Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 22.06.2004
LSG Berlin und Brandenburg: verbreitung, erlass, herausgabe, unentgeltlich, markt, internet, verfügung, download, produkt, thesaurus
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 22.06.2004 (rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 87 KR 1750/03 ER
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 9 B 10/04 KR ER
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 08. Dezember 2003 wird
zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens vor dem Landgericht
Berlin.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 50.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, der Antragsgegnerin zu untersagen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs einen deutschen Prozedurenthesaurus (Alphabetisches
Verzeichnis) für die Arbeit mit Prozedurenklassifikationen (unentgeltlich) anzubieten und zu verbreiten.
Bei der Antragstellerin handelt es sich um eine Gesellschaft, die Werke für die medizinische Dokumentation u.a. in
Kliniken erstellt und vertreibt. Ihr Hauptprodukt ist ID DIACOS®, das zahlreiche medizinische Klassifikationen und
Wissensbasen enthält und diese durch verschiedene Werkzeuge nutzbar macht. Enthalten sind u.a. die ICD-9
(Internationale Klassifikation der Krankheiten), die ICD-10 der WHO, die ICPM (Internationale Klassifikation der
Prozeduren in der Medizin) sowie der OPS-301. Bei dem OPS-301 handelt es sich um den vom Deutschen Institut für
Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) gemäß § 301 Abs. 2 des Fünften Buches des
Sozialgesetzbuches (SGB V) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung
herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssel, in dem die Prozeduren nach medizinischen, überwiegend
organbezogenen Gesichtspunkten geordnet sind. Das von der Antragstellerin vertriebene Produkt ID DIACOS®
enthält über die benannten Klassifizierungen hinaus einen so genannten ID-Prozedurenthesaurus, der es dem
Anwender, dem einzelne Codes oder Prozeduren nicht bekannt sind, ermöglicht, diese über Synonyme oder
Spezifizierungen zu ermitteln. Dieser Prozedurenthesaurus erstreckt sich sowohl auf die ICPM als auch auf den OPS-
301.
Die Antragsgegnerin entwickelte zwischenzeitlich einen eigenen Prozedurenthesaurus zum � aktuell als
Version 2004 vorliegenden und in einen amtlichen Teil und einen nicht-amtlichen Erweiterungskatalog aufgegliederten
- OPS-301, in dem die einzelnen Prozeduren unter ausgewählten, alphabetisch geordneten Stichwörtern zusammen
mit der passenden Schlüsselnummer aus dem OPS-301 aufgelistet sind (Alphabetisches Verzeichnis). Diesen bot sie
ab Februar 2003 als Testversion 0.9 zum Download im Internet kostenlos an. Seit August 2003 liegt die erste offizielle
Version 1.0 des Prozedurenthesaurus (OPS-301 Alphabetisches Verzeichnis Version 2004) vor und wird kostenlos an
alle Interessenten verbreitet.
Gegen die Verbreitung dieses Prozedurenthesaurus wendet sich die Antragstellerin. Nachdem sie zunächst im April
2003 beim Landgericht Köln den Erlass der auch im vorliegenden Verfahren begehrten einstweiligen Anordnung
beantragt, ihren Antrag jedoch auf den Hinweis des Gerichts, eine Verweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht
zu beabsichtigen, zurückgenommen hatte, hat sie vorliegend am 09. Mai 2003 den Erlass der einstweiligen
Anordnung beim Landgericht Berlin beantragt. Dieses hat das Verfahren mit Beschluss vom 23. Juni 2003 an das
Sozialgericht Berlin verwiesen (Aktz.: 16 O 244/03 LG Berlin). Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der
Antragstellerin hat das Kammergericht Berlin (2 W 11/03 Kart) mit Beschluss vom 09. September 2003
zurückgewiesen.
