Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 30.09.2005

LSG Berlin-Brandenburg: ddr, schifffahrt, gleichbehandlung im unrecht, juristische person, zugehörigkeit, statut, industrie, organisation, ingenieur, diplom

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
16. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 16 R 39/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 1 S 1 AAÜG, § 1 Abs 1 S
2 AAÜG, § 5 Abs 1 AAÜG, § 8
AAÜG, Anl 1 Nr 1 AAÜG
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der
technischen Intelligenz - betriebliche Voraussetzung - Deutsche
Schiffs-Revision und -Klassifikation
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 30.
September 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Streitig ist, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem der
Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG)
verpflichtet ist, für Beschäftigungszeiten des Klägers vom 01. Februar 1975 bis zum 15.
März 1985 Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz
(AVTI) sowie die entsprechenden Arbeitsverdienste festzustellen.
Dem am 1938 geborenen Kläger wurde in der früheren Deutschen Demokratischen
Republik (DDR) nach einem Studium an der THI der akademische Grad „Diplom-
Ingenieur“ verliehen (Diplomurkunde vom 1964). Ab dem 08. Februar 1965 war der
Kläger wie folgt beschäftigt: bis zum 03. April 1968 bei dem Volkseigenen Betrieb (VEB)
E B (Diplom-Ingenieur), vom 08. April 1968 bis zum 31. Januar 1975 bei dem Institut für
E-A B (Entwicklungsingenieur), vom 01. Februar 1975 bis zum 15. März 1985 bei der
DDR-S-R und -K(im Folgenden: DSRK; wissenschaftlicher Mitarbeiter) und vom 16. März
1985 bis zum 30. Juni 1990 bei der Hochschule für Ökonomie „B L“ in
B(wissenschaftlicher Assistent).
Der Kläger hatte Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) der DDR für
die Zeit vom 01. Februar 1974 bis zum 31. Dezember 1974 und vom 01. Dezember
1983 bis zum 30. Juni 1990 gezahlt. Eine Versorgungszusage hatte er nicht erhalten.
Mit Bescheid vom 18. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
08. Februar 2005 stellte die Beklagte Zugehörigkeitszeiten des Klägers zur AVTI vom 08.
Februar 1965 bis zum 03. April 1968 und vom 08. April 1968 bis zum 31. Januar 1975
sowie Zugehörigkeitszeiten zum Zusatzversorgungssystem Nr. 4 der Anlage 1 zum
AAÜG vom 16. März 1985 bis zum 30. Juni 1990 und die Anwendbarkeit des AAÜG fest.
Die Zeit vom 01. Februar 1975 bis zum 15. März 1985 bei der DSRK könne nicht als
Zugehörigkeitszeit zur AVTI berücksichtigt werden, weil die DSRK weder ein volkseigener
Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens noch ein diesen Betrieben
gleichgestellter Betrieb gewesen sei.
Mit der Klage hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verpflichten, seine
Beschäftigungszeit vom 01. Februar 1975 bis zum 15. März 1985 als weitere Zeit der
Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG sowie die in
diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Die Beteiligten
haben umfangreiche Unterlagen zur DSRK vorgelegt, auf deren Inhalt Bezug genommen
wird. Das Sozialgericht (SG) Frankfurt (Oder) hat die Klage mit Urteil vom 30. September
2005 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Der
Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Feststellung der im Klageantrag
genannten Daten. Gleichgestellte Pflichtbeitragszeiten vom 01. Februar 1975 bis zum
15. März 1985 im Sinne von § 5 AAÜG würden nicht vorliegen. Der Kläger sei in dem
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15. März 1985 im Sinne von § 5 AAÜG würden nicht vorliegen. Der Kläger sei in dem
streitigen Zeitraum zwar entsprechend seiner Ausbildung als Ingenieur tätig gewesen,
nicht jedoch in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens
bzw. einem diesen Betrieben gleichgestellten Betrieb. Die DSRK sei kein VEB gewesen,
was bereits daraus folge, dass sie die Bezeichnung „VEB“ nicht geführt habe. Es habe
sich insoweit auch nicht um einen gleichgestellten Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2.
Durchführungsbestimmung (2. DB) zur Verordnung über die AVTI in den volkseigenen
und ihnen gleichgestellten Betrieben (AVTI-VO) vom 24. Mai 1951 (GBl. 487) gehandelt.
