Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 21.11.2007

LSG Berlin und Brandenburg: durchschnitt, abrechnung, missverhältnis, vergleich, grenzwert, vorverfahren, anteil, asylbewerber, ermessensspielraum, beurteilungsspielraum

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 21.11.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 79 KA 34/01 KZA
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 7 KA 30/04
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. April 2004 wird zurückgewiesen. Der
Kläger hat dem Beklagten seine außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen findet
eine Kostenerstattung nicht statt. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Honorarkürzung wegen Unwirtschaftlichkeit im Primär- und
Ersatzkassenreich für die Quartale I/1995 bis I/1996.
Der Kläger ist seit Juli 1982 als niedergelassener Vertragszahnarzt in Berlin-Reinickendorf tätig. Auf Prüfanträge der
Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) Berlin und der Landesverbände der Berliner Krankenkassen sowie der
Verbände der Ersatzkassen kürzte der Prüfungsausschuss bei der KZV Berlin mit Bescheiden vom 15. April 1996, 6.
Mai 1996, 16. September 1996 und 27. November 1996 die Honorarforderungen des Klägers für konservierend-
chirurgische Leistungen in den Quartalen I/1995 bis I/1996 in Höhe von insgesamt 230.752,08 DM. Dem lagen
folgende Feststellungen des Prüfungsausschusses zugrunde:
Quartal I/1995 Einzelposition Abrechnungshäufigkeit des Klägers Berliner Durchschnitt Kürzung Primärkassen Cp
63% 16% 40%= 1.612,80 DM Ersatzkassen Cp 70% 17% 50%= 1.352,70 DM Summe: 2.965,50 DM
Quartal II/1995 Scheinzahl des Klägers Abrechnungshäufigkeit des Klägers Berliner Durchschnitt Kürzung
Primärkassen 387 201 82,5 69 Punkte pro Fall= 37.841,00 DM Ersatzkassen 230 149 77,5 24 Punkte pro Fall=
8.021,76 DM Summe: 45.862,76 DM
Quartal III/1995 Scheinzahl des Klägers Punktdurchschnitt pro Fall Berliner Punktdurchschnitt pro Fall Kürzung
Primärkassen 385 187 82,3 55 Punkte pro Fall = 30.007,22 DM
Quartal III/1995 Einzelposition Abrechnungshäufigkeit des Klägers Berliner Durchschnitt Kürzung Ersatzkassen ViPr
43% 17% 20%= 213,79 DM bMF 35% 16% 10%= 88,17 DM Cp 85% 16% 40%= 1.274,30 DM VitE 26% 5% 60%=
959,22 DM L 1 54% 21% 20%= 404,33 DM Mu 107% 36% 30%= 1.003,08 DM Summe: 33.950,11 DM
Quartal IV/1995 Scheinzahl des Klägers Punktdurchschnitt pro Fall Berliner Punktdurchschnitt pro Fall Kürzung
Primär- und Ersatzkassen 654 164 75,4 88 Punkte pro Fall (57.552) = 82.312,77 DM Quartal I/1996 Primär- und
Ersatzkassen 546 170 86 84 Punkte pro Fall (45.864) = 65.660,94 DM
Das Honorar des Klägers im Bereich des Zahnersatzes stellte sich in den streitbefangenen Quartalen wie folgt da:
Quartale Honorar des Klägers Fallzahl des Klägers Berliner Durchschnitt I/1995 119.825,03 DM Plus 32.351,67 DM
161 69.289,78 DM II/1995 162.974,35 DM Minus 32.351,67 DM 177 88.157,69 DM III/1995 159.629,03 DM 184
66.719,18 DM IV/1995 222.742,51 DM 201 50.278,75 DM I/1996 190.906,46 DM 202 45.577,42 DM
Seine gegen die Honorarkürzungen eingelegten Widersprüche stützte der Kläger insbesondere auf
Praxisbesonderheiten und für das IV. Quartal 1995 auf die bereits durch die Degression erfolgte Kürzung des
Honorars. Mit Beschluss vom 26. Februar 1997 (Ausfertigung vom 30. Mai 1997) wies der Beklagte die Widersprüche
des Klägers im Wesentlichen zurück und gab dem Widerspruch des Beigeladenen zu 3) hinsichtlich des III. Quartals
1995 teilweise statt. Dabei nahm der Beklagte für die Quartale I/1995 bis III/1995 getrennte Prüfungen für den Primär-
und Ersatzkassenbereich und für die Quartale IV/1995 und I/1996 gemeinsame Prüfungen vor. Der Kürzungsbetrag
von nunmehr 194.300,66 DM setzte sich wie folgt zusammen:
