Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 20.10.2000

LSG Berlin und Brandenburg: arbeitsentgelt, bemessungszeitraum, entstehung, beitragspflicht, anwartschaft, vergütung, krankengeld, anspruchsdauer, ausbildung, gerichtsakte

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 20.10.2000 (rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 60 Ar 1986/96
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 4 AL 49/97
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Januar 1997 wird zurückgewiesen. Die
Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Bemessungsentgeltes für das der Klägerin ab 24. Januar 1996 zustehende Arbeitslosengeld -
Alg -. Vorrangig geht es dabei darum, ob das Ende des Bemessungszeitraumes für das Alg, das die Klägerin zuletzt
vor ihrer eine neue Anwartschaft begründenden Tätigkeit im Rahmen einer ABM bezogen hat, mehr als drei Jahre
zurückliegt und eine fiktive Bemessung des erzielbaren Arbeitsentgeltes vorzunehmen ist.
Die 1937 geborene, nicht verheiratete Klägerin absolvierte von 1952 bis 1955 eine Lehre als Damenmaßschneiderin
sowie von 1959 bis 1962 eine Ausbildung als Modegestalterin an der Ingenieurschule für Bekleidungsindustrie Berlin.
Anschließend war die Klägerin im erlernten Beruf tätig, u.a. von Mai 1981 bis 30. Juni 1990 als Gestalterin für
Trikotagen beim Modeinstitut der ehemaligen DDR, wo sie zuletzt einen wöchentlichen Bruttodurchschnittslohn von
345,25 DM erzielte.
Ab 19. Juli 1990 bezog die Klägerin Alg, unterbrochen durch ein Heilverfahren mit Übergangsgeld vom 9. Juli bis 6.
August 1991 (29 Kalendertage) sowie durch von der Beklagten geförderte berufliche Bildungsmaßnahmen vom 11.
Dezember 1991 bis 5. Juni 1992 (elektronische Text-Bild-Verarbeitung ohne Abschluss) und vom 14. September 1992
bis 4. Februar 1993 (Computergrafik mit Abschlussprüfung), während derer die Klägerin Unterhaltsgeld - Uhg - erhielt,
das zuletzt nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 710,- DM gewährt wurde. Vom 5. Februar bis 8. März
1993 (32 Kalendertage) bezog die Klägerin Krankengeld. Aufgrund der hierdurch erworbenen neuen Anwartschaft
gewährte die Beklagte der Klägerin ab 9. März 1993 Alg nach dem zuletzt maßgeblichen wöchentlichen
Bemessungsentgelt von 710,- DM, das zum 9. September 1993 auf 820,- DM dynamisiert wurde.
Vom 10. Januar 1994 bis 9. Dezember 1995 war die Klägerin mit Unterbrechung im Rahmen einer ABM mit
Qualifizierung zur Sozialberaterin beim W. F. Bildungswerk gGmbH tätig, wobei sie vom 6. September 1994 bis 30.
September 1995 arbeitsunfähig war und vom 1. Oktober bis 9. Dezember 1995 nach dem Hamburger Modell
beschäftigt wurde. Laut Arbeitsbescheinigung bezog sie vom 1. März bis 31. August 1994 bei einer wöchentlichen
Arbeitszeit von 28,5 Stunden Arbeitsentgelt von monatlich durchschnittlich 2.474,29 DM (insgesamt 14.845,71 DM),
im Anschluss daran vom 7. September 1994 bis 23. Januar 1996 Krankengeld.
