Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 12.11.2003

LSG Berlin und Brandenburg: arzneimittel, versorgung, behandelnder arzt, verordnung, krankenversicherung, sicherheit, krankheit, wahrscheinlichkeit, chemotherapie, tumor

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 12.11.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Potsdam S 7 KR 166/00
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 4 KR 53/01
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. November 2001 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu
erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erstattung bzw. Freistellung von Kosten für eine Herzeptin(Trastuzumab)-Behandlung.
Die am ... 1960 geborene Klägerin wird seit November 1999 wegen fortgeschrittenem Mamma-Karzinom behandelt. Im
Februar 2000 beantragte sie bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Therapie mit Herzeptin. Der operierte
Tumor sei hormonrezeptor-negativ gewesen und die "ErbB 2-Expression sei mit einem Grad + III sehr stark
ausgeprägt", teilte ihr behandelnder Arzt, der Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II mit Schwerpunkt
Onkologie und Hämatologie Prof. Dr. K. P., vom Klinikum C. in B. unter dem 14.02.2000 mit. Wegen des jugendlichen
Alters und der hohen Rezidiv-Wahrscheinlichkeit sollte eine "adjuvante" Behandlung mit Herzeptin erfolgen.
Die Beklagte holte das MDK-Gutachten vom 29. Februar 2000 zu der Frage ein, ob Leistungsansprüche für
"unkonventionelle Untersuchungs- bzw. Behandlungsmethoden" bestünden, insbesondere ob andere
Behandlungsmethoden zur Verfügung stünden. Im Gutachten vom 29. Februar 2000 teilte der MDK mit, dass
Herzeptin in der adjuvanten Situation noch Gegenstand der Forschung sei, es sei für die adjuvante Therapiesituation
nicht zugelassen.
Nachdem bereits am 28. März 2000 telefonisch mitgeteilt worden war, dass eine Kostenübernahme nicht möglich sei,
lehnte die Beklagte die Kostenübernahme mit Bescheid vom 03. April 2000 ab. Bei der Verordnung von Arzneimitteln
hätten Vertragsärzte die Arzneimittel-Richtlinien zu beachten, die dazu dienten, den Versicherten eine nach den
Regeln der ärztlichen Kunst zweckmäßige und ausreichende Versorgung mit Arzneimitteln unter Vermeidung
entbehrlicher Kosten zukommen zu lassen. Der MDK habe mitgeteilt, dass Herzeptin für eine adjuvante
(unterstützende) Therapiesituation nicht zugelassen sei. Deshalb dürfe keine Beteiligung an den Kosten für die
Herzeptin-Therapie erfolgen.
Auf den gegen die Ablehnung eingelegten Widerspruch dem auch eine weitere Stellungnahme des Prof. Dr. P. vom
04. April 2000 zugrunde lag, legte die Beklagte die Fragestellung erneut dem MDK vor, der wiederum darauf hinwies
(Gutachten vom 13. April 2000), dass Herzeptin nur zur Behandlung des metastasierten Mamma-Karzinoms
zugelassen sei. Bei der Klägerin sei eine Chemotherapie durchgeführt worden. Zu Erfolg oder Misserfolg könne nichts
gesagt werden, da eine Metastasierung nicht nachgewiesen sei. Von daher könne eine Kostenübernahme nicht
befürwortet werden. Der Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2000 wies den Widerspruch zurück, Herzeptin sei
nur zur Behandlung von Patienten mit metastasiertem Mamma-Karzinom zugelassen, diese Indikation liege hier nicht
vor.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat sich die am 09. November 2000 beim Sozialgericht Potsdam erhobene Klage
gerichtet: Die C. habe unter dem 04. April 2000 unter Darlegung der bei der Klägerin gegebenen Verhältnisse
ausgeführt, aufgrund welcher Umstände eine kombinierte Herzeptin- und Chemotherapie im Falle der Klägerin indiziert
sei. Es sei insbesondere dargelegt worden, dass aufgrund der überzeugenden Ergebnisse in der metastasierten
Behandlungssituation der Einsatz in der adjuvanten Therapie aus ärztlicher Sicht sinnvoll sei. Zudem sei der Klägerin
mindestens ein Parallelfall bekannt, in welchem eine andere Kasse - Barmer Ersatzkasse - die hier streitigen
Therapiekosten übernommen habe.