Die DSRK sei kein Institut oder Betrieb der Schifffahrt im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB
gewesen. Denn nach der Anordnung über das Statut der DSRK vom 27. Dezember 1972
(GBl. I S. 42; AO-DSRK 1972) habe die DSRK die Aufgabe gehabt, die technische
Schiffssicherheit von aufsichts- und klassifikationspflichtigen Wasserfahrzeugen
einschließlich deren Bauteile, Ausrüstungen und Einrichtungen zu überwachen und
dadurch zum Schutz des Fahrzeuges und des menschlichen Lebens auf See und
anderen Gewässern und zum sicheren Transport der Ladung beizutragen. Aus den
weiteren in § 3 AO-DSRK 1972 genannten Aufgaben folge, dass es sich bei der DSRK um
ein Schifffahrtsaufsichtsorgan der DDR gehandelt habe, nicht um ein Institut der
Schifffahrt im Sinne der Versorgungsordnung. Das Recht der DDR habe den Begriff des
„Instituts“ gekannt, wie insbesondere die Organisation der Hauptverwaltung des
Seeverkehrs deutlich mache. Die DSRK sei zu keiner Zeit als Institut definiert worden.
Sie sei auch kein Betrieb der Schifffahrt gewesen (Verweis auf Landessozialgericht für
das Land Brandenburg, Beschluss vom 08. Februar 2005 - L 22 RA 90/04 -).
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor: Bei der DSRK
habe es sich entgegen der Auffassung des SG um einen gleichgestellten Betrieb im
Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB gehandelt. Sie sei der Hauptverwaltung der Schifffahrt
direkt unterstellt gewesen. Der Kläger legt ergänzend zahlreiche Unterlagen vor, auf
deren Inhalt Bezug genommen wird.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 30. September 2005 aufzuheben
und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 18. November 2003 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Februar 2005 zu verpflichten, den
Zeitraum vom 01. Februar 1975 bis zum 15. März 1985 als Zeit der Zugehörigkeit zum
Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und
Anwartschaftsüberführungsgesetz sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten
Arbeitsentgelte festzustellen.
Auf die mit Schriftsatz vom 20. Juni 2006 gestellten Beweisanträge des Klägers wird
Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren
eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Akte der Beklagten und die Gerichtsakten (2 Bände) haben vorgelegen und sind
Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung
durch Beschluss zurückweisen können, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine
mündliche Verhandlung für nicht erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu
vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Der Kläger hat keinen mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG)
durchsetzbaren Anspruch gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 AAÜG auf Feststellung
von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum
AAÜG sowie ggf. der entsprechenden Arbeitsentgelte gemäß § 8 Abs. 2 AAÜG für den
Zeitraum vom 01. Februar 1975 bis zum 15. März 1985.
Zwar sind die Vorschriften des AAÜG auf den Kläger ungeachtet dessen anwendbar,
dass er in der früheren DDR zu keinem Zeitpunkt bis zum 30. Juni 1990 eine
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dass er in der früheren DDR zu keinem Zeitpunkt bis zum 30. Juni 1990 eine
Versorgungszusage erhalten hatte. Denn die Beklagte hat in dem angegriffenen
Bescheid vom 18. November 2003 - insoweit unangefochten und damit bindend (vgl. §
77 SGG) - in Gestalt eines feststellenden Entscheidungssatzes im Sinne von § 31
Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) eine
positive Statusentscheidung über die Anwendbarkeit des AAÜG auf den Kläger getroffen
(vgl. hierzu: BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 2 S. 10 f.). Dem Kläger steht jedoch kein Anspruch
auf Feststellung von Tatbeständen gleichgestellter Pflichtbeitragszeiten nach § 5 Abs. 1
AAÜG für den streitigen Zeitraum vom 01. Februar 1975 bis zum 15. März 1985 zu.
Denn die in Rede stehenden Beschäftigungszeiten sind keine Zugehörigkeitszeiten im
Sinne von § 5 Abs. 1 AAÜG. Dabei ist der Rechtsgehalt des § 5 AAÜG ausschließlich nach
objektiven Auslegungskriterien des Bundesrechts unter Beachtung des
Gleichheitssatzes zu ermitteln und die jeweiligen Versorgungsordnungen i.V. mit den
Durchführungsbestimmungen sowie den sonstigen sie ergänzenden bzw. ausfüllenden
abstrakt-generellen Regelungen sind lediglich faktische Anknüpfungspunkte dafür, ob in
der DDR nach dem Stand der Versorgungssysteme am 30. Juni 1990 (vgl. § 5 Abs. 2
AAÜG) eine Beschäftigung ihrer Art nach von einem Versorgungssystem erfasst war.
