Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 07.08.2006

LSG Berlin und Brandenburg: aufschiebende wirkung, nettoeinkommen, erlass, anfang, zivilprozessordnung, verwaltungsakt, arbeitsgemeinschaft, gerichtsakte, leistungsanspruch, meinung

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 07.08.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 65 AS 1117/06 ER
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 5 B 356/06 AS ER
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. Februar 2006 wird
zurückgewiesen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerde-verfahren wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Mit Bescheid vom 7. November 2005 und Änderungsbescheid vom 23. November 2005 bewilligte die Antragsgegnerin
für den Antragsteller und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebende P J Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 783,73 Euro für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis zum
31. Mai 2006.
Seit dem 1. Dezember 2005 steht der Antragsteller in einem Arbeitsverhältnis, was er der Antragsgegnerin anzeigte.
Einer Gehaltsabrechnung für Dezember 2005 zufolge beträgt das monatliche Entgelt 3.039,00 Euro brutto bzw.
1.744,39 Euro netto.
Mit Bescheid vom 7. Februar 2006 hob die Antragsgegnerin die Bescheide vom 7. und 23. November 2005 über die
Leistungsbewilligung für die Zeit ab 1. Januar 2006 vollständig auf. Mit den nachgewiesenen
Einkommensverhältnissen sei der Antragsteller ab 1. Januar 2006 nicht mehr hilfebedürftig, so dass ein
Leistungsanspruch nicht mehr bestehe und der Aufhebungstatbestand aus § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X greife.
Hiergegen legte der Antragsteller am 14. Februar 2006 Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist.
Bereits am 2. Februar 2006 hat der Antragsteller um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Mit
Beschluss vom 22. Februar 2006, dem Antragsteller zugestellt am 28. Februar 2006, hat das Sozialgericht Berlin den
Antrag zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller sei mit einem
Nettoeinkommen von 1.744,39 Euro nicht mehr hilfebedürftig.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 26. März 2006. Er meint, die Antragsgegnerin habe
sein Einkommen auf unzutreffende Weise angerechnet.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. Februar 2006 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung seines
Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. Februar 2006 anzuordnen sowie ihm
Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des
Verwaltungsvorgangs (vier Bände) Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Entscheidungsfindung
war.
II.
1. Das Beschlussrubrum war dahingehend zu korrigieren, dass die Arbeitsgemeinschaft JobCenter Reinickendorf
selbst Antragsgegnerin und nicht lediglich Vertreterin der Bundesagentur für Arbeit und des Landes Berlin als
Leistungsträger ist, denn das JobCenter ist - entgegen der Meinung des Sozialgerichts und mit der inzwischen
einhelligen Auffassung der übrigen Senate des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg - jedenfalls als
nichtrechtsfähige Personenvereinigung im Sinne des § 70 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beteiligtenfähig.
Eines Rückgriffs auf die hinter dem JobCenter stehenden Körperschaften bedarf es nicht (vgl. hierzu ausführlich
Senatsbeschluss vom 11. August 2005, L 5 B 51/05 AS ER sowie Urteil des 10. Senats des LSG Berlin-Brandenburg
vom 9. Mai 2006, L 10 AS 1093/05).
2. Die Beschwerde ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Der Antrag auf
Eilrechtsschutz ist nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG statthaft, denn die Aufhebung der Leistungsbewilligung ist
gemäß § 39 Nr. 1 SGB II sofort vollziehbar.
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid beruht auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X.
Danach soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (ein Bewilligungsbescheid) mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung
der Verhältnisse aufgehoben werden, wenn nach Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen erzielt worden ist, das
zum Wegfall des Anspruchs geführt haben würde. So liegt es hier. Ursprünglich waren dem Antragsteller Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bewilligt worden. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist jedoch nicht
hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt und denjenigen der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen
durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit sichern kann. Der Antragsteller erzielt seit dem 1. Dezember 2005 ein
monatliches Einkommen in Höhe von 1.744,39 Euro, während die Leistungsbewilligung seitens der Antragsgegnerin
783,73 Euro betragen hatte. Schon jedem nicht weiter sachkundigen Betrachter muss klar sein, dass damit keine
Hilfebedürftigkeit besteht. Der von der Antragsgegnerin angestellte Berechnungsvorgang (Anlage zum Bescheid vom
7. Februar 2006) ist auch bei näherem Hinsehen nicht zu beanstanden. Selbst nach Abzug von Freibeträgen (280
Euro), des Versicherungspauschbetrags (30 Euro), der Werbungskostenpauschale (15,33 Euro) und des zu leistenden
Kindesunterhalts (462 Euro) verbleibt, ausgehend von einem Nettoeinkommen in Höhe von 1.744,39 Euro, mit 957,06
Euro noch ein Betrag, der deutlich (nämlich um 173,33 Euro) über dem bewilligten monatlichen Leistungssatz liegt.
Damit steht fest, dass Hilfebedürftigkeit mit Aufnahme der Beschäftigung zum 1. Dezember 2005 nicht mehr bestand
und die Leistung zu Recht aufgehoben wurde.
3. Da die Beschwerde von Anfang keine hinreichende Erfolgsaussicht hatte, war auch die Gewährung von
Prozesskostenhilfe abzulehnen (§ 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).