Zur Sache hat die Antragstellerin vorgetragen, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen
Anordnung vorlägen. Die Eilbedürftigkeit werde zu ihren Gunsten in wettbewerbsrechtlichen Verfahren nach § 25 des
Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vermutet. Diese Vermutung habe die Antragsgegnerin nicht
widerlegt. Auch liege ein Anordnungsanspruch vor. Zwischen ihr und der Antragsgegnerin bestehe ein
Wettbewerbsverhältnis. Die kostenlose Verbreitung eines Prozedurenthesaurus durch die Antragsgegnerin sei
wettbewerbswidrig und verstoße gegen § 1 UWG. Es bestehe keine gesetzliche Grundlage, die die Antragsgegnerin
berechtigen würde, einen Prozedurenthesaurus zu erstellen. Der Prozedurenthesaurus zur Erschließung des OPS-301
sei keine notwendige Leistung, weil mit ihrem eigenen Produkt bereits ein Prozedurenthesaurus vorliege, der die
gleiche Funktion erfülle. Auch die §§ 19, 20 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verböten die
Verbreitung eines Prozedurenthesaurus, da die Antragsgegnerin ihre schon nach der Veröffentlichung des OPS-301 in
der damaligen Version 2.0 beherrschende Marktstellung mit der � insbesondere kostenlosen �
Verbreitung weitergehend erheblich beeinträchtigt und dadurch die Wettbewerbsmöglichkeit der Antragstellerin
missbraucht habe. Denn durch die Verbindung der öffentlichen Aufgabe der Herausgabe einer
Prozedurenklassifikation zu Abrechnungszwecken mit dem Angebot eines Prozedurenthesaurus greife diese in den
Markt mit Mitteln ein, die keinem privaten Wettbewerber zustünden. Insgesamt, so meint die Antragstellerin, für die ihr
Prozessvertreter im Rahmen einer telefonischen Anhörung durch das Kammergericht den Streitwert in der Hauptsache
auf 100.000,00 Euro beziffert hatte, greife das Verhalten der Antragsgegnerin, die immer neue Produkte auf den Markt
bringe, mit denen sie in Konkurrenz zu den von ihr angebotenen Produkten trete, in existenzgefährdender Weise in
ihre Position im Wettbewerb ein. Dieser werde durch die Gratisprodukte der Antragsgegnerin aufgehoben, so dass die
von ihr erarbeiteten Leistungen wertlos würden.
Mit Beschluss vom 08. Dezember 2003 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
abgelehnt. Bei summarischer Prüfung habe die Antragstellerin jedenfalls keinen Anordnungsanspruch glaubhaft
gemacht. Im Hinblick auf die Regelung in § 69 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch -SGB V- seien das UWG sowie das
GWB auf die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Leistungserbringern und ihren
Verbänden seit dem 01. Januar 2000 nicht mehr anwendbar. Dies gelte auch für die hier interessierenden
Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten. Es gehe vorliegend zwar nicht unmittelbar um das Verhältnis von
Krankenkassen zu Leistungserbringern. Aus der in § 69 Satz 4 SGB V angeordneten inhaltlichen Erweiterung auf die
Betroffenheit eines Dritten ergebe sich jedoch, dass die Vorschrift auch die Folgen erfasse, die die Ausgestaltung
dieses Verhältnisses auf einen Dritten, hier die Antragstellerin, habe. Die vom Kammergericht in seinem Beschluss
vom 09. September 2003 zum Tatbestandsmerkmal der Drittbetroffenheit in § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG entwickelten
Grundsätze gälten für § 69 Abs. 2 Satz 4 SGB V entsprechend. Als Rechtsgrundlage für Unterlassungsansprüche