Am 5. Januar 1996 meldete sich die Klägerin mit Wirkung zum 24. Januar 1996 arbeitslos und beantragte die
Wiederbewilligung des Alg. Die Beklagte gewährte ihr das Alg zunächst vorläufig mit Bescheid des Arbeitsamtes VI
Berlin vom 13. Februar 1996 antragsgemäß ab 24. Januar 1996 mit einer Anspruchsdauer von (312 + 57) 369 Tagen
nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 610,- DM und sodann mit Änderungsbescheid vom 4. März 1996
ab Beginn nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 880,- DM. Hierbei legte die Beklagte ein von der
Klägerin als Designer/Layouter im Bereich Mode erzielbares Entgelt entsprechend Vergütungsgruppe V a BAT-Ost in
Höhe von monatlich 3.833,24 DM zugrunde. Der wöchentliche Leistungssatz betrug 319,20 DM (Leistungsgruppe A,
allgemeiner Leistungssatz, Leistungstabelle 1996). Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin, die geltend
machte, dass ihre noch tätigen Berufskollegen nach BAT-Ost Vgr. IV b vergütet würden, wies die Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 1996 als unbegründet zurück. Die Klägerin habe durch ihre Beschäftigung im
Rahmen einer ABM bis 9. Dezember 1995 einen neuen Anspruch auf Alg erworben. Das Arbeitsentgelt im
Bemessungszeitraum, hier vom 1. März bis 31. August 1994, habe monatlich 2.474,93 DM betragen. Vor der ABM
habe die Klägerin Alg bezogen. Der letzte Tag des dafür maßgeblichen Bemessungszeitraumes sei der 30. Juni 1990
gewesen, so dass die Neubewilligung nicht nach dem bisherigen Bemessungsentgelt, sondern gemäß § 112 Abs. 5
Nr. 4 Satz 2, Abs. 7 Arbeitsförderungsgesetz - AFG - aufgrund des erzielbaren fiktiven Arbeitsentgeltes vorzunehmen
sei. Dies sei unter billiger Berücksichtigung des von der Klägerin ausgeübten Berufes, ihrer Ausbildung, ihres Alters
und der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes eine Vergütung entsprechend Vergütungsgruppe V b BAT-Ost.
Mit der am 21. Juni 1996 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt, Alg nach einem höherem
Bemessungsentgelt zu erhalten und geltend gemacht, dass ihr durch die ABM kein Nachteil einstehen dürfe und Alg
nach dem zuletzt maßgebenden Bemessungsentgelt gewährt werden müsse, das nach Dynamisierung mit
wöchentlich 990,- DM zugrunde zu legen sei. Im Übrigen müsse auch eine fiktive tarifliche Einstufung nach den
einschlägigen Tarifverträgen für die Textil- und Bekleidungsindustrie unter Berücksichtigung ihres beruflichen
Werdeganges höher erfolgen.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass die Klägerin bei ihrer letzten Arbeitslosmeldung im Hinblick auf ihre in der ABM
erworbene Qualifizierung zur Sozialberaterin eine Tätigkeit im sozialpädagogischem Bereich angestrebt habe und die
dafür in Betracht kommende Vergütung nach Vergütungsgruppe V a BAT-Ost günstiger sei als eine unter
Berücksichtigung der langen Arbeitslosigkeit und des Alters der Klägerin in der Modebranche bestenfalls in Betracht
kommende Vergütung.