I. Quartal 1995/Primärkassen: Cp 40 % = 1.612,80 DM I. Quartal 1995/Ersatzkassen: Cp 50 % = 1.352,70 DM II.
Quartal/1995/Primärkassen: 69 Punkte pro Fall = 37.841,00 DM II. Quartal 1995/Ersatzkassen: 24 Punkte pro Fall =
8.021,76 DM III. Quartal 1995/Primärkassen: 55 Punkte pro Fall = 30.007,22 DM III. Quartal 1995/Ersatzkassen: 27
Punkte pro Fall = 8.435,21 DM (vorher 3.942,89 DM) IV. Quartal 1995/Primär- und Ersatzkassen: 66 Punkte pro Fall =
61.734,57 DM (vorher 82.312,77 DM) I. Quartal 1996/Primär- und Ersatzkassen: 58 Punkte pro Fall = 45.295,39 DM
(vorher 65.660,94 DM)
Auf die dagegen erhobene Klage hob das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 24. Januar 2001 den Bescheid des
Beklagten auf und verurteilte den Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die
Widersprüche neu zu entscheiden. Der angefochtene Bescheid des Beklagten leide teilweise an einem erheblichen
Verfahrensmangel, da für die Quartale I/1995 bis III/1995 eine nach Primär- und Ersatzkassen getrennte
Wirtschaftlichkeitsprüfung vorgenommen worden sei. In Bezug auf sämtliche streitigen Quartale sei der Bescheid
nicht ausreichend nachvollziehbar und schlüssig begründet worden. Es werde insbesondere nicht ersichtlich, ab
welcher Grenze der Beklagte von einem offensichtlichen Missverhältnis zu den Durchschnittswerten der Berliner
Vertragszahnärzte ausgegangen sei.
In der Sitzung des Beklagten am 11. April 2001 machte der Kläger ergänzend geltend, dass als Praxisbesonderheit
ein hoher Anteil an Ostpatienten und Asylbewerbern zu berücksichtigen sei. Des Weiteren beschäftige er seit dem 1.
April 1995 eine angestellte Vertragszahnärztin und seit dem 2. Mai 1995 einen Ausbildungsassistenten. Er versuche,
Zahnersatz so lange wie möglich durch konservierend-chirurgische Leistungen hinauszuzögern. Dadurch könne er
Einsparungen im prothetischen Bereich vorweisen. Mit Zahlen könne er dies nicht mehr belegen.
Mit Beschluss vom 11. April 2001 (Ausfertigung vom 19. Juni 2001) beschloss der Beklagte unter Zugrundelegung
eines Grenzwertes von 60 % für die Quartale I/1995 bis I/1996 eine Gesamtkürzung in Höhe von 155.038,17 DM. Im
Einzelnen führte der Beklagte aus:
I/1995 Dem Widerspruch des Vertragszahnarztes (VZA) werde teilweise stattgegeben. Die Kürzung der VdAK-
Abrechnung um 50 % Cp (1.352,70 DM) und der Primärkassenabrechnung um 40 % Cp (1.612,80 DM) werde
aufgehoben und aufgrund einer gemeinsamen Statistik in eine einheitliche Kürzung um 40 % Cp (2.694,96 DM)
umgewandelt. Der Hinweis in der Position VitE werde bestätigt.
II/1995 Dem Widerspruch des VZA werde teilweise stattgegeben. Die Kürzung der VdAK-Abrechnung um 24 Punkte
pro Fall (8.021,76 DM) und der Primärkassenabrechnung um 69 Punkte pro Fall (37.841,00 DM) - Summe 45.862,76
DM - werde aufgehoben und aufgrund einer gemeinsamen Statistik in eine einheitliche Kürzung um 54 Punkte pro Fall
(47.663,65 DM) umgewandelt.
III/1995 Dem Widerspruch des VZA und des VdAK werde teilweise stattgegeben. Die Kürzung der VdAK-Abrechnung
um 20 % Vi Pr, 10 % bMF, 40 % Cp, 60 % Vit E, 20 % L 1 und 30 % Mu (3.942,89 DM) und der
Primärkassenabrechnung um 55 Punkte pro Fall (30.007,22 DM) - Summe 33.950,11 DM - werde aufgehoben und
aufgrund einer gemeinsamen Statistik in eine einheitliche Kürzung um 46 Punkte pro Fall (39.468,02 DM)
umgewandelt.