Dabei kommt es weder auf die Auslegung der Versorgungsordnungen durch die
Staatsorgane der DDR noch auf deren Verwaltungspraxis an (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juli
2004 - B 4 RA 11/04 R - veröffentlicht in juris). Eine Zeit der Zugehörigkeit zur AVTI kann
danach nur vorliegen, wenn der Kläger 1. die Berechtigung hatte, eine bestimmte
Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), 2. eine der
Berufsbezeichnung entsprechende Beschäftigung oder Tätigkeit verrichtet hat (sachliche
Voraussetzung) und 3. die Beschäftigung oder die Tätigkeit in einem volkseigenen
Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 der 2. DB)
oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche
Voraussetzung) ausgeübt hat (vgl. hierzu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 6; Urteil vom 10.
April 2002 - B 4 RA 32/01 R - veröffentlicht in juris).
Der Kläger war zwar im streitigen Zeitraum berechtigt, aufgrund seines
abgeschlossenen Studiums an der T H in I den Titel eines „Diplom-Ingenieurs“ zu führen
(Urkunde vom 1964). Ob er als wissenschaftlicher Mitarbeiter der DSRK die sachliche
Voraussetzung für eine Einbeziehung in die AVTI, nämlich die Verrichtung einer
ingenieurtechnischen Tätigkeit, erfüllt hat, kann dahinstehen. Denn mit der
Beschäftigung bei der DSRK vom 01. Februar 1975 bis zum 15. März 1985 (bzw. laut
Abschlussbeurteilung bis zum 14. März 1985) erfüllte der Kläger jedenfalls nicht die
betriebliche Voraussetzung für eine Zeit der Zugehörigkeit zur AVTI. Die DSRK war kein
volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens und einem solchen
Betrieb auch nicht gleichgestellt.
Die DSRK war kein VEB im Sinne der bundesrechtlichen Auslegung der AVTI-VO, sondern
ein Organ des Ministeriums für Verkehrswesen der DDR für die Wahrnehmung der sich
auf dem Gebiet der technischen Schiffssicherheit ergebenden staatlichen Aufgaben (vgl.
§ 1 Abs. 1 AO-DSRK). Auf die DSRK als staatliches Organ fanden die staatlichen
Vorschriften der DDR über VEB (VO über Maßnahmen zur Einführung des Prinzips der
wirtschaftlichen Rechnungsführung vom 20. März 1952 - GBl. S. 225 -, VO über die
Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes vom 09. Februar
1967 - GBl. II S. 121 - i.V.mit der VO über das Verfahren der Gründung und
Zusammenlegung von VEB vom 16. Oktober 1968 - GBl. II S. 965 -, VO über die
Aufgaben, Rechte und Pflichten der VEB, Kombinate und Vereinigungen Volkseigener
Betriebe vom 28. März 1973 - GBl. I S. 129 - und die VO über Volkseigene Kombinate,
Kombinatsbetriebe und VEB vom 08. November 1979 - GBl. I S. 355 -) keine Anwendung
(vgl. auch das Schreiben des Hauptdirektors der DSRK an das Ministerium für
Verkehrswesen zur Umwandlung der DSRK in eine Kapitalgesellschaft vom 10. April
1990). Insbesondere hatte die DSRK weder einen Status noch führte sie einen Namen,
der die Bezeichnung „VEB“ enthalten musste, und sie trat unter diesem Namen im
Rechtsverkehr auch nicht auf. Sie war auch nicht in das Register der Volkseigenen
Wirtschaft eingetragen.