Mit Urteil vom 29. Januar 1997 hat das Sozialgericht antragsgemäß die Beklagte unter Änderung der angefochtenen
Bescheide verurteilt, der Klägerin Alg ab 24. Januar 1996 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 990,-
DM zu gewähren und die Berufung - wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache - zugelassen. In den
Entscheidungsgründen, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Gericht im Wesentlichen
sinngemäß ausgeführt, die zulässige Klage sei begründet. Der Klägerin stehe dem Grunde nach ab 24. Januar 1996
ein Anspruch auf Alg nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 990,- DM zu. Das Alg betrage gemäß § 111
Abs. 1 Nr. 2 AFG für Arbeitslose ohne berücksichtigungsfähiges Kind 60 v.H. des um die gesetzlichen Abzüge, die
bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgeltes, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum
durchschnittlich in der Woche erzielt habe. Der Bemessungszeitraum umfasse gemäß § 112 Abs. 2 AFG die beim
Ausscheiden des Arbeitnehmers abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume der letzten sechs Monate der die
Beitragspflicht begründenden Beschäftigungen vor der Entstehung des Anspruches, in denen der Arbeitslose
Arbeitsentgelt erzielt habe. Hiernach ergebe sich aus dem erzielten monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 2.474,93 DM
während der ABM ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 570,- DM. Nach § 112 Abs. 5 Nr. 4 AFG sei nach einer
Beschäftigung im Rahmen einer ABM aber mindestens das gegebenenfalls dynamisierte Arbeitsentgelt zugrunde zu
legen, nach dem zuvor u.a. Alg berechnet worden sei. Hierdurch würden die Nachteile vermieden, die Arbeitslose
durch Aufnahme einer Beschäftigung im Rahmen einer niedrig bezahlten ABM erleiden würden. Abweichend davon sei
nach Satz 2 der Vorschrift, die nach Auffassung der Beklagten eingreife, mindestens das Arbeitsentgelt nach § 112
Abs. 7 AFG, d.h. das künftig erzielbare tarifliche Arbeitsentgelt, zugrunde zu legen, wenn der letzte Tag des für den
bisherigen Anspruch maßgebenden Bemessungszeitraumes bei Entstehung des neuen Anspruchs länger als drei
Jahre zurückliege. Zum Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf Alg ab 24. Januar 1996 habe zwar der letzte Tag
des für den Alg-Anspruches ab 19. Juli 1990 maßgebenden Bemessungszeitraumes länger als drei Jahre
zurückgelegen. Für den der ABM-Beschäftigung vorausgehenden Anspruch auf Alg ab 9. März 1993 seien aber die
letzten sechs Monate des Uhg-Bezuges bis zum 4. Februar 1993 der maßgebende Bemessungszeitraum gewesen,
von dessen Ende bis zum 24. Januar 1996 noch nicht mehr als drei Jahre vergangen gewesen seien. Die
Anwartschaft für den Alg-Anspruch ab 9. März 1993 habe die Klägerin durch die einer die Beitragspflicht
begründenden Beschäftigung gleichstehenden Zeiten des Heilverfahrens vom 9. Juli bis 6. August 1991, des Uhg-
Bezuges vom 11. Dezember 1991 bis 5. Juni 1992 und vom 14. September 1992 bis 4. Februar 1993 sowie des
Krankengeldbezuges vom 5. Februar bis 8. März 1993 im Umfang von insgesamt 383 Kalendertagen erworben. Da
Arbeitsentgelt in diesen Zeiten nicht bezogen worden sei, seien sie an sich für die Bemessung des Alg nicht zu
berücksichtigen. § 112 Abs. 5 Nr. 8 AFG sehe jedoch für die Zeit, in der der Arbeitslose wegen der Teilnahme an einer
Bildungsmaßnahme Uhg bezogen habe, eines Sonderregelung insoweit vor, als bei der Feststellung des
Arbeitsentgeltes im Sinne von § 112 Abs. 1 und 2 AFG das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen sei, nach dem bei
Teilnahme an der Maßnahme mit Ganztagsunterricht das Uhg zuletzt bemessen worden sei oder zu bemessen
gewesen wäre. Diese Bemessungsregelung führe nach der Rechtsprechung des BSG zu einer Verschiebung des
Bemessungszeitraumes insofern, als dieser jetzt durch den Bezug des Uhg bestimmt werde. Bezieher von Uhg
sollten wie Erwerbstätige behandelt werden. Dementsprechend sei bei der hier streitigen Bemessung des Alg vom
wöchentlichen Bemessungsentgelt von 710,- DM auszugehen, welches zuletzt dem Uhg zugrunde gelegen habe.
Dieses sei gemäß § 112 Abs. 5 Nr. 4 Satz 1 AFG so zu dynamisieren, als wenn die Klägerin während der ABM
arbeitslos geblieben wäre und Alg bezogen hätte, welches aufgrund weiterer Dynamisierungen entsprechend dem von
der Beklagten festgesetzten Dynamisierungsstichtag ab 9. September 1994 auf 930,- DM und ab 9. September 1995
auf 990,- DM zu dynamisieren gewesen wäre.