Das Sozialgericht hat Auskünfte zur Herzeptin-Behandlung von Prof. Dr. P. eingeholt, der unter dem 01. März 2001
mitgeteilt hat, dass sämtliche 28 bei der Klägerin entnommenen Lymphknoten bereits vom Tumor befallen gewesen
seien. Deshalb sei eine intensive Chemotherapie mit Taxol durchgeführt worden. Eine Taxol-Therapie in Kombination
mit Herzeptin bedinge im metastasiertem Stadium eine erheblich ausgedehntere Tumorzellzerstörung, wozu in den
USA Studien mit dieser Kombination auch in adjuvanter Situation begonnen seien. Nachdem eine Kostenübernahme
durch die Beklagte nicht erfolgt sei, habe sich die Klägerin entschlossen, die Therapiekosten selbst zu tragen.
Nachdem die Beklagte ein Grundsatzgutachten zur Herzeptin-Therapie des MDK vom 16. Februar 1999 übermittelt
hatte, teilte Prof. Dr. P. unter dem 12. Juli 2001 mit, dass dieses Gutachten aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten
EU-Zulassung von Herzeptin von untergeordneter Relevanz sei. Aufgrund der Forschungsergebnisse in der
metastasierten Situation sei im Frühjahr letzten Jahres eine Studie zur adjuvanten Therapie aktiviert worden, in der
geprüft werde, ob der Einsatz von Trastuzumab in Kombination mit Zytostatika die Rückfall- und
Metastasierungsraten bei Patientinnen mit hohem Risiko reduzieren könne. Mit Ergebnissen und damit einer sicheren
Aussage, sei jedoch erst in einigen Jahren zu rechnen. Aufgrund der Gesamtsituation der Klägerin (junge Patientin,
sehr hohes Rückfallrisiko) sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die eine Heilung wahrscheinlicher
machten. Die Wirksamkeit von Trastuzumab sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt in der adjuvanten Therapie nicht
erwiesen, aber doch realistisch anzunehmen, so dass im Rahmen eines Heilversuchs der Einsatz als gerechtfertigt
betrachtet und eine Erstattung der Kosten befürwortet werde.
Die Klägerin hat Rechnungen über die Lieferung von Herzeptin vorgelegt.
Mit Urteil vom 20. November 2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Ein Anspruch auf Kostenerstattung
bestehe gemäß § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nur, wenn die Krankenkasse eine
unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig habe erbringen können oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe und
dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden seien. Die bei der Klägerin
durchgeführten Herzeptin-Therapie sei nicht als so genannte Notfallbehandlung vorgenommen worden, vielmehr sei
die Behandlung "adjuvant" erfolgt. Die Beklagte habe die Leistung auch zu Recht abgelehnt. Gemäß § 31 Abs. 1 SGB
V bestünde Anspruch auf Versorgung mit den Arzneimitteln, die in der vertragsärztlichen Versorgung
verordnungsfähig seien. Gemäß § 92 Abs. 1 SGB V beschließe der Bundesausschluss der Ärzte und Krankenkassen
die zur Sicherung zur ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende,
zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten. Im Rahmen dessen sei die Richtlinie über die
Verordnung über Arzneimittel in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinien/AMR) erlassen worden.
Nach Ziffer 3 der AMR habe der Versicherte grundsätzlich Anspruch auf die Versorgung mit allen nach dem
Arzneimittelgesetz verkehrsfähigen Arzneimitteln, sofern sie nicht aus der Leistungspflicht der gesetzlichen
Krankenversicherung ausgeschlossen seien oder soweit sie nicht nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot nur
eingeschränkt verordnet werden dürften. Nach den Richtlinien seien Erprobungen von Arzneimitteln auf Kosten des
Versicherungsträgers unzulässig.
Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen beziehe sich nur auf zugelassene Arzneimittel. Die Klägerin
gehöre nicht zu dem Personenkreis, auf den sich die Zulassung von Herzeptin beziehe. Bei der Klägerin seien keine
Metastasen vorhanden gewesen. Vielmehr solle die adjuvante Therapie im Rahmen eines Heilversuchs durchgeführt
werden, wobei die Wirksamkeit nicht sicher festgestellt werden könne, da dies in laufenden Studien noch erprobt
werden solle. In Ziffer 12 der AMR sei festgelegt, dass Arzneimittel - auch zugelassene Arzneimittel - nicht auf
Kosten des Versicherungsträgers erprobt werden dürften.
Gegen das ihren Bevollmächtigen am 30. November 2001 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom
17. Dezember 2001. Das Sozialgericht habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, inwiefern der
Krankheitsverlauf bei der Klägerin vergleichbar sei mit den Krankheitsverläufen, bei denen die Richtlinie über die
Verordnung über Arzneimittel in der vertragsärztlichen Versorgung die Herzeptinbehandlung vorsehe. Darüber hinaus
bestünden erhebliche Zweifel an der Verbindlichkeit der Richtlinie über die Verordnung über Arzneimittel in der
vertragsärztlichen Versorgung gegenüber den Versicherten. Dass bei der Klägerin keine Metastasen diagnostiziert
worden seien, sei lediglich einem glücklichen Zufall zu verdanken. Die hohe Zahl der befallenen Lymphknoten sei
vergleichbar mit denen in den Arzneimittelrichtlinien aufgeführten metastasierenden Erkrankungen. Mit dieser
Vergleichbarkeit hätte sich das Sozialgericht auseinandersetzen müssen. Die Herzeptin-Abgabe an die Klägerin sei
auch notwendig gewesen, da sie eine Verschlimmerung der Krankheit bei der Klägerin verhindere. Dies habe auch
eine neue Vorstellung bei Prof. Dr. P. am 13. November 2001 ergeben, der keine Anzeichen für ein Tumorrezidiv
diagnostiziert habe. Zuzugeben sei, dass über eine adjuvante Herzeptin-Therapie noch keine hinreichende Studien
vorhanden seien, jedoch sei aufgrund der Vergleichbarkeit der Sachlage mit den metastasierenden Karzinomen und
dem bisherigen Heilungsverlauf bei der Klägerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass
die adjuvante Behandlung zum wesentlichen Heilerfolg beigetragen habe. Im Übrigen komme den Richtlinien nach §
92 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V keine normative Wirkung zu, sie erzeuge ähnlich wie Verwaltungsvorschriften
eine Selbstbindung der Körperschaften. Das Sozialgericht hätte demnach dem Vortrag der Klägerin, dass mindestens
in einem gleichgelagerten Parallelfall eine Herzeptin-Behandlung von der Beklagten erstattet worden sei, nachgehen
müssen. Durch die Verweigerung der Erstattung gegenüber der Klägerin habe die Beklagte gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Zudem unterlägen die Richtlinien der Überprüfung auf ihre Vereinbarkeit mit
höherrangigem Recht, es sei verfassungsrechtlich bedenklich, anhand von Richtlinien über den Kernbestand der
körperlichen Unversehrtheit von Versicherten zu entscheiden. Unter Beachtung der Wesentlichkeitsrechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts entspreche die Herzeptin-Zulassung für eng begrenzte Anwendungsgebiete nicht den
aus Art. 80 Grundgesetz sowie dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Anforderungen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. November 2001 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des
Bescheides vom 03. April 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2000 zu verurteilen, die
Kosten für die durchgeführte Herzeptin-Therapie in Höhe von insgesamt 27.568,71 DM (14.095,66 Euro) zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend, insbesondere gehöre die Klägerin nicht zu dem Personenkreis, für
dass das Arzneimittel Herzeptin die Zulassung erhalten habe.
