Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 22.12.2005

LSG Berlin und Brandenburg: angehöriger, begriff, aufteilung, erwerbsfähiger, energieversorgung, altersrente, generalunkosten, sozialhilfe

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 22.12.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 2 SO 4321/05 ER
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 15 B 1095/05 SO ER
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. Oktober 2005 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Dieser Beschluss ist
nicht anfechtbar.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat den Antragsgegner zu Recht im Wege einstweiliger Anordnung - nur – dazu verpflichtet, dem
Antragsteller ab 10. August 2005 (Antragseingang bei Gericht) für zunächst 6 Monate Leistungen der Grundsicherung
nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - SGB XII – in Höhe von monatlich 251,71 EUR zu
gewähren.
Das weitergehende Begehren des Antragstellers, Grundsicherung in Höhe von monatlich 289,73 EUR zuerkannt zu
bekommen, und zwar ab Juli 2005 und über den von der einstweiligen Anordnung umfassten Zeitraum hinaus, kann
keinen Erfolg haben, weil er insoweit weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund im Sinne des §
86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - glaubhaft gemacht hat.
Das Sozialgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller den geltend gemachten Anspruch
entgegen seiner Auffassung nicht schon aus dem Bewilligungsbescheid des Antragsgegners vom 4. April 2005
herleiten kann, weil die ihm damit bewilligte Grundsicherung in Höhe von monatlich 289,73 EUR, der ein Regelsatz als
Haushaltsvorstand von 345,- EUR zugrunde lag, bis zum 30. Juni 2005 befristet war.
Bei der Weiterbewilligung ab 1.Juli 2005 ist eine geänderte Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen, weil die Ehefrau
des Antragstellers nicht mehr – wie bis zum 30. April 2005 – Sozialhilfe vom Antragsgegner (in Höhe des Regelsatzes
eines Haushaltsangehörigen von monatlich 276,- EUR) erhält, sondern als grundsätzlich Erwerbsfähige zu Recht seit
dem 27. Mai 2005 – nach verspäteter Antragstellung – Arbeitslosengeld II vom JobCenter bezieht, und zwar neben
den hälftigen Kosten der Unterkunft Regelleistungen in Höhe von monatlich 311,- EUR gemäß § 20 Abs. 3 SGB II.
Bei dieser Sachlage hat der Antragsteller zwar zutreffend beanstandet, dass der Antragsgegner bei ihm seit Juli 2005
nur noch den Regelsatz eines Haushaltsangehörigen in Höhe von monatlich 276,- EUR in die Berechnung der
Grundsicherung eingestellt hat, wodurch sich auch der Mehrbedarfszuschlag nach § 42 Satz 1 Nr.3 i. V. m. § 30 Abs.
1 Nr. 1 SGB XII verringert hat. Es begegnet bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung aber keinen Bedenken,
dass das Sozialgericht den Antragsgegner zwar zur Gewährung von höheren Leistungen verpflichtet hat, aber nur auf
der Grundlage eines Regelsatzes von ebenfalls 311,- EUR wie bei der Ehefrau des Antragstellers, wobei es sich von
den Darlegungen des erkennenden Senats im Beschluss vom 22. Juli 2005 – L 15 B 17/05 SO ER – hat leiten lassen.
In jenem Verfahren hat der Senat entschieden, dass im Falle einer Bedarfsgemeinschaft eines volljährigen
Grundsicherungsberechtigten nach dem 4. Kapitel des SGB XII mit einem volljährigen Bezieher von Arbeitslosengeld
II zumindest dann beiden ein Mischregelsatz von 90 % entsprechend § 20 Abs. 3 Satz 1 SGB II zusteht, d. h. derzeit
311,- EUR, wenn – wie dort bei zwei gleichermaßen einkommenslosen Hilfebedürftigen – nicht festgestellt werden
kann, wer von ihnen der Haushaltsvorstand im Sinne der zum SGB XII ergangenen Regelsatzverordnung ist, wobei
dieser Mischregelsatz dann auch die Grundlage für einen Mehrbedarfszuschlag nach §§ 42 Satz 1 Nr. 3, 30 SGB XII
darstellt.
Zwar ist dem Antragsteller darin beizupflichten, dass in seinem Fall ein insoweit abweichender Sachverhalt vorliegt,
als er über laufendes Einkommen in Gestalt einer Altersrente in Höhe von derzeit monatlich 366,45 EUR verfügt und
damit "Generalunkosten" des Haushaltes bestreitet, insbesondere die der Energieversorgung. Dies rechtfertigt aber
keine andere Beurteilung, denn auch bei dieser Konstellation erscheint es sachgerecht, auf die Vorschriften des SGB
II für die Bemessung der Regelleistungen von volljährigen Partnern zurückzugreifen, denn der Antragsteller lebt mit
seiner Ehefrau in einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II und hat als ihr nicht erwerbsfähiger
Angehöriger (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 SGB II) Grunde nach Anspruch auf Sozialgeld nach § 28 SGB II, soweit er
keinen Anspruch auf die hier in Rede stehenden Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII hat.
Für die Höhe der individuellen Regelleistungen der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II ist es
rechtlich unbeachtlich, wer innerhalb der Gemeinschaft Haushaltsvorstand ist. Der Gesetzgeber des SGB II hat
diesen überkommenen, patriarchalisch geprägten Begriff bewusst gemieden und in § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II
bestimmt, dass die Regelleistungen für zwei volljährige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft jeweils 90 % der
Regelleistung nach Abs. 2 betragen. In der Summe erhalten damit erwachsene Partner denselben Betrag wie bei der
sozialhilferechtlichen Aufteilung in 100 % für den Haushaltsvorstand und 80 % für Haushaltsangehörige entsprechend
der Regelsatzverordnung (vgl. im Übrigen die Ausführungen auf Bl. 8 des oben zitierten, den Beteiligten bekannten
Beschlusses des Senats m. w. N.). Dies gilt auch im Falle des Antragstellers, was er offenbar übersieht: Vor der
Verweisung seiner Ehefrau an das JobCenter hat der Antraggegner bei der Gewährung von Leistungen an sie beide
einen Regelsatz von 345,- EUR für ihn und von 276,- EUR für seine Ehefrau zugrunde gelegt, zusammen also 621,-
EUR. Die ihnen nun vom JobCenter bzw. im vorliegenden Verfahren zuerkannten Regelleistungen von jeweils 311,-
EUR ergeben 622,- EUR. Hieraus wird deutlich, dass der Antragsteller nicht den Regelsatz eines Haushaltsvorstandes
in Höhe von 345,- EUR beanspruchen kann, weil dies im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau zu
einer überhöhten Leistung führen würde.
Eine geringfügige Minderleistung ergibt sich lediglich hinsichtlich des Mehrbedarfszuschlages nach § 42 Satz 1 Nr. 3
i. V. m. § 30 Abs. 1 Nr.1 SGB XII, weil dieser 17 % des maßgebenden Regelsatzes beträgt. Dies ist jedoch
zwingende rechtliche Folge.
Soweit das Sozialgericht seine einstweilige Anordnung auf einen Zeitraum von sechs Monaten ab Antragseingang bei
Gericht beschränkt hat, entspricht dies dem besonderen Charakter des vorliegenden Eilverfahrens und ist nicht zu
beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung von § 193 SGG.
Die Unanfechtbarkeit dieses Beschlusses folgt aus § 177 SGG.