komme somit nur Art. 3 Grundgesetz (GG) in Betracht. Voraussetzung sei, dass die Antragsgegnerin durch ihr
hoheitliches Verhalten das Recht der Antragstellerin auf Gleichbehandlung im Wettbewerb beeinträchtigt habe. Dies
sei nicht der Fall. Die Antragsgegnerin sei mit dem Angebot und der Verbreitung eines alphabetischen Verzeichnisses
für die Arbeit mit Prozedurenklassifikationen nach summarischer Prüfung nicht über den ihr durch § 301 Abs. 2 SGB
V vorgegebenen Aufgabenbereich hinausgegangen. Das alphabetische Verzeichnis sei integraler Bestandteil des
OPS-301 und für eine sachgerechte Arbeit unerlässlich. Die zwischen den Beteiligten nicht umstrittene
Herausgabebefugnis bzgl. des OPS-301 umfasse zumindest kraft Sachzusammenhangs die Befugnis zum Angebot
und zur Verbreitung eines dazugehörigen Prozedurenthesaurus, selbst wenn dies unentgeltlich erfolge. Bereits die
Prozedurenklassifikation der WHO aus dem Jahre 1978 habe ein alphabetisches Verzeichnis aufgewiesen. Nach
summarischer Prüfung liege auch insoweit keine Verletzung des Aufgabenbereichs der Antragsgegnerin vor, als diese
einen "nicht-amtlichen Teil" des OPS-301 herausgegeben habe. Schließlich sei mangels Anhaltspunkten für eine
Ungleichbehandlung von in- und ausländischen Anbietern kein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln des EG-
Vertrages ersichtlich.
Mit ihrer am 13. Januar 2004 eingelegten Beschwerde hat sich die Antragstellerin gegen den ihr am 17. Dezember
2003 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts gewandt. Zur Begründung trägt sie vor, dass die Vorschriften des
GWB sowie des UWG sehr wohl auf den Fall anzuwenden seien, da es vorliegend gar nicht um die Ausgestaltung von
Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern bzw. den jeweiligen Verbänden gehe, von
denen Dritte betroffen seien. Auch stelle jedenfalls die Herausgabe des nicht-amtlichen Prozedurenschlüssels und
des sich ausschließlich darauf beziehenden Teils des Thesaurus keine Hoheitstätigkeit der Antragsgegnerin dar und
habe keine Auswirkungen auf das Rechtsverhältnis zwischen den am gesetzlichen Krankenversicherungsverhältnis
unmittelbar Beteiligten. Weiter unterfalle § 301 Abs. 2 SGB V nicht dem Anwendungsbereich des § 69 SGB V, der auf
die Regelungen "dieses Kapitels" sowie die §§ 63 und 64 verweise. Jedenfalls aber bestehe zwischen ihr und der
Antragstellerin ein Wettbewerbsverhältnis, auf das sachgerecht das Kartell- und Wettbewerbsrecht anzuwenden seien,
soweit die Tätigkeit der Antragsgegnerin über ihre Verpflichtung aus § 301 SGB V hinausgehe. Dies sei hinsichtlich
des Angebots eines Prozedurenthesaurus in Buchform als Alphabetisches Verzeichnis und in der Version 2.1 mit
erweitertem Katalog für Datenverarbeitungssysteme durch die Antragsgegnerin der Fall, da ein solches für die
Erfüllung der Aufgaben gemäß § 301 Abs. 2 SGB V nicht erforderlich sei. Vielmehr stelle dies eine Dienstleistung dar,
die bisher von ihr wahrgenommen worden sei. Die Antragsgegnerin sei bereits zuvor nicht berechtigt gewesen, den
OPS-301 in der vorliegenden Fassung herauszugeben, da darin neben dem offiziellen Kern vor allem ein nicht-
amtlicher Teil enthalten sei, der lediglich dokumentarischen Zwecken, nicht aber der Abrechnung mit den
Krankenkassen, mithin nicht der Erfüllung der Aufgaben nach § 301 Abs. 2 SGB V diene. Lediglich etwa 7.000 der ca.
