Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 08.09.2005
LSG Berlin-Brandenburg: ddr, erdöl, zugehörigkeit, erdgas, stipendium, universität, ausbildung, gleichstellung, gerichtsakte, rechtspflege
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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
21. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 21 RA 151/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 5 AAÜG, § 8 AAÜG
Anerkennung einer Studienzeit als gleichgestellte
Pflichtbeitragszeit nach dem AAÜG
Tenor
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Beklagten, den Zeitraum vom 01.
September 1971 bis 31. August 1978 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen
Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates und die in diesem
Zeitraum erzielten Entgelte festzustellen, streitig.
Der am … Mai 1947 geborene Kläger arbeitete zunächst als gelernter
Tiefbohrfacharbeiter beim VEB Erdöl und Erdgas in G. Vom 01. September 1968 bis 31.
August 1971 studierte er an der Bergakademie F., Arbeiter- und Bauern-Fakultät „W. P.“,
vom 01. September 1971 bis 31. Januar 1972 war er Student an der Hochschule für
Ökonomie in B., ab Februar 1972 wurde der Kläger zum Studium an der H.-Universität zu
B., Fachbereich Rechtswissenschaft, delegiert.Mit Wirkung vom 01. Mai 1972 schloss er
mit dem Ministerium der Justiz der ehemaligen DDR eine Vereinbarung zur Sicherung
seines späteren Einsatzes innerhalb der Rechtspflegeorgane. Am 17. März 1975
erlangte der Kläger den Abschluss eines Juristen. Bis zum 31. August 1978 absolvierte er
an der H.-Universität zu B. ein Diplom- und Forschungsstudium, der Grad des
Diplomjuristen wurde ihm am 16. Juli 1976 verliehen. Während seines Studiums erhielt
der Kläger ein Stipendium, für die Monate Januar bis August 1973 zu dem
Grundstipendium ein zusätzliches Leistungsstipendium. Für die Zeit der Studien ab 01.
September 1971 bis 31. August 1978 ist im Sozialversicherungsausweis des Klägers in
den Spalten beitragspflichtiger Gesamtverdienst eine pauschale Studentenversicherung
vermerkt. Beiträge zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des
Staatsapparates wurden für den Kläger ab 01. Mai 1972 entrichtet.
Am 01. September 1978 nahm der Kläger beim Vertragsgericht Berlin die Tätigkeit als
Assistent auf, er wurde zum 01. August 1979 zum Vertragsrichter berufen. Ab 01.
September 1983 bis 10. Juni 1990 war der Kläger Mitarbeiter der Rechtsstelle im Amt für
Preise beim Ministerrat der DDR, später Leiter der Arbeitsgruppe Recht in der Abteilung
internationale Kooperation im Ministerium der Finanzen und Preise ab 01. Januar 1990.
Am 12. Oktober 1998 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überführung von
Zusatzanwartschaften für den Zeitraum vom 01. September 1978 bis 10. Juni 1990.
Beim Rentenversicherungsträger beantragte er am 12. Oktober 1998 die Kontenklärung
und reichte hierzu Unterlagen zu seinem Versicherungsleben ein.
Mit Bescheid vom 07. September 2000 merkte der Rentenversicherungsträger in einem
Versicherungsverlauf die Zeit vom 01. September 1968 bis 31. Oktober 1971 als Zeit
der Hochschulausbildung nach § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -
vor.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 17. Mai 2001 den Zeitraum vom 01. September
1978 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur freiwilligen zusätzlichen
Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates und die in diesem
Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte fest. Einen hiergegen am 15. Juni 2001 erhobenen
Widerspruch nahm der Kläger am 31. Oktober 2001 zurück.