Der Senat hat die Auskünfte der C. - Prof. Dr. P. - vom 06. November 2002 und 02. Februar 2003 eingeholt, denen
Unterlagen über das Medikament Herzeptin (Trastuzumab) beigefügt waren.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze und wegen der weiteren Einzelheiten auf
den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vom Senat beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug
genommen. Diese Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die
Herzeptin-Therapie gegen die Beklagte hat. Es ist dabei zu Recht davon ausgegangen, dass der in § 27 SGB V
normierte Anspruch auf Krankenbehandlung die Versorgung mit Arzneimitteln nach § 31 Abs. 1 SGB V umfasst. Auf
die dortige Herleitung der Einschränkung der Leistungspflicht der Beklagten auf Versorgung nur im Rahmen der
Zulassung eines Arzneimittels braucht indes angesichts der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19.
März 2002 (SozR 3-2500 § 31 Nr. 8 - B 1 KR 37/00 R) nicht weiter eingegangen zu werden.
In der genannten Entscheidung zum so genannten "Off-Label-Use" hat das BSG ausgeführt, dass der Anspruch des
Versicherten auf Bereitstellung der für die Krankenbehandlung benötigten Arzneimittel den Einschränkungen aus § 2
Abs. 1 Satz 3 und § 12 Abs. 1 SGB V unterliege. Qualität und Wirksamkeit eines zulassungspflichtigen Arzneimittels
seien dabei allein im Rahmen des arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens zu prüfen, nicht aber bei Anwendung
der Vorschriften des SGB V. Im Rahmen der Zulassung des Arzneimittels seien auch die Qualitäts- und
Wirtschaftlichkeitsanforderungen des SGB V erfüllt, so dass es einer gesonderten Qualitäts- und
Wirtschaftlichkeitsprüfung in diesem Bereich nicht bedürfe. Ein zum Verkehr zugelassenes Arzneimittel dürfe
grundsätzlich nicht zu Lasten der Krankenversicherung in einem Anwendungsgebiet verordnet werden, auf dass sich
die Zulassung nicht erstrecke.
Von diesem Grundsatz macht das Bundessozialgericht Ausnahmen nur dann, wenn andernfalls eine ernste,
lebensbedrohende Krankheit - wie Krebs oder Aids - oder ein mit schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder
Schmerzen verbundenes Leiden mangels therapeutischer Alternativen nicht wirksam behandelt werden könnte.
Defizite des Arzneimittelsrechts dürften nicht dazu führen, dass Versicherten "unverzichtbare und erwiesenermaßen
wirksame Therapien vorenthalten" blieben. Der Mangel fehlender Zulassung könne allerdings nur in eng begrenzten
Ausnahmenfällen behoben werden, weil es sich nicht um einen Mangel im Leistungssystem der gesetzlichen
Krankenversicherung handele, sondern um eine Versorgungslücke, die dadurch entstehe, dass das Arzneimittelrecht
die ihm zugedachte Funktion nicht erfülle. Wegen des Vorrangs des Arzneimittelrechts müsse ein Off-Label-Use zu
Lasten der Krankenversicherung auf Fälle beschränkt bleiben, in denen einerseits ein unabweisbarer und anders nicht
zu befriedigender Bedarf an der Arzneitherapie bestehe und andererseits die therapeutische Wirksamkeit und
Unbedenklichkeit der Behandlung hinreichend belegt seien. Die Verordnung zu Lasten der Krankenkasse in einem von
der Zulassung des Medikaments nicht umfassten Anwendungsgebiet komme nur in Betracht, wenn es 1. um die
Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig
beeinträchtigenden) Erkrankung gehe, wenn 2. keine andere Therapie verfügbar sei und wenn 3. aufgrund der
Datenlage die begründete Aussicht bestehe, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder
palliativ) erzielt werden könne. Damit letzteres angenommen werden könne, müssten Forschungsergebnisse
vorliegen, die erwarten ließen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden könne. Davon
könne ausgegangen werden, wenn entweder die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt sei und die Ergebnisse
einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht seien und eine
klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegten oder
außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht seien, die über Qualität und
Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare
Aussagen zuließen und aufgrund deren in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen
Nutzen in dem vorgenannten Sinne bestehe.