IV/1995 Dem Widerspruch des VZA werde insoweit stattgegeben, als dass die Kürzung der gemeinsamen
Abrechnung Primärkassen/VdAK von 88 Punkten pro Fall (82.312,77 DM) auf 43 Punkte pro Fall (40.221,01 DM)
reduziert werde.
I/1996 Dem Widerspruch des VZA werde insoweit stattgegeben, als dass die Kürzung der gemeinsamen Abrechnung
Primärkassen/VdAK von 84 Punkten pro Fall (65.660,94 DM) auf 32 Punkte pro Fall (24.990,53 DM) reduziert werde.
Übersicht über die Kürzungen: Quar-tal Kasse Fälle Kläger Fälle Ø Bln.VZA PunktØ Kläger PunktØ Bln.VZA
Überschrei-tung um Kür-zung Rest- Pkt. Restüber- Schreitung I/95 V/P 600 364 114 84,4 29,6 P 35,07% 40 % nur cP
114 31,59 % II/95 V/P 617 359 182 79,9 102,1 P 127,78 % 54 P 128 60,2 % III/95 V/P 600 322 174 79,9 94,3 P
117,77 % 46 P 128 60,2 % IV/95 V/P 654 397 164 75,4 88,6 P 117,5 % 43 P 121 60,47 % I/96 V/P 546 352 170 86,0
84 P 97,67 % 32 P 138 60,46 %
Zur Begründung führte der Beklagte aus: Die Wirtschaftlichkeitsprüfung sei nach der Methode der statistischen
Vergleichsprüfung nach § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V - durchgeführt worden.
Ein erhöhter Behandlungsaufwand für Ostpatienten sei allein deshalb nicht nachvollziehbar, da für die Quartale I/1991
bis IV/1994 seit Aufstellung der Punktedurchschnitte der Ostpraxen die Ost-Punktedurchschnitte unter den
Punktedurchschnitten der West-Praxen gelegen hätten. Eine Praxisbesonderheit könne daher nicht anerkannt werden.
Der Kläger habe auch keine Gebührennummer benennen können, durch welche er mit konservierenden Maßnahmen
Zahnersatzversorgungen eingespart habe. Darüber hinaus seien alle Vertragszahnärzte durch Richtlinien verpflichtet
gewesen, erhaltungswürdige Zähne zu konservieren und Extraktionen bzw. Zahnersatz demgegenüber nur als letztes
Mittel einzusetzen. Aufgrund der Erklärung des Klägers, dass er auf Zahnersatz wegen finanzieller Not der Patienten
teilweise verzichte, müsse davon ausgegangen werden, dass hier keine richtlinienkonforme, sondern vielmehr eine
vertragswidrige und unwirtschaftliche Abrechnung erfolge. Darüber hinaus treffe die Aussage des Klägers über die
Abrechnung von weniger Zahnersatz gar nicht zu, da die statistische Auswertung ergeben habe, dass in den
Quartalen I/1995 bis I/1996 die Zahnersatzabrechnung des Klägers um ein vielfaches höher als im
Landesdurchschnitt gelegen habe (Übersicht Anlage 4 b). Die vom Kläger angeführten Asylbewerber seien bei der
Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht zu berücksichtigen, da diese über die Bezirksämter abgerechnet würden. Hinsichtlich
der Praxisstruktur müsse festgestellt werden, dass der Kläger sowohl in der Zeit vor 1995 als auch bis zum I. Quartal
1998 als zugelassener Vertragszahnarzt allein praktiziert habe. Erst ab dem II. Quartal 1998 sei eine
Gemeinschaftspraxis entstanden. Die ab April 1995 fest angestellte Vertragszahnärztin und der ab Mai 1995
angestellte Ausbildungsassistent stellten nach gängiger Rechtsprechung keine Praxisbesonderheit dar, da diese
Assistenten lediglich die Erhöhung der abgerechneten Scheinzahl beeinflussen könnten, nicht aber die
Behandlungsbedürftigkeit des einzelnen Patienten. Die Berücksichtigung der bereits aus der Degression in Abzug
gebrachten Beträge sei bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung im Gesetz (§ 85 Abs. 4 b und § 106 SGB V) nicht
vorgesehen. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung setze darüber hinaus nicht wie die Degression bei einem
überdurchschnittlichen Praxisumsatz an, sondern stelle unabhängig von der Umsatzgröße einer Praxis auf die im
statistischen Vergleich zum Landesdurchschnitt überhöhten konservierend/chirurgischen Behandlungskosten eines
Vertragszahnarztes ab. Der durch das Sozialgericht festgestellte Verfahrensfehler, eine nach Kassengruppen
getrennte Prüfung für die Abrechnungsquartale I bis III/1995, sei dadurch geheilt worden, dass die Statistiken des
VdAK und der Primärkassen zusammengelegt und neue statistische Durchschnitte gebildet worden seien. Die
unwirtschaftlichen Überschreitungen der vom Kläger abgerechneten Fallkostendurchschnitte und Einzelpositionen
seien auch nach Zusammenführung der beiden Kassenbereiche weiterhin deutlich überhöht gewesen. Auch die
Praxisstruktur des Klägers unterscheide sich nicht wesentlich von anderen Zahnarztpraxen in Berlin. Damit stehe ein
unwirtschaftliches Abrechnungsverhalten des Klägers fest.