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Am 05. Dezember 2001 beantragte der Kläger die Überprüfung des
Feststellungsbescheides vom 07. September 2000 und machte u. a. geltend, der
Zeitraum vom 01. September 1971 bis 31. August 1978 fehle vollständig in der
Kontenklärung. Während des gesamten Zeitraums sei er über den VEB Erdöl oder über
den DDR-Ministerrat zum Studium delegiert worden. Er habe in dieser Zeit zwei
Studiengänge absolviert, zu denen er verpflichtet worden sei und die er erfolgreich
abgeschlossen habe. Es handele sich um Ausbildungszeiten mit Arbeitspflicht und daher
nicht um Anrechnungszeiten. Das Studium habe bereits am 01. Dezember 1971
begonnen, als Stipendiat habe er auf der Grundlage seines vorherigen Einkommens ein
Grundstipendium von 570 und später 600 Mark erhalten. Die beitragspflichtigen
Verdienste seien für den Zeitraum vom 01. Mai 1972 bis 31. August 1978 durch die
Beitragsnachweiskarte vom 19. April 1991 belegt.
Der Rentenversicherungsträger merkte mit Bescheid vom 14. Januar 2002 den Zeitraum
vom 01. September 1968 bis 16. Juli 1976 als Anrechnungszeittatbestand vor.
Mit Bescheid vom 18. Januar 2002 lehnte die Beklagte eine Änderung des Bescheides
vom 17. Mai 2001 mit der Begründung ab, Pflichtbeitragszeiten nach dem Anspruchs-
und Anwartschaftsüberführungsgesetz - AAÜG - lägen nur bei einer entgeltlichen
Beschäftigung oder Tätigkeit vor. Die Ausbildung an einer Hochschule bzw.
Fachhochschule erfülle diese Voraussetzung regelmäßig nicht. Beigefügt war die
Zweitschrift eines Bescheides des Rentenversicherungsträgers vom 14. Januar 2002.
Am 12. Februar 2002 erhob der Kläger Widerspruch „gegen den Bescheid vom 14.01.02“
und teilte unter dem 07. März 2002 mit, er habe Widerspruch gegen den Bescheid der
Beklagten einlegen wollen. Seine Studienzeiten in der DDR vom 01. Mai 1972 bis 30. Juni
1990 seien Ausbildungszeiten gewesen. Er bat, den Überprüfungsantrag an den
Zusatzversorgungsträger weiter zu geben und den Widerspruch bis zur rechtskräftigen
Entscheidung über die Zusatzversorgungszeiten ruhen zu lassen. Gegenüber der
Beklagten wiederholte er sein beim Rentenversicherungsträger vorgebrachtes Anliegen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2002 wies die Beklagte den „Widerspruch gegen
den Bescheid vom 18.01.2002“ zurück. Sie verwies auf die Trennung der Funktionen des
Rentenversicherungsträgers und Zusatzversorgungsträgers. Pflichtbeitragszeiten nach
dem AAÜG lägen nur bei einer entgeltlichen Beschäftigung oder Tätigkeit vor. Auch
unter Berücksichtigung des Umstands, dass Ausbildungszeiten in der ehemaligen DDR
als beitragspflichtige Versicherungszeiten im Sozialversicherungsausweis eingetragen
worden seien, sei die Ausbildung kein Bestandteil eines Beschäftigungsverhältnisses
gewesen. Mit der vorgelegten Beitragsnachweiskarte seien für den Zeitraum vom 01.
Mai 1972 bis 31. August 1978 keine Entgelte, sondern Mindestbeiträge zur
Aufrechterhaltung von Versorgungsanwartschaften nachgewiesen.
Mit seiner am 01. Juli 2002 vor dem Sozialgericht Neuruppin erhobenen Klage hat der
Kläger geltend gemacht, mit dem Feststellungsbescheid vom 07. September 2000 sei
der Zeitraum vom 01. September 1971 bis 31. August 1978 nicht belegt worden. Als
Ausbildungszeit mit Arbeitspflicht sei der Zeitraum nicht als Anrechnungszeit zu
berücksichtigen. Nachdem er bereits zuvor als Angehöriger des VEB Erdöl und Erdgas G.
zum Studium an die Bergakademie Freiberg delegiert gewesen sei, sei er auch am 01.