23.000 im OPS-301 erfassten Codes seien notwendig. Die Antragsgegnerin könne die Anwendbarkeit des GWB und
des UWG nicht dadurch unterlaufen, dass sie in eine Klassifikation für Abrechnungszwecke eine Klassifikation für
klinische Zwecke integriere. Schließlich seien vorliegend auch die Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages (Art. 82, 86
EGV) anwendbar. Die vom Europäischen Gerichtshof für den grenzüberschreitenden Bezug einer staatlichen
Maßnahme hinsichtlich der Warenverkehrsfreiheit zu Art. 28 EGV aufgestellten Grundsätze würden in gleicher Weise
für monopolistische Maßnahmen mit Binnenmarktbezug gemäß Art. 82 EGV gelten.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 08. Dezember 2003 aufzuheben und
es der Antragsgegnerin einstweilen unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,- Euro zu untersagen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs einen deutschen Prozedurenthesaurus als alphabetisches
Verzeichnis für die Arbeit mit Prozedurenklassifikationen anzubieten und zu verbreiten, insbesondere für die
Entwicklung von Codiersoftware sowie in einer Buchversion zum Download im Internet einzustellen,
hilfsweise
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs einen deutschen Prozedurenthesaurus als alphabetisches
Verzeichnis für die Arbeit mit Prozedurenklassifikationen unentgeltlich anzubieten und unentgeltlich zu verbreiten,
insbesondere für die Entwicklung von Codiersoftware sowie in einer Buchversion zum Download im Internet
einzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angegriffenen Beschluss für zutreffend. Ergänzend weist sie da- rauf hin, dass die Antragstellerin bereits
kein Eilbedürfnis glaubhaft gemacht habe. Die Dringlichkeitsvermutung gemäß § 25 UWG sei widerlegt. Obwohl der
Prozedurenthesaurus im Februar 2003 auf den Internetseiten des DIMDI veröffentlicht worden sei, habe die
Antragstellerin erst am 09. Mai 2003 beim Landgericht Berlin das vorliegende Verfahren anhängig gemacht und damit
zu erkennen gegeben, dass sie die Durchsetzung ihres Begehrens nicht für dringlich halte. Im Übrigen sei auch ein
Anordnungsanspruch nicht gegeben. § 69 SGB V erstrecke sich auch auf Regelungen der Grundbeziehungen der
Beteiligten am Gesundheitswesen, d.h. die Vorgabe von Abrechnungsgrundlagen. Weiter sei das Sozialgericht zu
Recht davon ausgegangen, dass wettbewerbsrechtliche bzw. ordnungsrechtliche Bestimmungen vorliegend nicht
anwendbar seien und die Bereitstellung des Prozedurenthesaurus vom Auftrag in § 301 SGB V umfasst sei, weil kein
Anwender ohne ein solches Verzeichnis auskommen könne. Dass der Thesaurus erst nach dem eigentlichen
Prozedurenschlüssel veröffentlicht worden sei, sei allein auf einen Mangel an Personal- und Sachmitteln
zurückzuführen. Schließlich meint sie, dass die Ausführungen der Antragstellerin zur Erweiterung des OPS-301
unrichtig seien. Die Erweiterung um den nicht-amtlichen Teil sei erforderlich und durch die gesetzliche Ermächtigung
des § 301 SGB V gedeckt. Dieser - lediglich 468 Codes umfassende � Teil diene keinesfalls nur
dokumentarischen Zwecken, sondern werde der Fachöffentlichkeit zur Verfügung gestellt, um die Möglichkeit zu
bieten, auch Prozeduren zu verschlüsseln, deren Abrechnungsrelevanz im DRG-System gegenwärtig noch unklar sei.