Mit seiner vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Beschlusses des
Beklagten. Zur Begründung führt er aus: Die nunmehr erfolgte Zusammenlegung der Statistiken der VdAK- und
Primärkassen für die Quartale I bis III/1995 sei unzulässig, da eine rechtliche Grundlage nicht bestehe. Entgegen den
Ausführungen des Beklagten seien die fest angestellte Vertragszahnärztin und der angestellte Ausbildungsassistent
als Praxisbesonderheit zu berücksichtigen. Seine Zahlen ergäben, dass er viel mehr Fälle zu bearbeiten gehabt habe
als durchschnittlich in Berlin anfielen. Dies sei auf die angestellte Vertragszahnärztin zurückzuführen. Die
Degressionskürzung sei bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung zu berücksichtigen, da es ansonsten zu unerträglichen
Ergebnissen kommen könne. Darüber hinaus habe der Beklagte außer Acht gelassen, dass der Kläger ein eigenes
zahntechnisches Labor unterhalten habe.
Mit Urteil vom 28. April 2004 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zu Recht habe der Beklagte aufgrund
des Fehlens einer Prüfvereinbarung in den Quartalen I bis III/1995 eine einheitliche Hundertfallstatistik ermittelt und
zugrunde gelegt. Das Fehlen einer Prüfvereinbarung sei nicht erheblich, da die Prüfung auf der Grundlage des § 106
SGB V erfolgt sei. Durch die Zusammenfügung der Statistiken sei eine kassenübergreifende Prüfung erfolgt.
Gegen dieses ihm am 25. Juni 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. Juli 2004 Berufung eingelegt. Die
Kürzung seines Honorars für das IV. Quartal 1995 sei rechtswidrig, weil der Beklagte die Degressionskürzungen nach
§ 85 Abs. 4 b SGB V nicht berücksichtigt habe. Hinsichtlich der Quartale I bis III/1995 und I/1996 sei die Kürzung
ermessensfehlerhaft. Der Beklagte habe bei der Ermessenausübung nicht berücksichtigt, dass der
Vorbereitungsassistent Anfänger sei. Aus den Zahlen in der Anlage 5 des Bescheides vom 19. Juni 2001 ergebe sich,
dass im Laufe der Beschäftigung des Vorbereitungsassistenten der Fallwert gesunken sei und es in den
Folgequartalen ab II/1996 keine Beanstandungen mehr gegeben habe.
Das im Termin zur mündlichen Verhandlung abgegebene Teilanerkenntnis des Beklagten - Absetzung eines Betrages
von 1.801,09 DM für das II. Quartal 1995, eines Betrages von 1.025,58 DM für das III. Quartal 1995 und Verringerung
des Kürzungsbetrages für den gesamten streitigen Zeitraum im Hinblick auf die Degression um 2.081,26 EUR (3,13%
des Gesamthonorars für 1995) - hat der Kläger angenommen.