September 1971 zu einem Hochschulstudium an die Hochschule für Ökonomie B.
delegiert worden. Mit Vereinbarung vom 11. April 1972 sei er zu einem Wechsel des
Studiums veranlasst worden, nämlich zu einem vierjährigen Studium der
Rechtswissenschaften. Dies habe dem Ziel gedient, Justiziar des Bergbaubetriebes zu
werden. Dabei habe sich der Staat vorbehalten, besonders gute Absolventen auch in der
Rechtspflege einzusetzen. Er sei dabei weiter Angehöriger des VEB Erdöl gewesen. Der
Plan, nach abgeschlossenem Studium 1975 als Justiziar im VEB Erdöl beschäftigt zu
werden, sei durch Einsatzbeschluss des Ministeriums der Justiz vom 11. April 1974
geändert worden. Er sei nach absolviertem erfolgreichen Studium der
Rechtswissenschaften im Wissenschaftsbereich wissenschaftlich-technischer
Rechtsschutz der Sektion Rechtswissenschaften der H.-Universität eingesetzt worden
und habe dort gearbeitet und studiert mit dem Ziel der Promotion. Während der
gesamten Zeit sei er Betriebsangehöriger und Vertragsstudent mit einem Stipendium
gewesen, zuletzt ab 01. September 1976 mit einer Erhöhung auf monatlich 600 Mark.
Der beitragspflichtige Verdienst in der Zeit vom 01. Mai 1972 bis zum 31. August 1978
sei durch die Beitragsnachweiskarte vom 19. April 1991 belegt. Soweit die Beklagte die
Auffassung vertrete, sein beruflicher Werdegang könne rentenrechtlich so behandelt
werden wie der eines Studenten aus den alten Bundesländern, werde Ungleiches
gleichgesetzt. Die Entscheidung der Beklagten verstoße daneben gegen den
Beitragsgrundsatz der Rentenversicherung.
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Der Kläger hat an ihn gerichtete Schreiben des VEB Erdöl und Erdgas G. vom 05.
Oktober 1971, 08. März 1972und29. Juli 1974 eine Vereinbarung des Ministerrates der
DDR vom 11. April 1972, einen Einsatzbeschluss des Ministerrates der DDR vom 11. April
1974, eine Änderungsvereinbarung des Ministerrates der DDR vom 04. Oktober 1976,
eine Beitragsnachweiskarte und ein Schreiben des Ministeriums der Justiz an alle
Vertragsstudenten zur Gerichtsakte gereicht und erstinstanzlich beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2002 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2002 aufzuheben und den Bescheid vom 07.
September 2000 insoweit abzuändern, als die Zeit vom 01. September 1971 bis 31.
August 1978 als Pflichtbeitragszeit anerkannt wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat im Wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen und
ergänzend vorgetragen, der Kläger habe ein Stipendium erhalten, auch wenn dieses
unter Berücksichtigung seines letzten Einkommens berechnet worden sei. Der
Vereinbarung vom 11. April 1972 sei zu entnehmen, dass die Hochschulausbildung kein
Bestandteil des Beschäftigungsverhältnisses gewesen sei.
Mit Urteil vom 07. Mai 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zu Recht habe
die Beklagte die Änderung ihres Bescheides abgelehnt, da nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG
als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung
oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, als Pflichtbeitragszeit in der Rentenversicherung
gelten, und diese Voraussetzung während einer Ausbildung an einer Hochschule
regelmäßig nicht erfüllt werde. Die von dem Kläger zurückgelegten Studienzeiten seien
nicht als betriebliche Ausbildungszeiten Bestandteil eines Beschäftigungsverhältnisses
gewesen.
Gegen das am 03. Juni 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19. Juni 2003 Berufung
eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter. Streitig sei weiter, ob die Zeit von 1972 bis
1978 eine Beschäftigung oder Tätigkeit darstelle, die als Pflichtbeitragszeit nach § 5 Abs.
1 Satz 1 AAÜG festgestellt werden müsse. Eine Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1
SGB IV sei ausgeübt worden. In der Zeit vom 01. September 1971 bis 1975 sei er
Betriebsangehöriger des VEB Erdöl- und Erdgas-Erkundung G. gewesen. Während des
gesamten Zeitraums habe ein Arbeitsverhältnis bei diesem Betrieb bestanden. Er sei ab
01. September 1971 durch den VEB zum Direktstudium an die Hochschule für Ökonomie
Berlin/Karlshorst Fachrichtung Außenhandel verpflichtet worden. Während des Studiums
habe es zu seinen arbeitsrechtlichen Pflichten gehört, jedes Semester die erzielten
Leistungsnachweise in Form von Zeugnissen, schriftlichen Bestätigungen vorzulegen. Zu
seinen Pflichten habe auch der jährliche Besuch des delegierenden Betriebes in G.
gehört. Der Betrieb habe während der gesamten Studienzeit das Recht gehabt, die
Delegierung zum Studium wieder aufzuheben und ihn in den Produktionsbetrieb
einzuordnen.