Die DSRK war auch keinem volkseigenen Produktionsbetrieb nach § 1 Abs. 2 der 2. DB
gleichgestellt. Aus dem Bereich des Verkehrswesens werden in der genannten Vorschrift
ausdrücklich nur Institute und Betriebe der Eisenbahn und Schifffahrt benannt. Die DSRK
war aber weder ein Institut noch ein Betrieb der Schifffahrt. Die DSRK war ein staatliches
Schifffahrtsaufsichtsorgan der DDR, dem die Gewährleistung der technischen Sicherheit
aller nationalen Wasserfahrzeuge durch Erlass und Kontrolle der Einhaltung von Bau-,
Reparatur-, Ausrüstungs- und Betriebsvorschriften oblag. Die Organisation der
Hauptverwaltung des Seeverkehrs und der Hafenwirtschaft untergliederte sich nach der
vom Kläger vorgelegten Darstellung in die Direktion des Seeverkehrs und der
Hafenwirtschaft, das Institut für den Seeverkehr und die Hafenwirtschaft, das
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Hafenwirtschaft, das Institut für den Seeverkehr und die Hafenwirtschaft, das
Seefahrtsamt der DDR und die DSRK, die allesamt der Hauptverwaltung direkt unterstellt
waren. Bereits aus dieser Organisationsdarstellung erhellt, dass nach dem
Sprachgebrauch der DDR der Begriff des „Instituts“ als Rechtsbegriff verwendet wurde
(vgl. u. a. VO über die Bildung eines Planökonomischen Instituts beim Ministerium für
Planung vom 16. Februar 1950 - GBl. S. 132; Statut des „Deutschen Pädagogischen
Zentralinstituts“ und seiner Zweigstellen vom 02. März 1950 - GBl. S. 155; Anordnung
über das Statut des Instituts für Kommunalwirtschaft - GBl. II 1967, S. 209; Anordnung
über das Statut des Instituts zur Ausbildung von Ökonompädagogen - GBl. DDR II 1967,
S. 255; Anordnung über das Institut für Kulturbauten - GBl. I 1975, S. 213; Anordnung
über das Statut des Instituts für Bergbausicherheit - GBl. I 1987, S. 203). Die DSRK
wurde in sämtlichen Anordnungen über das ihr zugrunde liegende Statut nicht als
Institut definiert, sondern als staatliches Aufsichtsorgan. Die DSRK war auch keine
Hauptverwaltung im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB. Denn sie war der Hauptverwaltung
Schifffahrt bzw. der Hauptverwaltung Seeverkehr und Hafenwirtschaft lediglich
unterstellt, und zwar als rechtsfähige juristische Person und Haushaltsorganisation (§ 10
AO-DSRK 1972). Zu den Hauptverwaltungen im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB zählen
aber nur die wirtschaftsleitenden staatlichen Organe der DDR, die auch diesen Namen
führten, beispielsweise die Hauptverwaltung Holz- und Kulturwaren, die Hauptverwaltung
Funkwesen, die Hauptverwaltung Eisen-, Blech- und Metallwaren und eben auch die
Hauptverwaltung Seeverkehr und Hafenwirtschaft (vgl. BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B
4 RA 31/01 R = SozR 3-8570 § 1 Nr. 2).
Die DSRK war auch kein Betrieb der Schifffahrt, und zwar schon deshalb nicht, weil ihr die
Beförderung von Gütern und Personen mit Wasserfahrzeugen nicht das Gepräge
gegeben hat. Auch nach der Rechtsordnung der DDR gehörten zur Schifffahrt der
Betrieb und die Verwendung von Wasserfahrzeugen im Rahmen der Binnenschifffahrt
oder der Schifffahrt auf dem offenen Meer (vgl. § 2 der Anordnung über die Organisation
der Volkseigenen Schifffahrts- und Umschlagsbetriebe vom 22. Dezember 1956 - GBl. I
1957 S. 18 -, § 3 Abs. 3 Seehandelsschifffahrtsgesetz der DDR vom 05. Februar 1976 -
GBl. I, S. 109). Die DSRK ist auch nach den Rechtsvorschriften der DDR zu keiner Zeit als
Schifffahrtsbetrieb definiert worden. Dass sämtliche wirtschaftlichen
Organisationseinheiten, die im weitesten Sinne mit Schifffahrt zu tun hatten, von der
Gleichstellungsregelung des § 1 Abs. 2 der 2. DB erfasst würden, ist nach objektiven
Auslegungskriterien des Bundesrechts unter Berücksichtigung der genannten DDR-
Vorschriften als faktische Anknüpfungspunkte nicht ersichtlich. Aus dem vom Kläger
vorgelegten Rahmenkollektivvertrag über die Arbeits- und Lohnbedingungen der
Beschäftigten des Volkseigenen Kombinates Seeverkehr und Hafenwirtschaft -
Deutfracht/Seereederei - (RKV Seeverkehrswirtschaft) folgt keine andere Beurteilung.
