Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 22.04.2005
LSG Berlin-Brandenburg: materielles recht, befangenheit, zivilprozessordnung, präsident, eigenschaft, vertretungsbefugnis, unentgeltlich, quelle, link, sammlung
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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 1.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 1 SF 1005/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Tenor
Das Gesuch der Klägerin, den Richter am Sozialgericht wegen Besorgnis der
Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.
Gründe
Es kann dahin stehen, ob das Befangenheitsgesuch, das die Klägerin im Wesentlichen
wie das vorangegangene Gesuch vom 21. Februar 2005 begründet hat, zulässig ist.
Jedenfalls rechtfertigt das erneute Vorbringen auch nach wiederholter Prüfung keine
andere Entscheidung, weshalb der Senat, um Wiederholungen zu vermeiden, zunächst
auf die Ausführungen in seinem Beschluss vom 22. April 2005 Bezug nimmt. Soweit die
Klägerin daneben ihr Ablehnungsgesuch auf weitere angebliche Verfahrens- und
Rechtsfehler des abgelehnten Richters nach Anbringung des zuvor beschiedenen
Ablehnungsgesuchs stützt, ist dieses Vorbringen ebenso wenig geeignet, Misstrauen
gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Denn Anhaltspunkte für eine
unsachliche Einstellung des Richters oder Willkür in diesem Zusammenhang sind nicht
ersichtlich. Im Einzelnen ist auf Folgendes hinzuweisen:
Die Klägerin verkennt trotz entsprechender Hinweise des Senats die Funktion der
dienstlichen Äußerung eines Richters nach § 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm §
44 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) offenbar grundlegend. Bei der Stellungnahme geht
es weder darum, dass der Richter „seine Nicht-Befangenheit (…) begründet“, wie die
Klägerin im Schriftsatz vom 18. Oktober 2005 meint, noch ist es Funktion der
dienstlichen Stellungnahme, eine Äußerung des Richters zu bestimmten, von den
Beteiligten vorgegebenen Rechtsfragen herbeizuführen, wie sie es im Schriftsatz vom
23. November 2005 beantragt hat. Sinn der Äußerung ist allein die Klärung des
Sachverhalts (vgl. Heinrich in Musielak, Zivilprozessordnung, 4. Auflage 2005, § 44 RdNr.
9). Bereits nach den dienstlichen Äußerungen vom 22. Februar 2005 und vom 19.
September 2005 konnte der Senat davon ausgehen, dass der Richter den zugrunde
liegenden Tatsachen, die sich aus den Akten ergeben, nichts hinzuzufügen hatte. Dies
hat sich nach Eingang seiner ergänzenden Stellungnahme vom 8. November 2005
bestätigt. Die Klägerin stützt ihr Ablehnungsgesuch auf Gründe, die sich ihrer Ansicht
nach aus dem aktenkundigen Verhalten des Richters ergeben. Der Richter sieht eine
eingehende Stellungnahme dazu als entbehrlich an, weil die Fristsetzungen, wie die
Klägerin sie beanstandet, ebenso wie sein übriges Tätigwerden bis zur Anbringung des
Ablehnungsgesuchs aktenkundig sind. Eine weitergehende Aufklärung wie im Schriftsatz
vom 23. November 2005 beantragt ist nach alledem nicht erforderlich.
Vom Standpunkt eines vernünftigen Prozessbeteiligten aus, der den Maßstab für die
Prüfung nach § 42 ZPO bildet, sind die Anschuldigungen gegen den abgelehnten Richter
im Schriftsatz vom 23. November 2005, er habe gegenüber dem Senat bewusst
unwahre Angaben gemacht, haltlos. Der Bevollmächtigte der Klägerin ist zwar über die
internen Gerichtsabläufe nicht informiert. Er hat es allerdings auch nicht für notwendig
befunden, sich hierüber Klarheit zu verschaffen, bevor er entsprechende Vorwürfe gegen
den abgelehnten Richter angebracht hat. Aus der Akte ergibt sich, dass die
handschriftlichen Verfügungen des Richters im Regelfall erst eine Woche und später von
der Kanzlei des Sozialgerichts bearbeitet werden konnten. Es ist daher zutreffend, dass
durch die Personalsituation des Sozialgerichts Verzögerungen eingetreten sind, die die
Klägerin allein durch die Daten in den Schreiben nicht lückenlos nachvollziehen konnte.