Mit Vereinbarung vom 11. April 1972 sei er zu einem Studiumswechsel veranlasst
worden. Der delegierende Bergbaubetrieb habe dem Wechsel zugestimmt. Auch der
Hochschulwechsel habe dem Ziel der Weiterqualifizierung im Interesse des
Delegierungsbetriebes gedient, er sei auch während dieses Studiums an seinen Betrieb
gebunden gewesen. Für den Zeitraum vom 01. Mai 1972 bis 31. August 1978 sei er
Vertragsstudent des Ministeriums der Justiz gewesen. Die Vereinbarung vom 11. April
1972 trage Merkmale eines Arbeitsvertrages. Der mit dem Ministerium geschlossene
Vertrag habe eine Vereinbarung über den späteren Einsatz beinhaltet. Dem Ministerium
seien Krankheitszeiten und Leistungsnachweise beizubringen gewesen. Er sei
unmittelbar 1975 im Wissenschaftsbereich wissenschaftlich-technischer Rechtsschutz
der Sektion Rechtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin eingesetzt worden.
Es habe nach der Vereinbarung nach Zustandekommen eines Einstellungsvertrages mit
einem Rechtspflegeorgan geendet. Die Einstellung sei am 01. September 1978 erfolgt.
In der Zeit vom 01. Mai 1972 bis 28. Februar 1975 sei er nicht einfach Stipendiat,
sondern Vertragsstudent des Ministeriums der Justiz gewesen sei. Die Hochschulzeit
gleiche derjenigen eines im Staatsdienst befindlichen Angestellten, der im Rahmen
dieser Anstellung für den Staatsdienst weiterqualifiziert werde. Der Beschluss über die
Aus- und Weiterbildung in der Rechtspflege vom 28. Mai 1969 sowie die Ordnung über
die Zahlung von Sonderstipendium besagten, dass die Weiterqualifikation in der
Fachstudienrichtung Rechtspflege über das Ministerium der Justiz wie eine Ausbildung
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Fachstudienrichtung Rechtspflege über das Ministerium der Justiz wie eine Ausbildung
vertraglich ausgestaltet gewesen sei. Er habe ein als Vertragsstipendium bezeichnetes
Einkommen von 570 Mark, später monatlich 600 Mark erhalten. Das Stipendium habe
sich auch von anderen unterschieden, weil es sich nach dem letzten Einkommen
gerichtet habe. Die Mittel für das Sonderstipendium seien aus dem Haushalt des
Ministeriums beglichen worden. Ab 1972 sei auch die Zahlung von Beiträgen zur
zusätzlichen Altersversorgung nachgewiesen.
Der Kläger hat u. a. eine Ablichtung des Beschlusses über das System der Aus- und
Weiterbildung der juristischen Kader in den Rechtspflegeorganen vom 28. Mai 1969, eine
Vereinbarung über die Grundsätze der Delegierung von Bewerbern zum juristischen
Hochschulstudium, eine Ordnung über die Zahlung der Stipendien und Beihilfen für die
vom Ministerium für Justiz delegierten Studenten zum juristischen Direktstudium und ein
Schreiben der VEB Erdöl und Erdgas G. vom 13. September 1974, ein Schreiben
seinerseits vom 03. November 1975 und eine Bestätigung der Humboldt-Universität zu
Berlin vom 23. Oktober 1975 zur Gerichtsakte gereicht.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 07. Mai 2003 und den Bescheid der
Beklagten vom 18. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni
2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 17. Mai 2001
abzuändern und die Zeit vom 01. September 1971 bis 31. August 1978 als Zeit der
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des
Staatsapparates und die in diesem Zeitraum erzielten Entgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche
Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Rentenversicherungsträgers
und der Beklagten (Versicherungsnummer …) und auf die Gerichtsakte verwiesen, die
Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die
Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt hatten, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2
Sozialgerichtsgesetz - SGG - .