Gegen das ihr am 24. März 1997 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11. April 1997 Berufung eingelegt. Sie ist der
Auffassung, dass für die Berechnung der Drei-Jahres-Frist des § 112 Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 AFG der letzte Tag des
ursprünglichen Bemessungszeitraumes maßgebend sei, auch wenn das darin erzielte Arbeitsentgelt einem
nachfolgenden Bemessungszeitraum zugeordnet worden sei. Auch wenn der einer ABM-Tätigkeit vorausgehende Alg-
Anspruch auf Zeiten mit Uhg-Bezug beruhe, sei nicht von einem eigenständigen Bemessungszeitraum mit
Arbeitsentgelt auszugehen; Anpassungsstichtag bleibe hierbei der für die Bemessung des Uhg maßgeblich gewesene
Anpassungsstichtag, d.h. im vorliegenden Fall der 30. Juni 1990. Das BSG habe entschieden, dass die Gewährung
von Alg nach dem Bezug von Uhg keine andere Berechnung einer Drei-Jahres-Frist nach dem Ende des
ursprünglichen Bemessungszeitraumes zur Folge habe. Die vom Sozialgericht zitierte Rechtsprechung des BSG gelte
nur für Alg-Neubemessungen nach Uhg-Bezug. Im Falle der Klägerin komme daher § 112 Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 AFG zur
Anwendung. Die vorgenommene Einstufung gemäß § 112 Abs. 7 AFG nach Vergütungsgruppe V a BAT-Ost sei nicht
zu beanstanden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Januar 1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben Fotokopien von Unterlagen aus dem einen ähnlich gelagerten Fall betreffenden
Revisionsverfahren - B 7 AL 24/99 R - (vgl. Bl. 57 - 60 Gerichtsakte) erhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die die Klägerin betreffenden Leistungsakten der
Beklagten zur Stamm-Nr. - - haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist bereits kraft Gesetzes zulässig, so dass es der
Zulassung durch das Sozialgericht nicht bedurft hätte. Die Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung durch das
erstinstanzliche Urteil zur Gewährung von Alg nach einem Bemessungsentgelt von wöchentlich 990,- DM statt 880,-
DM, wobei die Anspruchsdauer ab 24. Januar 1996 369 Tage beträgt. Damit sind laufende Leistungen für mehr als ein
Jahr im Streit (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), deren Höhe zudem 1.000,- DM überschreitet, denn der Leistungssatz
differiert in der maßgebenden Leistungsgruppe A nach der Tabelle 1996 um wöchentlich (348,60 DM - 319,20 DM =)
29,40 DM, leistungstäglich 4,90 DM, was bei 369 Leistungstagen - ohne Berücksichtigung von Dynamisierungen oder
Anpassungen an die neue Leistungstabelle 1997 - einen Beschwerdewert von rd. 1.800,- DM ergibt (vgl. § 144 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 SGG).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Das angefochtene Urteil ist nicht mit Erfolg zu beanstanden.
Das Alg beträgt gemäß § 111 Abs. 1 Nr. 2 AFG in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 15. Dezember
1995 (BGBl. I S. 1824) für Arbeitslose ohne berücksichtigungsfähiges Kind - wie die Klägerin - 60 v.H. des um die
gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgeltes (§ 112 AFG).
Arbeitsentgelt in diesem Sinn ist gemäß § 112 Abs. 1 AFG das Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im
Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Woche erzielt hat. Der Bemessungszeitraum umfasst gemäß § 112 Abs.
2 AFG die beim Ausscheiden des Arbeitnehmers abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume der letzten sechs
Monate der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungen vor der Entstehung des Anspruches, in denen der
Arbeitslose Arbeitsentgelt erzielt hat. Hiernach ergäbe sich aus dem im Bemessungszeitraum vom 1. März bis 31.