Diesen Anforderungen genügen die vorliegenden Erkenntnisse zum hier streitigen Medikament Herzeptin
(Trastuzumab) nicht. Hierzu hat der behandelnde Arzt der Klägerin, Prof. Dr. P., unter dem 02. Februar 2003
mitgeteilt, dass in Bezug auf Daten zur adjuvanten Anwendung des Medikaments festzustellen sei, dass die
randomisierten Studien noch nicht abgeschlossen seien. Dieser Arzt hatte bereits gegenüber dem Sozialgericht unter
dem 12. Juli 2001 mitgeteilt, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden sollten, die eine Heilung wahrscheinlicher
machten. Die Wirksamkeit von Trastuzumab sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt in der adjuvanten Therapie nicht
erwiesen, aber doch realistisch anzunehmen, so dass es im Rahmen eines Heilversuchs gerechtfertigt erscheine,
eine Erstattung der Kosten zu befürworten. Der Heilversuch im Rahmen einer "adjuvanten Therapie" aufgrund nicht
gesicherter Erkenntnisse kann nicht den vom Bundessozialgericht dargelegten Ausnahmefällen zugeordnet werden.
Soweit mit der Berufung geltend macht wird, der Krankheitsverlauf bei der Klägerin sei vergleichbar mit den
Krankheitsverläufen, bei denen die Richtlinie über die Verordnung über Arzneimittel in der vertragsärztlichen
Versorgung die Herzeptin-Behandlung vorsehe, betraf dies den Zustand vor der EU-Zulassung, wo der Einsatz bei
Metastasen geregelt war und ist nunmehr zum einen durch die inzwischen erfolgte arzneimittelrechtliche Zulassung
von Herzeptin gegenstandlos. Zum anderen ist nach der genannten Entscheidung nicht ein Systemversagen zu
beurteilen, sondern eine Versorgungslücke, die unter den o. g. Umständen jedoch nicht anzunehmen ist.
Soweit sich die Klägerin (Schriftsatz vom 26. Februar 2002) auf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes
bezieht, weil in einem anderen Fall eine Kostenübernahme erfolgt sei, kann es darauf nicht ankommen, weil eine
Gleichbehandlung nur dann möglich wäre, wenn die beantragte Kostenerstattung grundsätzlich zulässig wäre, was
aber jedenfalls für den Fall der Klägerin - wie ausgeführt - nicht anzunehmen ist. Auch der Anspruch der Klägerin auf
"Schutz ihrer körperlichen Unversehrtheit" (ebenfalls Schriftsatz vom 26. Februar 2002) kann gegenüber der Beklagten
nur im Rahmen von Leistungsansprüchen nach den Vorschriften des SGB V in Betracht gezogen werden. Da derartige
Leistungsansprüche jedoch nicht bestehen, verletzt die Beklagte auch nicht entsprechende Grundrechte.
Der Vortrag der Klägerin (Schriftsatz v. 14. Januar 2002), dass die Herzeptin-Abgabe an sie auch notwendig gewesen
sei, da sie eine Verschlimmerung ihrer Krankheit verhindert habe, mag zutreffen, ist indessen nicht mit der vom
Bundessozialgericht näher beschriebenen Sicherheit belegt. Insoweit gibt es keine abgeschlossenen Studien, die die
Wirksamkeit des Medikaments in der "adjuvanten" Situation hinreichend belegen. Ob aufgrund der Vergleichbarkeit
der Sachlage bei metastasierenden Karzinomen (Heilanzeige von Herzeptin) und dem bisherigen Heilungsverlauf bei
der Klägerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei, dass die adjuvante Behandlung zum
wesentlichen Heilerfolg beigetragen habe, ist lediglich eine Vermutung.
Die Berufung kann danach keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG abzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG ) liegen nicht vor.