Im Übrigen beantragt der Kläger,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. April 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2001 in der
Gestalt des heutigen Anerkenntnisses aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihn unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, weiterhin die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren
für notwendig zu erklären,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Kürzungen seien sehr moderat erfolgt. Das aus Wirtschaftlichkeitsprüfungen zurückfließende Honorar werde
anteilig den Kassen erstattet. Die Rechtsprechung zum Verhältnis Degression/HVM-Budgetierung könne daher nicht
greifen. Praxisbesonderheiten seien nicht zu berücksichtigen. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im
Vorverfahren sei notwendig.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommne. Diese haben dem Senat
vorgelegen und sind Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig, jedoch in dem nach dem angenommenen
Teilanerkenntnis noch anhängigen Umfang unbegründet. Insoweit hat das Sozialgericht Berlin die Klage zu Recht
abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid ist nach dem Teilanerkenntnis rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht
in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage für die Kürzung der Honorarforderung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise ist § 106 Abs. 2
Nr. 1 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 21. Dezember 1992
(BGBl. I 2266), der gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V für den vertragszahnärztlichen Bereich entsprechend gilt. Aus
der Regelung folgt bereits nach dem Willen des Gesetzgebers die Verpflichtung der Träger der gemeinsamen
Selbstverwaltung zur Überwachung der Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Leistungserbringer, um die Funktionsfähigkeit
und Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährleisten. Der Beklagte hat danach die
Wirtschaftlichkeit in zulässiger Weise nach Durchschnittswerten geprüft und hierbei eine statistische
Vergleichsprüfung vorgenommen, die nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen die
Regelprüfmethode ist (stRspr, vgl. SozR 4-2500 § 106 Nr. 3 m. w. N.). Diese Prüfung kann nicht nur den
Gesamtfallwert zum Gegenstand haben, sondern unter der Voraussetzung hinreichender Vergleichbarkeit auch
Ansätze einzelner Leistungspositionen bzw. mehrerer zu einer Leistungssparte zusammengefasster
Leistungspositionen, da ein Vertragszahnarzt verpflichtet ist, das Wirtschaftlichkeitsgebot auch in jedem Teilbereich
seiner Tätigkeit zu wahren (vgl. bspw. BSG SozR 4-2500 § 106 Nrn. 2 und 3). Eine Unwirtschaftlichkeit liegt vor, wenn
die Prüfung ergibt, dass der Behandlungsaufwand des Vertragszahnarztes in offensichtlichem Missverhältnis zum
durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, ohne dass sich dies aus der Praxisstruktur oder aus
Praxisbesonderheiten erklären lässt (stRspr, bspw. BSG a. a. O.).
Zu Recht hat der Beklagte in allen betroffenen Quartalen bei den konservierend-chirurgischen Leistungen ein
offensichtliches Missverhältnis zwischen dem Falldurchschnitt des Klägers und der Fachgruppe der Zahnärzte
festgestellt. Der Heranziehung eines Grenzwertes kommt die Funktion zu, dass bei seinem Überschreiten der
Anscheinsbeweis der Unwirtschaftlichkeit erbracht ist und nunmehr der betroffene (Zahn)Arzt darzulegen hat und die
Beweislast dafür trägt, dass gleichwohl von einer wirtschaftlichen Behandlungsweise auszugehen ist (BSG SozR 3-
2500 § 106 Nr. 27). Der insoweit maßgebliche Grenzwert, der die Vermutung der Unwirtschaftlichkeit begründet, liegt
nach der Rechtsprechung des BSG in der Regel bei einer Überschreitung des Durchschnitts der Vergleichsgruppe um
etwa 50 %. Unter Umständen - bei in ihrem Leistungsverhalten eher homogenen Arztgruppen, zu denen auch die
Zahnärzte gerechnet werden können - kommt auch eine niedrigere Prozentgrenze in Betracht (vgl. BSG SozR 3-2500
§ 106 Nr. 11 m. w. N.). Höhere Grenzwerte kommen nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig dann in Betracht,
wenn nur einzelne Leistungssparten oder -arten verglichen werden (BSG SozR 2200 § 368n Nr. 48).