August 1994 laut Arbeitsbescheinigung monatlich durchschnittlich erzielten Arbeitsentgelt von 2.474,29 DM ein
wöchentliches Bemessungsentgelt von - gerundet - 570,- DM (2474,29 DM x 3: 13).
Da es sich bei dieser Beschäftigung der Klägerin im Bemessungszeitraum um eine ABM gehandelt hat, ist das für
ihren Alg-Anspruch ab 24. Januar 1996 maßgebende Arbeitsentgelt nach der Sondervorschrift des § 112 Abs. 5 Nr. 4
AFG festzustellen. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist für die Zeit einer Beschäftigung, die im Rahmen einer ABM nach
den §§ 91 bis 96 AFG - wie vorliegend - gefördert worden ist, mindestens das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, nach
dem das Alg ... zuletzt bemessen worden ist; liegen die Voraussetzungen des § 112 a Abs. 1 AFG vor, so ist das
erhöhte Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. Demgegenüber ist nach Satz 2 der Vorschrift in eine Prüfung des fiktiv
erzielbaren Entgeltes nach § 112 Abs. 7 AFG einzutreten, wenn der letzte Tag des für den bisherigen Anspruch
maßgebenden Bemessungszeitraumes bei Entstehung des neuen Anspruchs länger als drei Jahre zurückliegt. Dem
Sozialgericht ist darin beizupflichten, dass die letztgenannte Vorschrift entgegen der Auffassung der Beklagten im
Falle der Klägerin nicht anwendbar ist.
Bisheriger Anspruch im Sinne des § 112 Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 AFG ist der Anspruch auf Alg, der der Klägerin ab dem
9. März 1993 zustand. Die Anwartschaftszeit für den damals entstandenen Alg-Anspruch hatte die Klägerin durch das
Heilverfahren mit Übergangsgeldbezug vom 9. Juli bis 6. August 1991 (29 Kalendertage), den Unterhaltsgeldbezug
vom 11. Dezember 1991 bis 5. Juni 1992 (178 Kalendertage) und vom 14. September 1992 bis 4. Februar 1993 (144
Kalendertage) sowie den Krankengeldbezug vom 5. Februar bis 8. März 1993 (32 Kalendertage), mithin durch Zeiten
im Umfang von insgesamt 383 Kalendertagen erworben, die gemäß § 107 Satz 1 Nr. 5 a, d AFG den Zeiten einer die
Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichstehen. Da Arbeitsentgelt in diesen Zeiten nicht bezogen worden
ist, sind sie an sich für die Bemessung des Alg nicht zu berücksichtigen. § 112 Abs. 5 Nr. 8 AFG sieht jedoch für die
Zeit, in der der Arbeitslose wegen der Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme Unterhaltsgeld bezogen hat, eine
Sonderregelung - nur - insoweit vor, als bei der Feststellung des Arbeitsentgeltes im Sinne von § 112 Abs. 1 und 2
AFG das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen ist, nach dem bei Teilnahme an der Maßnahme mit Ganztagsunterricht das
Unterhaltsgeld zuletzt bemessen worden ist oder zu bemessen gewesen wäre. Ziel dieser Vorschrift ist es, Bezieher
von Unterhaltsgeld wie Erwerbstätige zu behandeln (Urteil des BSG vom 22. Juli 1982 - 7 RAr 107/81 -). Somit lag
dem Alg-Anspruch der Klägerin ab 9. März 1993 zwar ein Bemessungsentgelt zugrunde, das letztlich auf dem
Arbeitsentgelt beruhte, das sie bei ihrer letzten regulären Beschäftigung bis zum 30. Juni 1990 erzielt hatte. Dies hat
rechtssystematisch jedoch nicht zur Folge, dass der Bemessungszeitraum für diesen damals neu entstandenen Alg-
Anspruch - wie beim vorherigen - am 30. Juni 1990 endete (auch wenn die Beklagte dieses Datum als
Dynamisierungsstichtag beibehalten hat). Rechtssystematisch umfasste der Bemessungszeitraum vielmehr regulär
nach § 112 Abs. 2 Satz 1 AFG (in der bis zum 31. Dezember 1993 geltenden Fassung) die Zeit vom 1. November
1992 bis 4. Februar 1993 mit dem Bezug der letzten mindestens 60 Kalendertage Unterhaltsgeld (vgl. Urteil des BSG
vom 1. April 1993 - 7 RAr 68/92 - in SozR 3-4100 § 112 Nr. 13 S. 57), das insofern wie Arbeitsentgelt angesehen wird.