Die statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht
die Klage abgewiesen.
Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zulässig, sie ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2002 ist rechtmäßig. Zu Recht hat es die Beklagte
abgelehnt, ihren bestandskräftigen Bescheid vom 17. Mai 2001 abzuändern.
Nach § 44 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X - ist ein Verwaltungsakt, auch
nachdem er unanfechtbar geworden ist, zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall
ergibt, dass bei Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt
ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb
Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden
sind. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zutreffend hat es die Beklagte mit
dem bestandskräftigen Bescheid vom 17. Mai 2001 abgelehnt, den Zeitraum vom 01.
September 1971 bis 31. August 1978 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatz- oder
Sonderversorgungssystem festzustellen.
Das Begehren des Klägers ist letztlich auf die Leistung einer (höheren) Rente gerichtet.
Da der Kläger im streitigen Zeitraum originäre rentenrechtliche Zeiten im
bundesdeutschen Rentensystem nicht zurückgelegt hat, bedarf es zur Begründung und
Ausgestaltung von Rechten und Anwartschaften im Rahmen des Sechsten Buches
Sozialgesetzbuch - SGB VI - sowie zur Wertbestimmung einer Rente besonderer
bundesrechtlicher Grundlagen. Der Bundesgesetzgeber hat diesen Vorgang in zwei
voneinander zu trennende Verfahren gegliedert. Während das eine Verfahren mit dem
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voneinander zu trennende Verfahren gegliedert. Während das eine Verfahren mit dem
Erlass eines so genannten Entgeltbescheides endet, hat das andere einen die Rente
feststellenden Bescheid zum Ziel. In dem erstgenannten Verfahren hat der
Versorgungsträger, hier die Beklagte, dem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5
SGB VI ähnlich gemäß § 8 Abs. 1 AAÜG die Daten, die zur Durchführung der
Versicherung und zur Feststellung von Ansprüchen aus der Rentenversicherung
erforderlich sind, festzustellen und sie dem für die Feststellung der Leistungen
zuständigen Träger der Rentenversicherung mitzuteilen. Zu diesen Daten gehören die
Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem (§ 8 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 5
AAÜG) und die tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Nach § 8
Abs. 3 Satz 1 AAÜG hat der Versorgungsträger dem Berechtigten den Inhalt der
Mitteilung durch Bescheid bekannt zu geben (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2001,
Aktenzeichen B 4 RA 6/01 R, SozR 3-8570 § 8 Nr. 7 m.w.N.), so dass bei Vorliegen der
tatbestandlichen Voraussetzungen auch ein Anspruch auf einen solchen Verwaltungsakt
besteht.
Hinsichtlich des Zeitraums vom 01. September 1971 bis 31. August 1978 liegen die
tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Feststellung nach § 8 Abs. 3 AAÜG nicht vor.
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gelten als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung
Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung
oder Tätigkeit ausgeübt worden ist. Diese Norm bestimmt die Gleichstellung von Zeiten
der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem mit Pflichtbeitragszeiten der
Rentenversicherung für solche Zeiten, in denen „Versorgungsberechtigte“ eine
entgeltliche Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt haben, derentwegen eine zusätzliche
Altersversorgung in einem in der Anlage 1 und 2 zum AAÜG aufgelisteten System
vorgesehen war. Drei Tatbestandsvoraussetzungen, nämlich 1. Ausübung einer
Beschäftigung, 2. Entgeltlichkeit der Beschäftigung und 3. Beschäftigung im Rahmen
eines Versorgungssystems, müssen vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 2003,
Aktenzeichen B 4 RA 40/02 R, zitiert nach juris).