Dem werden die vom Beklagten festgelegten Grenzwerte - in den Quartalen II/1995 bis I/1996 mit 60 % über dem
Fallkostenwert und im I. Quartal 1995 in der Einzelposition Cp mit 131,59 % und bei Vit E mit 100 % über dem
Durchschnitt aller abrechnenden Vertragszahnärzte - gerecht. In allen hier streitbefangenen Quartalen hat der Kläger
diese Grenzwerte deutlich überschritten, so dass der Beklagte zu Recht von der Vermutung der Unwirtschaftlichkeit
ausgegangen ist. Gründe für eine abweichende Festlegung des Grenzwertes sind vom Kläger nicht substantiiert
vorgetragen worden. Der Kläger hat insbesondere keine zu berücksichtigenden Praxisbesonderheiten aufgezeigt, die
auf eine Gruppe anderer Praxen nicht zutreffen und zu einem wesentlich anderen Falldurchschnittsvergleich führen
könnten.
Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte, dem bei der Bildung von Vergleichsgruppen und für die Annahme der
Unwirtschaftlichkeit der vertragszahnärztlichen Tätigkeit ein gerichtlich nur begrenzt überprüfbarer
Beurteilungsspielraum eingeräumt ist, aus Rechtsgründen die Wirtschaftlichkeit im Falle des Klägers unter
Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten anders hätte beurteilen müssen. Wie der Beklagte zu Recht dargelegt
hat, sind die Asylbewerber bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht zu berücksichtigen, da diese gesondert über die
Bezirksämter abgerechnet werden. Darüber hinaus ist bei der Behandlung ausländischer Versicherter nicht generell
ein erhöhter zahnmedizinischer Behandlungsbedarf gegeben (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 49 m. w. N.). Ein
Mehraufwand für die Behandlung von Ostpatienten ist vom Kläger nur unsubstantiiert vorgetragen worden. Der Kläger
hat weder eine detaillierte Differenzierung zwischen Ost- und Westpatienten belegen können, noch hat er einen
erhöhten Behandlungsbedarf bei den Ostpatienten nachweisen können. Aus dem vom Beklagten vorgelegten
Zahlenmaterial ist ein erhöhter Behandlungsaufwand für Ostpatienten auch schon deshalb nicht nachvollziehbar, da
für die Quartale I/1991 bis IV/1994 seit Aufstellung der Punktedurchschnitte der Ostpraxen die Ost-
Punktedurchschnitte unter den Punktedurchschnitten der West-Praxen lagen. Auch die Beschäftigung der
angestellten Zahnärztin ab April 1995 und des Weiterbildungsassistenten ab Mai 1995 stellen keine zu
berücksichtigende Praxisbesonderheit dar, da sich hierdurch nur die Fallzahl erhöhen kann, jedoch nicht der
Behandlungsbedarf pro Patient. Vielmehr ist es so, dass höhere Fallzahlen mit niedrigeren durchschnittlichen Kosten
pro Fall korrespondieren. Im Übrigen ist es im Falle des Klägers durch die Beschäftigung der Zahnärztin und des
Weiterbildungsassistenten zu keiner rechtserheblichen Erhöhung der Fallzahl gekommen, da diese bereits im I.
Quartal 1995 bei 600 und somit weit über dem Berliner Durchschnitt lag. Die vom Kläger vorgetragenen Aspekte
begründen in keiner Weise hinreichend, weshalb im einzelnen Behandlungsfall der durchschnittliche Leistungsumfang
der Fachgruppe wesentlich überschritten wird.
Auch unter dem Gesichtspunkt "kompensatorischer Einsparungen" durch eine Reduzierung des erforderlichen
Zahnersatzes ist eine Verringerung der festgesetzten Honorarkürzungen nicht in Betracht zu ziehen. Ersparnisse sind
nachzuweisen und müssen in einem kausalen Zusammenhang mit dem auffälligen Mehraufwand stehen (BSG SozR
3-2500 § 106 Nr. 42). Entgegen dem Vorbringen des Klägers liegen im Vergleich zum Durchschnitt der Berliner
Vertragszahnärzte keine Einsparungen im Bereich des Zahnersatzes zugunsten konservierend-chirurgischer
Leistungen vor. Dies stellt sich wie folgt dar: Quartal Prozentuale Verteilung des Klägers Prozentuale Verteilung aller
Berliner VZÄ KCH ZE KCH ZE I/1995 49,5 % 50,5 % 57,1 % 42,9 % II/1995 54,7 % 45,3 % 51,9 % 48,1 % III/1995
53,9 % 46,1 % 47,8 % 52,2 % IV/1995 44,7 % 55,3 % 52,2 % 48,0 % I/1996 45,9 % 54,1 % 54,6 % 45,4 %
Danach ergibt sich, dass der Kläger im Vergleich zur Fachgruppe keine gravierenden Einsparungen im Zahnersatz
hat, vielmehr der prozentuale Anteil im Bereich Zahnersatz in drei Quartalen seine konservierend-chirurgischen
Leistungen übertraf und über dem Durchschnitt seiner Fachgruppe lag.