Damit war der 4. Februar 1993 der letzte Tag des dem Alg-Anspruch ab 9. März 1993 zugrunde liegenden
Bemessungszeitraumes.
Die von der Beklagten zur Begründung ihrer Berufung vorgetragene Auffassung, dass nach der zitierten BSG-
Rechtsprechung Zeiten im Sinne des § 112 Abs. 5 Nr. 8 AFG nur bei Neubemessungen des Alg nach Unterhaltsgeld-
Bezug Zeiten des Bemessungszeitraumes im Sinne des § 112 Abs. 2 AFG seien, dürfte mit der Rechtsauffassung
des BSG nicht übereinstimmen.
Grundlage des Vergleiches, den die Beteiligten in dem durchaus ähnlich gelagerten Verfahren - B 7 AL 24/99 R - (dem
ein Berufungsurteil des erkennenden Senats vorausgegangen war) am 11. Mai 2000 geschlossen haben, war der
rechtliche Hinweis des BSG, dass bei dem Alg-Anspruch, den die dortige Klägerin vor dem neuen Alg-Anspruch durch
eine ABM-Tätigkeit u.a. aufgrund des Vorbezuges von Unterhaltsgeld erworben hatte, lediglich hinsichtlich des
Arbeitsentgeltes gemäß § 112 Abs. 5 Nr. 8 AFG auf die „Höhe“ des zuvor bezogenen Unterhaltsgeldes
zurückzugreifen sei. Hinsichtlich des Bemessungszeitraumes sei fraglich, ob auf einen vor dem Unterhaltsgeld-Bezug
liegenden Tag zurückgegriffen werden könnte. Das BSG geht damit ersichtlich auch bei einer derartigen Fallgestaltung
davon aus, dass sich der Bemessungszeitraum im Grunde nicht verschiebt (vgl. Schreiben des Berichterstatters an
die Beklagte vom 23. März 2000, das den hiesigen Beteiligten zur Kenntnis gegeben worden ist). Der erkennende
Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung nach eigener Überprüfung im vorliegenden Verfahren an. Die
gegenteilige Auffassung wird der gesetzlich gewollten Privilegierung der Bezieher von Unterhaltsgeld wie auch der im
Rahmen einer ABM anwartschaftsbegründend Beschäftigten nicht gerecht.
Liegt nach alledem im vorliegenden Fall der letzte Tag des für den vorherigen Alg-Anspruch der Klägerin
maßgebenden Bemessungszeitraumes bei Entstehung des neuen, hier in Rede stehenden Alg-Anspruches noch nicht
drei Jahre zurück, scheidet eine fiktive Neubemessung nach § 112 Abs. 5 Nr. 4 Satz 2, Abs. 7 AFG aus. Vielmehr ist
nach Satz 1 der Vorschrift das Bemessungsentgelt maßgebend, nach dem die Klägerin zuletzt vor Eintritt in die ABM
Alg bezogen hat, nämlich wöchentlich 820,- DM. Durch die vom Sozialgericht zutreffend angeführten
Dynamisierungen zum 9. September 1994 und 9. September 1995 ergibt sich für den Alg-Anspruch der Klägerin ab
24. Januar 1996 ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 990,- DM.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.