereits vorliegender Rechtsprechung bereitgestellten
Auslegungshilfen ohne Schwierig-keiten beantwortet werden kann (Bundesverfassungsgericht (BVerfG) E 81, 347
(359); Beschluss vom 14. Juni 2006 – 2 BvR 626/06, 2 BvR 656/06 -, abrufbar unter
www.bundesverfassungsgericht.de). Diese Anforderungen an die Gewährung von Prozesskostenhilfe stehen im
Einklang mit Art 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) iVm dem Rechtsstaatsprinzip, der eine weitgehende Angleichung der
Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung von Rechtsschutz gebietet, denn der Unbemittelte
braucht nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt werden, der seine Prozessaussicht vernünftig abwägt und dabei
auch das Kostenrisiko berücksichtigt.
Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass die vom Kläger erhobene Klage, mit der er im Wege einer kombinierten
Anfechtungs- und Leistungsklage einen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01. Juli 2005 bis
zum 31. Dezember 2005 unter dem Gesichtspunkt der Verfassungswidrigkeit der in § 20 Abs. 2 Zweites Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II) normierten Höhe der Regelleistung (mindestens 378,00 EUR monatlich an Stelle von
345,00 EUR monatlich), der Berücksichtigung von höheren Kosten der Unterkunft (KdU) nach § 22 Abs. 1 SGB II
(kein Abzuge einer Warmwasseraufbereitungspauschale iHv 9,00 EUR monatlich) und der Gewährung eines
Zuschlages nach § 21 Abs. 4 bzw. 5 SGB II iHv 120,75 EUR monatlich an Stelle von 61, 36 EUR monatlich
(Bescheid vom 18. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Mai 2005 und des Bescheides vom
28. August 2006) geltend macht, hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO bietet.
Zum einen ist die Höhe der Regelleistung nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig bestimmt. Der Senat hat keine
Zweifel daran, dass der Gesetzgeber bei der Bestimmung derselben in § 20 Abs. 2 SGB II seiner Verpflichtung aus
Art 1 Abs. 1 GG iVm Art 20 Abs. 1 und 3 GG zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges
Dasein des Hilfebedürftigen nachgekommen ist; insoweit wird auf das Urteil des Senats vom 09. Mai 2006, L 10 AS
1093/05, abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de, Bezug genommen. Nicht nur der Senat sondern auch kein
anderes Gericht hat bisher die Verfassungsmäßigkeit der Regelleistung in Frage gestellt. Eine andere Beurteilung der
Erfolgsaussicht ist auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil der Senat gegen seine bereits zitierte Entscheidung die
Revision zum Bundessozialgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Denn unter grundsätzlicher
Bedeutung im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG ist etwas anderes zu verstehen als unter hinreichende
Erfolgsaussicht, da eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung keine Aussage darüber enthält, ob
das Rechtsmittel erfolgreich sein wird, sondern nur besagt, dass ein Interesse der Allgemeinheit an der Klärung einer
bestimmten Rechtsfrage besteht (vgl. Bundesfinanzhof (BFH)/NV 2002, 662 ff).
Zum anderen liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 21 Abs. 4 SGB II für einen Zuschlag in Höhe von 35
vH der maßgeblichen Regelleistung beim Kläger offensichtlich nicht vor. Die Beklagte hat zudem den aus
medizinischen Gründen bestehenden Mehrbedarf für eine kostenaufwändigere Ernährung iHv 61,36 EUR nach § 21
Abs. 5 SGB II erst nach Vorlage der notwendigen Bescheinigung des behandelnden Arztes des Klägers Mitte Juni
2006, dh nach Erlass des angefochtenen Beschlusses, prüfen und bescheiden können. Ein konkreter medizinisch
notwendiger Bedarf, der nicht durch den mit Bescheid vom 28. August 2006 bewilligten Betrag von 61,36 EUR
monatlich abgedeckt wird, ist vom Kläger bisher weder nachvollziehbar dargelegt worden noch für den Senat
erkennbar.
Des Weiteren kann der Klage auch bzgl. der geltend gemachten höheren KdU keine, die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe bzw. Beiordnung eines Rechtsanwaltes rechtfertigenden Erfolgsaussichten beigemessen werden.
Der in den angefochtenen Bescheiden vorgenommene Abzug einer Warmwasseraufbereitungskostenpauschale von
9,00 EUR monatlich von den KdU (§ 22 Abs. 1 SGB II) begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. So
werden die Kosten der Energieversorgung einschließlich der Warmwasseraufbereitung von der Regelleistung nach §
20 SGB II erfasst, der die Wertungen der Regelsatzverordnung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII)
als Referenzsystem zu Grunde liegen (vgl. § 20 Abs. 3 SGB II; Berlit in LPK-SGB II § 22 RdNr 49; Lang in
Eicher/Spellbrink, SGB II § 22 RdNr 34 f). Diese von der Beklagten vertretene Auffassung wird auch von der bisher
vorliegenden obergerichtlichten (Hauptsache-) Rechtsprechung unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien geteilt (vgl.
Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 30. August 2005 – L 12 AS 2023/05 und Landessozialgericht
Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 27. März 2006 -L 8 AS 11/05 - , jeweils mwN; veröffentlicht in juris). Dass der
Pauschbetrag von 9,00 Euro monatlich die tatsächlichen Aufwendungen des Klägers für die Warmwasseraufbereitung,
die ebenso wie die Heizung über Fernwärme erfolgt und die gleichzeitig mit den Heizkosten individuell abgerechnet
werden, übersteigt, ist im Einzelnen nicht dargetan und nach der Aktenlage auch nicht ersichtlich.
Diese Entscheidung ist nicht mit einer Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177
Sozialgerichtsgesetz).