Auch der Höhe nach sind die Honorarkürzungen 60 % bzw. für das Quartal I/1995 auf ca. 31 % Restüberschreitung
nicht zu beanstanden. Bei der Festlegung der Höhe der Honorarkürzungen als Reaktion auf die festgestellte
Unwirtschaftlichkeit steht den Prüfgremien regelmäßig ein Ermessensspielraum zu, der vom gänzlichen Unterlassen
einer Kürzung über die Zubilligung einer Toleranz im Bereich der Übergangszone bis hin zur Kürzung des gesamten
unwirtschaftlichen Mehraufwandes (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 1 m. w. N.) eröffnet. Nach § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG
ist diese Ermessensentscheidung von den Gerichten nur daraufhin zu überprüfen, ob die Behörde die gesetzlichen
Grenzen des Ermessens eingehalten und vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden
Weise Gebrauch gemacht hat (BSG SozR a. a. O.). Entsprechend diesen Grundsätzen halten sich die Prüfgremien
innerhalb des ihnen eingeräumten Ermessenspielraums, wenn sie sich bei der Festlegung der Honorarkürzung und
ihrer Höhe an dem Zweck des § 106 Abs. 1 SGB V orientieren. Gemessen an der Bedeutung des
Wirtschaftlichkeitsgebotes und dem Instrument der Wirtschaftlichkeitsprüfung im Rahmen der vertragszahnärztlichen
Versorgung hat der Beklagte die Honorarkürzung ermessensfehlerfrei vorgenommen. Soweit der Beklagte die Grenze
zum offensichtlichen Missverhältnis erst bei 60 % angesetzt und das Honorar des Klägers auf diesen Grenzwert
gekürzt hat, ist dies angesichts dessen, dass sich die Vergleichsgruppe der Zahnärzte durch eine große Homogenität
auszeichnet, nicht zu beanstanden. Denn grundsätzlich muss der Umfang der Honorarkürzungen in angemessener
Weise mit dem Ausmaß der festgestellten Unwirtschaftlichkeit korrespondieren (BSG SozR a. a. O.). Der Kläger lag
in den hier streitbefangenen Quartalen deutlich über dem Durchschnitt der Vergleichsgruppe (ca. 100 % in den
Quartalen II/1995 bis I/1996) und noch weit über dem von dem Beklagten festgesetzten Grenzwert, ohne dass
anzuerkennende Besonderheiten seiner Praxis vorliegen, so dass die von dem Beklagten vorgenommene
Honorarkürzung gerechtfertigt ist.
Entgegen der vom Kläger vertretenen Ansicht ist auch die im IV. Quartal 1995 erfolgte Verrechnung des
Degressionsbetrages von 42.314,97 DM bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 Abs. 2 SGB V nicht zu
berücksichtigen. Grundsätzlich dürfen verschiedene Honorarkorrekturmaßnahmen, wie die Degression nach § 85 Abs.
4 b SGB V, die Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 Abs. 2 SGB V und die Honorarverteilung nach dem
Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der jeweiligen KZV nebeneinander und unabhängig voneinander durchgeführt
werden und stellen keine unzumutbare Belastung des Vertragszahnarztes dar (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 22). Allein
§ 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit erfordert, dass bei HVM-
Honorarbegrenzungsmaßnahmen die Verringerung des Honoraranspruchs aufgrund der Punktwertdegression
berücksichtigt wird. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung scheidet somit die Berücksichtigung einer bereits
erfolgten Punktwertdegression aus. Allein im Rahmen des dem Beklagten zustehenden Ermessensspielraumes bei
der Kürzung des Honorars nach Feststellung der Unwirtschaftlichkeit kann - wie hier rechtsfehlerfrei erfolgt - die
bereits degressionsbedingte Kürzung des Honorars berücksichtigt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 01. Januar 2002 geltenden Fassung. Das
angenommene Teilanerkenntnis führt im Hinblick auf die nur geringfügige Reduzierung des Kürzungsbetrages zu
keiner Kostenbelastung des Beklagten.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.