Denn hieraus folgt nicht, dass für die diesem RKV unterfallenden
Arbeitsrechtsverhältnisse zugleich die versorgungsrechtlichen Regelungen der AVTI
maßgebend waren. Im Übrigen unterschied auch das Recht der DDR zwischen
staatlichen Organen und Betrieben, wie sich aus § 11 Abs. 2 und Abs. 3 des
Zivilgesetzbuches der DDR vom 19. Juni 1975 (GBl. I S. 465) ergibt. Demgemäß war die
DSRK gemäß der „Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR“ (Ausgabe 1985),
herausgegeben von der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik beim Ministerrat der
DDR, mit der Betriebsnummer 91140 den staatlichen Verwaltungen und
gesellschaftlichen Organisationen zugeordnet und nicht dem Wirtschaftsbereich Verkehr,
Post- und Fernmeldewesen. Eine Erweiterung der gleichgestellten Betriebe und
Einrichtungen über die in der 2. DB genannten hinaus kommt jedoch nicht in Betracht
(vgl. dazu BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 - B 4 RA 18/03 R - veröffentlicht in juris).
Dem Beweisantrag des Klägers, namentlich benannte frühere Mitarbeiter der DSRK zu
hören, bei denen die Beklagte Zugehörigkeitszeiten zur AVTI positiv beschieden habe,
war nicht zu entsprechen. Es mag zwar durchaus so sein, dass tatsächlich Mitarbeiter
der DSRK in die AVTI einbezogen wurden, beispielsweise aufgrund eines Einzelvertrages
(vgl. § 1 Abs. 3 der 2. DB). Auf die Auslegung der Versorgungsordnung durch die
Staatsorgane der DDR und deren Verwaltungspraxis kommt es aber nicht an (vgl. BSG,
Urteil vom 27. Juli 2004 - B 4 RA 11/04 R -). Im Übrigen kann der Kläger daraus, dass
möglicherweise nachträglich - zu Unrecht - Zugehörigkeitszeiten im Sinne des § 5 AAÜG
bei ehemaligen Mitarbeitern der DSRK, die weder eine Versorgungszusage noch einen
Einzelvertrag hatten, von der Beklagten berücksichtigt wurden, auch im Hinblick auf den
Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) keine Rechte
herleiten. Denn es gibt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht.
Auch dem Beweisantrag des Klägers, ein Sachverständigengutachten darüber
einzuholen, dass die DSRK im Sprachgebrauch der DDR ein Institut oder ein Betrieb der
Schifffahrt gewesen sei, war nicht zu folgen. Denn die vorliegend
entscheidungserhebliche Norm des Bundesrechts, § 5 AAÜG, hat allein das Gericht
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entscheidungserhebliche Norm des Bundesrechts, § 5 AAÜG, hat allein das Gericht
auszulegen. Der Amtsermittlungsgrundsatz des § 103 Satz 1 SGG gilt nur für die
Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts, nicht für die Auslegung von
inländischen Rechtsvorschriften (vgl. BSG SozR Nr. 27 zu § 103 SGG).
Andere Rechtsgrundlagen, auf die der Kläger sein Begehren stützen könnte, sind nicht
ersichtlich. Insbesondere verstößt es nicht gegen Verfassungsrecht, dass der
Bundesgesetzgeber an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene
Ausgestaltung der Versorgungssysteme der DDR und deren Differenzierungen
angeknüpft hat. Denn der Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 3 GG gebietet es
nicht, von den historischen Gegebenheiten in der DDR, aus denen sich Ungleichheiten
ergeben könnten, abzusehen und sie rückwirkend zu Lasten der heutigen Beitrags- und
Steuerzahler auszugleichen. Die Begünstigung der damals Einbezogenen hat der
Bundesgesetzgeber als ein Teilergebnis der Verhandlungen im Einigungsvertrag
angesichts der historischen Bedingungen hinnehmen dürfen (vgl. BverfGE 100, 138, 190
= SozR 3-8570 § 7 Nr. 1). Zu einer „Totalrevision“ des aus der DDR stammenden
Versorgungsrechts war er über die mit der ständigen Rechtsprechung des BSG
vorgenommene Modifikation von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG hinaus nicht verpflichtet (vgl.
BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 2; Urteil vom 18. Juni 2003 - B 4 RA 1/03 R -). Zwischenzeitlich
hat auch das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Auslegung der Texte der
Zusatzversorgungsordnungen durch die Fachgerichte, insbesondere durch das BSG,
nicht willkürlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08. September 2004 - 1 BvR 1503/04 -
nicht veröffentlicht; zuletzt Beschluss vom 26. Oktober 2005 - 1 BvR 1921/04 u.a. -
veröffentlicht in juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen
nicht vor.
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