Er eröffne einen Weg zu prüfen, ob bestimmte Prozeduren in den amtlichen OPS-301 bzw. das Alphabetische
Verzeichnis aufgenommen werden müssen oder nicht, diene also der Vorbereitung und Entscheidung über eine
Weiterentwicklung des gesetzlich vorgeschriebenen DRG-Systems. Im Übrigen erstrecke sich das streitbefangene
Alphabetische Verzeichnis gar nicht auf die nicht-amtliche Erweiterung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig,
jedoch nicht begründet. Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin bewertet die Sach- und Rechtslage zutreffend. Es
besteht kein Anlass, der Antragsgegnerin im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens die Herausgabe und
das Verbreiten eines deutschsprachigen Prozedurenthesaurus (Alphabetisches Verzeichnis) zu untersagen, und zwar
unabhängig davon, ob die Verbreitung kostenpflichtig oder unentgeltlich erfolgt.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG sind einstweilige Anordnungen in Bezug auf den Streitgegenstand zu treffen, wenn
die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des
Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 sind einstweilige Anordnungen zur
Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche
Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt jeweils vo- raus, dass sowohl ein
Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden. Beides aber hat die Antragstellerin
nicht glaubhaft gemacht.
Dass die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit obsiegen, mithin die begehrte
Untersagung der Verbreitung des Prozedurenthesaurus ausgesprochen werden wird, vermag der Senat � wie
zuvor bereits das Sozialgericht - nach einer summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten nicht festzustellen. Im
Gegenteil erscheint ein Obsiegen eher unwahrscheinlich.
Eine Vorschrift, auf deren Grundlage der Antragsgegnerin die Verbreitung des streitgegenständlichen
Prozedurenthesaurus zu untersagen wäre, ist nicht ersichtlich. Grundlage für die Herausgabe des OPS-301 ist § 301
Abs. 2 S. 2 SGB V, nach dem die Operationen und sonstigen Prozeduren nach Abs. 1 S. 1 Nr. 6 der Vorschrift nach
dem vom DIMDI im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen
Schlüssel zu verschlüsseln sind, wobei der Schlüssel die sonstigen Prozeduren zu umfassen hat, die nach § 17 b
des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) abgerechnet werden können. Diese Herausgabe stellt eine hoheitliche
Maßnahme dar, wie noch einmal durch Satz 3 der Vorschrift deutlich wird, nach dem das Bundesministerium für
Gesundheit und Soziale Sicherung den Zeitpunkt der Inkraftsetzung der jeweiligen Fassung u.a. des
Prozedurenschlüssels im Bundesanzeiger bekannt gibt. Von dieser Ermächtigungsgrundlage des § 301 Abs. 2 SGB V
wird bei summarischer Prüfung auch der von der Antragsgegnerin herausgegebene Prozedurenthesaurus gedeckt.
Diese überschreitet entgegen der Auffassung der Antragstellerin die ihr eingeräumte Kompetenz mit der Verbreitung
des Alphabetischen Verzeichnisses nicht. Werden die Krankenhäuser durch § 301 SGB V verpflichtet, den
Krankenkassen bei Krankenhausbehandlung im Einzelnen aufgelistete Informationen maschinenlesbar zu übermitteln
und sich hierzu u.a. hinsichtlich der vorgenommenen Operationen und Prozeduren des von der Antragsgegnerin
herausgegebenen Schlüssels zu bedienen, ist die Antragsgegnerin im Interesse des Gemeinwohls nicht nur
berechtigt, sondern verpflichtet, den von ihr erstellten OPS-301 in seiner Anwendbarkeit so einfach wie möglich zu
gestalten und weiter so preiswert wie möglich � und sei es kostenfrei � abzugeben. Ebenso obliegt es
ihr, den Anwendern Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die die Arbeit mit diesem Prozedurenschlüssel erleichtern. Zu
den entsprechenden Hilfsmitteln zählt aber gerade ein Prozedurenthesaurus. Ein solcher stellt sich nicht als
außergewöhnliches, über das übliche Maß hinausgehendes Hilfsmittel dar. Vielmehr handelt es sich bei einem
Thesaurus um "ein als Funktionsträger im Rahmen eines Dokumentationssystems grundlegendes Hilfsmittel zur
Wiederauffindung und inhaltlichen Erschließung von Dokumenten und zur Wiedergewinnung von Informationen über
jedes gewünschte Element des erfassten Bereichs" (vgl. Brockhaus, Die Enzyklopädie in 24 Bänden, 20. Aufl., 1999).