Der Anspruch des Klägers auf Feststellung der Studienzeit als gleichgestellte
Pflichtbeitragszeit nach § 5 AAÜG scheitert daran, dass keine entgeltliche Beschäftigung
vorlag. Aus der Funktion des § 5 AAÜG, Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatz- oder
Sonderversorgungssystem den Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen
Rentenversicherung nach dem SGB VI gleichzustellen, wenn eine Beschäftigung
ausgeübt worden ist, folgt, dass eine entgeltliche Beschäftigung vorgelegen haben
muss, weil auch nur aus einer solchen Beschäftigung eine Pflichtbeitragszeit nach dem
SGB VI folgt (§§ 1 Nr. 1, 55, 248 SGB VI, vergl.: BSG, Urteil vom 24. Juli 2003,
Aktenzeichen B 4 RA 40/02 R, a.a.O.). § 5 AAÜG regelt ergänzend zu § 248 Abs. 3 SGB VI
die Gleichstellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem mit
Pflichtbeitragszeiten, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist
(Schmidt in: Kreikebohm, SGB VI, § 5 AAÜG, Anm. 2). Zeiten der Fach- und
Hochschulausbildung in der ehemaligen DDR sind keine (Pflicht-)Beitragszeiten in der
Rentenversicherung (§ 248 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 SGB VI), eine Gleichstellung solcher Zeiten,
auch wenn sie innerhalb eines Versorgungssystems zurückgelegt worden sind, scheidet
grundsätzlich aus, wenn nicht auch zugleich eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt
worden ist.
Beschäftigung ist nach § 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – SGB IV – die
nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für
eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die
Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Bei der Anwendung des Bundesrechts auf
Sachverhalte aus der Zeit der ehemaligen DDR nach § 5 AAÜG sind zwar die
Besonderheiten der DDR zu berücksichtigen. Der Rechtsbegriff des Arbeitsverhältnisses
der DDR stimmte aber mit dem bundesdeutschen Rechtsverständnis weitestgehend
überein (Arbeitsleistung gegen Lohn, Weisungsrecht, Eingliederung in einen Betrieb, §§
40, 80-83, 95 Arbeitsgesetzbuch der DDR - AGB - ), so dass der Rechtsbegriff
„Beschäftigung“ auf einen Sachverhalt in der DDR nach Sinn und Zweck anwendbar ist
(BSG, Urteil vom 24. Juli 2003, Az.: B 4 RA 40/02 R, a.a.O).
Im hier streitigen Zeitraum lag weder eine Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis vor,
noch wurde Entgelt bezogen. Der Kläger war von seinem Beschäftigungsbetrieb, dem
VEB Erdöl und Erdgas G., zu dem Studium ab September 1971 delegiert worden.
Aufgrund der Delegierung mag der Kläger auch bestimmte Nachweispflichten über die
Absolvierung des Studiums gegenüber dem VEB Erdöl und Erdgas G. gehabt haben.
Arbeitspflichten bestanden jedoch nicht mehr, er unterlag nicht mehr den Weisungen
des Betriebes. Der Kläger war vielmehr durch die Delegierung von der Leistung einer
Arbeit in seinem Betrieb freigestellt. Er übte tatsächlich auch keine Tätigkeit oder
Beschäftigung für seinen Arbeitgeber aus. Aus dem Schreiben des VEB Erdöl und Erdgas
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Beschäftigung für seinen Arbeitgeber aus. Aus dem Schreiben des VEB Erdöl und Erdgas
G. vom 29. Juli 1974 geht auch hervor, dass eine Tätigkeit während des Studiums nicht
gefordert war. Mit dem Schreiben wurde das Interesse bekundet, den Kläger nach
erfolgreichem Abschluss des Studiums als Justiziar zu beschäftigen, eine Aufnahme
dieser Tätigkeit war beabsichtigt. Die Delegierung zum Studium erfolgte nicht unter
Begründung neuer Arbeitsaufgaben an einem neuen Arbeitsort unter Weiterzahlung
eines Lohnes entsprechend neuer Arbeitsaufgaben (§ 50 AGB). Beschäftigungen oder
Tätigkeiten für einen anderen Arbeitgeber ergaben sich auch nicht aus anderen
Vereinbarungen.