Auf diese Tatsache hat der Richter in seiner dienstlichen Stellungnahme hingewiesen,
was nicht zu beanstanden ist und keinesfalls die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt.
Dass daneben weitere Verzögerungen durch die Aufgabe zur Post, die zentral für das
gesamte Sozialgericht erfolgt, und schließlich durch die Postlaufzeiten an sich
eingetreten sein mögen, hat der Richter nicht bestritten. Diese Tatsachen liegen
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eingetreten sein mögen, hat der Richter nicht bestritten. Diese Tatsachen liegen
außerhalb seines Einflussbereichs, so dass er hierzu keine Angaben machen kann und
muss.
Der Vorwurf der Klägerin, der abgelehnte Richter „verfolge Aktionen, die auf eine
Eliminierung ihres Prozessbevollmächtigten, hinauslaufen“, beinhaltet ebenfalls keinen
nachvollziehbaren Ablehnungsgrund. Anhaltspunkte dafür, dass der Richter es mit der
auch nach Anbringung des ersten Ablehnungsgesuchs fortgesetzten Prüfung, ob der
Bevollmächtigte unter Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz tätig wird, bewusst
darauf anlegt, den Prozessbevollmächtigten in Schwierigkeiten zu bringen, wie dieser
meint, sind nicht ersichtlich. Wegen der Setzung einer Frist von 3 Wochen nach Erhalt
(nicht nach Absendung) des Schreibens vom 7. Dezember 2004 hat der Senat bereits
im Beschluss vom 22. April 2005 Stellung bezogen und im Einzelnen ausgeführt, aus
welchen Gründen dies die Besorgnis der Befangenheit nicht rechtfertigt. Entsprechendes
gilt für die im Schreiben vom 20. Juni 2005 gesetzte Frist von 4 Wochen. Im Übrigen ist
erneut darauf hinzuweisen, dass der Bevollmächtigte nicht unter einem privaten
Briefkopf, sondern unter dem eines Vereins auftritt und sich daher die Prüfung der
Vertretungsverhältnisse nicht als willkürlich erweist, auch wenn die Klägerin nicht den
Verein, sondern eine natürliche Person bevollmächtigt hat. Der Bevollmächtigte hat im
Schreiben vom 19. Dezember 2004 zwar angeboten, die Korrespondenz über seine (mit
der Vereinsadresse identische) Privatadresse zu führen, und im Schriftsatz vom 1.
August 2005 ausgeführt, er vertrete die Klägerin als Privatperson nichtgewerbsmäßig
und unentgeltlich. Er tritt aber nach wie vor sowohl dem Sozialgericht als auch dem
Senat gegenüber in seiner Eigenschaft als Präsident des Vereins auf, so dass es nicht
als willkürlich angesehen werden kann, wenn der abgelehnte Richter die Frage der
Vertretungsbefugnis nicht als abschließend geklärt ansieht. Ob die tatsächlichen
Verhältnisse, die der Richter noch als aufklärungsbedürftig ansieht, im Ergebnis eine
Zurückweisung des Bevollmächtigten rechtfertigen könnten, ist keine Frage, die im
Verfahren über das Ablehnungsgesuch zu klären ist. Verfahrensverstöße oder sonstige
Rechtsfehler eines Richters bilden - selbst wenn sie vorliegen - grundsätzlich keinen
Ablehnungsgrund, weil für die Überprüfung der Richtigkeit der Entscheidung das
Rechtsmittelverfahren zur Verfügung steht. Das Institut der Richterablehnung ist kein
geeignetes Mittel, sich gegen unrichtige oder für unrichtig gehaltene
Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren, gleichgültig ob diese Ansichten formelles
oder materielles Recht betreffen. Auch darauf hat der Senat die Klägerin bereits
mehrfach hingewiesen.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§
177 SGG).
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