Dies gilt auch für das von der Antragsgegnerin verbreitete Alphabetische Verzeichnis, das für eine sachgerechte und
zügige Arbeit geradezu unerlässlich ist. Ob ein entsprechendes Hilfsmittel bereits zuvor käuflich erhältlich war oder
nicht, ist hingegen � anders als die Antragstellerin meint - irrelevant. Die Kompetenz der Antragsgegnerin zur
Verbreitung eines Alphabetischen Verzeichnisses wird nicht dadurch beschränkt, dass die Antragstellerin zuvor einen
sich auch auf den OPS-301 erstreckenden Prozedurenthesaurus in ihr Produkt ID Diacos® integriert und
kostenpflichtig vertrieben hatte. Auch soweit die Antragstellerin rügt, dass sich das Alphabetische Verzeichnis der
Antragsgegnerin angeblich auf den nicht-amtlichen Erweiterungskatalog erstrecke, rechtfertigt dies jedenfalls im
Rahmen einer summarischen Prüfung keine andere Entscheidung. Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin
den OPS-301 � und damit möglicherweise auch den hier streitgegenständlichen Prozedurenthesaurus - auf
Bereiche ausgedehnt haben könnte, die offensichtlich nicht mehr von § 301 Abs. 2 SGB V gedeckt sind.
Für die Anwendung wettbewerbs- und kartellrechtlicher Vorschriften bleibt danach entgegen der Rechtsauffassung der
Antragstellerin kein Raum. Denn wenn wie hier ein Träger öffentlicher Gewalt zu einem bestimmten Verhalten
gesetzlich ausdrücklich ermächtigt wird, fehlt es hinsichtlich dieses Tätigkeitsbereichs bereits an einem Markt im
Sinne der wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen. Die Beteiligten konkurrieren dann nicht auf einem freien Markt
miteinander. Vielmehr ist durch die Entscheidung des Gesetzgebers von ihm bezeichnete Institution zur
Wahrnehmung dieser Aufgabe hoheitlicher - d.h. ohne Einschränkung von Normen, die das Funktionieren
marktwirtschaftlichen Wettbewerbs sichern sollen - berechtigt. Diese Entscheidung des Gesetzgebers kann nicht
durch die Anwendung wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen umgangen werden.
Ebenso wenig liegt hier eine Tätigkeit wirtschaftlicher Art der Antragsgegnerin vor, die an einen Verstoß gegen
Normen des EG-Vertrages denken lassen könnte. Die Antragsgegnerin verfolgt mit der Herausgabe des OPS-301 und
des entsprechenden Prozedurenthesaurus kein eigenes Interesse, das sich von dem rein sozialen Zweck der
Gesetzlichen Krankenversicherung trennen ließe. Vielmehr kommt sie mit der Herausgabe des OPS-301 �
und der Verbreitung des entsprechenden Prozedurenthesaurus - ihrer sich aus § 301 Abs. 2 SGB V abzuleitenden
Pflicht nach, ohne insoweit wirtschaftliche Interessen zu verfolgen, wie bereits die jeweils kostenlose Abgabe zeigt.
Die den Krankenhäusern auferlegte Datenübermittlung an die Krankenkassen dient letztlich der Sicherstellung des
Fortbestandes des Systems der Gesetzlichen Krankenversicherung und damit der sozialen Sicherheit. Stellt die
Antragsgegnerin ihrem gesetzlichen Auftrag entsprechend das dazu erforderliche Verschlüsselungssystem und ein
Hilfsmittel zur Verfügung, das die Anwendung erleichtert, wird sie gerade nicht unternehmerisch tätig. Für die
Anwendung des europäischen Wettbewerbsrechts ist dann aber, wie der Europäische Gerichtshof in seiner
Entscheidung vom 16. März 2004 in der Sache C-264/01 klargestellt hat, kein Raum.