Auch aus der Vereinbarung mit dem Ministerium der Justiz vom 11. April 1972 ergeben
sich keine Arbeitspflichten; die in ihr aufgeführten Verpflichtungen des Klägers betreffen
allein die Studienorganisation. Mit dieser Vereinbarung wurde kein Arbeitsvertrag
geschlossen. Die Delegierung zum Studium ab 1. Mai 1972 stellte sich weiter als
Delegierung des VEB Erdöl und Erdgas G. dar.
Zwar geht aus dem Einsatzbeschluss des Ministerrates der DDR, Ministerium der Justiz,
Kommission für Absolventenvermittlung, vom 11. April 1974 hervor, dass der Kläger
nach Abschluss seines Studiums eine Tätigkeit im Wissenschaftsbereich aufnehmen
sollte, ein Arbeitsvertrag sollte bis zum 1. September 1974 abgeschlossen werde. Einen
solchen hat der Kläger nicht vorgelegt, ein Arbeitsverhältnis mit daraus folgenden
Pflichten ergibt sich aus dem Einsatzbeschluss nicht.
Arbeitsentgelt für die Ableistung des Studiums hat der Kläger nicht erhalten. Dies wird
von ihm nicht vorgetragen und ergibt sich auch nicht aus den vorgelegten Unterlagen. In
dem Sozialversicherungsausweis des Klägers ist für den strittigen Zeitraum als
versicherungspflichtiges Entgelt eine Studentenpauschale und kein beitragspflichtiger
Gesamtverdienst eintragen. Mit der Beitragsnachweiskarte der freiwilligen zusätzlichen
Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates ist für den Zeitraum vom 01. Mai
1972 bis 28. Februar 1975 unter Jahresbrutto-/Jahresnettoverdienst ein Stipendium
eingetragen, für die Zeit danach Verdienste bis 31. August 1978. Damit sind keine
Arbeitsentgelte bescheinigt worden. Mit der Beitragsnachweiskarte sind nur gezahlte
Beiträge zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des
Staatsapparates nachgewiesen, nicht jedoch der Erhalt von Arbeitsentgelt.
Der Kläger hat ein an seinem letzten Nettoverdienst vor Beginn der Studienzeit
ausgerichtetes Stipendium erhalten. Der Umstand, dass die Höhe des Stipendiums sich
nach seinem letzten Verdienst richtete, ändert nichts daran, dass damit kein Entgelt,
sondern eine Studienunterstützung bezogen wurde. Weder aus der Vereinbarung vom
11. April 1972, noch aus dem Einsatzbeschluss vom 11. April 1974 ergibt sich die
Vereinbarung eines Lohns oder Entgelts. Dass der Kläger kein Entgelt während des
Studiums erhalten hat, ergibt sich weiter aus dem Schreiben des Ministerrates der DDR
vom 04. Oktober 1976 – Änderungsvereinbarung -, wonach der Kläger ab 01. September
1976 ein monatliches Vertragsstipendium von 600 Mark erhielt. Die Art und Weise, wie
der der Kläger sein Studium aufgenommen hat und während des Studiums abgesichert
worden ist, entsprach damit insgesamt der Vereinbarung über die Grundsätze der
Delegierung von Bewerbern zum juristischen Hochschulstudium vom 12. August 1969.
Dort war unter II und III festgelegt, dass den immatrikulierten Studenten ein
Sonderstipendium nach der Studienregelung des Ministeriums für Justiz zu gewähren
und mit ihnen eine vertragliche Vereinbarung über das Studium, die Höhe des
Stipendiums und ihren späteren Einsatz abzuschließen war. Die Höhe der Stipendien
und Beihilfen war in der Ordnung über die Zahlung der Stipendien und Beihilfen für die
vom Ministerium für Justiz delegierten Studenten zum juristischen Direktstudium am 09.
Juni 1969 geregelt - Stipendienordnung - . Die Stipendien wurden in Abhängigkeit des
durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens des letzen Jahres vor Aufnahme des
Stipendiums gezahlt (I 1 Buchstabe c Stipendienordnung). Die Zahlung eines
Stipendiums sollte nicht die Entgeltzahlung des Arbeitgebers bewirken oder ersetzen, sie
diente dem Unterhalt während des Studiums (Stipendienordnung, Vorbemerkung).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in §§ 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG
genannten Gründe vorliegt.
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