Auch einen Anordnungsgrund hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Es ist nicht ersichtlich, dass ihr derart
erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohen, dass es unzumutbar erschiene, sie auf den Ausgang des
Hauptsacheverfahrens zu verweisen. Die Antragstellerin hat den ihr drohenden Verlust durch die Verbreitung des
streitgegenständlichen Prozedurenthesaurus im Rahmen einer telefonischen Anhörung durch das Kammergericht im
September 2003 auf 100.000,00 Euro beziffert. Abgesehen davon, dass dieser Betrag weder glaubhaft gemacht
worden ist noch vorgetragen oder sonst ersichtlich wäre, dass dieser Betrag für die Antragstellerin geradezu
existenzvernichtend wäre, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der drohende Nachteil aktuell noch zutreffend
beziffert ist. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kann stets nur zukunftsbezogen erfolgen. Vorliegend ist der
streitgegenständliche Prozedurenthesaurus jedoch � anders als zum Zeitpunkt der Antragstellung �
nicht mehr nur in einer Testversion erhältlich, sondern wird seit August 2003 in der ersten offiziellen Version
verbreitet, so dass zu erwarten ist, dass ein erheblicher Teil des angeblich drohenden wirtschaftlichen Nachteils
zwischenzeitlich bereits eingetreten ist.
Soweit die Antragstellerin meint, im Hinblick auf die Regelung des § 25 UWG sei die Dringlichkeit der Angelegenheit
zu vermuten und daher ein Anordnungsgrund zu bejahen, geht dies fehl. Die Vorschrift, die sich ausdrücklich auf im
UWG bezeichnete Unterlassungsansprüche bezieht, vermag im vorliegenden Fall keine Anwendung zu finden. Wie
oben ausgeführt, beruht die Ermächtigung der Antragsgegnerin zur Herausgabe und Verbreitung des
Prozedurenthesaurus bei summarischer Prüfung auf § 301 Abs. 2 SGB V, so dass gerade kein
wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch in Betracht kommt. Auch eine analoge Anwendung scheidet aus. Es
besteht bereits keine Regelungslücke, da das Sozialgesetzbuch mit § 86 b Abs. 2 eine Norm enthält, die ausdrücklich
klarstellt, an welche Voraussetzungen der Erlass einer einstweiligen Anordnung geknüpft ist. Weiter liegt auch keine
vergleichbare Situation vor, die es unter Gerechtigkeitsaspekten geradezu gebieten würde, die Norm im
sozialgerichtlichen Verfahren analog heranzuziehen. In die den Sozialgerichten zugewiesenen Streitigkeiten ist
typischerweise ein Hoheitsträger involviert, so dass � wie die obigen Ausführungen zeigen � für
marktgestaltende Normen, und damit auch für § 25 UWG, in aller Regel kein Raum ist. Der Senat schließt hingegen
nicht aus, dass der Rechtsgedanke der Vorschrift im Einzelfall durchaus auch im sozialgerichtlichen Verfahren
Anwendung finden kann, wenn sich Beteiligte im Einzelfall in einem wettbewerblichen Konkurrenzverhältnis
gegenüberstehen. Dies aber ist vorliegend � wie oben gezeigt - gerade nicht der Fall.
Hat die Antragstellerin mithin weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht,
kann ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht gefolgt werden. Dem Erlass der begehrten
Unterlassungsanordnung stehen die Interessen der Allgemeinheit an einem gut funktionierenden System der
Gesetzlichen Krankenversicherung entgegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 der
Verwaltungsgerichtsordnung sowie auf § 17 b Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wurde nach §§ 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 13, 20
Gerichtskostengesetz festgesetzt und trägt dem Umstand Rechnung, dass vorliegend nicht die Hauptsache streitig
ist, sondern eine vorläufige Regelung erstrebt wurde. Ausgegangen ist der Senat dabei von der Annahme, dass der
Wert in der Hauptsache, wie von der Antragstellerin gegenüber dem Kammergericht angegeben, 100.000,00 Euro
beträgt.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).